OGH vom 19.12.2018, 7Ob237/18f

OGH vom 19.12.2018, 7Ob237/18f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** X*****, vertreten durch Dr. Erich Greger und Dr. Günther Auer, Rechtsanwälte in Oberndorf, gegen die beklagte Partei A***** Versicherungs-AG, *****, vertreten durch Dr. Hannelore Gassner-Heimerl, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen 9.190 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 193/18p-25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 23 C 389/17p-21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht hat – nachträglich – ausgesprochen, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil zur Rechtsfrage, ob beim Kläger ein grobes Verschulden iSd § 61 VersVG vorgelegen habe, als dieser zunächst ordnungsgemäß bei Rotlicht angehalten, sich dann jedoch aufgrund anderer äußerer Einflüsse (hier: wegen eines Hupsignals eines anderen Verkehrsteilnehmers) zur Weiterfahrt über die Eisenbahnkreuzung berechtigt gewähnt und damit das Kollisionsereignis ausgelöst habe, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung veröffentlicht sei. Damit zeigen das Berufungsgericht und der Kläger die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht auf. Die Revision ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1. Der Kläger macht einen Mangel des Berufungsverfahrens geltend, der in einem angeblichen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz bestehen soll. Das Berufungsgericht sei nämlich ohne entsprechende Feststellung des Erstgerichts davon ausgegangen, es sei dem Kläger infolge Unaufmerksamkeit entgangen, dass das Passieren einer Zuggarnitur noch gar nicht stattgefunden habe. Das Berufungsgericht ist allerdings – ohne dass eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes vorläge – berechtigt, aus erstinstanzlichen Feststellungen tatsächliche Schlussfolgerungen zu ziehen (vgl RIS-Justiz RS0118191). Im Übrigen wäre das Fehlverhalten des Klägers nicht milder zu beurteilen, wenn er in Kenntnis des Umstands, dass die Zuggarnitur noch nicht passiert hatte, trotz bestehenden Rotlichts die Eisenbahnkreuzung übersetzt. Ein entscheidungsrelevanter Mangel des Berufungsverfahrens ist daher nicht gegeben.

2.1. Zum Vorliegen grober Fahrlässigkeit im Bereich des Versicherungsvertragsrechts liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung vor (vgl die Nachweise in RIS-Justiz RS0080371, RS0030359, RS0030477, RS0031127, RS0080275), die aus Anlass dieses Falls keiner Verbreiterung bedarf. Dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0107773).

2.2. Grobe Fahrlässigkeit ist im Bereich des Versicherungsvertragsrechts dann gegeben, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen (RIS-Justiz RS0080371 [T1]). Das Verhalten muss sich aus der Menge der auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit herausheben (RIS-Justiz RS0031127 [T27]: vgl auch RS0030477; RS0030359). Diese Beurteilung ist typischerweise von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet daher grundsätzlich keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0044262 [T46, T 48 bis T 50]). Die Revision wäre nur dann zulässig, wenn die Beurteilung des Berufungsgerichts den von der Rechtsprechung zum Vorliegen grober Fahrlässigkeit entwickelten Kriterien nicht entspricht; dies ist hier nicht der Fall:

2.3. Der Kläger hatte vor der Eisenbahnkreuzung angehalten, weil die Verkehrslichtsignalanlage „Rot“ zeigte. Als ein hinter dem Kläger stehender Fahrzeuglenker die Hupe betätigte, fuhr der Kläger in die Eisenbahnkreuzung ein, obwohl die Verkehrslichtsignalanlage immer noch „Rot“ anzeigte und er durch einen Blick nach rechts die herannahende Lokalbahn erkennen hätte können. Wenn die Vorinstanzen darin ein auffallend sorgloses Verhalten im Sinn grober Fahrlässigkeit erkannten, dann hält sich diese Beurteilung angesichts der dem Kläger offenkundigen Gefahrensituation (angekündigte Annäherung der Zuggarnitur) und seines evident verkehrswidrigen Verhaltens (Missachtung des Rotlichts, Nichtbeobachtung der Gleisanlage) jedenfalls im Rahmen der dazu entwickelten Grundsätze.

3. Eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO stellt sich nicht. Die Revision ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50, 40 ZPO. Die Beklagte hat auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, weshalb ihr mangels zweckentsprechender Rechtsverteidigung kein Kostenersatz zusteht (vgl RIS-Justiz RS0035962; RS0035979).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00237.18F.1219.000

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