OGH vom 16.11.2010, 5Ob195/10b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Stephan Winklbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. Franz W*****, und 2. Christiane W*****, ebendort, beide vertreten durch Hosp, Hegen Rechtsanwaltspartnerschaft in Salzburg, wegen einstweiliger Verfügung über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 11 R 158/10a 13, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs ist zufolge § 84 Abs 2 zweiter Satz ZPO hier in Verbindung mit § 78 EO unschädlich, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist. Dann wird die Behandlung des Rechtsmittels in einer dem Gesetz entsprechenden Weise nicht gehindert (RIS Justiz RS0036258).
In der Frage, ob ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf nur falsch bezeichnet oder tatsächlich ein der Prozessordnung widersprechender Verfahrensschritt beabsichtigt war, gibt die Rechtsprechung der Sacherledigung den Vorrang vor einer rein formellen Entscheidung (vgl auch G. Kodek in Fasching ² Rz 2 zu §§ 84, 85 ZPO; vgl auch RIS Justiz RS0037416 [T5]; 1 Ob 83/04v mwN).
Nun kann zwar der Gegner der gefährdeten Partei gegen die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung, falls er nicht bereits vor der Beschlussfassung einvernommen wurde, innerhalb derselben vierzehntägigen Frist nicht nur einen Rekurs (§ 402 EO), sondern auch einen Widerspruch (§ 397 EO) erheben (SZ 43/81). Auch steht ihm frei, beide gleichzeitig nebeneinander zu erheben oder aber auch in erster Linie Widerspruch und nur für den Fall dessen Erfolglosigkeit Rekurs zu erheben (RIS Justiz RS0005869).
Im gegenständlichen Fall war mangels Beteiligung der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren sowohl das Rechtsmittel des Rekurses als auch der Rechtsbehelf Widerspruch zulässig und hätten beide zu einer Sacherledigung geführt. Darin liegt der entscheidende Unterschied zu der von den Revisionsrekurswerbern herangezogenen Entscheidung 6 Ob 133/05k, wo ein Widerspruch schon wegen Beteiligung der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht mehr zulässig gewesen wäre. Insofern ist die Entscheidung keinesfalls einschlägig.
Das Rekursgericht ist infolge der von einem Rechtsanwalt im Schriftsatz ausdrücklich und mehrfach gewählten Bezeichnung „Rekurs“, dem „Antrag, dem Rekurs der Gegner Folge zu geben“ sowie einer Verzeichnung von „Rekurskosten“ zur Ansicht gelangt, es liege tatsächlich (nur) ein Rekurs vor und hat dementsprechend auch eine Rekursentscheidung gefällt. In Anbetracht der nach objektiven Gesichtspunkten zu bewertenden und rechtlich im konkreten Fall auch zulässigen Bezeichnung der Prozesshandlung (RIS-Justiz RS0037416; RS0097531), liegt im Einzelfall jedenfalls kein korrekturbedürftiger Auslegungsfehler vor.
Dass im Rechtsmittel keine Rekursgründe ausgeführt wurden, sondern nur im Widerspruchsverfahren zulässige neue Tatsachenbehauptungen aufgestellt wurden, gebietet keine andere Beurteilung (vgl RIS-Justiz RS0121347). Dem im Rechtsmittel abschließend enthaltenen Vorwurf, dass die Rechtsmittelwerber bereits am einen Schriftsatz samt „Berichtigung“ der Bezeichnung ihres „Rekurses“ und Umdeutung in einen „Widerspruch“ freilich nach der Aktenlage erst erheblich nach der gesetzlichen Frist hiefür (§ 397 Abs 2 EO) eingebracht hätten, der jedoch in der rekursgerichtlichen Entscheidung keinerlei Beachtung gefunden hätte, ist nicht nur entgegenzuhalten, dass dieser Schriftsatz nach der Aktenlage erst nach der Rechtsmittelvorlage an das Rekursgericht beim Erstgericht eingebracht wurde und trotz umgehender Weiterleitung „im Nachhang“ dort erst einen Tag nach inzwischen bereits erfolgter Beschlussfassung des Rekursgerichts einlangte, sondern auch (und vorrangig), dass bei der Auslegung von Prozesshandlungen ja von der Aktenlage zum Zeitpunkt der maßgeblichen Prozesserklärung (hier also der Einbringung ihres „Rekurs“ Schriftsatzes) auszugehen war (RIS Justiz RS0097531 [T3] = RS0037416 [T3]). Insoweit hatte auch der Oberste Gerichtshof die Entscheidung des Rekursgerichts daher nur nach der Sach und Rechtslage zum Zeitpunkt der rekursgerichtlichen Entscheidung zu überprüfen (vgl RIS Justiz RS0006810), sodass sich auch daraus das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht ableiten lässt.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO war der auf Aufhebung der Rekursentscheidung und Erteilung eines Auftrags zur Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs sohin zurückzuweisen.