zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 10.02.2004, 4Ob19/04d

OGH vom 10.02.2004, 4Ob19/04d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ä*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Kodolitsch und andere Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Regina P*****, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner und Mag. Werner Diebald, Rechtsanwälte in Köflach, wegen Unterlassung (Streitwert 19.258,30 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.453,46 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 251/02g-26, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

1. Die Beklagte, die keine Ärztin ist, besitzt Gewerbescheine betreffend "Auswahl von Bachblüten und Ernährungsberatung" sowie "kosmobiologische und esoterische Dienstleistungen". Sie hat nach den Feststellungen der Vorinstanzen im Rahmen ihrer "Bachblütenpraxis" eine vorsprechende Person dazu veranlasst, ihr ihre körperlichen Symptome und Beschwerden zu schildern, sie hat auf Grund dieser Schilderung Therapievorschläge zur Behandlung der psychischen Probleme und zur Bekämpfung der körperlichen Symptome durch Verschreibung homöopathischer Präparate erstellt und sodann ihre Leistungen in einer Honorarnote verrechnet. Weiters hat die Beklagte in Flugblättern für ein von ihr zu veranstaltendes Seminar "Homöopathische Hausapotheke" geworben, in dem Grundkenntnisse vermittelt werden sollen, um "im Falle leichter Erkrankungen rasch und wirkungsvoll mit unschädlichen Mitteln helfen zu können und zugleich das Immunsystem zu stärken".

Rechtliche Beurteilung

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe mit ihrem Verhalten in den Vorbehaltsbereich des § 2 ÄrzteG eingegriffen und wettbewerbswidrig gem § 1 UWG gehandelt, hält sich im Rahmen der zu vergleichbaren Sachverhalten ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen.

So stellt der erkennende Senat bei der Beurteilung, ob das Verhalten eines Nichtarztes ein sittenwidriger Eingriff in den Ärztevorbehalt ist oder ob dieses Verhalten nicht geeignet ist, sich auf die Wettbewerbslage zwischen Ärzten und Nichtärzten auszuwirken, darauf ab, welchen Eindruck der Ratsuchende vom Verhalten des Nichtarztes gewinnen muss. Wer als Nichtarzt Untersuchungen - welcher Art immer - in der erkennbaren Absicht vornimmt, einem Ratsuchenden dadurch Auskünfte über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Krankheiten oder krankhaften Störungen, Behinderungen oder Missbildungen zu erteilen, oder wer als Nichtarzt solche Auskünfte in Form einer Diagnose - auf Grund welcher Erkenntnisquelle immer - erteilt, erweckt den Anschein, ein Arztbesuch sei entbehrlich; er fördert dadurch den eigenen Wettbewerb auf sittenwidrige Weise, nämlich unter Missachtung des § 2 Abs 2 ÄrzteG, zu Lasten der Ärzte und verstößt damit gegen § 1 UWG (4 Ob 166/03w). Im Hinblick auf das Gutachten des Obersten Sanitätsrats, wonach die Behandlung mit homöopathischen Arzneimitteln nur nach ärztlicher Anordnung erfolgen dürfe, wurde ausgesprochen, dass darin die Rechtsmeinung der in Gesundheitsfragen zuständigen höchsten Verwaltungsbehörde zum Ausdruck kommt, die bis zu einer gegenteiligen Äußerung für die Rechtsanwender als Richtschnur ihres Verhaltens zu dienen hat; wer von diesem Verhalten abweicht, kann sich daher auch nicht mit Erfolg auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum berufen (4 Ob 70/02a).

Dass die Beklagte - wie sie in der Revision betont - homöopathische Arzneimittel etwa nur gegenüber "austherapierten" Patienten empfohlen oder ausdrücklich darauf hingewiesen habe, man möge sich zusätzlich mit einem Arzt in Verbindung setzen, wurde nicht festgestellt. Auch hat die Beklagte ihrem Kunden nicht bloß allgemeine Informationen weitergegeben, sondern ihm gezielt bestimmte homöopathische Präparate in detailliert festgelegter Dosierung zur Bekämpfung körperlicher Symptome empfohlen. Dass sie kein ärztliches Rezept iSd § 3 RezeptpflichtG verschrieben hat, liegt in der Natur der Sache - sie gehört ja nicht zum Kreis der zur Verschreibung berechtigten Personen - und macht ihr Verhalten noch nicht wettbewerbsrechtlich zulässig.

2. Da der Einsatz von Testpersonen grundsätzlich nicht gegen die guten Sitten verstößt, steht diese Methode auch Körperschaften des öffentlichen Rechts offen, die zur Klageführung wegen Wettbewerbsverstößen berechtigt sind (4 Ob 2254/96s = ecolex 1997, 442; 4 Ob 70/02a). Es kann einem Unternehmer grundsätzlich nicht verwehrt werden, sich durch geeignete Testpersonen davon zu überzeugen, ob sich ein Konkurrent an seine gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen hält. Kontrollorgane dieser Art, die nicht anstiften, sondern nur auf die Probe stellen wollen, sind keine Lockspitzel. Dass die Testpersonen heimlich vorgehen, macht ihr Verhalten nicht unzulässig, weil beim Entdecken ihrer Funktion eine Kontrolle von vornherein wirkungslos wäre. Testpersonen dieser Art dürfen sich aber nicht anders verhalten als "gewöhnliche" (und damit auch redlich vorgehende) Kunden in vergleichbaren Fällen. Mit unerlaubten und verwerflichen Mitteln, insbesondere bewusst wahrheitswidrigen Behauptungen, darf nicht auf einen Verstoß des Mitbewerbers hingewirkt werden (stRsp ua ÖBl 1998, 337 - Ukrain mwN; 4 Ob 70/02a).

Dass sich die Testperson unerlaubter oder verwerflicher Mittel bedient hätte, ist nicht erwiesen.

3. Die Beklagte erweckt mit ihrer Seminarankündigung nicht nur den Eindruck, sie sei in der Lage, Kenntnisse zur Verwendung homöopathischer Arzneimittel zur Bekämpfung körperlicher Symptome im Rahmen einer Selbstbehandlung zu vermitteln, sondern bewirbt zugleich auch ihre Bachblütenpraxis (auf die im Flugblatt gleich zu Beginn verwiesen wird), indem sie den angesprochenen Verkehrskreisen indirekt vermittelt, dort auch selbst homöopathische Heilbehandlungen durchzuführen. Bei dieser Sachlage haben die Vorinstanzen das Veröffentlichungsinteresse dem Grunde nach zu Recht bejaht. Ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falles zur Aufklärung des Publikums geboten ist, begründet im übrigen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (stRsp ua SZ 56/156 = EvBl 1984/14 = ÖBl 1984, 13 - Telefonwerbung; MR 1987, 144 - Lieblingszeitung II; ÖBl 1989, 86; ÖBl 1996, 284 - Expo-Technik II; 4 Ob 34/03h uva).

4. Soweit die Beklagte Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens infolge Zurückweisung ihres Antrags auf Anberaumung einer Berufungsverhandlung geltend macht, ist ihr zu erwidern, dass ein solcher Verfahrensfehler nicht vorliegt. Es ist ständige Rechtsprechung, dass durch die Einbringung eines formal einwandfreien, zur meritorischen Behandlung geeigneten und inhaltlich nicht verbesserungsfähigen Rechtsmittels das Rechtsmittelrecht einer Partei konsumiert ist, weil im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich nur ein Schriftsatz zusteht und Nachträge und Ergänzungen unzulässig sind (3 Ob 78/99p; 9 ObA 133/99w ua). Wurde in der Berufung kein Antrag auf Anordnung einer mündlichen Berufungsverhandlung gestellt, kann dieser nicht nachgetragen werden (Kodek in Rechberger ZPO² § 492 Rz 1; 9 ObA 135/00v = ARD 5304/30/02). Ein Fall der Anwendung des § 473a ZPO durch das Berufungsgericht liegt nicht vor.

5. Dass die nunmehrige Entscheidung des Berufungsgerichts weitgehend wortident mit dem infolge Nichtigkeit aufgehobenen Berufungsurteil ist, vermag für sich allein keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens zu begründen: Der aus dem genannten Umstand gezogene Schluss der Beklagten, es habe im Berufungsverfahren keine meritorische Prüfung stattgefunden, ist reine Spekulation und entbehrt jeder nachvollziehbaren Grundlage.

6. Den von der Beklagten geltend gemachten Verfahrensmangel erster Instanz hat das Berufungsgericht behandelt und verneint; daran ist der Oberste Gerichtshof gebunden (SZ 62/157; JBl 2002, 327 uva; s auch Kodek in Rechberger, ZPO² § 503 Rz 3).