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OGH vom 31.05.1994, 4Ob19/94

OGH vom 31.05.1994, 4Ob19/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch DDr.Rene Laurer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 149.007,63 sA, und Rechnungslegung (Streitwert S 35.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 166/93-12, womit das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 37 Cg 195/92-8, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.836,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.472,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht erkannte die Beklagte mit Teilurteil schuldig, an die Klägerin als Vergütung gemäß § 42 Abs 5 UrhG für getätigte Importe von Bild- und Schallträgern S 149.007,63 sA zu zahlen und der Klägerin über alle diese Importe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen Rechnung zu legen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Teilurteil des Erstgerichtes in der Hauptsache und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht verwarf das Berufungsgericht die in der Rechtsrüge der Berufung ausschließlich geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der sog. "Leerkassettenvergütung".

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 42 Abs 1 UrhG darf jedermann - im Rahmen einer das Vervielfältigungsrecht des Urhebers einschränkenden freien Werknutzung - von einem Werk einzelne Vervielfältigungsstücke zum eigenen Gebrauch herstellen. Durchbrochen wird diese freie Werknutzung durch den - mit der UrhG-Novelle 1980 gemäß § 42 Abs 5 UrhG eingeführten Vergütungsanspruch der Urheber für Vervielfältigungen auf Bild- oder Schallträgern. Demnach hat der Urheber gegen denjenigen, der Trägermaterial im Inland gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringt, einen Anspruch auf angemessene Vergütung. Voraussetzung hiefür ist, daß von einem Werk seiner Art nach zu erwarten ist, daß es durch Festhalten auf einem Bild- oder Schallträger zum eigenen Gebrauch vervielfältig wird; weiters muß es entweder durch Rundfunk gesendet oder auf einem zu Handelszwecken hergestellten Bild- oder Schallträger festgehalten worden sein. Die Vergütung hat derjenige zu leisten, der das Trägermaterial im Inland als erster gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr bringt; seit der UrhG-Novelle 1989 haftet für diesen Vergütungsanspruch, wer Trägermaterial im Inland gewerbsmäßig entgeltlich, jedoch nicht als erster, in den Verkehr bringt oder feilhält, wie ein Bürge und Zahler.

Diese Ansprüche können nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden (§ 42 Abs 6 UrhG).

Der Anspruch auf angemessene Vergütung wurde aus der Erwägung eingeführt, daß durch die modernen technischen Methoden gegenüber den Gegebenheiten des Jahres 1936 nunmehr massenweise weitere Vervielfältigungsstücke hergestellt werden können, die dem ursprünglichen Vervielfältigungsstück in ihrer Art und ihrem Wert durchaus vergleichbar sind. Die Nachteile, die den Urhebern und Leistungsschutzberechtigten durch das private Überspielen von Werken auf Trägermaterial entstehen, sollten durch diese Regelung - im Einklang mit dem im Urheberrecht ganz allgemein verfolgten Prinzip, daß die Urheber und Leistungsschutzberechtigten an den wirtschaftlichen Ergebnissen ihres Schaffens angemessen beteiligt werden sollen, ausgeglichen werden (385 BlgNR 15. GP abgedruckt in Dillenz, Materialien zum österreichischen Urheberrecht 359 ff).

Die von der Beklagten in ihrer Revision ausschließlich gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung vorgetragenen Bedenken werden vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt.

Die für die Auslegung verfassungsrechtlicher Kompetenznormen entwickelte Versteinerungstheorie besagt, daß Verfassungsbegriffe in dem Sinn verstanden werden, den sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens der betreffenden Kompetenzbestimmung hatten (Adamovich-Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3, 44; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7 Rz 296); diese Versteinerungstheorie läßt aber eine Fortentwicklung des Rechts zu, sofern ein inhaltlich systematischer Zusammenhang mit dem im Kompetenztatbestand enthaltenen Verfassungsbegriff besteht (Walter-Mayer aaO mwN; VfSlg 2721; 11.777). Die "Leerkassettenvergütung", mit der nichts anderes als die Abgeltung von Ansprüchen der Urheber und Leistungsschutzberechtigten unter Einschränkung einer bis dahin bestehenden freien Werknutzung der Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch eingeführt wurde, ist aber eine typische Regelung des Urheberrechts, weil das UrhG gerade davon ausgeht, daß die Urheber und Leistungsschutzberechtigten an den wirtschaftlichen Ergebnissen ihres Schaffens - unter mittelbarer Erfassung des Endverbrauchers (JBl 1986, 655 mwN; Dittrich, Soll sich das Verbreitungsrecht des Urhebers künftig auch auf das Vermieten und Verleihen erstrecken? ÖBl 1970, 60; vgl , 14 in RfR 1984, 16) - angemessen beteiligt werden sollen. Die Einschränkung einer freien Werknutzung und die - auf den Endverbraucher überwälzbare - Belastung jener Händler mit der Vergütung, die zwar die entgeltliche Nutzungshandlung nicht selbst vornehmen, durch das Inverkehrbringen von Trägermaterial aber einen entscheidenden Beitrag zur Wertvermittlung leisteten, stehen mit dem System des Urheberrechts durchaus im Einklang und trägt nur den gegebenen wirtschaftlichen Veränderungen Rechnung. Diese Regelungen haben das System des bestehenden Urheberrechts im Grundsätzlichen nicht verändert, so daß auch keine Zweifel daran bestehen, daß dafür gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG (Zivilrechtswesen; Urheberrecht) die Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht.

Daß gemäß § 42 Abs 5 UrhG (nur) jene Personen mit der Zahlung der Vergügung belastet wurden, die das Trägermaterial im Inland (als erste) gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringen, nicht aber etwa auch Lieferanten von elektrischer Energie oder Hersteller (Verkäufer) von Aufnahme- und Wiedergabegeräten, verletzt den Gleichheitsgrundsatz im Sinne der Art 2 StGG und Art 7 B-VG nicht. Der Gleichheitsgrundsatz verbietet dem Gesetzgeber nur, Gleiches ungleich zu behandeln; es ist ihm aber nicht verwehrt, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen (Adamovic-Funk aaO 382 und die dort angeführte Judikatur). "Sachlich begründet" ist eine Differenzierung nach der neueren Rechtsprechung des VfGH, wenn sie nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen ("aus Unterschieden im Tatsächlichen") erfolgt (Walter-Mayer aaO Rz 1347 und die dort angeführte Judikatur). Es entspricht aber durchaus sachlichen Erwägungen, die Entgeltpflicht jenen Unternehmern aufzuerlegen, die durch das Inverkehrbringen von Trägermaterial den entscheidenden Beitrag zum privaten Überspielen von geschützten Werken leisten. Die Einbeziehung sonstiger Unternehmer, die mit ihren Leistungen - wie zB die Lieferanten elektrischer Energie - zur Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch nur am Rande beitragen - und damit in erster Linie einen anderen Bedarf decken, ist daher nicht geboten.

Daß sich der einfache Gesetzgeber dafür entschieden hat, die Vergütung für die Urheber nicht auf die Erzeuger oder Händler von Aufnahme- und Wiedergabegeräten umzulegen, ist eine Frage rechtspolitischer Zweckmäßigkeit und nicht unsachlich, weil bei ihnen nur der (einmalige) Umsatz eines Gerätes belastet werden könnte, die Belastung der Händler von Trägermaterial aber auch das wiederholte Überspielen erfaßt und damit der Verwertung durch Vervielfältigen zum eigenen Gebrauch am nächsten kommt. Der von der "Leerkassettenvergütung" betroffene Vorgang des privaten Überspielens von Werken auf Trägermaterial gebietet wegen seiner starken Verbreitung eine andere Behandlung als andere, nicht massenweise vorkommende Arten des Vervielfältigens zum eigenen Gebrauch; daß nur das Überspielen von Werken auf Trägermaterial vergütungspflichtig ist, nicht aber auch sonstiges Vervielfältigen zum eigenen Gebrauch, verstößt daher ebenfalls nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (s auch § 40 d Abs 1 UrhG).

Das unter Gesetzesvorbehalt stehende verfassungsmäßig gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung kann nach der Rechtsprechung des VfGH nur durch Regelungen beschränkt werden, die durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet und adäquat sind und auch sonst sachlich gerechtfertigt werden können (VfSlg 10.179 uva). Dabei steht dem Gesetzgeber bei der Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf beschränken (VfSlg 11.558 uva). Die im Interesse der Urheber geschaffene "Leerkassettenvergütung" läßt sich durch alle genannten Kriterien rechtfertigen.

Die Revisionswerberin war somit nicht in der Lage, Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 42 Abs 5 UrhG zu erwecken; daß die Entscheidung der Vorinstanzen auf dieser gesetzlichen Grundlage materiell richtig ist, stellt sich nicht in Frage. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.