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OGH 29.08.2017, 6Ob150/17b

OGH 29.08.2017, 6Ob150/17b

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Sankt Pölten unter FN ***** eingetragenen U***** GmbH, *****, wegen Offenlegung des Jahresabschlusses zum , über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft sowie der Geschäftsführer Mag. S***** K***** und Mag. M***** T*****, ebendort, alle vertreten durch die Dr. Martin Brandstetter Rechtsanwalt GmbH in Amstetten, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 6 R 18/17m, 19/17h, 20/17f-19-21, womit die Beschlüsse des Landesgerichts St. Pölten vom , GZ 18 Fr 4470/16h-7, -8 und -9, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Zwangsstrafenverfahren eingestellt wird.

Text

Begründung:

Der Jahresabschluss der Gesellschaft zum wurde (erst) am beim Erstgericht elektronisch eingebracht. Bereits zuvor hatte das Erstgericht mit Zwangsstrafverfügungen vom gemäß § 283 UGB jeweils 700 EUR Strafe über die Gesellschaft und deren zwei Geschäftsführer verhängt.

In ihren Einsprüchen gegen diese Zwangsstrafverfügungen brachten die Gesellschaft und die Geschäftsführer unter Anschluss des maßgeblichen E-Mail-Verkehrs vor, mit der Einreichung der Jahresabschlüsse (gemeint: nicht nur der Gesellschaft, sondern auch anderer Konzerngesellschaften) sei das Notariat Mag. K***** S***** in Amstetten beauftragt gewesen, das über Anfrage vom , 10:21 Uhr, am selben Tag um 17:01 Uhr geantwortet habe, „die Jahresabschlüsse [seien] eingereicht“. Dass dies offensichtlich doch nicht geschehen gewesen war, sei ein für die Gesellschaft und die Geschäftsführer unvorhersehbares und damit unabwendbares Ereignis gewesen.

Die Vorinstanzen folgten diesen Einsprüchen nicht und verhängten im ordentlichen Verfahren (wiederum) jeweils 700 EUR Strafe über die Gesellschaft und die beiden Geschäftsführer; das Rekursgericht sprach darüber hinaus aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht vertrat im Wesentlichen die Ansicht, werde die Einreichung des Jahresabschlusses mit Vereinbarung einem Dritten überlassen, dann hätten sich die Organe einer Gesellschaft (und die Gesellschaft) ein Verschulden der Hilfspersonen – hier des beauftragten Notars  – wie ein eigenes zurechnen zu lassen. Dies stehe auch im Einklang mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofs im Wiedereinsetzungsverfahren nach § 146 ZPO, der das (dort erforderliche grobe) Verschulden von Hilfskräften bei Versäumung befristeter Prozesshandlungen der Partei gleichermaßen unmittelbar zurechne. Wenn die Gesellschaft
– und damit deren Geschäftsführer – die Einreichung des Jahresabschlusses einer dritten Person überlassen habe, treffe sie überdies auch eine Überwachungspflicht selbst dann, wenn es sich dabei um einen Steuerberater, Notar oder Rechtsanwalt handle. Dabei sei es ihnen zumutbar, sich durch Einsichtnahme in das Firmenbuch oder das Übermittlungsprotokoll zu vergewissern, ob die Einreichung des Jahresabschlusses auch tatsächlich durchgeführt worden sei. Dieser Überwachungspflicht hätten die Geschäftsführer nur unvollständig entsprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil die Entscheidung des Rekursgerichts im Widerspruch zur jüngst ergangenen Entscheidung des erkennenden Senats vom , 6 Ob 66/17z, steht.

In der genannten Entscheidung war ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt zu beurteilen. (Er betraf eine andere Konzerngesellschaft desselben Konzerns.) In dieser Entscheidung kam der Senat nach eingehender Prüfung zusammengefasst zum Ergebnis, die Geschäftsführer seien durch die Nachfrage beim Notar, ob der Jahresabschluss eingereicht worden sei, welche Frage vom Notar bejaht worden sei, ihrer Überwachungspflicht ausreichend nachgekommen. Eine weitergehende Überwachungs- und Kontrollpflicht habe die Geschäftsführer hier schon allein deshalb nicht getroffen, weil die Aktenlage keinerlei Hinweise darauf biete, dass dem beauftragten Notariat in der Vergangenheit bereits einschlägige Fehler oder Versäumnisse unterlaufen wären.

Auf die weitere Begründung der zitierten Entscheidung des Senats, an der festgehalten wird, wird verwiesen.

Das Zwangsstrafverfahren war daher einzustellen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
1 Generalabonnement,16 Handels- und gesellschaftliche Entscheidungen
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00150.17B.0829.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAD-52604