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OGH vom 04.07.1960, 6Ob149/60

OGH vom 04.07.1960, 6Ob149/60

Norm

Außerstreitgesetz § 14;

Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 §§4 ff;

Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 § 30;

Notwegegesetz § 16;

Kopf

SZ 33/73

Spruch

Im Verfahren nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz und nach dem Notwegegesetz gelten die Vorschriften des Außerstreitgesetzes auch für das Rechtsmittelverfahren. Daher sind Revisionsrekurse auch gegen aufhebende zweitinstanzliche Entscheidungen zulässig.

Zur Entschädigung des Bestandnehmers einer enteigneten Liegenschaft.

Entscheidung vom , 6 Ob 149/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Villach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Mit Bescheid des Magistrates V. vom wurde ein in V. gelegenes, der Antragstellerin gehöriges Haus gemäß §§ 35, 37 des Kärntner Straßengesetzes, LGBl. Nr. 24/1955, zugunsten der Antragsgegnerin, der Stadtgemeinde V., als Verwalterin öffentlichen Straßengutes zur Herstellung einer öffentlichen Gemeindestraße dauernd enteignet und die Antragstellerin verpflichtet, die Einwilligung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes der Antragsgegnerin bei dieser Liegenschaft zu erteilen. Bezüglich der Entschädigung wurde auf ein mit der Antragstellerin getroffenes Übereinkommen vom verwiesen, in dem u. a. festgehalten wird, daß sich die Antragsgegnerin selbst mit Anton G., dem Mieter eines Geschäftslokales in dem enteigneten Haus, auseinanderzusetzen habe. Mit Bescheid des Magistrates V., Baupolizei, vom wurde die Antragsgegnerin als (bücherliche) Eigentümerin der Liegenschaft infolge Aufhebung des baubehördlichen Benützungskonsenses zur Räumung und Abtragung des Hauses verpflichtet. Mit Bescheid des Magistrates V. als Bezirksverwaltungsbehörde vom wurde gemäß § 37 Abs. 3 des Kärntner Straßengesetzes in Verbindung mit § 5 EisenbahnenteignungsG. 1954 der nachträgliche Antrag der Antragstellerin auf Entschädigung des Anton G. abgewiesen.

Das Erstgericht hat den bei ihm gemäß § 37 Abs. 5 des Kärntner Straßengesetzes gestellten Antrag, die Entschädigung für den dem Anton G. durch die Enteignung erwachsenden Schaden mit 164.500 S festzusetzen, zurückgewiesen. Die Antragstellerin sei voll entschädigt worden, könne also keine Entschädigungsansprüche mehr geltend machen. Ihr fehle die Legitimation, für den Mieter G. Entschädigungsansprüche zu stellen.

Das Rekursgericht hat dem Rekurs der Antragstellerin Folge gegeben, den erstgerichtlichen Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht neuerliche sachliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Nur die Antragstellerin, nicht auch G., habe in dem gemäß § 37 Abs. 7 des Kärntner Straßengesetzes nach den Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 abzuführenden Verfahren Parteistellung. Gemäß § 5 EisenbahnenteignungsG. 1954 sei bei der Ermittlung der Entschädigung auch auf die Nachteile Rücksicht zu nehmen, welche Bestandnehmer erleiden, deren Vergütung dem Enteigneten obliegt. Der Bestandnehmer könne sich also nur an den, enteigneten Bestandgeber halten, der aber auch die Entschädigungsansprüche des Bestandnehmers geltend machen könne. Daher sei die Verneinung der Legitimation der Antragstellerin durch das Erstgericht verfehlt. Es sei noch zu erörtern, ob G. mit seinen Entschädigungsansprüchen durch das Entschädigungsübereinkommen zwischen den Parteien vertraglich auf die unmittelbare Geltendmachung dieser Ansprüche gegen die Antragsgegnerin verwiesen worden oder was sonst der Sinn des auf G. bezüglichen Punktes dieses Übereinkommens gewesen sei. Stehe dieses Übereinkommen der Erhebung des verfahrensgegenständlichen Anspruches nicht entgegen, werde sich das Erstgericht mit der Frage auseinanderzusetzen haben, inwieweit der Anspruch des G. gegen die Antragstellerin berechtigt sei und die Antragstellerin dem G. Ersatz leisten müsse. Die Tragweite der allgemeinen Norm des § 5 EisenbahnenteignungsG. 1954 sei aber durch die Wendung "... und deren Vergütung dem Enteigneten obliegt" nicht eingeschränkt, diese Wendung betreffe nur die Legitimationsfrage.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit ihrem Revisionsrekurs macht die Antragsgegnerin geltend, der Sinn des auf G. bezüglichen Teiles des Entschädigungsübereinkommens zwischen den Streitteilen sei nur der gewesen, daß das Risiko allenfalls von G. erhobener, von beiden Teilen überdies bestrittener Schadenersatzansprüche von der Antragsgegnerin getragen werden solle. Daher werde die Berechtigung der Antragstellerin, in diesem Verfahren die von G. gegen sie erhobenen, in ihrer Berechtigung bestrittenen Ansprüche gegen die Antragsgegnerin geltend zu machen, von der Antragsgegnerin nicht bekämpft. Die Ansprüche des G. bestunden nicht zu Recht. Denn durch § 5 EisenbahnenteignungsG. 1954 seien die Ansprüche des Bestandnehmers auf das beschränkt, was der enteignete Bestandgeber dem Bestandnehmer vergüten müsse, und für Ansprüche des G. gegen die Antragstellerin fehle jeder Rechtsgrund, da eine Enteignung jedenfalls einen Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 1 MietG. darstelle.

I. Zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses:

Nach § 24 Abs. 1 EisenbahnenteignungsG. 1954 hat das Gericht alle für die Feststellung der Entschädigung maßgebenden Verhältnisse nach den Grundsätzen des Verfahrens außer Streitsachen an Ort und Stelle zu erheben. Nach § 30 Abs. 2 dieses Gesetzes kann die Entscheidung über die zu leistende Entschädigung nur mit Rekurs angefochten werden. Nach § 30 Abs. 4 dieses Gesetzes ist der Rekurs in doppelter Ausfertigung zu überreichen und eine Ausfertigung des Rekurses dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen. Der Gegner des Beschwerdeführers kann eine Gegenäußerung überreichen. Nach § 30 Abs. 5 dieses Gesetzes gelten die vorstehenden Bestimmungen auch für die Anfechtung der Entscheidung der zweiten Instanz. Da die Verfahrensregelung des Eisenbahnenteignungsgesetzes dem Notwegegesetz zum Vorbild gedient hat (Erläuternde Bemerkungen zu diesem Gesetzentwurf, Nr. 1292 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, XI. Session, 1895), finden sich im Notwegegesetz entsprechende Bestimmungen: Nach § 9 Abs. 3 NotwegeG. finden bei der Verhandlung über den Anspruch auf Einräumung eines Notweges, sofern in dem Notwegegesetz nichts anderes angeordnet ist, die Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen Anwendung. Nach § 16 Abs. 1 dieses Gesetzes kann die Entscheidung des Gerichtes über den einzuräumenden Notweg und über die zu leistende Entschädigung nur mittels des Rechtsmittels des Rekurses angefochten werden. Gemäß § 16 Abs. 3 dieses Gesetzes ist der Rekurs in so vielen Ausfertigungen anzubringen, daß ein Exemplar bei Gericht zurückbehalten und je ein Exemplar den durch die Beschwerde berührten Gegnern des Beschwerdeführers zugestellt werden kann. Diese Gegner können eine Gegenäußerung erstatten. Nach § 16 Abs. 5 dieses Gesetzes gelten die vorstehenden Bestimmungen auch für die Anfechtung der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz.

Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu beiden Gesetzen in der Frage, ob ein Rekurs gegen die zweitgerichtliche Entscheidung, mit der die erstgerichtliche Entscheidung aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wurde, zulässig sei, ist nicht einheitlich.

In den älteren Entscheidungen (GlU. 15.208, GlU. 15.865, GlUNF. 48, GlUNF. 2576, GlUNF. 3338, SZ. X 322) wurde die Zulässigkeit dieser Anfechtung verneint. Der Gesetzeswortlaut spreche gegen diese Zulässigkeit. Die Zulassung einer besonderen Anfechtung von lediglich der Vervollständigung des Verfahrens dienenden Beschlüssen sei mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck einer raschen und möglichst kostensparenden Erledigung unvereinbar. Der Begründung des mit Plenissimarbeschluß vom geschaffenen Judikates Nr. 203, GlUNF. 6486, wird vorausgeschickt, daß der mit diesem Judikat beschlossene Rechtssatz, im Verfahren nach dem Außerstreitgesetz sei der Revisionsrekurs gegen aufhebende Beschlüsse der zweiten Instanz zulässig, nicht in Ansehung derjenigen Gesetze gelte, nach welchen zwar das Außerstreitgesetz zur Anwendung zu kommen habe, wobei aber aus anderen Bestimmungen dieser Gesetze sich ergebe, daß der Revisionsrekurs gegen einen aufhebenden Beschluß des Rekursgerichtes unstatthaft sei, z. B. in Ansehung des Eisenbahnenteignungsgesetzes und des Notwegegesetzes. Der in dieser älteren Rechtsprechung vertretenen Ansicht sind in neuerer Zeit die Entscheidungen 2 Ob 461/58 und 5 Ob 331/59 gefolgt, ohne aber für ihren Standpunkt neue Argumente ins Treffen zu führen.

In seiner neueren Rechtsprechung ist der Oberste Gerichtshof aber im überwiegenden Maß von dieser Rechtsansicht abgegangen. In seiner Entscheidung SZ. XXIII 10 hat er ausgeführt, daß für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung, soweit nicht das Eisenbahnenteignungsgesetz besondere Vorschriften enthalte, die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes anzuwenden seien, was sich aus § 24 EisenbahnenteignungsG. ergebe. Die Vorschriften des Außerstreitgesetzes müßten daher auch für das Rechtsmittelverfahren gelten. Denn § 30 EisenbahnenteignungsG. enthalte für die Anfechtung und das Rekursverfahren nur die von den Vorschriften des Außerstreitgesetzes abweichende Bestimmung, daß der Rekurs in doppelter Ausfertigung zu überreichen, eine Ausfertigung dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen sei und dieser Beschwerdegegner sich binnen 14 Tagen zu den Rekursausführungen äußern könne, sowie die Bestimmung, daß diese Vorschrift auch für den Revisionsrekurs gelte. Die von dieser Entscheidung (wie überdies vor ihr schon von den Entscheidungen SZ. VI 109 und XII 122) vertretene Rechtsansicht, daß die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes auch auf das Rechtsmittelverfahren, insbesondere hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit von Revisionsrekursen, Anwendung zu finden haben, wurde vom Obersten Gerichtshof in der Folge in zahlreichen Entscheidungen aufrechterhalten (3 Ob 565/52, EvBl. 1954 Nr. 399, 7 Ob 484/55, SZ. XXX 47, 7 Ob 43/58, ZVR. 1960 Nr. 57, 6 Ob 425/59). Die Entscheidung SZ. XXX 47 hebt insbesondere hervor, im § 30 EisenbahnenteignungsG. 1954 sei keine Rede davon, daß der allgemeine Grundsatz des Außerstreitverfahrens, Revisionsrekurse gegen zweitgerichtliche aufhebende Beschlüsse seien zulässig, nicht gelte. Von dieser Rechtsansicht ist, allerdings ohne Begründung, schon die Entscheidung SZ. V 68 ausgegangen. In der Entscheidung EvBl. 1958 Nr. 183 hat der Oberste Gerichtshof auf die die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gegen aufhebende Beschlüsse der zweiten Instanz in Eisenbahnenteignungs- und Notwegesachen verneinende Begründung des Judikates Nr. 203 Bezug genommen und ausgesprochen, daß er diese - ihn nicht bindende - Rechtsansicht nicht aufrechterhalten könne. Aus dem Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 lasse sich kein Hinweis darauf entnehmen, daß andere Verfahrensgrundsätze als die des Außerstreitgesetzes gelten sollten.

§ 30 EisenbahnenteignungsG. 1954 bestimme durchaus nicht, daß nur die Endentscheidung angefochten werden könne, sondern bloß, daß gegen die Endentscheidung als Rechtsmittel nur der Rekurs, nicht auch die Vorstellung zulässig sei. Der im Judikat Nr. 203 ausgesprochene Rechtssatz über die grundsätzliche Zulässigkeit des Revisionsrekurses gegen rekursgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse im Außerstreitverfahren gelte daher auch in nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 zu behandelnden Enteignungsfällen. Dieser Entscheidung ist, das Notwegegesetz betreffend, die Entscheidung EvBl. 1958 Nr. 362 gefolgt. Die Anfechtbarkeit der zweitgerichtlichen Aufhebungsbeschlüsse diene der Beschleunigung des Verfahrens und der Kostensparung, wenn die im Aufhebungsbeschluß vertretene Rechtsansicht vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt werde. Es bestehe kein Anlaß für die Annahme, daß im Verfahren nach dem Notwegegesetz andere Grundsätze als in den übrigen nach dem Außerstreitgesetz zu behandelnden Rechtssachen zu gelten hätten. Im gleichen Sinn sind die Entscheidungen 1 Ob 242/59 und 6 Ob 206/59 ergangen.

Der älteren Rechtsprechung mag zugegeben werden, daß § 30 Abs. 2 EisenbahnenteignungsG. 1954 ebenso wie § 16 Abs. 1 NotwegeG. die Endentscheidung zum Gegenstand hat, die einer besonderen Regelung zu unterstellen für notwendig erachtet wird. Wenn aber im Hinblick auf die Endentscheidung verfügt wird, daß diese Entscheidung nur mit Rekurs angefochten werden kann, kann dies nach dem natürlichen Sinn dieser Worte in ihrem Zusammenhang (§ 6 ABGB.) nicht anders verstanden werden als dahin, daß ein anderes Rechtsmittel zur Beseitigung dieser Entscheidung nicht zur Verfügung steht, keinesfalls aber dahin, daß nur diese Entscheidung anfechtbar sein soll. Daß das Gesetz die Anfechtung anderer Entscheidungen als der Endentscheidung ausschließen will, läßt sich weder dem § 30 Abs. 2 EisenbahnenteignungsG. 1954 noch dem § 16 Abs. 1 NotwegeG. entnehmen.

Entgegen der in der Entscheidung SZ. X 322 vertretenen Meinung spricht die Bestimmung des § 31 Abs. 5 EisenbahnenteignungsG. (daß ein gegen die Anordnung des Augenscheines oder gegen die Erteilung des Auftrages, sich jeder die Vornahme des Augenscheines erschwerenden Veränderung zu enthalten, ergriffener Rekurs keine aufschiebende Wirkung habe) nicht gegen diese Ansicht. Im Gegenteil, es geht aus dieser Bestimmung folgendes deutlich hervor: außer der Endentscheidung können auch andere Entscheidungen, und zwar verhältnismäßig unbedeutende Verfahrensschritte - die Zivilprozeßordnung läßt in ihren im § 31 Abs. 3 EisenbahnenteignungsG. 1954 bezogenen Bestimmungen betreffend die Sicherung von Beweisen arg.§ 386 Abs. 4 ZPO. gegen gleichwertige Beschlüsse kein Rechtsmittel zu -, mit Rekurs angefochten werden, und das Gesetz gibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß es sich hiebei um eine nur ausnahmsweise Zulassung der Anfechtung handelt; nur eine aufschiebende Wirkung soll der Rekurs nicht haben.

Daß die Anfechtbarkeit anderer Entscheidungen als der Endentscheidung ausgeschlossen sein soll, also - über § 518 ZPO. hinausgehend - sogar die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, mit dem die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens verweigert wurde, hätte leicht durch eine andere Fassung des § 30 Abs. 2 EisenbahnenteignungsG. 1954 und des § 16 Abs. 1 NotwegeG. zum Ausdruck gebracht werden können, etwa in der Form, in der dies im Besitzstörungsverfahren durch die §§ 460 und 518 ZPO. geschehen ist.

Wenn gemäß § 30 Abs. 5 EisenbahnenteignungsG. 1954 und § 16 Abs. 5 NotwegeG. die Bestimmungen des § 30 Abs. 2 EisenbahnenteignungsG. 1954 und des § 16 Abs. 1 NotwegeG. auch für die Anfechtung der Entscheidung der zweiten Instanz gelten sollen, kann daher selbst unter der Annahme, daß damit nur die Anfechtung einer Endentscheidung der zweiten Instanz und nicht auch eines aufhebenden Beschlusses derselben gemeint sein soll, daraus der Ausschluß der Anfechtung eines zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschlusses nicht abgeleitet werden.

§ 30 EisenbahnenteignungsG. 1954 und § 16 NotwegeG. sprechen nicht gegen die Heranziehung der in einem anderen Gesetz gegebenen Rechtsmittelvorschriften im Verfahren nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 und nach dem Notwegegesetz. Vielmehr ergibt sich, und zum Teil aus diesen gesetzlichen Bestimmungen selbst, die zu einer nur annähernd abschließenden Regelung aller in einem Rechtsmittelverfahren auftauchenden Verfahrensfragen überdies auch als viel zu dürftig erscheinen würden, daß die Regelung, die das Rechtsmittelverfahren im Außerstreitgesetz gefunden hat, ergänzend herangezogen werden muß.

Die Frage, welches andere neben dem Rekurs mögliche Rechtsmittel § 30 Abs. 2 EisenbahnenteignungsG. 1954 und § 16 Abs. 1 NotwegeG. mit dem Wort "nur" auszuschließen als notwendig befunden haben, kann nämlich nur dahin beantwortet werden, daß es sich dabei (wie schon in der Entscheidung EvBl. 1958 Nr. 183 ausgeführt wurde; vgl. hiezu auch Ott, Rechtsfürsorgeverfahren, S. 237 f. mit Anm. 4) nur um das Rechtsmittel der Vorstellung nach § 9 AußStG. handeln kann. Daraus ergibt sich aber, daß die erwähnten Gesetzesstellen davon ausgehen, ohne den erwähnten Ausschluß eines anderen Rechtsmittels könnte außer dem Rekurs eine Vorstellung nach § 9 AußStrG. angebracht werden. Damit gehen diese Gesetzesstellen von der im § 24 Abs. 1 EisenbahnenteignungsG. 1954 und § 9 Abs. 3 NotwegeG. verfügten Anwendung der Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen, und zwar nicht etwa nur auf die mündliche Verhandlung, wie nach den erwähnten Gesetzesstellen allenfalls angenommen werden könnte, sondern auch auf das Rechtsmittelverfahren aus.

Daß die Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen auch für das Rechtsmittelverfahren gelten sollen, bestätigt der Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage des Notwegegesetzes (Nr. 1431 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, XI. Session, 1896), wenn er darauf hinweist, daß insbesondere die Verfahrensbestimmungen der §§ 9 bis 16 des Notwegegesetzes zu breit geraten seien und überflüssige Anordnungen enthielten, da das Außerstreitgesetz dem Richter die "gesetzlichen Verfahrungsweisen" an die Hand gebe.

Zu den Grundsätzen des Außerstreitverfahrens gehört auch die in die das I. Hauptstück des Außerstreitgesetzes bildenden allgemeinen Anordnungen aufgenommene, im § 9 Abs. 1 AußStrG. festgelegte Anfechtbarkeit jeder erstinstanzlichen Entscheidung. Wie dargelegt, kann eine Ausnahme von diesem Grundsatz den §§ 30 EisenbahnenteignungsG. 1954 und 16 NotwegeG. nicht entnommen werden. Daher kann - auch unter Bedachtnahme auf § 30 Abs. 5 EisenbahnenteignungsG. 1954 und § 16 Abs. 5 NotwegeG. - die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gegen eine aufhebende Entscheidung der zweiten Instanz im Sinne des Rechtssatzes des Judikates Nr. 203 ebenfalls nicht verneint werden.

Für die hier vertretene Rechtsansicht sprechen überdies solche noch aufzuzeigende Zweckmäßigkeitserwägungen, daß auch eine teleologische, ausdehnende Auslegung der §§ 24 Abs. 1 EisenbahnenteignungsG. 1954 und 9 Abs. 3 NotwegeG. zu ihr führen müßte.

Würden die Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen als durch die §§ 30 EisenbahnenteignungsG. 1954 und 16 NotwegeG. ausgeschlossen angesehen, müßte nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstellen, selbst bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne des § 14 Abs. 2 AußstrG. von nicht mehr als 1000 S und selbst im Falle einer bestätigenden zweitinstanzlichen Entscheidung, eine unbeschränkte - also im zweiten Fall nicht an die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 AußStrG. gebundene - Anfechtbarkeit angenommen werden, was gerade dem von den die gegenteilige Rechtsansicht vertretenden Entscheidungen hervorgehobenen Zweck der Beschleunigung und Kostensparung in krasser Weise widerspräche.

Bei grundsätzlicher Nichtzulässigkeit des Revisionsrekurses gegen aufhebende Beschlüsse der zweiten Instanz wäre auch auffällig, daß das Gesetz zwecks Beschleunigung des Verfahrens und Kostensparung nicht wenigstens für rechtlich zweifelhafte Fälle einen Rechtskraftvorbehalt wie den des § 527 Abs. 2 ZPO. vorgesehen hätte.

Im Hinblick darauf, daß die beiden einander widersprechenden Rechtsstandpunkte, wie oben dargestellt, mit der durch sie geförderten Beschleunigung des Verfahrens und Kostensparung begrundet worden sind, ist noch folgendes zu erwägen: bei Zulassung der Anfechtung eines zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschlusses wird eine solche Anfechtung vorwiegend nur in zweifelhaften Fällen erfolgen, und bei dem Mißerfolg einer solchen Anfechtung wird nur das Tätigwerden einer Instanz, nämlich des Obersten Gerichtshofes, rückschauend als ohne Einfluß auf das Endergebnis des Verfahrens, also als vermeidbar erscheinen. Bei der Ausschaltung einer solchen Anfechtung würde aber sehr häufig die erste Instanz im Auftrag der zweiten ein weitwendiges, kostspieliges Verfahren durchzuführen haben, das im Falle einer von der Rechtsansicht der zweiten Instanz abweichenden Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes nach - im obigen Sinne - vermeidbarem Tätigwerden zweier Instanzen zwecklos erschiene. Daher ist auch von diesem Gesichtspunkt aus der Zulassung der Revisionsbeschwerde gegen einen Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz als zweckmäßiger der Vorzug geben.

Endlich erscheint die Zulassung des Revisionsrekurses gegen einen Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz auch im Hinblick auf die wünschenswerte möglichste Vereinfachung und Vereinheitlichung des Rechtsmittelsystems und Vermeidung einer sachlich in keiner Weise zu rechtfertigenden Zerklüftung dieses Systems als der Nichtzulassung dieses Revisionsrekurses vorzuziehen.

Es ist noch darauf zu verweisen, daß auch bezüglich der in der Entmündigungsordnung getroffenen Anfechtungsregelung der Oberste Gerichtshof ausgesprochen hat, die für die Anfechtung einzelner bestimmter, besonders hervorgehobener Beschlüsse festgesetzte Sonderregelung schließe die Anfechtung anderer Beschlüsse nach den Grundsätzen des Außerstreitgesetzes nicht aus SZ. XV 237 u. a.).

Wie der Oberste Gerichtshof schon in seiner Entscheidung EvBl. 1958 Nr. 182 ausgesprochen hat, ist die in den Gründen des Judikates Nr. 203 ausgesprochene Rechtsansicht für ihn nicht bindend. Die Tragweite eines Judikates ist wohl nach seinen Gründen zu beurteilen. Das hindert aber den Obersten Gerichtshof nicht daran, zu der Anwendung der in dem Judikatssatz ausgesprochenen Rechtsansicht auch in Fällen zu gelangen, auf die der Judikatssatz bei seiner Beschließung für unanwendbar gehalten wurde, auf die aber der Judikatssatz bei richtiger Gesetzesauslegung ebenfalls angewendet werden muß. So ist den Gründen des erwähnten Judikates hinsichtlich der selbstverständlichen Einschränkung zu folgen, daß der Judikatssatz dort nicht angewendet werden könnte, wo zwar das Außerstreitgesetz zur Anwendung zu kommen hätte, aber gesetzliche Bestimmungen den Revisionsrekurs gegen einen aufhebenden Beschluß des Rekursgerichtes als unstatthaft erscheinen ließen. Den Gründen des erwähnten Judikates kann aber nicht weiter dahin gefolgt werden, daß das Eisenbahnenteignungsgesetz und das Notwegegesetz solche gesetzliche Bestimmungen enthielten, welche die beispielsweise Heranziehung dieser Gesetze für die gedachte Einschränkung des Judikatsatzes rechtfertigen würden. Für diese beispielsweise Heranziehung wird in den Gründen des erwähnten Judikates keinerlei Begründung gegeben; sie ist auch für den Judikatssatz in keiner Weise tragend. Der Wortlaut des § 3 der "Instruktion zur Führung eines Spruchrepertoriums und des Judikatenbuches in Zivilsachen" und die Geschichte des Zustandekommens dieser Vorschrift sprechen überdies gegen die bindende Kraft der den Judikaten beigegebenen Begründung und natürlich noch mehr gegen die bindende Kraft von in den Gründen ohne weitere Begründung eingestreuten Bemerkungen und Beispielen, ganz abgesehen von der praktischen Undurchführbarkeit einer solchen Bindung. Die bindende Kraft der Judikate ist im Hinblick auf § 12 ABGB. eher einschränkend zu beurteilen, wie die ernsten Bedenken zeigen, die während der geschichtlichen Entwicklung der Einrichtung des Judikatenbuches gegen die Bindung von Senaten an Präjudikate, ja gegen die Veröffentlichung von solchen Präjudikaten vorgebracht wurden (vgl. das Vorwort von Wahle zu "Die Judikate und Sprüche des Obersten Gerichtshofes seit seinem Bestande, herausgegeben vom Redaktionsausschuß des Obersten Gerichtshofes"). Nach § 3, letzter Absatz, der genannten "Instruktion" ist jedenfalls nur die in das Judikatenbuch aufgenommene Entscheidung über die Rechtsfrage für die Senate bindend. Selbst eine in pleno gefaßte Entscheidung könnte in zukünftigen Fällen nicht als verbindlich angesehen werden, wenn nicht auch ausdrücklich Beschluß gefaßt wird, diese Entscheidung in das Judikatenbuch einzutragen (Wahle a. a. O. S. XLII).

Aus diesen Erwägungen kommt der Oberste Gerichtshof zu dem Schluß, daß in dem Verfahren nach dem Eisenbahnenteignunsgesetz 1954 (wie auch in dem Verfahren nach dem Notwegegesetz) die Vorschriften des Außerstreitgesetzes, abgesehen von der Unzulässigkeit der Vorstellung und von der Zweiseitigkeit in dem Endentscheidungen zum Gegenstand habenden Rekursverfahren, auch für das Rechtsmittelverfahren gelten und Revisionsrekurse auch gegen aufhebende Entscheidungen der zweiten Instanz zulässig sind:

II. Zur Berechtigung des Rekurses:

Einleitend sei zu den Erwägungen des Zweitgerichtes in der Richtung, ob die Antragstellerin ihren Antrag im Hinblick auf die Bestimmung des § 23 Abs. 1 EisenbahnenteignungsG. 1954 nicht etwa verfrüht gestellt habe, bemerkt, daß nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes die erwähnte Gesetzesbestimmung im Hinblick auf § 37 Abs. 3 und 5 des Kärntner Straßengesetzes, demzufolge die Höhe der Entschädigung im Verwaltungsverfahren festzusetzen ist und dieser Bescheid durch die Anrufung des Gerichtes innerhalb einer bestimmten Frist außer Kraft tritt, im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung zu kommen hat.

Die Ausführungen des Revisionsrekurses zu der Frage, ob das zwischen den Parteien zustandegekommene Entschädigungsübereinkommen in seinem den G. betreffenden Punkt der gegenständlichen Antragstellung entgegenstehe, nehmen die aufgetragene Verfahrensergänzung vorweg, ohne ihre Notwendigkeit erschüttern zu können.

Immerhin bestehen gegen die materielle Legitimation der Antragstellerin von der zweiten Instanz nicht beachtete Bedenken. Durch die Enteignung, die sich mangels einer abweichenden Regelung - wie sie etwa durch § 5 Abs. 4. des Gesetzes über die Enteignung zu Wohn- und Assanierungszwecken vom , BGBl. Nr. 202, getroffen wurde - nur gegen den Eigentümer richtet, der deshalb auch allein Partei ist, und nicht gegen dessen Bestandnehmer, wird - unbeschadet der Vorschrift des § 1120 ABGB. - nur der Eigentümer und nicht dessen Bestandnehmer betroffen. Durch die Enteignung wird das Eigentumsrecht übertragen (vgl. Kautsch, Das Gesetz vom 18. Februar 1878, S. 94). Auf den Bestandnehmer kommt § 1120 ABGB. zur Anwendung. Es bedarf gegen ihn einer Aufkündigung (was, allerdings zu Unrecht, sogar im Falle des § 5 Abs. 4 des erwähnten Gesetzes BGBl. Nr. 202/1929 behauptet wurde; vgl. Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz, 2. Aufl. S. 181). Nur bei Beendigung des Bestandverhältnisses infolge der Enteignung sind Entschädigungsansprüche des Bestandnehmers möglich. Über die Art der Beendigung des Mietverhältnisses des G. im Gegenstandsfall fehlt bisher jede Feststellung. Hatte die Antragstellerin der Antragsgegnerin als neuer Eigentümerin die Liegenschaft vor Beendigung des Mietverhältnisses des G. bereits übergeben (nach der Verhandlungsausschreibung der Baupolizeibehörde V. vom in den Verwaltungsakten wurde das Eigentumsrecht der Antragsgegnerin mit Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom , TZ. 1040/59, einverleibt), sind Ansprüche des G. gegen die Antragstellerin nur im Rahmen des § 1120 Satz 2 ABGB. möglich. Für solche Ansprüche findet sich im bisherigen Verfahren kein Anhaltspunkt.

Was die Frage anlangt, ob die Entschädigung für die Nachteile des Bestandnehmers nach § 5 EisenbahnenteignungsG. 1954 unter Umständen den Betrag zu überschreiten hat, den der Bestandnehmer, abgesehen vom Fall einer Enteignung, vom Eigentümer für eine vorzeitige Auflösung des Bestandvertrages zu ordern berechtigt wäre, ist dazu folgendes zu erwägen: es versteht sich von selbst, daß die Tatsache der Enteignung nicht als Verschulden des enteigneten Bestandgebers angesehen werden kann (so schon Prazak, Das Recht der Enteignung in Österreich, S. 148). Trotzdem kann dem Bestandnehmer deshalb ein Entschädigungsanspruch unter Berufung auf die §§ 1112 und 1120 ABGB. nicht versagt werden, weil sonst die Vorschrift des § 5 EisenbahnenteignungsG. 1954 unverständlich erschiene und kein Anlaß besteht, in dem Bestandrecht ein minder schutzwürdiges Vermögensrecht zu sehen als etwa in dem Liegenschaftseigentum, so daß dessen Verlust nicht ebenso den Gegenstand einer Schadloshaltung im Sinne des § 365 ABGB. bilden könnte. Der Oberste Gerichtshof folgt daher der von Randa (Eigentumsrecht, S. 180) vertretenen Ansicht, daß sich die dem Bestandnehmer durch Vermittlung des Enteigneten zu leistende Vergütung nicht bloß auf das beschränken muß, was der Bestandnehmer nach Gesetz oder Vertrag aus dem Titel der vorzeitigen Auflösung des Bestandvertrages von dem Bestandgeber als Ersatz zu fordern berechtigt ist, sondern daß ihm alle durch die Aufhebung des Bestandverhältnisses zugefügten Nachteile zu ersetzen sind. Allerdings wird durch die Enteignung der Inhalt des Bestandverhältnisses nicht zugunsten des Bestandnehmers dahin verändert, daß die Auflösung des Bestandverhältnisses erschwert oder im Falle der nach Gesetz oder Vertrag zulässigen Auflösung ein im Bestandvertrag nicht gegrundeter Ersatz zu leisten wäre, etwa dahin, daß im Falle einer Kündigung nach § 19 Abs. 1 MietG., deren Zulässigkeit schon arg. a min. § 19 Abs. 2 Z. 4 a MietG. zu bejahen ist, ein Schadenersatz zu leisten wäre, der sonst bei einer erfolgreichen Kündigung nicht zu leisten ist.