OGH vom 25.08.1999, 3Ob10/98m

OGH vom 25.08.1999, 3Ob10/98m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Ferdinand K*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H*****, vertreten durch Dr. Manfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Jürgen E*****, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgit Breinbauer, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen S 350.797,-- sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 209/97w-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichtes Feldkirch vom , GZ 8 Cg 352/94f-45, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß des Berufungsgerichtes wird aufgehoben.

Das Ersturteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 350.797,-- samt 5 % Zinsen aus S 54.907,77 seit , aus S 5.132,16 seit , aus S 3.473,54 seit , aus S 51.275,14 seit , aus S 53.977,09 seit , aus S 10.264,32 seit , aus S 3.480,57 seit , aus S 3.176,44 seit , aus S 1.408,-- seit , aus S 17.369,09 seit , aus S 9.142,14 seit , aus S 2.219,15 seit , aus S 43.203,07 seit , aus S 17.660,54 seit , aus S 15.366,91 seit , aus S 8.807,04 seit , aus S 22.184,44 seit , aus S 8.287,48 seit und aus S 19.463,08 seit binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Zinsenbegehren von jeweils weiteren 5 % Zinsen wird abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 261.157,80 (darin enthalten S 40.486,30 USt und S 18.240,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Gemeinschuldnerin war auf die Herstellung und den Vertrieb von Impulsgebern spezialisiert. Der Beklagte wurde im Jahre 1983 vorerst für die Dauer von zwei Monaten als Angestellter der Gemeinschuldnerin eingearbeitet; danach wurde mündlich vereinbart, daß er im Rahmen des Gewerbes des Handels mit elektronischen Artikeln auf selbständiger Basis Produkte der Gemeinschuldnerin in Österreich und im damaligen "Ostblock" unter dem Namen "H***** & E*****" vertreiben soll. In der Folge wurde diese Geschäftsbeziehung so abgewickelt, daß die Waren nach Bestellung durch den Beklagten an einen in Deutschland liegenden grenznahen Ort postlagernd gesandt und dort vom Beklagten abgeholt, verzollt und nach Österreich verbracht wurden. Der Beklagte lieferte die Waren an die Kunden aus und fakturierte sie in seinem Namen. Um kleinere Reparatur- oder Servicearbeiten selbst ausführen zu können, standen ihm ein Ersatzteillager sowie von der Gemeinschuldnerin überlassene elektronische Artikel zur Verfügung. In Fällen, in welchen die Reparatur vom Beklagten nicht selbst durchgeführt werden konnte, übersandte er die Geräte an die Gemeinschuldnerin, die ihm diese nach Ausführung der Reparaturarbeiten zurücksandte. Eine Konkurrenzklausel wurde nicht vereinbart. Es war dem Beklagten somit nicht verboten, gleich- oder andersartige Produkte anderer Unternehmen zu vertreiben oder zu bewerben.

Die Gemeinschuldnerin stellte dem Beklagten nach Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit Visitenkarten zur Verfügung, auf welchen der Name des Beklagten als "Vertriebstechniker" und als "Generalvertretung" neben dem in roter Umrandung hervorgehobenen Namen "H*****" aufscheint. Auf dem Geschäftspapier, das die Gemeinschuldnerin dem Beklagten ebenfalls zur Verfügung stellte, war neben seinem Namen samt Anschrift wiederum hervorgehoben und auffällig der Name "H*****" aufgedruckt. Es wurde von der Gemeinschuldnerin verlangt und in der Folge einvernehmlich so gehandhabt, daß der Beklagte den Namen "H*****" im Geschäftsverkehr zu verwenden habe. Der Beklagte warb in Fachzeitschriften für die Impulsgeber der Gemeinschuldnerin unter dem Slogan "H***** setzt Impulse".

Der Beklagte erhielt während der Geschäftsbeziehung von der Gemeinschuldnerin technische Unterlagen, zum Teil auch über noch nicht patentierte Produkte; er hatte insoweit eine Vertrauensstellung.

Die Gemeinschuldnerin veranstaltete in unregelmäßigen Abständen, teilweise zweimal jährlich, Vertretergespräche (Mitarbeitermeetings), wozu auch der Beklagte eingeladen wurde; er nahm größtenteils an diesen Veranstaltungen teil.

Die Gemeinschuldnerin stellte dem Beklagten auch Preislisten zur Verfügung, wobei an sich keine Vereinbarung dahingehend bestand, daß sich der Beklagte beim Verkauf der jeweiligen Produkte an die daraus zu entnehmenden Preise zu halten habe. Dennoch erstellte der Beklagte Preislisten in österreichischer Währung, umgerechnet anhand der ihm von der Gemeinschuldnerin übergebenen DM-Preislisten, und hielt sich - ohne ausdrücklichen Zwang - an die von der Gemeinschuldnerin empfohlenen Preise.

Eine Vereinbarung, daß der Beklagte der Gemeinschuldnerin Einblick in seine Geschäftsbücher zu geben habe, bestand nicht.

Ursprünglich erhielt der Beklagte auf die ihm von der Gemeinschuldnerin verkauften Produkte einen Rabatt von 48 %. Ab verringerte sich dieser Rabatt - je nach Menge - auf 25 bis 35 % (für Zubehör auf 10 %); ab erhöhte sich der Rabatt wiederum - je nach Menge - auf 30 bis 40 %. Für seinen betrieblichen Aufwand erhielt der Beklagte - mit Ausnahme des Geschäftspapiers und der Visitenkarten, die ihm zu Beginn der Geschäftsbeziehung zur Verfügung gestellt wurden - keine finanzielle Unterstützung durch die Gemeinschuldnerin. Er hatte somit sämtliche Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit selbst zu tragen, auch die Kosten für Werbeeinschaltungen und des Besuchs allfälliger Messen und der Mitarbeitertreffen der Gemeinschuldnerin.

Die für die Gemeinschuldnerin im Ausland tätigen Vertreter waren den Vertretern im Inland (Deutschland) mit Ausnahme der Rabatt- bzw Provisionsvereinbarung gleichgestellt. Mit ausländischen Vertretern wurde eine Rabattvereinbarung, mit inländischen eine Provisionsvereinbarung getroffen. Grund hiefür war, daß die Gemeinschuldnerin die Administration mit den Auslandsvertretern so gering wie möglich halten wollte.

Ein in Deutschland für die Klägerin tätiger Vertreter erhielt eine Provision von 7,5 %.

Im Jahre 1988 betrugen die durchschnittlichen Provisionssätze für selbständige Handelsvertreter für Elektrotechnik, Elektronik etc (in Österreich) 8,1 %. Die Standardabweichung betrug 3,63 %.

Die vom Beklagten erzielte Handelsspanne entsprach ungefähr der Provision eines Handelsvertreters der Gemeinschuldnerin; er war auch bei einem Rabatt von 48 % nicht besser gestellt als mit einer Provision von 6 bis 7 %.

Mit Schreiben vom kündigte die Gemeinschuldnerin die Zusammenarbeit mit dem Beklagten auf.

Der Kläger begehrt als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin zuletzt die Zahlung von S 350.797,-- sA.

Der Beklagte stellte außer Streit, daß die vom Kläger behaupteten Warenlieferungen durchgeführt wurden und daraus die Klagsforderung aushaftet, nicht jedoch die Verzugszinsenforderung der Höhe nach, und wendete ein, er sei für die Gemeinschuldnerin im Rahmen eines "Vertreter- bzw Vertragshändlerverhältnisses" tätig gewesen, ohne daß eine Konkurrenzklausel vereinbart worden sei. Er habe stets vereinbarungsgemäß die Interessen der Gemeinschuldnerin wahrgenommen, weshalb ihm als Folge der nicht von ihm verschuldeten Auflösung der Geschäftsbeziehung ein Ausgleichsanspruch nach § 89b dHGB bzw § 24 HVertrG 1993 zustehe. Die Durchschnittsprovision aus den Jahren 1989 bis 1993 habe S 993.208,40 betragen. Durch Aufrechnung mit diesem Ausgleichsanspruch sei die an sich zu Recht bestehende Klagsforderung erloschen. Er sei während der gesamten Zusammenarbeit in das Unternehmen der Gemeinschuldnerin eingebunden gewesen, habe eine Tätigkeit analog einem Handelsvertreter ausgeübt und der Gemeinschuldnerin bei Beendigung der Geschäftsbeziehung eine Kundenliste übergeben. Die aus dem gewährten Rabatt resultierende Handelsspanne entspreche der Provision eines Handelsvertreters.

Der Kläger replizierte, der Beklagte habe gegen das ihm auferlegte Konkurrenzverbot verstoßen und damit ausreichende Gründe für die Auflösung des Handelsvertretervertrages gesetzt. Der Beklagte habe auf seine Eigenständigkeit besonderen Wert gelegt; ein Vertreterverhältnis zu ihm habe nicht bestanden.

Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren ab; neben dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf es folgende weiteren Feststellungen:

Nach Aufnahme der Tätigkeit des Beklagten als selbständiger Händler wurde hinsichtlich der Produkte der Gemeinschuldnerin in dem von ihm betreuten Gebiet eine Kundenstockerweiterung von zumindest 30 bis 40 % erzielt und der Umsatz auf 6-stellige DM-Beträge erhöht. So lagen die Umsätze des Beklagten aus Geschäften mit der Gemeinschuldnerin im Jahre 1991 über DM 305.000,--, im Jahre 1992 über DM 290.000,-- und im Jahre 1993 über DM 212.000,--. Auch die Umsätze in den Jahren 1989 und 1990 lagen nicht unter dem im Jahr 1993 erzielten Umsatz. Aufgrund des erzielten Umsatzes betrug die Handelsspanne für den Beklagten, bezogen auf den von ihm erzielten Erlös (sohin der zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten vereinbarte Rabatt) in den Jahren 1989 bis 1993 im Jahresdurchschnitt über DM 70.000,--.

Im Herbst 1992 beabsichtigte der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, sämtlichen Kunden, somit auch den vom Beklagten betreuten, ein Schreiben sowie einen neuen "Standardkatalog" mit darin enthaltenen Neuentwicklungen im Bereich von Drehgebern zukommen zu lassen. In diesem Zusammenhang übergab der Beklagte der Gemeinschuldnerin eine auf einer Diskette gespeicherte Kundenliste mit insgesamt über 270 Kundennamen. Aus Kostengründen führte er die Versendung des Schreibens und des Katalogs an seine Kunden selbst durch, wobei die Versandkosten allerdings von der Gemeinschuldnerin refundiert wurden. Die übergebene Kundenliste verblieb nach Vertragsauflösung bei der Gemeinschuldnerin.

Mit Schreiben vom teilten die (deutschen) Rechtsvertreter des Beklagten der Gemeinschuldnerin mit, daß die ihm zustehenden Ausgleichsansprüche nach § 89 dHGB dem Grunde nach geltend gemacht würden; wegen der Höhe derselben würde zu gegebener Zeit auf die Gemeinschuldnerin zugekommen werden.

Am teilte der Beklagte den damaligen Rechtsvertretern der Gemeinschuldnerin mit, daß der Ausgleichsanspruch nach § 89 dHGB DM 148.981,26 betrage und seit fällig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die analoge Anwendung des § 89b dHGB bzw § 24 HVertrG 1993 werde dann bejaht, wenn sich die Rechtsbeziehung zwischen dem Eigenhändler und dem Hersteller nicht in einer einfachen Käufer- und Verkäuferbeziehung erschöpfe, sondern der Eigenhändler in die Absatzorganisation eingebunden sei, seine Stellung daher im Einzelfall der eines Handelsvertreters gleichkomme. Die Anwendung des § 24 HVertrG 1993 auf die Geschäftsbeziehung des Vertragshändlers zum Hersteller sei dann gerechtfertigt, wenn sein Vertrag dem wesentlichen Merkmal des Handelsvertretervertrages derart angenähert sei, daß dessen Element überwiegen und die Verwehrung des Ausgleichsanspruchs den Zielsetzungen des Gesetzes zuwiderläuft. Hier sei die analoge Anwendung dieser Gesetzesbestimmung auf das Vertragsverhältnis des Beklagten zur Gemeinschuldnerin zu bejahen. Der Gemeinschuldnerin seien durch die Zuführung neuer Kunden durch den Beklagten Vorteile erwachsen; es bestehe für sie die Chance und die Möglichkeit, den vom Beklagten geschaffenen Kundenstock auch weiter zu nutzen, sodaß eine Wertsteigerung des klägerischen Unternehmens nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen anzunehmen sei. Die Behauptungs- und Beweispflicht, daß die der Gemeinschuldnerin durch den Beklagten geschaffenen Verdienstchancen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand hatten oder haben werden, treffe diese. Die Gemeinschuldnerin habe einen solchen Beweis nicht angetreten, sodaß im Gesamten die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs 1 HVertrG 1993 zu bejahen seien. Die Zahlung eines Ausgleichs entspreche auch der Billigkeit; Versagungsgründe im Sinn des § 24 Abs 3 HVertrG 1993 lägen nicht vor. Der Ausgleichsanspruch des Beklagten übersteige die Klagsforderung auf alle Fälle. Da vom Beklagten bereits eine Aufrechnung vorgenommen worden sei, sei das Leistungsbegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil infolge Berufung des Klägers auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage, nach welchen Bemessungsgrundlagen sich die Höhe des Ausgleichsanspruchs, insbesondere der Höchstgrenze nach § 24 Abs 4 HVertrG 1993, im Fall der analogen Anwendung dieser Gesetzestelle auf Vertragshändler errechnet, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit Ausnahme der weiteren vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, daß ein Großteil der vom Beklagten akquirierten und betreuten Kunden weiterhin Geschäftspartner der Gemeinschuldnerin blieben, weshalb diese auch nach Auflösung der Geschäftsbeziehung daraus erhebliche Vorteile zog, weil der Beklagte während seiner Tätigkeit neue Kunden zugeführt und die bestehenden Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hatte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, es trete zur Frage, ob der Beklagte, dem die Rechtsstellung eines Vertragshändlers der Gemeinschuldnerin zukam, grundsätzlich Anspruch in Analogie zu § 24 HVertrG 1993 habe, der Rechtsansicht des Erstgerichtes bei. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung werde die analoge Anwendung des § 24 HVertrG 1993 dann bejaht, wenn der Vertrag so sehr den Wesensmerkmalen eines Handelsvertretervertrages angenähert war, daß dessen Elemente überwiegen, oder wenn das Nichtgewähren des Anspruchs den Gesetzesintentionen widerspräche. Wie das Berufungsgericht bereits in der im ersten Rechtsgang ergangene Entscheidung 2 R 114/96y ausgeführt habe, komme es darauf an, inwieweit und in welchem Umfang der Beklagte im Geschäftsverkehr den Namen der Gemeinschuldnerin neben dem eigenen Namen herausgestellt, ob er nach Vertragsbeendigung seinen Kundenstamm (seine Kundenlisten) an die Gemeinschuldnerin übergeben und inwieweit er regelmäßig an Vertreter- und Absatzgespräche mit der Gemeinschuldnerin teilgenommen hat. Alle diese Voraussetzungen habe der Beklagte erfüllt, auch jene der Übergabe der Kundenlisten, weil es ein überspitzter Formalismus wäre, angesichts der nur wenige Monate vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses erfolgten Übergabe der Kundenlisten eine neuerliche Übergabe derselben nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zu verlangen. Die vom Beklagten erzielte Handelsspanne (nach Abzug jener Unkosten, die ein Handelsvertreter nicht zu tragen hat) habe ungefähr der Provision eines Handelsvertreters der Gemeinschuldnerin entsprochen. Der Beklagte sei so intensiv und so ähnlich wie ein Handelsvertreter in das Vertriebsnetz der Gemeinschuldnerin eingeordnet gewesen, sodaß ihm in analoger Anwendung des § 24 HVertrG 1993 zur Abgeltung des Vorteils, über den der Unternehmer als Folge der Zuführung neuer Kunden nach wie vor verfüge, einen angemessenen Ausgleichsanspruch habe. Hinsichtlich der Bemessung dieses Ausgleichsanspruchs verneinte das Berufungsgericht die Spruchreife und hob das Ersturteil zur Ergänzung des Verfahrens hinsichtlich der Höhe der der Billigkeit entsprechenden Ausgleichszahlung auf.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten gegen diesen Beschluß ist insofern berechtigt, als bereits Spruchreife vorliegt. Der Oberste Gerichtshof kann somit nach § 519 Abs 2 ZPO in der Sache selbst entscheiden und dabei auch über Rekurs des Beklagten ein Urteil im klagsstattgebenden Sinn fällen, weil das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (vgl Kodek in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 519 mwN). Das Berufungsgericht weicht nämlich mit seiner Rechtsansicht, ein Ausgleichsanspruch des Beklagten analog § 24 HVertrG 1993 sei dem Grunde nach zu bejahen, von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ab.

Vertragshändlerverträge und Verträge über Alleinvertriebsrechte sind, wenn keine Rechtswahl getroffen wurde, nach dem Recht des Sitzes des Vertragshändlers bzw nach dem Recht des Staates, dessen Markt betroffen ist, zu beurteilen (SZ 59/223; SZ 62/184; Schwimann in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 36 IPRG). Für die behaupteten Ansprüche der beklagten Partei ist demnach österreichisches Recht maßgebend. Das EVÜ, das nach dessen Art 17 für die ab dem geschlossenen einschlägigen Verträge gilt, ist hier noch nicht anzuwenden.

Das HVertrG 1993 trat gemäß seinem § 29 Abs 1 mit in Kraft. Gemäß § 29 Abs 2 HVertrG 1993 blieb das HVG 1921 auf am bestehende Vertragsverhältnisse nur bis weiterhin anwendbar. Der Zeitpunkt der Abgabe der Auflösungserklärung (nicht das Ende des Vertragsverhältnisses) ist maßgebend, ob das HVG 1921 weiterhin anwendbar bleibt (ecolex 1999, 322). Da hier dieser Zeitpunkt nach dem liegt, sind, falls Handelsvertreterrecht analog anzuwenden ist, bereits die Bestimmungen des HVertrG 1993 maßgebend.

Der Beklagte war einziger Vertragshändler der deutschen Gemeinschuldnerin in Österreich. Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 62/184; SZ 63/175; WBl 1991, 332; WBl 1997, 171; EvBl 1998/104; RdW 1998, 674; 1 Ob 251/98p, teilweise veröffentlicht in ecolex 1999, 322; 10 Ob 61/99i) steht einem Vertragshändler ein Ausgleichsanspruch analog § 25 HVG 1921 bzw § 24 HVertrG 1993 dann zu, wenn sein Vertrag so sehr Wesensmerkmalen eines Handelsvertretervertrags angenähert war, daß dessen Elemente überwiegen und die Verwehrung des Ausgleichsanspruchs den Zielsetzungen des Gesetzes zuwiderliefe. Es kommt darauf an, ob und in welchem Umfang die Stellung eines Vertragshändlers im Innenverhältnis zum Hersteller der eines Handelsvertreters angenähert war (SZ 61/179; SZ 62/184; SZ 63/175; 10 Ob 61/99i). Die hiefür maßgebenden Kriterien sind vor allem, daß der Händler zur Absatzförderung und Warenabnahme verpflichtet ist, eine entsprechende Verkaufs- und Kundendienstorganisation und ein angemessenes Lager unterhalten muß, sich an der Einführung neuer Modelle zu beteiligen hat und der Hersteller ein Weisungsrecht, die Befugnis zum jederzeitigen Zutritt zu den Geschäftsräumlichkeiten sowie ein Einsichtsrecht in die Bücher hat (SZ 63/175; WBl 1997, 171; 1 Ob 251/98p; 10 Ob 61/99i). Dazu kommt, daß der Vertragshändler verpflichtet sein muß, seinem Vertragspartner bei Vertragsbeendigung seinen Kundenstamm zu überlassen. Dem steht es gleich, wenn dem Vertragspartner bloß tatsächlich ermöglicht wird, den vom Vertragshändler erworbenen Kundenstamm auch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses kontinuierlich zu nutzen (WBl 1991, 332; EvBl 1998/104; 1 Ob 251/98p; 10 Ob 61/99i). Weiters ist maßgebend, daß die dem Vertragshändler zustehende Handelsspanne auch bereits die Werterhöhung des good will beim Hersteller bei Überlassung eines kontinuierlichen Kundenstockes abgegolten hat (SZ 62/184).

Im vorliegenden Fall ist die Stellung des Beklagten als Vertragshändler nicht derart derjenigen eines Handelsvertreters angenähert, daß ihm ein Ausgleichsanspruch analog § 24 HVertrG zustehen würde. Bei der Abwägung der hiebei, wie dargestellt, heranzuziehenden Kriterien sprechen zwar folgende Umstände dafür, daß die Stellung des Beklagten derjenigen eines Handelsvertreters entsprechend sei: Der dem Beklagten jeweils gewährte Rabatt, dh die vom Beklagten erzielte Handelsspanne (nach Abzug derjenigen Unkosten, die ein Handelsvertreter nicht zu tragen hat) entsprach ungefähr der Provision eines Handelsvertreters der Gemeinschuldnerin. Der Beklagte trat nach außen hin im Einvernehmen mit der Gemeinschuldnerin als deren "Generalvertretung" auf; er verwendete im Geschäftsverkehr den Namen "H*****", der auch auf dem von der Gemeinschuldnerin zur Verfügung gestellten Geschäftspapier auffällig aufgedruckt war. Er erhielt Preislisten und technische Unterlagen, zum Teil auch über noch nicht patentierte Produkte. Zu in unregelmäßigen Abständen, teilweise zweimal jährlich, veranstalteten Vertretergesprächen (Mitarbeitermeetings) wurde er eingeladen; größtenteils nahm er daran teil.

Was die Übergabe von Kundenlisten anläßlich der Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Gemeinschuldnerin betrifft, war der Beklagte zwar hiezu nicht verpflichtet. Wie bereits ausgeführt, steht es dem jedoch gleich, wenn dem Vertragspartner - wie es hier der Fall war - bloß tatsächlich ermöglicht wird, den vom Vertragshändler erworbenen Kundenstamm auch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses kontinuierlich zu nutzen. Diese Situation ist hier gegeben. Der Gemeinschuldnerin stand tatsächlich die Kundenliste des Beklagten zur Verfügung, weil sie der Beklagte für eine Aussendung übermittelt hatte. Der Beklagte hat nie geltend gemacht, daß die Gemeinschuldnerin nicht berechtigt wäre, die Kundenliste über diesen unmittelbaren Zweck hinaus auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zu benützen.

Dagegen fehlen aber wesentliche Elemente, die einem Handelsvertretervertrag entsprechen. Dies gilt im besonderen insofern, als kein Wettbewerbsverbot vereinbart wurde. Der Beklagte führte auch tatsächlich Fremdprodukte. Dem zufolge verneinte schon das Berufungsgericht zutreffend, daß er dadurch die Auflösung der Vertragsbeziehung mit der Gemeinschuldnerin durch treuwidriges Verhalten verschuldet hätte. Darüber hinaus war der Beklagte in seiner geschäftlichen Gestion frei und in keiner Weise in den Betrieb der Gemeinschuldnerin eingebunden, der ihm gegenüber auch keinerlei Weisungs- und Kontrollrechte eingeräumt waren. Auch für die Preisbildung bestanden keine Vorschriften; der Umstand, daß sich der Beklagte aus Wettbewerbsgründen grundsätzlich an die Preise laut Liste der Gemeinschuldnerin hielt, stellt keineswegs eine Annäherung an die Stellung eines Handelsvertreters dar. Auch die Einladung zu Schulungen geht über die Beziehung des Herstellers zu einem (bloßen) Vertragshändler nicht hinaus.

Zusammenfassend ergibt sich aus der von den Vorinstanzen festgestellten Vertragsgestaltung und auch der tatsächlichen Abwicklung nicht, daß hier die Elemente des Handelsvertretersvertrages überwiegen würden.

Bei dieser Sachlage steht dem Beklagten ein Ausgleichsanspruch analog § 24 HVertrG schon dem Grunde nach nicht zu. Seine Gegenforderung aus diesem Titel, deren Aufrechnung er bereits vor dem Prozeß erklärt hatte, besteht somit nicht zu Recht.

Da die Klagsforderung mit Ausnahme der nicht unter Beweis gestellten, über die gesetzlichen Zinsen hinausgehenden Verzugszinsen dem Grund und der Höhe nach unbestritten ist, konnte der Oberste Gerichtshof in der Sache entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Auch im Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof ist der Beklagte im Ergebnis als unterlegen anzusehen, weil endgültig in der Sache selbst im klagsstattgebenden Sinn entschieden wurde. Soweit der Kläger von einer zu hohen Bemessungsgrundlage ausgehend Kosten verzeichnet hat, waren sie zu reduzieren; ebenso waren doppelt verzeichnete Kosten und Kosten für tatsächlich nicht erbrachte Leistungen zu streichen.