OGH 14.12.2011, 3Ob213/11m
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. W***** A*****, als Insolvenzverwalter über das Vermögen der W***** GmbH, *****, vertreten durch Lattenmayer, Luks und Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C***** AG, *****, vertreten durch Herbst Vavrovsky Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 205.568,58 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 136/11y-27, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 10 Cg 15/09z-23, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht gab der auf die von der Beklagten abgegebene Garantie gestützten Klage mit der Begründung statt, der Garantievertrag habe seinem eindeutigen Wortlaut nach, die Besicherung der geleisteten Vorauszahlung bezweckt und dem Wesen einer Bankgarantie entsprechend den Ausschluss von Einwendungen aus dem Valutaverhältnis vorgesehen. Der Beklagten sei es daher verwehrt, sich auf Einwendungen aus dem Werkvertrag zwischen der vom klagenden Masseverwalter vertretenen Gemeinschuldnerin und ihrem Subunternehmen zu berufen. Von rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme könne nicht ausgegangen werden, weil solche nur vorliege, wenn feststehe, dass dem Begünstigten evident kein Anspruch zustehe. Dies sei hier im Hinblick auf die konkrete Vertragsgestaltung und die festgestellten Leistungen der Vertragspartner nicht der Fall.
Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO geltend, das Berufungsgericht habe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entschieden, weil es einerseits den Sicherungszweck der zur beurteilenden Garantie in der geleisteten Vorauszahlung gesehen habe, andererseits aber von einer abstrakten Bankgarantie ausgegangen sei, die die Berufung der Beklagten auf Einwendungen aus dem Valutaverhältnis ausschließe.
Rechtliche Beurteilung
Bei der abstrakten Bankgarantie ist der Garantievertrag vom Bestand der gesicherten Hauptschuld grundsätzlich unabhängig, wobei die Abstraktheit durch die Formulierungen betreffend die Zahlungspflicht wie „auf erstes Abfordern“ oder „ohne Einwendungen“ besonders betont wird. Die Verpflichtung, Zahlung zu leisten, entsteht allein durch die Inanspruchnahme, die nach dem Garantievertrag den formellen Garantiefall bildet. Infolge der Abstraktheit der Garantie sind nur solche Einwendungen zulässig, die sich aus der Auslegung des Garantietextes selbst ergeben (6 Ob 105/05t mwN; RIS-Justiz RS0016992). Hier wurden die Formulierungen „auf ihre erste Aufforderung“ und „ohne Prüfung des Rechtsgrundes“ verwendet. Nicht ausgeschlossen sind bloß Einwendungen, die sich aus der Auslegung des Garantietextes selbst ergeben (1 Ob 503/88 = SZ 61/63 ua; RIS-Justiz RS0016992 [T7]). Es liegt im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen und seinen Vertragspartner auf den Weg einer Rückforderungsklage zu verweisen; das Gemeinsame aller abstrakten Ansprüche besteht darin, dass bei ihrer Inanspruchnahme die Frage der endgültigen materiellen Berechtigung erst in einem Nachverfahren geprüft werden soll (RIS-Justiz RS0005081).
Die in Bankgarantien übliche Präambel, in welcher auf das Grundverhältnis zwischen dem Garantieauftraggeber und dem Begünstigten hingewiesen wird, ist die bloße Umschreibung jener Leistung des Dritten, deren Erhalt dem Begünstigten garantiert werden soll, also des Erfolgs, für den die Gewähr übernommen wird. Die Abstraktheit der Garantie wird nicht dadurch beseitigt, dass in der Garantieerklärung einerseits auf das Valutaverhältnis hingewiesen wird, andererseits aber auch eine Erwähnung des Umstands erfolgt, dass der Garant die Haftung im Auftrag des Dritten übernimmt (RIS-Justiz RS0061794, RS0016997 [T3]).
Mit diesen Grundsätzen der Rechtsprechung zum Garantievertrag steht die Entscheidung des Berufungsgerichts im Einklang, die Auslegung der Garantieerklärung im Einzelfall wirft grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO auf, sofern keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vorliegt (RIS-Justiz RS0017012 [T1]; vgl RIS-Justiz RS0044298). Die Garantieerklärung der Beklagten ist nach ihrem Wortlaut nur von der - in diesem Fall unstrittigen - Leistung der Anzahlung abhängig; nicht jedoch davon, ob und in welchem Ausmaß der der Garantie zugrundeliegende Rückzahlungsanspruch aus dem Werkvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und ihrem Subunternehmen zu Recht besteht (Valutaverhältnis).
Es entspricht der Rechtsprechung, dass dem Begünstigten, der sich aus vertretbaren Gründen für berechtigt hält, kein arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden kann, wenn ihm nicht eindeutig nachgewiesen wird, dass er keinen Anspruch auf Abruf der Bankgarantie hat (RIS-Justiz RS0017997). Die Frage, ob die für die Annahme von Rechtsmissbrauch geforderten Voraussetzungen vorliegen oder nicht, ist gleichfalls nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0017997 [T5]). Dass das Berufungsgericht Rechtsmissbrauch verneinte, wenn die Gemeinschuldnerin nach den getroffenen Feststellungen insgesamt 607.107,11 EUR an ihr Subunternehmen leistete, das lediglich Bauleistungen im Wert von 401.538,53 EUR erbrachte, sich die Gemeinschuldnerin daher berechtigt erachtete, die geleistete Vorauszahlung im Ausmaß von 205.568,58 EUR (teilweise) zurückzuverlangen, bildet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.
Da der Anspruch aus dem Garantievertrag nicht vom Bestand der zu sichernden Forderung abhängt (keine Akzessorietät), die Sicherungsfunktion der Garantie vielmehr auch jenen Fall umfasst, dass der Garantieauftraggeber eine bestehende Verpflichtung auch etwa infolge Zahlungsunfähigkeit nicht erfüllen kann (vgl Koziol in Apathy/Iro/Koziol, österreichisches Bankvertragsrecht V, Rz 3/3), bedurfte es keiner Prüfung, ob die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die Subunternehmerin Auswirkungen auf das Valutaverhältnis (die Ansprüche auf Rückzahlung überhöht geleisteter Anzahlungen) hatte.
Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00213.11M.1214.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAD-52498