OGH vom 15.01.2019, 3Nc25/18h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Hoch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden und klagenden Partei R*****, vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei v***** AG, Schweiz, *****, wegen 1.991,58 EUR sA, über den Ordinationsantrag der klagenden Partei, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag des Klägers, für diese Sache das Bezirksgericht Wels als sachlich und örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger mit Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Wels beabsichtigt, gegen die Beklagte, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, eine Klage auf Rückzahlung des von ihm mittels Kreditkarte geleisteten Kaufpreises für die von ihm am über eine von der Beklagten betriebene Internetplattform erworbenen acht Eintrittskarten für eine Fußball-Veranstaltung vom aus dem Titel des Schadenersatzes bzw der Bereicherung zu erheben, weil ihm die Eintrittskarten niemals geliefert worden seien und die Beklagte ihm trotz mehrfacher Aufforderungen weder den geleisteten Kaufpreis rückerstattet noch den Verkäufer der Tickets – einen mutmaßlichen Betrüger – offengelegt habe. Der Kläger bringt vor, er sei Verbraucher und die Beklagte habe ihre Tätigkeit nach Österreich ausgerichtet, weshalb er den Gerichtsstand nach Art 14 LGVÜ in Anspruch nehme. Da diese Bestimmung nur die internationale, nicht aber eine örtliche Zuständigkeit festlege, beantrage er die Ordination des Bezirksgerichts Wels, hilfsweise eines anderen inländischen Gerichts.
Rechtliche Beurteilung
Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.
Gemäß § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinn dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind und wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (§ 28 Abs 1 Z 1 JN). Prämisse einer Ordination ist daher das Fehlen eines Gerichtsstands im Inland, was der ordinierende Oberste Gerichtshof – in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs 1 JN – von Amts wegen zu prüfen hat, wobei diese Prüfung – auch in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs 2 JN – aufgrund der Angaben des Antragstellers bzw aufgrund der Aktenlage erfolgt (3 Nc 22/11g mwN).
Im Hinblick auf den Sitz der beklagten Partei in der Schweiz richtet sich die internationale Zuständigkeit nach dem am in Lugano abgeschlossenen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Art 64 Abs 2 lit a LGVÜ 2007). Der zeitliche Anwendungsbereich des Übereinkommens ist nach seinem Art 63 im Verhältnis zur Schweiz seit eröffnet (Abl L 2011/138, 1).
Nach Art 15 Abs 1 lit c LGVÜ 2007 bestimmt sich für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, die Zuständigkeit – unbeschadet des Art 4 und des Art 5 Nr 5 – nach dem Abschnitt 4 des LGVÜ („Zuständigkeit bei Verbrauchersachen“), wenn der andere Vertragspartner im Heimatstaat des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
Von der für die Erfüllung des Verbraucherbegriffs erforderlichen Privatbezogenheit ist nach den maßgeblichen Angaben des Antragstellers auszugehen, ebenso vom Ausrichten der Tätigkeit der beklagten Partei auf Österreich. Es liegt hier somit eine Verbrauchersache iSd Art 15 ff LGVÜ 2007 vor.
Nach der Präambel wollen die Hohen Vertragsparteien des Übereinkommens zwecks Verstärkung der rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit die Grundsätze der Brüssel I-Verordnung (EuGVVO alt) auf das LGVÜ 2007 übertragen. In diesem Sinn entspricht auch Art 16 LGVÜ 2007 in seinen maßgeblichen Passagen wortwörtlich Art 16 EuGVVO alt (bzw Art 17 EuGVVO neu). Während Art 14 LGVÜ 1988 nur die internationale Zuständigkeit (und nicht auch die örtliche Zuständigkeit) regelte, bietet Art 16 LGVÜ 2007 dem Verbraucher einen Wahlgerichtsstand an seinem Wohnsitz und regelt insoweit auch die örtliche Zuständigkeit (3 Nc 22/11g mwN).
Wie der Oberste Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen nach dem Inkrafttreten der Brüssel I-Verordnung zum Ausdruck gebracht hat, ist angesichts der Neufassung des Art 16 Abs 1 EuGVVO alt (Art 17 EuGVVO neu) eine Ordination nicht mehr erforderlich (RIS-Justiz RS0106680 [T8, T 9, T 14]; RS0108686 [T15, T 16]; jüngst 2 Nc 14/14b). Liegt somit
– entgegen der Annahme des Antragstellers – ein Gerichtsstand im Inland vor, ist der Ordinationsantrag als unbegründet abzuweisen (3 Nc 22/11g mwN).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0030NC00025.18H.0115.000 |
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Fundstelle(n):
IAAAD-52016