OGH vom 18.02.2013, 7Ob238/12v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei t*****, vertreten durch Dr. Klaus Dieter Strobach und andere Rechtsanwälte in Grieskirchen, gegen die beklagte Partei A***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Mag. Dieter Kocher, Rechtsanwalt in St. Michael, wegen 48.514,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom , GZ 3 R 172/12b 64, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass der Mangel von der Beklagten nicht in angemessener Frist angezeigt wurde (§ 377 Abs 1 UGB), ist nicht zu beanstanden.
2. Nach dem Wortlaut des § 377 Abs 5 UGB bezieht sich die Wortfolge „vorsätzlich oder grob fahrlässig“ sowohl auf „Verschweigen“ als auch auf „Verursachen“. In beiden Fällen ist der vorsätzlich oder grob fahrlässig handelnde Verkäufer für jene Umstände verantwortlich, die sein Informationsinteresse begründen, sodass die dem Käufer (sonst) auferlegte Informations und Rügepflicht entfällt ( Schauer in Krejci , RK UGB § 377 Rz 21). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn dem Verkäufer auf Grund gravierender Sorglosigkeit der Mangel der Sache unbekannt geblieben ist und er deshalb nicht erkannte, dass der Käufer bei Kenntnis des Mangels den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte. Der Tatbestand ist auch erfüllt, wenn der Verkäufer den Mangel kannte, aber ihm auf Grund grober Fahrlässigkeit verborgen geblieben ist, dass der Käufer davon keine Kenntnis hatte, aber bei Vorhandensein der Information den Vertrag möglicherweise nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte (RIS Justiz RS0127766, Schauer aaO § 377 UGB Rz 18).
Hier war zu prüfen, ob die Beklagte den Mangel grob schuldhaft nicht erkannt und daher die Klägerin nicht informiert hat.
2.1 Wann grobe Fahrlässigkeit des Verkäufers vorliegt, kann nur einzelfallbezogen beurteilt werden.
2.2 Der (Zwischen )Händler haftet dem Käufer gegenüber nur für die ihn selbst treffenden Pflichten wie die Auswahl eines geeigneten Erzeugers, einwandfreie Lagerung der Ware, Hinweise auf Gefahren und ordnungsgemäße Verpackung. Er haftet jedoch nicht für jedes Verschulden des Produzenten, da der Erzeuger in der Regel nicht als Erfüllungsgehilfe anzusehen ist (RIS Justiz RS0022662, RS0022902). Es würde die Sorgfaltspflicht des Händlers überspannen, würde ihm die Verpflichtung auferlegt, die vom Erzeuger zugesicherten bestimmten Eigenschaften der vom Händler bloß vertriebenen Waren durch eigene Tests überprüfen zu lassen (10 Ob 13/05t). Der Zwischenhändler einer Absatzkette ist bei originalverpackter Ware lediglich verpflichtet zu prüfen, ob die auf der Verpackung deklarierte Ware mit der Bestellung übereinstimmt und die richtige Stückzahl geliefert worden ist ( Kramer/Martini in Straube , UGB [I 4 ] §§ 377, 378 Rz 34).
2.3 Die Klägerin beschränkte sich bei der Anlieferung der für die Beklagte besonders angefertigten blauen Platten durch den Hersteller auch im Hinblick auf die von der Beklagten angezeigte Dringlichkeit darauf, die Anzahl der in Transportfolien gelieferten Platten zu kontrollieren und diese an den offenen Stellen auf Beschädigungen zu überprüfen, ohne dabei die Transportfolie zu entfernen, weshalb ihr die Farbunterschiede nicht auffielen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dies stelle keine grobe Fahrlässigkeit dar, hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Judikatur. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass weder eine vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur gesonderten Prüfung der Qualität des Vertragsgegenstands feststeht, noch das Vorliegen besonderer Umstände oder Verdachtsmomente, die eine besondere Überprüfung der Kaufsache nahegelegt hätten.
2.4 Soweit die Beklagte ausführt, bei internationalen Streckengeschäften sei die Frage der Rügeobliegenheit nach § 377 UGB unter Berücksichtigung der länderübergreifenden Art 38 bis 40 UN Kaufrecht noch nicht geprüft worden, zeigt sie ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf. Zum einen liegt kein Streckengeschäft vor. Zum anderen gelangt auf das vorliegende Vertragsverhältnis österreichisches Recht und nicht UN Kaufrecht zur Anwendung.
3. Zu Unrecht erblickt die Beklagte in der Bereitschaft der Klägerin, sich trotz ihrer gleichzeitigen und mehrfachen mündlichen und schriftlichen Ablehnung der Mängelrüge dem Bauherrn, dem Generalimporteur und dem Hersteller gegenüber für eine Kulanzlösung einzusetzen und in ihrem Angebot, die blauen Platten unter der Bedingung der Bezahlung des Kaufpreises auszutauschen, einen schlüssigen Verzicht auf den Verspätungseinwand der Mängelrüge. Die Klägerin hat durch ihr Verhalten lediglich eine gewisse Verhandlungsbereitschaft ohne jedoch einen Verbesserungsversuch oder eine unbedingte Verbesserungszusage zu unternehmen bekundet und gleichzeitig auf die Verspätung der Mängelrüge ausdrücklich hingewiesen (vgl 1 Ob 526/90 mwN).
Die Beklagte zeigt auch hier keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen auf.
4. Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Irrtum über die Mängelfreiheit der Sache berufen (§ 377 Abs 2 UGB).
5. Eine allenfalls mangelhafte Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden (RIS Justiz RS0043371).