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OGH vom 16.12.2015, 3Ob214/15i

OGH vom 16.12.2015, 3Ob214/15i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. P*****, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Ing. J*****, AZ 19 S 66/13y des Landesgerichts Innsbruck, gegen die beklagte Partei Tiroler Gebietskrankenkasse, *****, vertreten durch Ullmann Geiler Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 45.201,01 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 124/15i 22, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 14 Cg 141/13z 18, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird in Ansehung der angefochtenen Zahlungen von 2.963,95 EUR vom , 1.000 EUR vom , 4.452,95 EUR vom und 4.706,31 EUR vom zurückgewiesen.

In Ansehung der angefochtenen Zahlungen von 5.715,70 EUR vom , 5.931,13 EUR vom , 5.025,44 EUR vom , 9.908,25 EUR vom und 5.497,28 EUR vom wird der Akt an das Erstgericht zur Vorlage an das Berufungsgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die beklagte Gebietskrankenkasse brachte im Zeitraum von bis insgesamt 14 Exekutionsanträge gegen den Schuldner zwecks Einbringung von Beitragsrückständen ein, wobei sämtliche Exekutionsverfahren durch Zahlung des Schuldners eingestellt wurden, ohne dass es zu Pfändungen oder sogar exekutiven Verwertungen gekommen wäre. Insbesondere bezahlte der Schuldner folgende Beträge an die Beklagte:


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Datum
Widmung
Betrag
Beiträge Mai 2012
EUR 5.715,70
Teil der Beiträge für Juni und Juli 2012
EUR 2.963,95
Rest Beiträge Juni und Juli 2012
EUR 5.931,13
Beiträge September 2012
EUR 5.025,44
Teil der Beiträge Oktober 2012
EUR 1.000,00
Rest Beiträge Oktober 2012
EUR 4.452,95
Beiträge November 2012
EUR 9.908,25
Beiträge Dezember 2012
EUR 4.706,31
Beiträge Jänner 2013
EUR 5.497,28
zusammen
EUR 45.201,01

Das Berufungsgericht gab der vom Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners erhobenen, auf § 31 Abs 1 Z 2 und § 30 Abs 1 Z 3 IO gestützten Anfechtungsklage, die auf Rückzahlung sämtlicher zuvor genannter Zahlungen gerichtet war, statt. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit der Beurteilung des Kennenmüssens oder der fahrlässigen Unkenntnis der Begünstigungsabsicht nicht zulässig sei.

Die „außerordentliche“ Revision der beklagten Anfechtungsgegnerin, mit der sie die Abweisung der Anfechtungsklage anstrebt, ist bezüglich der unter 5.000 EUR liegenden Zahlungen jedenfalls unzulässig. Was die zwischen 5.000 EUR und 30.000 EUR liegenden Zahlungen betrifft, fehlt (derzeit) die Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs.

Rechtliche Beurteilung

Für die Revisionszulässigkeit ist zu überprüfen, ob die angefochtenen Zahlungen zusammenzurechnen sind oder nicht. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln. Diese Regelung ist gemäß § 55 Abs 4 JN auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend. Demnach sind mehrere in einer Klage von einer einzelnen Partei erhobene Ansprüche nur dann zusammenzurechnen, wenn sie im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Mehrere Ansprüche stehen in einem solchen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS Justiz RS0037648). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RIS Justiz RS0037899).

Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist von den Klageangaben auszugehen (RIS Justiz RS0106759). Dass für alle Rechtshandlungen der gleiche Anfechtungstatbestand behauptet wird, reicht nach ständiger Rechtsprechung zur Annahme eines rechtlichen Zusammenhangs nicht aus (3 Ob 110/08k mwN), ebensowenig wie der Umstand, dass Zahlungen der Abdeckung einer und derselben Kreditforderung gegen die Schuldnerin dienten (3 Ob 41/11t; 3 Ob 246/10p mwN).

Auch im vorliegenden Fall reicht der Umstand, dass sich die angefochtenen Zahlungen auf gleichartige Beitragsschulden des Schuldners bei der Gebietskrankenkasse beziehen, nicht aus. Der Insolvenzverwalter ficht nicht etwa eine zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlossene einheitliche Ratenvereinbarung an, sondern die einzelnen Zahlungen des Schuldners, mögen die nun unter dem Druck laufender Exekutionsverfahren oder freiwillig geleistet worden sein. Jede dieser Anfechtungen kann etwa im Hinblick auf die Erfordernisse der fristgerechten Anspruchserhebung oder des Bekanntseins oder Bekanntseinsmüssens von Zahlungsunfähigkeit oder Benachteiligungsabsicht ein verschiedenes Schicksal haben. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN ist daher jede Zahlung betreffend die Zulässigkeit der Revision gesondert zu beurteilen (3 Ob 110/08k mwN).

In Ansehung der 5.000 EUR nicht übersteigenden Zahlungen ist die Revision demnach gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Über die Zulässigkeit der in Ansehung der 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigenden Zahlungen erhobenen Revision wird gemäß § 507b Abs 2 ZPO das Berufungsgericht über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision zu entscheiden haben, weshalb die Akten zwecks Vorlage an das Gericht zweiter Instanz dem Erstgericht zurückzustellen sind (RIS Justiz RS0109623).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00214.15I.1216.000

Fundstelle(n):
KAAAD-52679