OGH vom 21.11.2017, 6Ob151/17z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH in Linz, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Martin Dohnal, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 43.200 EUR) und Widerrufs (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 49/17g-20, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 6 Cg 16/16s-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben, dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin betreibt im Rahmen des Gewerbes der Arbeitskräfteüberlassung und Arbeitsvermittlung ein seit dem Jahr 2003 etabliertes Personaldienstleistungs-
unternehmen, das auf die Vermittlung von Fach- und Führungskräften für Montage- und Baustelleneinsätze im In- und Ausland spezialisiert ist. Auf ihrer Website veröffentlicht die Klägerin monatlich Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamts und der Gebietskrankenkasse; sie ist TÜV-SCP zertifiziert und verfügt über eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Gewerkschaft PRO-GE. Die finanzielle Situation der Klägerin ist zufriedenstellend; es besteht eine sehr geringe Ausfallwahrscheinlichkeit von Forderungen in Höhe von 0,09 %.
Die Beklagte betreibt eine Wirtschaftsauskunftei, die ihren Kunden gegen Entgelt Wirtschafts- und Bonitätsauskünfte über inländische und ausländische Personen und Unternehmen anbietet. Vor einer solchen Auskunftserteilung müssen die Kunden der Beklagten ihr berechtigtes Interesse an der jeweiligen Auskunft bescheinigen, wobei der Kunde sein Geschäftsmodell zu erklären und zu erläutern hat, für welchen Zweck die Auskunft eingeholt werden soll. Den zwischen der Beklagten und ihren Kunden geschlossenen Verträgen liegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten zugrunde. Diese AGB lauten auszugsweise:
III Jahresbeitrag, Preise und damit verbundene Leistungen
1. Durch den Abschluss eines Vertrages mit B***** erwirbt der Vertragspartner, sofern nichts anderes vereinbart wird, eine Online Berechtigung für die Dauer von 1 Jahr und ist zur Zahlung eines von B***** jeweils generell festgesetzten Jahresbeitrages, welcher im Voraus zu entrichten ist, verpflichtet. Durch den Jahresbeitrag erhält der Vertragspartner auf Wunsch einen persönlichen Zugangscode, der es ihm ermöglicht, Wirtschaftsauskünfte von B***** abzurufen.
[...]
V Vertraulichkeit der Daten
1. Sämtliche gesammelten, erstellten und weitergeleiteten Daten über wirtschaftlich tätige Personen und Unternehmen (Wirtschaftsauskünfte), in welcher Form und auf welchem Medium auch immer, sind vom Vertragspartner streng vertraulich zu behandeln und nur für dessen eigene interne geschäftliche Zwecke bestimmt bzw darf der Vertragspartner die Daten nur zu dem Zwecke nutzen oder verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt wurden.
[…]
3. Die Weitergabe und Veräußerung dieser Wirtschaftsauskünfte – weder ganz, noch auszugsweise – in welcher Form auch immer, an Konzernunternehmen oder Tochtergesellschaften oder sonstige Dritte ist untersagt […] Eine handelsübliche Weitergabe an Banken, Finanzinstitutionen und an Berater, welche einer beruflichen Geheimhaltungspflicht unterliegen, ist unter der Bedingung gestattet, dass alle Bestimmungen dieser allgemeinen Geschäftsbedingungen dem betreffenden Institut bzw. der betreffenden Person überbunden werden.
[…]
5. Der Vertragspartner haftet gegenüber B***** für jeden Schaden und alle Nachteile, die aus einer Verletzung der Bestimmungen über den Datenschutz sowie aus einem Verstoß gegen die Bestimmungen von [Punkt] V dieser AGB entstehen.
Die von der Beklagten erstellten Auskünfte basieren zum einen auf von verschiedenen Datenlieferanten zur Verfügung gestellten und zum anderen auf veröffentlichten Informationen, wie zum Beispiel auf Bilanzen. Datenlieferanten sind dabei beispielsweise Inkassobüros und Autovermietungsunternehmen. Diese Informationen und Daten werden in das Computersystem der Beklagten eingespielt, zentral verarbeitet und bewertet.
Die Klägerin wurde Anfang Februar 2016 von einem ihrer Kunden darauf aufmerksam gemacht, dass zu ihrem Unternehmen eine „rote Frühwarnmeldung“ von der Beklagten erlassen wurde. Diese Meldung lautete wie folgt:
ROT: Zahlungsverhalten: Änderung der Zahlungsweise
Das Zahlungverhalten für S***** GmbH & CO KG hat sich verschlechtert. Gemäß den D***** vorliegenden Zahlungserfahrungen werden jetzt durchschnittlich 111 TAGE NACH ZAHLUNGSZIEL, beansprucht, um die Gläubiger zu bezahlen, anstatt wie bisher durchschnittlich 93 Tag(e) über dem vereinbarten Zahlungsziel. Diese Veränderung entspricht einem Rückgang des Zahlungsindex von 29 auf 32.
Diese „rote Frühwarnmeldung“ wurde von der Beklagten aufgrund von Auskünften eines Autovermietungsunternehmens zum Zahlungsverhalten der Klägerin erstellt, welche monatlich geliefert werden. Daraus zieht die Beklagte ihre Schlüsse, indem sie die bekannt gegebenen Rechnungsdaten mit den in den folgenden Monaten bekannt gegebenen vergleicht. Scheinen Rechnungen in den Folgemonaten weiterhin auf, geht die Beklagte davon aus, dass diese Rechnungen weiterhin aushaften. Ob die Rechnungen allenfalls berechtigt beanstandet und daher storniert wurden, wird von der Beklagten nicht hinterfragt. Ob und in welchem Ausmaß Rechnungen tatsächlich bezahlt wurden, erfährt die Beklagte nicht. Bei den, der „roten Frühwarnmeldung“ zu Grunde gelegten, Zahlungserfahrungen des Autovermietungsunternehmens blieben Reklamationen durch die Klägerin unberücksichtigt. Der Großteil der erfassten Rechnungen war von der Klägerin beanstandet worden; sie wurden nach Korrektur jeweils prompt bezahlt. Im Zeitraum bis betrug die durchschnittliche Zahlungsdauer 13 Tage. Das Zahlungsverhalten der Klägerin hat sich nicht verschlechtert, es hat sich auch die Zahlungsdauer nicht von 93 auf 111 Tage verlängert. Davon hatte die Beklagte bei der Erstellung der „roten Frühwarnmeldung“ keine Kenntnis.
Mit anwaltlichem Schreiben vom beanstandete die Klägerin bei der Beklagten die Unrichtigkeit dieser Behauptungen und forderte sie zur Unterfertigung einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. Mit Antwortschreiben vom gab die Beklagte bekannt, dass die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht unterfertigt werde, wobei es der Klägerin freistehe, ein Löschungsbegehren zu stellen.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Unterlassung der Behauptung, das Zahlungsverhalten der Klägerin habe sich verschlechtert und/oder die Klägerin beanspruche jetzt durchschnittlich 111 Tage nach Zahlungsziel, um ihre Gläubiger zu bezahlen, anstatt wie bisher durchschnittlich 93 Tage über den vereinbarten Zahlungszielen und/oder zum Zahlungsverhalten der Klägerin eine rote Frühwarnmeldung zu veröffentlichen, die auf ein überdurchschnittlich hohes oder hohes Ausfallrisiko und/oder schlechte Bonität der Klägerin hindeute, und den Widerruf dieser Behauptungen gegenüber allen Adressaten, welchen eine derartige Mitteilung zugegangen war oder zugänglich gemacht wurde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Kunden der Beklagten unterlägen aufgrund der vereinbarten AGB einer vertraglichen Verschwiegenheitspflicht, wobei im Fall deren Verletzung auch eine Haftung vorgesehen sei. Davon ausgehend stelle die unwahre Tatsachenbehauptung eine nicht öffentliche Mitteilung im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB dar. Mangels Wissentlichkeit von der Unwahrheit der Behauptungen entfalle demnach eine Haftung der Beklagten. Das Unterlassungs- und Widerrufsbegehren könne auch nicht aus dem Datenschutzgesetz oder dem Mediengesetz abgeleitet werden; der Klägerin stehe es nach wie vor frei, (unbegründeten) Widerspruch gegen die Verwendung ihrer Daten gemäß § 28 DSG 2000 zu erheben.
Das Berufungsgericht entschied klagsstattgebend und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt sowie dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob Voraussetzung für eine Unterlassungsklage nach § 32 Abs 2 DSG 2000 die erfolglose Erhebung des Widerspruchs gemäß § 28 DSG 2000 ist und ob im Fall einer Verwendung unrichtiger Daten einer Wirtschaftsauskunftei im Zusammenhang mit der Bonität eines Unternehmens der Anspruch auf Richtigstellung und/oder Löschung das Recht auf Widerruf der falschen Informationen miteinschließt.
In der Sache selbst teilte das Berufungsgericht die Meinung des Erstgerichts zu § 1330 Abs 2 ABGB, meinte jedoch, die Klägerin wäre zum Widerspruch nach § 28 Abs 2 DSG 2000 berechtigt gewesen, weshalb ihr im Hinblick auf den Rechtsstandpunkt der Beklagten, die zu erkennen gegeben habe, dass es ihr nicht um die Vermeidung von Rechtsverletzung zu tun sei (Wiederholungsgefahr), auch die Unterlassungsklage offen gestanden sei. Da eine Löschung der Daten aufgrund eines Widerspruchs keine Einstellung der Datenanwendung wegen Rechtswidrigkeit bedeute und die Richtigstellung beziehungsweise Löschung falscher oder unzulässig verarbeiteter Daten im Hinblick auf Fragen der Kreditwürdigkeit/Bonität eines Unternehmens keinen ausreichenden Interessenschutz bedeute, sei auch das Widerrufsbegehren berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
1. Die Klägerin hat sich im gesamten erstinstanzlichen Verfahren (nur) auf § 1330 ABGB berufen. Erst unmittelbar vor Schluss der Verhandlung führte sie noch aus, die Auskünfte der Beklagten über Zahlungsverhalten und Bonität seien öffentliche Daten und Informationen; „die Beklagte hafte daher für die klagsgegenständlichen Ansprüche auch nach dem Datenschutzgesetz und [dem] Mediengesetz“. Worin diese „Haftung“ konkret bestehen soll, lässt sich diesem Vorbringen jedoch nicht entnehmen, sodass ihre diesbezüglichen (umfangreichen) Ausführungen in der Berufung und nunmehr in der Revisionsbeantwortung gegen das Neuerungsverbot verstoßen. Eine klagsstattgebende Entscheidung auf Basis des Datenschutzgesetzes 2000, das sehr differenziert Ansprüche und deren Voraussetzungen regelt, kommt daher nicht in Betracht.
2. Es ist im Revisionsverfahren nicht (mehr) strittig, dass die Beklagte unwahre Tatsachen über die Klägerin verbreitet(e), die deren Kredit, deren Erwerb oder deren Fortkommen im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB gefährden. In ihrer Revisionsbeantwortung bekämpft die Klägerin jedoch die Auffassung der Vorinstanzen, die Auskünfte der Beklagten seien als nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilungen im Sinn des § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB anzusehen; der Begriff der Öffentlichkeit müsse in § 1330 ABGB und im Datenschutzgesetz 2000 gleich ausgelegt werden.
2.1. Nach § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB haftet der Mitteilende für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit er nicht kennt, dann nicht, wenn der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist die Mitteilung gerechtfertigt. Den Rechtfertigungsgrund (RIS-Justiz RS0008987 [T14]) hat der Mitteilende zu beweisen (RIS-Justiz RS0117060).
„Nichtöffentlich“ sind vor allem Eingaben an Behörden oder an Angehörige von Berufsgruppen, die einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen (6 Ob 28/17m; Kissich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03§ 1330 Rz 49 mwN) oder bei denen wegen einer vertraglichen Verschwiegenheitspflicht (6 Ob 28/17m; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1330 Rz 26) mit einer Weiterverbreitung nicht zu rechnen ist (RIS-Justiz RS0032421 [T3]). Wesentlich ist also, ob der Mitteilende mit der vertraulichen Behandlung durch den Mitteilungsempfänger rechnen durfte (RIS-Justiz RS0032413 [T2], RS0031906), was jedenfalls ausscheidet, wenn ihm bekannt ist, dass Mitteilungsempfänger solche Mitteilungen nicht vertraulich behandeln.
Bei der Beurteilung des vertraulichen Charakters einer Mitteilung kommt es auch auf die erkennbare Absicht des Mitteilenden an (RIS-Justiz RS0031972 [T1]). Derjenige, der in Wahrnehmung eines berechtigten Interesses eine Mitteilung macht, soll – abgesehen vom Fall, dass er die Unwahrheit der Mitteilung kannte – generell davor geschützt werden, den Wahrheitsbeweis antreten zu müssen (RIS-Justiz RS0031935 [T1]). Ein berechtigtes Interesse ist gegeben, wenn die Mitteilung für die persönlichen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen und Verhältnisse von Bedeutung ist oder ein öffentliches Interesse vorliegt (RIS-Justiz RS0031992).
2.2. In der Entscheidung 4 Ob 338/87 wurde Kreditauskunfteien, die Bonitätsinformationen erteilen, mit ausführlicher Begründung zugestanden, sich auf den Rechtfertigungsgrund des § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB berufen zu können. Reischauer (in Rummel, ABGB³ [2004] § 1330 Rz 25) verweist in diesem Zusammenhang auf die Materialien zur 3. Teilnovelle, aus denen Harrer/Wagner (in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1330 Rz 59 FN 323) schließen, der Rechtfertigungsgrund sei vom Gesetzgeber vor allem für Auskunftsbüros geschaffen worden.
2.3. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen stellt die Beklagte ihren Vertragspartnern die Bonitätsauskünfte (auch) online zur Verfügung; die Vertragspartner erwerben durch Bezahlung eines Jahresentgeltbetrags eine Zugangsberechtigung zu diesen Daten für die Dauer eines Jahres. Dass dieser Zugang mittels eines von der Beklagten zur Verfügung gestellten PIN-Codes ermöglicht wird, lässt sich den wechselseitigen Vorbringen der Parteien im Laufe dieses Verfahrens zwangslos entnehmen. Daraus schließt die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung, es handle sich dabei um öffentliche Daten, und zwar nicht bloß im Anwendungsbereich des Datenschutzgesetzes 2000, sondern auch vor dem Hintergrund des § 1330 Abs 2 ABGB.
Der erkennende Senat hat zwar im Zusammenhang mit Auskunfteien mehrfach klargestellt, es sei für die öffentliche Zugänglichkeit einer Datei (§ 28 Abs 2 DSG 2000) nicht erforderlich, dass „jedermann“ im wörtlichen Sinne Einsicht in eine bestimmte Datei nehmen kann, es reiche vielmehr aus, dass es einen entsprechend großen Kreis an Abfrageberechtigten gibt und das berechtigte Interesse an der Einsichtnahme im Einzelfall nicht überprüft wird (vgl bloß 6 Ob 195/08g; RIS-Justiz RS0124264). Für eine Übertragung dieses Maßstabs auf § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB besteht jedoch schon allein deshalb keine Notwendigkeit, weil der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis G 264/2015 § 28 Abs 2 DSG 2000 mit Ablauf des außer Kraft gesetzt hat.
2.4. Allerdings entspricht es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB, dass dessen Tatbestandsmerkmal „nicht öffentlich“ eng aufzufassen ist (8 Ob 589/91; vgl auch Reischauer aaO Rz 24 [„Ausnahmetatbestand“]), weshalb etwa für eine Versendung eines Mitteilungsblatts in großer Auflage an die Mitglieder eines Gläubigerschutzverbands samt darin enthaltener „Schwarzer Liste“ insolvenzgefährdeter Personen der Rechtfertigungsgrund nicht mehr in Anspruch genommen werden kann (1 Ob 38/88). In dieser Entscheidung stellte der Oberste Gerichtshof klar, dass Öffentlichkeit dann anzunehmen ist, wenn keine Gewähr besteht, dass die Mitteilung über einen relativ kleinen oder aber zumindest sehr geschlossenen und unter Geheimhaltungspflicht stehenden Kreis nicht hinausgelangt. Eine solche Gewähr der Nichtöffentlichkeit sei auszuschließen, wenn (im konkreten Fall) ein großer Gläubigerschutzverband ein Mitteilungsblatt in großer Auflage an alle seine Mitglieder hinausgibt und nach dem Inhalt der Mitteilungen nicht ernstlich annehmen kann, dass ihre Kenntnis auf den Kreis der Mitteilungsempfänger beschränkt bleibt. Der ausdrückliche Hinweis auf die Vertraulichkeit der Mitteilungen müsse inhaltsleer bleiben, wenn alle Beteiligten und insbesondere der Versender wissen müssen, dass eine solche nicht gewahrt werden kann.
Diesen Überlegungen, die der erkennende Senat vollinhaltlich teilt, kommt auch (beziehungsweise sogar insbesondere) dann Bedeutung zu, wenn die Mitteilungen (Bonitätsauskünfte) nicht auf postalischem Weg, sondern mittels Internet verbreitet werden, erreichen sie doch auf diese Weise potenziell einen noch viel größeren Empfängerkreis. Den Verbreiter treffen in einem solchen Fall deshalb besondere Pflichten, Vorkehrung dafür zu schaffen, dass die Mitteilung über einen „sehr geschlossenen und unter Geheimhaltungspflicht stehenden Kreis nicht hinausgelangt“ (1 Ob 38/88). Dass eine – allenfalls sogar strafbewehrte – Geheimhaltungsverpflichtung der Vertragspartner durch den Verbreiter ein angemessenes Mittel darstellen kann, ist dabei durchaus zuzugestehen. Voraussetzung dafür ist aber, dass deren Einhaltung gewährleistet ist.
Obwohl die Klägerin bereits im Verfahren erster Instanz mit gerade noch erkennbarer Deutlichkeit darauf hingewiesen hatte, dass trotz der AGB der Beklagten deren Mitteilungen auch an andere Personen als die Vertragspartner der Beklagten gelangt waren (AS 24, 43), wurden dazu keine Feststellungen getroffen und wurde auch nicht erörtert, inwieweit dies der Beklagten bekannt sein musste beziehungsweise inwieweit sie dies durch konsequente Verfolgung unterbunden hat.
3. Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht mit den Parteien die dargestellten rechtlichen Überlegungen des Obersten Gerichtshofs zu erörtern und sodann Feststellungen zu treffen haben, die eine Beurteilung erlauben, ob die Beklagte ihren aufgezeigten Verpflichtungen zur Einhaltung der Vertraulichkeit im Sinn des § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB tatsächlich nachgekommen ist.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00151.17Z.1121.000 |
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