OGH vom 25.04.1995, 4Ob517/95

OGH vom 25.04.1995, 4Ob517/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griss als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann G*****, vertreten durch Dr.Michael Schneditz-Bolfras, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagte Partei Franziska B*****, vertreten durch Dr.Josef Raffl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen Übergabe einer Liegenschaft und Abgabe einer Aufsandungserklärung (Streitwert S 100.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom , GZ R 955, 963/94-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom , GZ 3 C 586/94y-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend weist der Kläger darauf hin, daß entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ( § 508 a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegen:

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Kaufvertrag über eine Liegenschaft - ebenso wie über einen mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteil (MietSlg 36.104) - grundsätzlich formfrei und kommt schon mit der Einigung der Parteien über Kaufgegenstand und Preis zustande (EvBl 1962/452; EvBl 1966/493; JBl 1967, 84; SZ 59/87 und 108 uva; Aicher in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 1054). Die Feststellungen der Vorinstanzen bieten keinen Anhaltspunkt dafür, daß hier die Streitteile vor Errichtung eines schriftlichen Vertrages noch nicht gebunden sein wollten. Daraus, daß die Beklagte in anderen Fällen ein schriftliches Kaufanbot unterfertigt hat, ist für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien schon deshalb nichts zu gewinnen, weil für den Kläger daraus nicht zu ersehen war, daß die Beklagte erst mit einer Unterfertigung gebunden sein wollte. Schon gar nichts kann die Beklagte für sich daraus ableiten, daß sie am ein schriftliches Kaufanbot Gerda G*****s unterfertigt hat, weil der Kläger davon am - dem Zeitpunkt also, zu dem die Willenseinigung mündlich erklärt worden war - nichts wissen konnte. Die Frage aber, ob irgendwelche besonderen Begleitumstände, insbesondere eine Äußerung der Beklagten im Zuge ihrer Telefongespräche mit dem Vermittler, eine andere Deutung ihrer Willenserklärung zuließe, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.

Es entspricht gleichfalls ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß sich ein Vertragsteil, der in schuldhafter Verletzung seiner Vertragspflichten deren Erfüllung dadurch unmöglich macht, daß er nacheinander mehrere Verpflichtungen eingeht, bei denen die Erfüllung der einen notwendig zur Vereitelung der anderen führen muß, nicht auf die Unmöglichkeit der Leistung berufen kann. Dieser zunächst für den Fall der Doppelvermietung aufgestellte Rechtsatz (Spruch 48 neu = SZ 30/33) wurde auch auf den Doppelverkauf und auf alle anderen Fälle ausgedehnt, in denen ein Vertragsteil in schuldhafter Verletzung seiner Vertragspflichten deren Erfüllung unmöglich macht (JBl 1958, 471; JBl 1975, 207; JBl 1979, 146; JBl 1987, 783 ua). Das gilt jedenfalls so lange, als die Möglichkeit der Wiederbeschaffung gegeben und zumutbar ist (JBl 1987, 783). Eine Verurteilung zur Leistung setzt freilich eine ernstzunehmende, irgendwie ins Gewicht fallende Chance voraus, daß die Leistung (wenigstens) später erbracht werden kann (JBl 1985, 742; Koziol/Welser, Grundriß9 I 234 mwN; aM Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 10 zu § 920, wonach der Beweis der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit des Wiedererwerbs grundsätzlich nicht zuzulassen sei). Auf die Frage, wie weit es im allgemeinen dem Verkäufer einer Liegenschaft (oder Eigentumswohnung) möglich und zumutbar ist, das Objekt zurückzuerwerben, braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil die Beklagte in erster Instanz nicht einmal vorgebracht und zu beweisen versucht hat, daß sie alles unternommen habe, um den Dritten (den nunmehrigen Wohnungseigentümer) zu einer die Erfüllung ermöglichenden Handlung zu bewegen (EvBl 1954/132; JBl 1987, 783).

Die - vom Berufungsgericht zur Begründung seines Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision aufgeworfene - Rechtsfrage, ob es dem Kläger möglich sein wird, ein stattgebendes Urteil gegenüber dem nunmehr im Grundbuch eingetragenen Eigentümer durchzusetzen, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites ohne jede Bedeutung. Auch wenn man den Rechtssatz, daß im Falle der Doppelveräußerung einer Liegenschaft der von einem Käufer gegen den Verkäufer erlangte Exekutionstitel gegen den bereits einverleibten anderen Käufer als Rechtsnachfolger des Verkäufers gemäß § 9 EO zu vollstrecken ist, wenn dieser nach Anhängigmachen des Rechtsstreites einverleibt wurde (NZ 1994, 87 = JBl 1994, 691) ablehnt (so Welser, Posterior tempore, potior jure, NZ 1994, 73 ff; Wilhelm, Kauf bricht Grundbuch, ecolex 1994, 305; Hoyer, Gilt § 440 ABGB noch? (JBl 1994, 691) steht das einer Stattgebung der Klage nicht entgegen.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, diente seine Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (RZ 1985/6).