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OGH vom 05.04.2019, 3Nc2/19b

OGH vom 05.04.2019, 3Nc2/19b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen E*****, geboren am ***** 2015, Mutter: S*****, Vater: P*****, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Oberwart vom , GZ 6 Ps 284/15p159, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung dieser Personensorgesache an das Bezirksgericht Fürstenfeld wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.

Text

Begründung:

Das Bezirksgerichts Oberwart fasste am , ON 116a, den Beschluss auf Übertragung der Obsorge für das damals fast dreijährige Mädchen von der im Sprengel des Bezirksgerichts Oberwart wohnhaften Mutter an den Vater, der im Sprengel des Bezirksgerichts Fürstenfeld wohnt, erkannte dieser Entscheidung vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit zu und erließ zur Sicherung des Obsorgewechsels die einstweilige Verfügung, die Übergabe des Kindes in die Obhut des Vaters sofort zwangsweise durchzusetzen. Seit lebt das Mädchen beim Vater.

Am stellte die Mutter einen Kontaktrechtsantrag und am – nach Bestätigung des Beschlusses ON 116a durch das Rekursgericht – den Antrag auf (Rück)Übertragung der Obsorge.

Gegenstand der vom Bezirksgericht Oberwart am abgehaltenen Tagsatzung war nur der Kontaktrechtsantrag der Mutter, zu dem beide Eltern einvernommen wurden. Dazu wurden Stellungnahmen des KJHT (Bezirkshauptmannschaft H*****) vom und der FJGH Eisenstadt vom eingeholt.

Nach Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter gegen die Rekursentscheidung durch den Obersten Gerichtshof (ON 157) übertrug das Bezirksgericht Oberwart mit Beschluss vom die Zuständigkeit hinsichtlich der Personensorgesache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Fürstenfeld „zu dg 23 Pu 180/18b“ (ON 159). Dazu wurde im VJ-Register erhoben, dass zu der genannten AZ die Pflegschaftssache Unterhalt der minderjährigen E*****, geboren ***** 2015, vertreten durch den KJHT (Bezirkshauptmannschaft H*****) beim Bezirksgericht Fürstenfeld anhängig ist und die Mutter mit Beschluss vom zum Unterhalt für ihre Tochter verpflichtet wurde.

Das Bezirksgericht Fürstenfeld lehnte die Übernahme des Aktes ab, weil das übertragende Gericht, bei dem das Pflegschaftsverfahren bereits seit anhängig sei, umfangreich zum Kontaktrechtsantrag verhandelt und sowohl das Jugendamt als auch die FJGH mit Erhebungen/einer Stellungnahme beauftragt habe, die bereits vorliegen, sodass von einer „eingehenden Vertrautheit des übertragenden Gerichts mit der gegenständlichen Pflegschaftssache“ auszugehen und Entscheidungsreife indiziert sei. Das gelte auch für den Obsorgeantrag der Mutter.

Nach Eintritt der Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses legte das Bezirksgericht Oberwart den Akt dem Obersten Gerichtshof als gemeinsam übergeordneten Gericht nach § 111 Abs 2 JN mit dem Hinweis vor, dass nunmehr auch die Mutter nicht mehr in seinem Sprengel wohnhaft sei, sondern im Sprengel des Bezirksgerichts Oberpullendorf.

Die vom Bezirksgericht Oberwart verfügte Übertragung der Zuständigkeit ist gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird.

Ausschlaggebendes Kriterium einer Zuständigkeitsübertragung nach § 111 Abs 1 JN ist stets das Kindeswohl (RISJustiz RS0047074). Dabei ist in der Regel das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung; im Allgemeinen ist daher das Gericht am besten geeignet, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder (gewöhnlichen) Aufenthalt hat (RISJustiz RS0047300 [T1]).

Offene Anträge sind kein grundsätzliches Übertragungshindernis (RISJustiz RS0047027 [T8]; RS0046929; 4 Nc 14/17x mwN), sondern es hängt von den Umständen des einzelnen Falls ab, ob eine Entscheidung darüber durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist, etwa weil dieses zur Erledigung effizienter geeignet wäre (Fucik in Fasching/Konecny³ § 111 JN Rz 5; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 111 JN Rz 16; Mayr in Rechberger, ZPO4§ 111 JN Rz 4).

Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob und wie lange sich das bisher zuständige Gericht um die Ermittlung von Sachverhaltsgrundlagen bemüht hat, sondern ausschließlich darauf, welches Gericht eher in der Lage ist, die aktuelle Lebenssituation aller Beteiligten zu erforschen (4 Nc 2/18h mwN). Eine Entscheidung über einen Obsorgeantrag durch das bisher zuständige Gericht ist nur dann sinnvoll, wenn dieses bereits über entsprechende Sachkenntnisse verfügt oder jedenfalls in der Lage ist, sich diese Kenntnisse leichter zu verschaffen als das andere Gericht; nur dann ist es für den Pflegebefohlenen von Vorteil, dass das bisher zuständige Gericht über den Obsorgeantrag entscheidet (RISJustiz RS0047027 [T3]; jüngst 4 Nc 2/18h).

Das Bezirksgericht Oberwart hat zwar die Eltern (nur) zum Kontaktrechtsantrag bereits einvernommen und schriftliche Stellungnahmen eingeholt. Letztere können aber im Bezirksgericht Fürstenfeld ebenso verwertet werden, begründen also keine „eingehenden Kenntnisse“ speziell des Bezirksgerichts Oberwart. Sie werden im Übrigen wegen der bereits verstrichenen Zeit zu ergänzen sein, weil es für eine Entscheidung über beide offenen Anträge einer Prüfung der Lebenssituation aller Beteiligten bedarf. Deshalb kommt auch der etwa neun Monate zurückliegenden Einvernahme der Eltern mangels Aktualität nur mehr eingeschränkte Bedeutung zu, weil deren Wiederholung wohl unvermeidlich sein wird. Schließlich bedarf es nicht nur zur veränderten Wohnsituation der Mutter einer Erweiterung des Verfahrens, sondern auch (sehr eingehend) zur Frage, wie sich ein Kontaktrecht der Mutter/die Rückübertragung der Obrsorge an die Mutter nach dem doch plötzlichen, wenn auch bereits mehr als ein Jahr zurückliegenden Obsorgewechsel auf das Kindeswohl auswirken würde.

Schon aus diesen Gründen hat es bei der allgemeinen Regel zu bleiben, dass das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung und daher jenes Gericht besser geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Einer Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass die die Minderjährige betreffende Unterhaltssache ohnehin schon beim Bezirksgericht Fürstenfeld geführt wird, bedarf es daher nicht.

Der entsprechende Beschluss des Bezirksgerichts Oberwart ist daher zu genehmigen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0030NC00002.19B.0405.000

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