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OGH vom 11.03.2010, 4Ob19/10p

OGH vom 11.03.2010, 4Ob19/10p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****gesellschaft mbH, ***** , vertreten durch Prof. Haslinger Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei N***** AG, ***** , vertreten durch Rechtsanwälte Konrad Schröttner OG in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 65.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 169/09h 37, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin beanstandet die Behauptung der Beklagten, in Österreich „Technologieführer" im Bereich der Hörgeräteakustik zu sein. Die Vorinstanzen werteten dies als Behauptung einer Spitzenstellung, deren Richtigkeit die Beklagte zu bescheinigen habe. Da ihr dies nicht gelang, untersagten sie die Behauptung. Den von der Beklagten auch im Sicherungsverfahren angebotenen Sachverständigenbeweis nahmen sie nicht auf. Das Erstgericht beschränkte das Verbot auf den Fall, dass die beanstandete Behauptung nicht zutreffe; das Rekursgericht ließ diese Einschränkung entfallen.

Rechtliche Beurteilung

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gelingt es nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung aufzuzeigen.

1. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens kein parates Beweismittel iSv § 389 EO,§ 274 ZPO sei, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 502/88 = SZ 61/9; 4 Ob 249/98s; 4 Ob 173/02y; 4 Ob 31/06x ua). Anderes mag allenfalls gelten, wenn in einem Hauptverfahren bereits ein Sachverständiger bestellt wurde, der bei einem später gestellten Sicherungsantrag aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit zur unverzüglichen Abgabe eines Gutachtens in der Lage ist. Das trifft hier aber nicht zu. Dass der im Hauptverfahren noch nicht bestellte deutsche Sachverständige, auf den sich die Parteien anscheinend geeinigt haben, kein parates Bescheinigungsmittel ist, liegt auf der Hand.

2. Die Beklagte bestreitet nicht, dass sie die Richtigkeit der von ihr in Anspruch genommenen Spitzenstellung bescheinigen muss (RIS Justiz RS0078519). Diese Spitzenstellung muss wegen der insofern nicht differenzierenden Behauptung nicht nur gegenüber den beiden „großen" Mitbewerbern, sondern ganz allgemein bestehen. Dabei ist es auf der Tatsachenebene nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch ein „kleiner" Mitbewerber, der besonders innovativ ist oder sich auf hochwertige Produkte spezialisiert hat, das Niveau der Beklagten erreichen oder auch übertreffen kann. Dass dies wegen besonderer technischer oder wirtschaftlicher Anforderungen, die nur größere Unternehmen erfüllen könnten, nicht möglich wäre, lässt sich aus dem bescheinigten Sachverhalt nicht ableiten. Zudem hat die Beklagte in ihrer Äußerung zum Sicherungsantrag kein solches Vorbringen erstattet.

3. Ob aus dem bescheinigten Sachverhalt das Vorliegen der Spitzenstellung abgleitet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung. Eine krasse Fehlbeurteilung liegt angesichts der mehrfach getroffenen Negativfeststellungen zum Standard der Mitbewerber nicht vor. Der Umstand, dass die Beklagte die Bescheinigung möglicherweise nur durch Offenlegung von Betriebsgeheimnissen erbringen könnte, fällt in ihre Sphäre. Er kann nicht zum Wegfall der Bescheinigungslast führen.

4. Richtig ist, dass die Beklagte nicht zu einer Unterlassung verhalten werden kann, zu der sie nach materiellem Recht gar nicht verpflichtet ist (RIS Justiz RS0037461). Diese Aussage bezieht sich aber auf den für die Beurteilung des Anspruchs maßgebenden Zeitpunkt, hier also auf jenen der Erlassung der einstweiligen Verfügung durch das Erstgericht. Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte auf der Grundlage des bescheinigten Sachverhalts, wonach sie zu diesem Zeitpunkt über keine Spitzenstellung verfügte, ganz allgemein verpflichtet ist, die strittige Behauptung zu unterlassen. Die Begründung dieser Verpflichtung (nämlich die Unrichtigkeit der Behauptung) muss nicht zwingend in den Spruch aufgenommen werden. Der sachliche Umfang der Rechtskraft kann insofern auch durch einen Rückgriff auf die Entscheidungsgründe ermittelt werden (RIS Justiz RS0043259, RS0041357, RS0000300). Eine Änderung der Verhältnisse könnte in weiterer Folge mit einem Aufhebungsantrag nach § 399 Abs 1 Z 2 EO geltend gemacht werden (17 Ob 11/08d). Zwar weisen lauterkeitsrechtliche Verbote gelegentlich vergleichbare Formulierungen auf, so etwa in der von der Beklagten zitierten Entscheidung 4 Ob 245/07v („sofern ... nicht die höchste Auflagenzahl aufweist"). Das ist aber regelmäßig durch die Formulierung des Begehrens bedingt (§ 405 ZPO).