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OGH vom 25.10.2018, 6Ob151/18a

OGH vom 25.10.2018, 6Ob151/18a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. C***** B*****, 2. M***** B*****, beide *****, vertreten durch Dr. Thomas Trixner, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei B*****gmbH, *****, vertreten durch DDr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Feststellung und Leistung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 19 R 21/18a-18, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 8 C 416/17k-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit 688,92 EUR (darin 114,82 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, welche Auswirkungen ein in einem Verfahren über obligatorische Ansprüche abgeschlossener Generalvergleich im Zweifel auf dingliche Rechte hat.

Im Vorverfahren 11 C 5/16i des Erstgerichts machten die Klägerinnen gegenüber der Beklagten Mietzinsansprüche betreffend einen im Eigentum der Klägerinnen stehenden Lagerplatz geltend und begehrten außerdem dessen Räumung durch die Beklagte. Die Beklagte wiederum wendete eine Gegenforderung ein, der von ihr getragene Kosten der Entsorgung von auf dem Lagerplatz befindlichem Abfall zugrunde lagen. Am schlossen die Parteien im Vorverfahren einen Vergleich, in dem sich die Beklagte zur Räumung des Lagerplatzes bis verpflichtete. Darüber hinaus hielten die Parteien fest, dass für den geltend gemachten Mietzins sowie die nachfolgenden Mietzinsperioden bis zur Räumung keine Mietzinszahlungspflicht bestehe und dass „mit Erfüllung dieses Vergleichs sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien bereinigt und verglichen“ seien.

Auf der (Lagerplatz-)Liegenschaft der Klägerinnen ist zugunsten der Beklagten seit ein Vorkaufsrecht verbüchert, dessen Löschung die Klägerinnen nunmehr aufgrund des Vergleichs vom begehren; außerdem soll dessen Erlöschen festgestellt werden. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab; das Vorkaufsrecht sei überhaupt nicht Gegenstand des Vorverfahrens gewesen, es sei lediglich im Rahmen einer Parteienvernehmung „am Rande erwähnt“, nicht jedoch formell erörtert worden.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 1389 Satz 1 ABGB erstreckt sich ein Vergleich, welcher über eine besondere Streitigkeit geschlossen worden ist, nicht auf andere Fälle. Damit steht die Rechtsprechung im Einklang, wonach etwa ein Vergleich anlässlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses im Zweifel bezüglich aller daraus entspringenden gegenseitigen Forderungen wirkt (RIS-Justiz RS0032589). Stehen beispielsweise nur Ansprüche aus einem Angestelltenverhältnis zur Diskussion, dann liegt es nahe, nur diese ausdrücklich abschließend zu regeln (RIS-Justiz RS0032589 [T4]); ebenso erledigt ein anlässlich einer Ehescheidung abgeschlossener Vergleich im Zweifel (nur) alle aus dem Eheverhältnis entspringenden, den Parteien bekannten Ansprüche (RIS-Justiz RS003

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478). Schon allein aufgrund dieser Grundsätze ist die Auffassung des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien seien lediglich die (obligatorischen) Ansprüche aus dem Mietverhältnis, nicht aber (dingliche) Ansprüche im Zusammenhang mit dem Vorkaufsrecht verglichen worden, durchaus vertretbar.

2. § 1389 Satz 2 ABGB bezieht sich auf „allgemeine, auf alle Streitigkeiten überhaupt lautende Vergleiche“, also auf sogenannte Generalvergleiche. Einen solchen sehen die Klägerinnen in der Formulierung „Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien bereinigt und verglichen“ des am abgeschlossenen Vergleichs. Eine solche Formulierung erfasst jede Art von Ansprüchen, und zwar unabhängig davon, ob sie für die Parteien bei Vergleichsabschluss erkennbar waren oder nicht; wenn eine entgegenstehende Parteienabsicht nicht feststeht, ist die Bereinigungswirkung nach der Zweifelsregel des § 1389 Satz 2 ABGB jedoch nur auf Ansprüche zu erstrecken, welche die Parteien bedenken konnten (4 Ob 21/03x). Die Bereinigungswirkung bezieht sich dann auf alle naheliegenden Ansprüche, die mit dem bereinigten Rechtsverhältnis typischerweise im Zusammenhang stehen (Heidinger in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2016] § 1389 ABGB Rz 2), nicht jedoch auf Ansprüche, mit deren späterem Entstehen die Parteien trotz Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt nicht rechnen konnten (4 Ob 21/03x). Ob sie daran gedacht haben, ist eine Tatfrage, ob sie daran denken konnten, eine Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0032453 [T2]).

3. Gegenstand des Ausgangsverfahrens war ein Begehren auf Mietzins und Räumung, dem eine Gegenforderung aus Kosten von Entsorgung von Abfall entgegengehalten wurde. Das Vorkaufsrecht selbst war nicht Gegenstand des Verfahrens und wurde in diesem bis auf eine kurze Erwähnung im Zuge der Parteienvernehmung des Geschäftsführers der Beklagten nicht thematisiert, insbesondere auch nicht durch Vorbringen oder gegenüber dem Richter; ebenso wenig war es ein Thema in der Korrespondenz zwischen den Vertretern der Streitteile. Zwar wusste der (damalige) Vertreter der Beklagten, dass die Klägerinnen einen Verkauf der Liegenschaft beabsichtigten; konkrete Verkaufsabsichten oder explizit das Vorkaufsrecht thematisierte der Vertreter der Klägerinnen gegenüber jenem der Beklagten aber nicht. Der Vertreter der Klägerinnen wollte durch den Generalvergleich das Vorkaufsrecht „mit abgedeckt wissen“; dass er das Vorkaufsrecht vorsätzlich verschwiegen hätte, um es in den Generalvergleich hinein zu reklamieren, steht allerdings nicht fest. Der Vorschlag des Aufnehmens einer Generalklausel stammte vom Vertreter der Beklagten, der zwar nicht an das Vorkaufsrecht dachte, jedoch Echtheit und Richtigkeit des im Vorverfahren von den Klägerinnen vorgelegten Grundbuchsauszugs (Beilage ./C) anerkannte, wobei sich diesem Auszug das Vorkaufsrecht entnehmen lässt; die Behauptung der Revision (AS 78 f), der Vertreter der Beklagten selbst habe den Grundbuchsauszug im Vorverfahren vorgelegt, entspricht allerdings weder den Feststellungen in diesem Verfahren noch der Aktenlage im Vorverfahren.

Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage zur Einschätzung gelangte, dass die Generalklausel im Vergleich vom nicht auch das bestehende Vorkaufsrecht beseitigen sollte, dann hält sich dies im Rahmen der Rechtsprechung und stellt keine als vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar; das Vorkaufsrecht war bis auf eine beiläufige Erwähnung in der Verhandlung schlicht „kein Thema“ im Vorverfahren und auch nicht in der Korrespondenz der Streitteile. Vor allem steht das Ergebnis des Berufungsgerichts im Einklang mit der Rechtsprechung zur Bereinigungswirkung von Vergleichen bei der Beendigung von Dauerschuldverhältnissen (RIS-Justiz RS0032589); mit dem Vergleich sollten im Zweifel (nur) die Ansprüche aus dem Dauerschuldverhältnis (Mietverhältnis), nicht aber damit gar nicht in Zusammenhang stehende Ansprüche verglichen werden.

4. Dass die Klägerinnen den Verkauf der Liegenschaft beabsichtigt hatten, ändert daran nichts, hindert doch die Existenz eines Vorkaufsrechts den Verkauf einer Liegenschaft an sich nicht (vgl Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 [2017] § 1072 ABGB Rz 1). Auf das in der Revision vorgetragene Argument, das konkret einverleibte Vorkaufsrecht sei aufgrund seiner Ausgestaltung (Ermittlung des Kaufpreises durch einen Sachverständigen im Vorkaufsfall; vgl Beilage ./A) nachteilig für die Klägerinnen, haben sich diese im Verfahren erster Instanz nicht gestützt.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00151.18A.1025.000

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