OGH vom 10.06.1998, 6Ob346/97v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner, Dr.Schenk als weitere Richter in der Kraftloserklärungssache des Antragstellers Heinrich T*****, Rechtsanwalt, ***** als Konkursverwalter im Konkurs über das Vermögen des Helmut U*****, vertreten durch Dr.Erwin Köll, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Kraftloserklärung von Urkunden infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom , GZ 3 R 162/97s-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom , GZ 15 T 315/97m-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Antragsteller, ein in Osnabrück ansässiger Rechtsanwalt ist Konkursverwalter in dem seit über das Vermögen des Helmut U*****, wohnhaft in B*****, BRD, anhängigen Konkurs.
Das Amtsgericht Oldenburg hatte auf Grund eines gegen den späteren Gemeinschuldner anhängigen Finanzstrafverfahrens in Deutschland am eine Durchsuchung von Konten und Beschlagnahme von Unterlagen des Gemeinschuldners bei der V*****bank AG, Zweigstelle R*****, angeordnet. Aus dem vom Bezirksgericht Bezau im Zuge der Rechtshilfe geleisteten Bankerhebungsauftrag geht hervor, daß bei dieser Bank drei Konten, ein Wertpapierdepot, ein Erträgniskonto zum Wertpapierdepot (Sparkonto) und ein weiteres Sparkonto, alle mit dem identen Losungswort *****, dem Geburtsdatum des späteren Gemeinschuldners, geführt wurden, wobei nach den vom Finanzamt vorgelegten Bescheinigungen die auf dem Wertpapierkonto befindlichen Wertpapiere von Helmut und Josefine U***** bei ihren Hausbanken in Osnabrück erworben wurden und in der Folge auf dem anonymen Wertpapierdepot der Antragsgegnerin aufscheinen. Auf den Sparkonten wurden einerseits Zinsengutschriften aus den Wertpapieren, andererseits Überweisungen aus Deutschland, die der Höhe nach Wertpapierverkäufen des Helmut U***** bei der Deutschen Bank entsprachen, verbucht. Es wurde daher als bescheinigt angenommen, daß die drei Konten mit dem Losungswort "*****" beiden Beschuldigten (gemeint Helmut und Josefine U*****) zuzurechnen seien und auf diesen Wertpapiere deponiert bzw Erträgnisse von Wertpapieren gutgeschrieben worden seien, sodaß der Bankerhebungsauftrag berechtigt sei.
Mit Eingabe vom beantragte der Konkursverwalter die Kraftloserklärung des mit Kontonummer und Losungswort näher bezeichneten Effektenkassabons sowie der beiden Einlagebücher der V*****bank AG mit dem Vorbringen, der Gemeinschuldner sei, wie sich aus den finanzstrafrechtlichen Erhebungsergebnissen erweise, Eigentümer dieser Wertpapiere. Der Gemeinschuldner habe angegeben, über den Verbleib der Wertpapiere keine Angaben machen zu können. Da sie auch der Konkursverwalter nicht habe auffinden können, seien sie als in Verlust geraten zu beurteilen. Als Konkursverwalter sei er berechtigt, die Rechte aus diesen Urkunden geltend zu machen, er habe ein berechtigtes Interesse an der Kraftloserklärung dieser Urkunden. Die Antragsgegnerin sprach sich gegen eine Kraftloserklärung aus, weil keine eindeutige und glaubhaft nachvollziehbare Aussage des Gemeinschuldners über sein Eigentumsrecht an den Urkunden und über deren Verlust vorlägen.
Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil das Eigentumsrecht des Gemeinschuldners, jedenfalls aber dessen alleinige Verfügungsberechtigung hinsichtlich der für kraftlos zu erklärenden Wertpapiere nicht ausreichend bescheinigt sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers keine Folge.
Nach § 3 Abs 1 KEG sei zu einem Antrag auf Einleitung des Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung berechtigt, wer ein Recht aus oder auf Grund einer in § 1 Abs 1 KEG gemeinten Urkunde geltend machen könne oder wer sonst ein rechtliches Interesse an der Kraftloserklärung der Urkunde habe. Der Antragsteller habe eine Abschrift der Urkunde vorzulegen oder deren wesentlichen Inhalt und alles anzugeben, was zur Erkennbarkeit der Urkunde erforderlich sei. Überdies habe er den Verlust der Urkunde sowie die Tatsachen glaubhaft zu machen, von denen seine Berechtigung zur Antragstellung abhänge (§ 3 Abs 2 KEG). Auch ein Masseverwalter, hier der Konkursverwalter, sei zu einem Antrag auf Einleitung des Aufgebotsverfahrens hinsichtlich einer Urkunde, die ihm oder dem Gemeinschuldner abhanden gekommen sei, berechtigt, er müsse aber den Verlust der Urkunde sowie jene Tatsachen glaubhaft machen, von denen seine Berechtigung zur Antragstellung abhänge, somit auch bescheinigen, daß ihm allein die Verfügung über die Urkunde zustehe. Stehe dieses Recht nicht dem Antragsteller allein zu, könne er mit dem Antrag auf Kraftloserklärung nur durchdringen, wenn sich die überdies Berechtigten gleichfalls dem Antrag anschlössen oder der Antragsteller dem Gericht eine ausdrückliche Zustimmung zur Antragstellung nachweise. Ohne solche Nachweise bestünde die Gefahr eines unzulässigen Eingriffes in die Rechtsstellung der übrigen Berechtigten. Der Rekurswerber habe auch die Existenz der zur Kraftloserklärung beantragten Urkunden durch den Bankerhebungsauftrag ausreichend bescheinigt. Es sei ihm aber die Bescheinigung seiner alleinigen Verfügungsberechtigung nicht gelungen. Das Strafgericht habe nämlich auch festgestellt, daß Konten mit dem Losungswort ***** dem Gemeinschuldner und Josefine U***** zuzurechnen seien. Daraus folge eine nicht zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit einer Mitberechtigung der Josefine U***** hinsichtlich der Wertpapiere, die nicht entkräftet worden sei. Auch der Verlust der Urkunden sei nicht bescheinigt.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage fehle, ob eine für kraftlos zu erklärende Urkunde schon dann als abhanden gekommen gelte, wenn ein Masseverwalter diese in den Geschäftsunterlagen nicht auffinden könne, Erklärungen des Gemeinschuldners über den Verbleib aber fehlten oder dem Masseverwalter gegenüber verweigert würden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Konkursverwalter ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Wer die Kraftloserklärung erlangt hat, kann unter Vorweisung des Beschlusses die ihm zustehenden Rechte aus der Urkunde oder auf Grund der Urkunde dem Verpflichteten gegenüber geltend machen oder die Ausfertigung einer neuen Urkunde gegen Ausfolgung des Beschlusses und Ersatz der Kosten verlangen. Der Verpflichtete wird durch die Leistung an diese Person insoweit frei, als er durch die Leistung an den Inhaber der kraftlos erklärten Urkunde befreit worden wäre (§ 13 KEG). Daraus ist zwingend zu schließen, daß die Kraftloserklärung nur solchen Parteien zu gewähren ist, die Anspruch auf den Besitz der Urkunde haben. Das gilt zunächst für alle, die selbst Rechte aus oder auf Grund der Urkunde geltend machen können, darüber hinaus aber auch für solche, die ein rechtliches Interesse an der Kraftloserklärung haben. Dieses ist auch dem Verwahrer als dem Verlustträger der Urkunde oder dem Verpflichteten selbst zuzubilligen, wenn er nach seinen Behauptungen das Wertpapier bereits eingelöst hat (4 Ob 227/97d).
Dem Antragsteller ist zuzustimmen, daß er die Rechte aus den Wertpapieren anstelle des Gemeinschuldners geltend machen kann, dies setzt aber voraus, daß letzterer zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung und Antragstellung Anspruch auf den Besitz der Urkunde hatte. Aus dem Finanzstrafverfahren geht nur hervor, daß die drei Konten mit dem genannten Losungswort im Mai 1995 dem Gemeinschuldner und Josefine U***** ("beiden Beschuldigten") zuzurechnen seien, eine Bescheinigung oder auch bloß der naheliegende Schluß, daß dies auch noch ein Jahr (Konkurseröffnung ) bzw zwei Jahre (Antragstellung auf Kraftloserklärung) später noch der Fall war, fehlen. Gerade im Hinblick auf das anhängige Finanzstrafverfahren, in dem mit einer Beschlagnahme zu rechnen war, und auch auf das drohende Konkursverfahren erscheint die Weitergabe der allein legitimierenden Wertpapiere, ohne daß die Antragsgegnerin davon Kenntnis erhalten hätte, durchaus naheliegend. Es ist daher schon ungewiß, ob dem Gemeinschuldner und Josefine U*****, auch wenn sie ursprünglich Anspruch auf den Besitz der Urkunden gehabt haben sollten, sich dieses Anspruches nicht begeben und Dritte Rechte erlangt haben, denen gegenüber die Antragsgegnerin bei Vorweisen der Wertpapiere zur Auszahlung verpflichtet gewesen wäre.
Nach § 1 Abs 1 KEG können Urkunden für kraftlos erklärt werden, die abhanden gekommen oder vernichtet worden sind. Abhanden gekommen ist eine Urkunde oder ein Wertpapier, wenn sie weder auffindbar noch ihr gegenwärtiger Inhaber oder Besitzer bekannt oder erreichbar sind. Auch wenn der letzte Besitzer oder das Wertpapier irrtümlich selbst weggeworfen oder einem anderen in Verwahrung gegeben oder dieser es unterschlagen hat, sind sie als abhanden gekommen anzusehen (Zedtwitz, Kraftloserklärung von Urkunden, 13).
Selbst wenn man annehmen wollte, die Wertpapiere seien im Sinne des § 1 KEG als abhanden gekommen anzusehen, ist den Vorinstanzen zuzustimmen, daß im besten Fall nur eine gemeinsame Verfügungsberechtigung des Gemeinschuldners mit Josefine U***** (die zwar offensichtlich in das Finanzstrafverfahren nicht aber in den Konkurs des Helmut U***** vertreten durch den Antragsteller einbezogen wurde) in Betracht käme. Ein Miteigentümer kann allein Gemeinschaftsrechte nur soweit geltend machen, als er damit vorhandene Rechte der Gemeinschaft wahren will, nicht aber soweit er dadurch erst Rechte für sich und die Miteigentümer zu erwirken versucht (EvBl 1974/275). Viel weniger steht es ihm zu, unter Mißachtung der Rechte des anderen Miteigentümers gegenüber einem Dritten alleinige Rechte erlangen zu wollen. Zutreffend ist das Rekursgericht daher davon ausgegangen, daß der Antrag auf Kraftloserklärung auch deshalb scheitern muß, weil es an einer Zustimmung von Josefine U***** mangelt.
Der Revisionsrekurs erweist sich daher insgesamt als unberechtigt.