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OGH vom 08.09.2000, 2Ob164/99b

OGH vom 08.09.2000, 2Ob164/99b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hubert A***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Andreas Widschwenter, Rechtsanwalt in Wörgl, wider die beklagte Partei Cemal C*****, ***** vertreten durch Hausberger-Moritz-Schmidt, Rechtsanwälte in Wörgl, wegen S 73.100 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 663/98a-31, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Kufstein vom , GZ 5 C 1664/97b-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des unangefochten gebliebenen Teiles insgesamt zu lauten haben:

1. Die Klageforderung besteht mit S 36.600 zu Recht.

2. Die Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen zu Handen ihres Vertreters S 36.600 samt 4 % Zinsen seit zu bezahlen.

4. Das auf Zahlung weiterer S 36.500 samt 15 % Zinsen seit gerichtete Mehrbegehren sowie das Zinsenmehrbegehren von 9 % aus S

36.600 seit werden abgewiesen.

5. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei S 4.155,-- an Barauslagen des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen werden die Verfahrenskosten erster Instanz gegenseitig aufgehoben.

6. Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.111,44 (darin enthalten S 2.518,10 Barauslagen und S 959,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei führte im Juni 1995 am PKW Alfa Romeo des Beklagten Reparaturarbeiten durch, die sie mit S 21.176,40 und S 47.610,23 in Rechnung stellte. Der Beklagte bezahlte vorerst einen Teilbetrag von S 35.000 und wurde im Verfahren 5 C ***** vor dem Bezirksgericht Kufstein zur Zahlung von S 24.585,03 sowie zur Zahlung einer "Standgebühr" von S 9.200 für die Zeit vom 30.6. bis verpflichtet. Der restliche Werklohn von S 24.585,03 wurde vom Beklagten am bezahlt. Nach Beendigung der Reparaturarbeiten hatte die klagende Partei das Fahrzeug in die Werkstätte gebracht, um zu verhindern, dass der Beklagte dieses mittels eines Zweitschlüssels aus dem Hof entfernen könnte. Der PKW wurde mit einer Plane zugedeckt und blieb bis zur Abholung () stehen. Als das Fahrzeug abgeholt wurde, waren die Bremsen eingerostet, der Auspuff, der von der klagenden Partei im Bereich des Mitteltopfs geschweißt worden war, defekt. Darüber hinaus trat am Fahrzeug leichter Motorölverlust auf, was aus einem Defekt des Deckels, nicht aber der Zylinderkopfdichtung stammte. (Dabei konnte nicht festgestellt werden, ob die Dichtung bei der Reparatur beschädigt oder wegen des Alters nicht mehr ausreichend dicht war.) Auch am Achskörper (Träger) war ein Schaden vorhanden; dieser war teilweise eingedrückt. Das Abblendlicht war defekt, der PKW wies auch leichte Kratzer auf.

Mit der am beim Erstgericht eingelangten Klage machte die klagende Partei vom Beklagten vorerst einen Betrag von S 49.900 als "Standgebühr" für dessen PKW für die Zeit vom bis , pro Tag demnach S 100 geltend. Sie sei berechtigt gewesen, gemäß § 471 ABGB ihr Zurückbehaltungsrecht auszuüben. Da durch den PKW ein Arbeitsplatz verstellt worden sei, sei eine Standgebühr von S 100 täglich angemessen. Eine andere unter Umständen auch kostengünstigere Unterbringung sei ihr nicht möglich gewesen, weil sie verpflichtet gewesen wäre, jederzeit gegen Sicherstellung des Aufwandersatzes das Fahrzeug herauszugeben. Die vom Beklagten am Fahrzeug geltend gemachten Mängel, insbesondere an Batterie, Auspuffanlage, Bremsanlage sowie in Form von Roststellen, seien auf die lange Stehzeit des Fahrzeugs zurückzuführen. Den Ölverlust (am PKW) habe der Beklagte sich selbst zuzuschreiben, weil er nach der Zylinderkopfreparatur den notwendigen Service nicht habe durchführen lassen. Der Achskörper sei bei Übergabe bereits defekt gewesen. Auch die Lackschäden seien bereits vorhanden gewesen.

In der Streitverhandlung vom dehnte die klagende Partei das Klagebegehren um weitere Standgebühr von S 100 pro Tag bis auf insgesamt S 73.100 samt 15 % Zinsen aus.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Garagierung sei einerseits mit unverhältnismäßig großem Aufwand erfolgt, andererseits habe die klagende Partei zur Vermeidung einer Verschlechterung des Zustandes des PKWs notwendige Vorkehrungsmaßnahmen unterlassen. Das Fahrzeug sei bei Abholung in fahruntüchtigem Zustand gewesen. Batterie, Auspuffanlage, Bremsscheiben, Bremsanlage und Abblendlicht seien defekt gewesen; es habe ein Ölverlust am Motorgetriebe bestanden, der Achskörper sei eingedrückt und angerostet gewesen. Auf Grund der grob unsachgemäßen Verwahrung des PKWs sei dem Beklagten ein Schaden von S 37.771,20 entstanden. Dieser Betrag sowie ein weiterer Betrag von S 1.200 für die Erstellung eines Kostenvoranschlages werde compensando gegen die Klageforderung eingewendet.

Das Erstgericht verpflichtete mit dreigliedrigem Spruch den Beklagten zur Zahlung von S 58.560 sA und wies das Mehrbegehren von S 14.540 sA ab. Dabei sprach es aus, dass die Klageforderung in der Höhe von S

58.560 zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.

Die klagende Partei sei bis zur Zahlung des vollen Werklohnes berechtigt gewesen, den PKW zurückzubehalten. Für die Verwahrung gebühre ihr ein angemessener Betrag von S 80 pro Tag, woraus sich auf Grund der geltend gemachten Stehzeit von 732 Tagen ein Anspruch von S

58.560 ergebe. Nicht erwiesen sei, dass die mit Gegenforderung geltend gemachten Schäden auf eine mangelhafte Verwahrung zurückzuführen seien.

Das von beiden Teilen angerufene Berufungsgericht gab lediglich der Berufung des Beklagten teilweise Folge, erkannte die eingeklagte Forderung als mit S 24.950 zu Recht bestehend, die eingewendete Gegenforderung für nicht zu Recht bestehend und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 24.950 sA; das Mehrbegehren von S 48.150 sA wies es hingegen ab. Weiters sprach es in Stattgebung eines Antrages nach § 508 ZPO aus, dass die Revision der klagenden Partei gegen diese Entscheidung doch zulässig sei.

Es verneinte eine Bindungswirkung zwischen dem eingangs erwähnten Verfahren, in welchem ein "Standgeld" von S 100 pro Tag zugesprochen wurde und dem nunmehrigen Verfahren, weil der geltend gemachte Anspruch eigenständig zu beurteilen sei. Die klagende Partei sei berechtigt gewesen, den PKW bis zur Zahlung des Werklohnes zurückzubehalten. Sie sei insoweit als Verwahrer anzusehen und könne die zur Erhaltung aufgewendeten Kosten sowie eine Abgeltung für Mühewaltung verlangen. Nach § 967 ABGB seien die wechselseitigen Forderungen des Verwahrers und Hinterlegers einer beweglichen Sache binnen 30 Tagen von der Zeit der Zurückstellung anzubringen. Die klagende Partei habe sich vorerst ausdrücklich die Ausdehnung des von ihr begehrten "Standgeldes" für die Zeit vom bis vorbehalten und ihren Anspruch nicht geltend gemacht. Der in der Streitverhandlung vom erhobene Anspruch sei verfristet. Da nach § 967 ABGB nur der zur Haltung der verwahrten Sache gemachte Aufwand zu ersetzen sei, der sich mangels vertraglicher Regelung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag bestimme, sei gemäß § 273 ZPO ein Standgeld von S 50 angemessen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Bestimmung des § 967 dritter Satz ABGB auf Ansprüche des Werkunternehmers im Zusammenhang mit der Ausübung seines Zurückbehaltungsrechtes nicht bestehe.

Die klagende Partei beantragt mit ihrer Revision die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer gänzlichen Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist auch teilweise berechtigt.

Die Revision macht zusammengefasst geltend, dass das Urteil im Vorprozess (5 C ***** des Bezirksgerichtes Kufstein) mit welchem der klagenden Partei eine Standgebühr von S 100 pro Tag zugesprochen wurde, Bindungswirkung für den hier geltend gemachten Anspruch entfalte. Eine Befristung der Ersatzansprüche nach § 967 ABGB habe dann nicht stattzufinden, wenn sich die Verwahrungspflicht nur aus einer Nebenpflicht aus einem weiteren Vertrag ergibt.

Diesen Ausführungen ist nur zum Teil zu folgen.

Unstrittig wurde die im Vorprozess zugesprochene Standgebühr für einen anderen Zeitraum als hier geltend gemacht. Identität der Ansprüche liegt daher nicht vor. Eine Teileinklagung umfasst nur den tatsächlich geltend gemachten Anspruchsteil. Die sich in der Regel auf den Gesamtanspruch beziehende Bejahung oder Feststellung seines Bestehens in den Entscheidungsgründen steht einer dieser Beurteilung widersprechenden neuen Klage nicht entgegen (vgl Rechberger in Rechberger ZPO2 Rz 7 mwN). Wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausgeführt hat, vermag die bloße "Entscheidungsharmonie" nach der ständigen Rechtsprechung die Grenzen der materiellen Rechtskraft nicht auszuweiten (ZVR 1999/101; 2 Ob 99/00y). Die nunmehr geltend gemachte "Standgebühr" war daher eigenständig zu prüfen.

Berechtigung kommt der Revision insoweit zu, als entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes die Präklusivfrist des § 967 letzter Satz ABGB als Ausnahmebestimmung nur bei reinen Verwahrungsverträgen, nicht aber bei anderen Vertragsverhältnissen, bei denen die Obsorge Nebenpflicht ist, gilt (Schubert in Rummel ABGB2 Rz 3 zu § 967; Binder in Schwimann ABGB2 Rz 13 zu § 967; JBl 1959, 633; ZVR 1964/155, SZ 69/245).

Die klagende Partei hat ein Zurückbehaltungsrecht auf Grund eines Werkvertrages im Sinn des § 471 ABGB geltend gemacht. Ein reiner Verwahrungsvertrag bzw ein Vertrag mit überwiegenden Verwahrungselementen lag daher nicht vor, weshalb - wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat - die Ausnahmebestimmung des § 967 letzter Satz ABGB nicht zur Anwendung zu kommen hat.

Soweit das Berufungsgericht als Standgebühr einen Betrag von S 50 täglich im Sinn des § 273 ZPO für angemessen erachtet hat, ist dies auch unter Berücksichtigung der langen Standauer aber auch des während dieser Zeit eintretenden Wertverlustes des PKWs nicht zu beanstanden. Demgemäß errechnet sich die Forderung der klagenden Partei bei einer Standzeit von 732 Tagen mit S 36.600.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43, 50 ZPO.

Im Verfahren erster Instanz ist die klagende Partei mit der Hälfte ihres Anspruches durchgedrungen, weshalb die Verfahrenskosten gegenseitig aufzuheben waren. Die Parteien haben Anspruch auf die Hälfte der von ihnen getragenen Barauslagen im Sinn des § 43 Abs 1 zweiter Satz.

Die klagende Partei ist mit ihrer Berufung vom Ergebnis her erfolglos geblieben und hat dem Beklagten die Kosten der Berufungsbeantwortung auf der Basis von S 14.540,-- zu ersetzen. Der Beklagte erreicht eine weitere Abweisung von S 21.960,--, dringt daher mit 62,5 % durch und hat somit Anspruch auf 25 % der Kosten der Berufung sowie von 62,5 % der darauf entfallenden Barauslagen.

Im Revisionsverfahren verfolgt die klagende Partei noch ein Interesse von S 48.150,--, dringt damit aber nur mit S 11.650 durch, das sind rund 24 % des verfolgten Anspruchs. Der Beklagte hat daher Anspruch auf 52 % der Kosten der Revisionsbeantwortung, die klagende Partei auf 24 % ihrer Barauslagen.