OGH vom 20.04.1982, 4Ob515/81
Norm
ZollG § 176;
Kopf
SZ 55/50
Spruch
Das durch den Auftrag zum Bergen und Abschleppen eines bewegungsunfähig gewordenen Kraftfahrzeuges begrundete Zurückbehaltungsrecht (§ 471 ABGB) des Autoverwerters erlischt, wenn er dieses Fahrzeug - nachdem es von seinem Eigentümer an die Republik Österreich "preisgegeben" worden ist (§ 176 Abs. 2 ZollG) - zur exekutiven Verwertung durch die Zollverwaltung freigibt. Aus dem Verkaufserlös sind aber gemäß § 51 Abs. 1 und 3 AbgEO nicht nur die Verwahrungskosten, sondern auch die durch das vorangegangene Bergen und Abschleppen des Fahrzeuges entstandenen Auslagen vorweg zu berichtigen
(LGZ Graz 5 R 374/80, BG Leibnitz 5 C 150/80).
Text
Der Kläger hat am bei einem vom Zollamt L auf dem Betriebsgelände des Beklagten durchgeführten Verkauf zwei dort abgestellte, nach einem Unfalls- bzw. Motorschaden nicht mehr fahrbereite Kraftfahrzeuge um insgesamt 8600 S erworben. Die Fahrzeuge waren Eigentum der Republik Österreich, an welche sie von ihren Voreigentümern im August 1979 zur Befreiung von einer Zollschuld preisgegeben worden waren. Der Beklagte weigert sich, die Fahrzeuge an den Kläger herauszugeben.
Unter Berufung auf sein durch den exekutiven Erwerb begrundetes Eigentumsrecht verlangt der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe der beiden - im Urteilsbegehren näher bezeichneten - Fahrzeuge.
Der Beklagte beruft sich auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB: Er habe die Fahrzeugwracks im Auftrag ihrer früheren Eigentümer geborgen und abgeschleppt; die hiefür notwendigen Aufwendungen - zuzüglich einer "Standgebühr" bis - beliefen sich auf insgesamt 24 915.70 S. Der Beklagte habe schon vor dem Verkauf dem einschreitenden Zollbeamten und dem Kläger mitgeteilt, daß er zur Herausgabe der beiden Wracks nur gegen Ersatz dieses Aufwandes bereit sei.
Demgegenüber meint der Kläger, daß sich der Beklagte durch sein Stillschweigen beim Verkauf der beiden PKW seiner Rechte an diesen Fahrzeugen verschwiegen habe. Im übrigen habe der Beklagte gleich den anderen in L und Umgebung ansässigen Kraftfahrzeugverwertern und Abschleppunternehmen gegenüber der Republik Österreich (und damit auch gegenüber dem Kläger) auf den Ersatz von Bergungskosten und "Standgebühren" für die von ihm geborgenen Kraftfahrzeuge verzichtet.
Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte folgenden Sachverhalt fest:
Da die Republik Österreich im Raum L kein eigenes Zollager besitzt, in welches jene Fahrzeuge gebracht werden könnten, die auf Grund eines Verzichtes ihrer Voreigentümer in das Eigentum der Republik Österreich übergehen, werden solche Fahrzeuge in der Regel bei den einschlägigen Kraftfahrzeugverwertern und Schrotthändlern abgestellt. Diese Firmen bringen die Fahrzeuge gleich nach dem Unfall oder nachdem sie von ihren Eigentümern zurückgelassen worden sind, auf ihr Gelände, wodurch ihnen naturgemäß Abschlepp- und Lagerkosten entstehen. Die Republik Österreich übernimmt grundsätzlich nur jene Kosten, die zwischen dem Verzicht des Eigentümers und der Versteigerung (oder dem sonstigen Verkauf) der Fahrzeuge anfallen; sie zahlt pro Tag eine Standgebühr von 2 S/m2 benützter Fläche. Auch die beiden streitgegenständlichen Fahrzeuge waren vom Beklagten abgeschleppt und auf sein Gelände gebracht worden. Ihre ursprünglichen Eigentümer gaben dort am 5. 8. bzw. Verzichtserklärungen zugunsten der Republik Österreich ab. Am kam Zollinspektor Franz F zum Beklagten, um die Versteigerung der Fahrzeuge durchzuführen. Der Beklagte ersuchte ihn, einen Moment zu warten, weil er noch die ihm entstandenen Kosten bekanntgeben müsse. Als F nach der Höhe dieser Kosten fragte, begann der Beklagte auf einem Blatt Papier mit einem Bleistift zu rechnen und gab sodann seine Kosten für das eine Fahrzeug mit 2584.20 S und für das andere Fahrzeug mit 2212.50 S bekannt. Dabei stand der Kläger so dicht daneben, daß er diese Mitteilung "unmöglich überhört haben konnte". Etwas später notierte der Beklagte die Kosten auf der Rückseite der Original-Verzichtserklärungen, wobei er sie von dem ursprünglich verwendeten Zettel abschrieb.
Abschleppkosten werden von der Republik Österreich nicht erstattet. In der Regel einigen sich das Abschleppunternehmen und der Ersteher intern über die vor der Verzichtserklärung entstandenen Kosten.
Schon vor der gegenständlichen Versteigerung hatte der Kläger in zwei ähnlichen Fällen auf dem Betriebsgelände des Beklagten je ein Fahrzeug erstanden und dabei "zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten" dem Beklagten die ihm jeweils mit 1500 S bekanntgegebenen Kosten - wenn auch widerwillig - gezahlt. Als der Kläger nach dem gegenständlichen Verkauf die beiden Fahrzeuge abholen wollte, verlangte der Beklagte zuvor die Zahlung der angelaufenen Kosten. Der Kläger lehnte eine solche Zahlung ab, worauf der Beklagte die Herausgabe der Fahrzeuge verweigerte. Dem Beklagten sind bis zum Zeitpunkt der Versteigerung () Abschleppkosten von 1380 S und Einstellungskosten von mindestens 900 S entstanden.
Rechtlich meinte das Erstgericht, daß der Beklagte weder ausdrücklich noch schlüssig auf den Ersatz seiner Aufwendungen verzichtet habe. Dem Kläger sei schon im Versteigerungstermin bekannt gewesen, daß der Beklagte zur Deckung dieses Aufwandes von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen werde. Die auf der Sache haftenden dinglichen Rechte Dritter gingen mit dem Eigentumserwerb durch den Ersteher nur dann unter, wenn der Ersteher von ihnen keine Kenntnis hatte; bei dem hier festgestellten Sachverhalt könne aber der Kläger nicht als redlicher Erwerber angesehen werden. Da der Beklagte gegenüber dem Kläger nicht als Verwahrer der Fahrzeuge anzusehen sei, stehe auch § 1440 ABGB der Geltendmachung seines Zurückbehaltungsrechtes nicht entgegen.
Das Berufungsgericht hob das Urteil der ersten Instanz auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück; zugleich sprach es aus, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Nach der neueren Rechtsprechung des OGH seien auch die Kosten für das Bergen und Abschleppen eines Fahrzeuges ein "für die Sache gemachter Aufwand" im Sinne des § 471 ABGB; der Beklagte habe daher gegenüber den beiden Eigentümern ein Recht auf Zurückbehaltung der Fahrzeuge bis zum Ersatz seiner Auslagen erworben. Die rechtlichen Grundlagen der vom Beklagten überdies geforderten "Standgebühr" bedürften jedoch noch einer Klärung. Sollte der Beklagte die Fahrzeuge auf Grund von Verwahrungsverträgen mit den ursprünglichen Eigentümern oder mit der Republik Österreich (als deren Rechtsnachfolgerin) in seine Obsorge übernommen haben, dann wäre ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 1440 Satz 2 ABGB in jedem Fall ausgeschlossen, und zwar auch gegenüber dem Kläger, welcher das Eigentum an den verwahrten Fahrzeugen nach dem Hinterleger erworben habe. Sollte hingegen das fortgesetzte Verfahren nicht zur Annahme eines Verwahrungsvertrages mit dem Beklagten führen, dann hätte der Kläger freies Eigentum an den erstandenen Fahrzeugen nur bei Annahme seiner Gutgläubigkeit erworben. Dingliche Rechte Dritter - und damit vor allem auch ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten - wären in diesem Fall nur dann erloschen, wenn sie der Kläger weder gekannt hätte noch hätte kennen müssen. Da der Kläger schon vor dem Erwerb des Eigentums an den beiden Fahrzeugen die Ansprüche des Beklagten auf Ersatz der Bergungskosten und auf Zahlung einer "Standgebühr" gekannt habe und auch leichte Fahrlässigkeit seine Redlichkeit nach § 367 ABGB ausschließe, hätte der Kläger nicht mehr gutgläubig unbelastetes Eigentum erwerben können. Da er eine Erfüllung der Forderungen des Beklagten ausdrücklich abgelehnt habe und von einem Verzicht des Beklagten auf seine Ersatzansprüche keine Rede sein könne, wäre das Klagebegehren in diesem Fall abzuweisen.
Infolge von Rekursen beider Parteien hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß der zweiten Instanz auf und trug dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, sind nach der neueren Rechtsprechung des OGH (SZ 47/92) die Kosten für das Bergen und Abschleppen eines bewegungsunfähig gewordenen Kraftfahrzeuges jedenfalls dann ein "für die Sache gemachter Aufwand" iS des § 471 ABGB, wenn das Fahrzeug damit (auch) aus einer Lage gebracht wird, deren Fortbestehen mit der Gefahr eines weiteren Schadens verbunden wäre. Selbst wenn man nun zugunsten des Beklagten davon ausgeht, daß der Auftrag zum Abschleppen der streitgegenständlichen Fahrzeuge von deren damaligen Eigentümern erteilt worden war und der Beklagte damit ihnen gegenüber gemäß § 471 ABGB das Recht erlangt hätte, diese Fahrzeuge zur Sicherung seiner durch die Bergung verursachten Aufwendungen vorerst zurückzubehalten, ist damit für seinen Prozeßstandpunkt nichts gewonnen. Im Raum L - wo die Republik Österreich kein eigenes Zollager besitzt - werden jene Kraftfahrzeuge, die auf Grund eines Verzichtes ihrer bisherigen Eigentümer in das Eigentum der Republik Österreich übergehen sollen, regelmäßig bei den einschlägigen Kraftfahrzeugverwertern und Schrotthändlern eingestellt. Auch die beiden gegenständlichen PKW wurden auf diese Weise vom Beklagten abgeschleppt und auf sein Betriebsgelände gebracht. Ihre Eigentümer unterfertigten dort am 5. bzw. jeweils eine Erklärung, wonach sie gegenüber der österreichischen Zollverwaltung auf diese - im formlosen Vormerkverkehr (Reiseverkehr) unverzollt nach Österreich eingebrachten - Fahrzeuge verzichteten, um sich dadurch von der Leistung der Zollschuld zu befreien; die Fahrzeuge wurden zugleich "an die Republik Österreich preisgegeben" (§ 176 Abs. 2 ZollG 1955, BGBl. 129). Die Republik Österreich hat sodann unter Hinweis darauf, daß diese Fahrzeuge gemäß § 178 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ZollG für die darauf entfallenden Abgaben hafteten, zur Geltendmachung dieser Sachhaftung gemäß § 25 ZollG die Beschlagnahme der beiden Wracks ausgesprochen und sie schließlich am gemäß § 176 Abs. 3 ZollG (idF des Art. 1 Z 12 der Nov. BGBl. 230/1971) sowie § 87 in Verbindung mit § 37 Abs. 1 und § 38 Abs. 2 der Abgabenexekutionsordnung (AbgEO), BGBl. 104/1949, freihändig um 5100 S bzw. 3500 S an den Kläger verkauft. Daß alle diese Verwertungsmaßnahmen im Einvernehmen mit dem Beklagten getroffen wurden, kann nach dem Gesagten nicht zweifelhaft sein und ist auch von ihm selbst nie bestritten worden. Hatte jedoch der Beklagte - welcher seine Einwilligung dazu auch hätte verweigern können (§ 35 AbgEO) - auf diese Weise einer Verwertung der von ihm geborgenen Fahrzeuge durch die Zollverwaltung zugestimmt, dann war damit - ungeachtet dessen, daß die beiden Wracks bis zum Verkaufstermin weiter auf seinem Betriebsgelände verblieben - sein allenfalls vorher begrundetes Zurückbehaltungsrecht erloschen; die bisherige, durch das Vertragsverhältnis mit den Voreigentümern der Fahrzeuge begrundete sachenrechtliche Stellung des Beklagten als Zurückbehaltungsberechtigter hatte durch die Freigabe der Fahrzeuge zum exekutiven Verkauf, vor allem aber auch dadurch, daß er die von der Republik Österreich beschlagnahmten Fahrzeuge bis zum Verkaufstermin auf seinem Betriebsgelände behielt und damit die Funktion eines von der Behörde bestellten Verwahrers (§ 34 Abs. 1 AbgEO) übernahm, ihr Ende gefunden. Die beschlagnahmten Fahrzeuge waren in die Gewahrsame der Zollbehörden übergegangen, während der Beklagte nur noch ein weisungsgebundenes Hilfsorgan der Behörde mit den sich aus §§ 957 ff. ABGB ergebenden Rechten und Pflichten geblieben war (ähnlich bereits 3 Ob 80/81). Damit gilt aber auch für ihn § 1440 Satz 2 ABGB, wonach (ua.) in Verwahrung genommene Gegenstände kein Gegenstand der Zurückbehaltung sind.
Geht man aber davon aus, daß ein Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB, wie es der Beklagte hier für sich in Anspruch nimmt, im Zeitpunkt der Veräußerung der Fahrzeuge an den Kläger zum Teil schon erloschen (Abschleppkosten), zum Teil aber gar nicht entstanden ("Standgeld") war, dann kann die Frage der Gutgläubigkeit des Klägers auf sich beruhen. Der Kläger hat vielmehr ohne Rücksicht darauf, ob er von den Ansprüchen des Beklagten wußte oder hätte wissen müssen, durch den gemäß § 38 Abs. 2 AbgEO vorgenommenen freihändigen Verkauf der beiden Fahrzeuge freies Eigentum an ihnen erlangt. Der Beklagte kann die Herausgabe der vom Kläger erworbenen Fahrzeuge nicht von der Berichtigung der Abschleppkosten und der "Standgebühr" abhängig machen; er muß sich mit diesen Ansprüchen an die Republik Österreich halten, welche gemäß § 51 Abs. 1 und 3 AbgEO aus dem bei der Versteigerung oder beim freihändigen Verkauf erzielten Erlös vorweg die "Versteigerungs- und Schätzungskosten" zu berichtigen hatte. Zu diesen Kosten gehören aber nicht nur die zwischen der Preisabgabeerklärung der Voreigentümer und dem Verkauf aufgelaufenen Verwahrungskosten ("Standgebühr") - zu deren Übernahme sich die Republik Österreich auch generell bereit erklärt hat -, sondern auch die durch das vorangegangene Bergen und Abschleppen der Fahrzeuge entstandenen Auslagen; auch sie sind - wenngleich noch vor der Beschlagnahme durch die Republik Österreich und formell noch im Auftrag der Voreigentümer - im Zuge des einheitlichen, vom Abschleppen über das Einstellen beim Beklagten bis zum Verkauf an den Kläger führenden Vorganges dazu aufgewendet worden, um die betreffenden Fahrzeuge von der Straße weg an einen sicheren Aufbewahrungsort zu bringen und auf diese Weise ihre Beschlagnahme und Verwertung durch die Zollverwaltung zu ermöglichen. Damit hat aber die Republik Österreich diese vorangegangenen, in ihrem Interesse vorgenommenen Bergungsmaßnahmen jedenfalls nachträglich genehmigt und damit die Verpflichtung übernommen, bei der Geltendmachung der Sachhaftung der Fahrzeuge für die Zollschuld aus dem Versteigerungs-(Verkaufs-) Erlös auch diese Aufwendungen zu berichtigen.
Die Rechtssache ist aus den angeführten Erwägungen iS einer Stattgebung des Herausgabebegehrens des Klägers spruchreif.