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OGH vom 25.10.2013, 3Nc17/13z

OGH vom 25.10.2013, 3Nc17/13z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Lovrek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Tamara T*****, geboren am , *****, AZ 2 PS 115/13x und 2 PU 115/13x des Bezirksgerichts Rattenberg, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache der mj Tamara T*****, AZ 2 PS 115/13x und 2 PU 115/13x, durch das Bezirksgericht Rattenberg an das Bezirksgericht Vöcklabruck wird nicht genehmigt.

Text

Begründung:

Die mj Tamara T*****, geboren am , ist eines von drei Kindern von Michaela T*****. Alexander T***** (nunmehr F*****), geboren am , und Michael *****, geboren am , stammen aus der 2002 beendeten Beziehung der Mutter zu H***** F***** (der nun in Klagenfurt wohnhaft ist); Tamara T*****, geboren am stammt aus der am geschiedenen Ehe mit M***** T*****.

Der Jugendwohlfahrtsträger hat die drei Kinder am in der Wohngruppe W***** in A***** untergebracht. Alexander wechselte im Jänner 2011 in eine sozialtherapeutische Wohngemeinschaft in I*****.

Mit der Begründung einer Kindeswohlgefährdung hat das Bezirksgericht Rattenberg mit Beschluss vom entsprechend dem am eingebrachten Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers der Mutter Michaela T***** die Obsorge für Alexander und Michael und den Eltern Michaela und M***** T***** die Obsorge für Tamara jeweils in den Teilbereichen Pflege und Erziehung entzogen und „der Bezirkshauptmannschaft Kufstein, Referat für Jugendwohlfahrt“ übertragen.

Der Jugendwohlfahrtsträger (Bezirkshauptmannschaft Kufstein) legte dem Bezirksgericht Rattenberg am einen umfangreichen Bericht über die drei Kinder vor. Demnach ist auch die Mutter in der Zwischenzeit in die Nähe der Wohngruppe W***** übersiedelt; das regressierte Verhalten von Tamara ist zurückgegangen; Michael hat mit einer Mitbewohnerin ein Kind gezeugt und möchte eine Lehre beginnen.

Der Vater von Tamara wohnt in B*****; die Mutter wohnt nunmehr in W*****.

Am fasste das Bezirkgericht Rattenberg hinsichtlich Michael und Tamara jeweils den Beschluss auf Übertragung der Akten an das Bezirksgericht Vöcklabruck: Die beiden Kinder hielten sich jetzt ständig in der Sozialpädagogischen Wohngruppe H***** GmbH in R***** auf, weshalb es zweckmäßiger sei, wenn das Bezirksgericht Vöcklabruck die Pflegschaftssache führe. Dieser Übertragungsbeschluss ist zwischenzeitig in Rechtskraft erwachsen.

Das Bezirksgericht Vöcklabruck lehnte die Übernahme ab. Grundsätzlich komme es zwar auf den Lebensmittelpunkt des Pflegebefohlenen an, nicht auf jenen der Eltern bzw des gesetzlichen Vertreters. Für den hier vorliegenden Fall der Heimunterbringung des Kindes sei allerdings dem Gericht, in dem die unterhaltspflichtigen bzw kontaktberechtigten Eltern und der mit der Pflegschaftssache befasste Jugendwohlfahrtsträger ihren Wohnsitz bzw Sitz haben, der Vorzug zu geben, um Verfahrensverzögerungen durch Handlungen im Rechtshilfeweg zu vermeiden. Zudem sei in Fällen, in denen sich Minderjährige in Pflege und Erziehung des Jugendwohlfahrtsträgers befänden, eine pflegschaftsbehördliche Aufsicht durch das Gericht, in dessen Sprengel diese Pflege ausgeübt werde, in wesentlich geringerem Maß erforderlich. Auch würden die Entwicklung der Kinder und die daraus allenfalls resultierende Notwendigkeit weiterer pflegschaftsgerichtlicher Maßnahmen durch den Jugendwohlfahrtsträger bzw die von ihm mit der Pflege und Erziehung beauftragte Institution ausführlich dokumentiert, sodass sich die unmittelbar vom Pflegschaftsgericht durchzuführenden Erhebungen in erster Linie auf die Situation bei den Eltern sei es zur Beurteilung ihrer Unterhalts-/Kostenersatzpflicht, sei es zur Abklärung eines persönlichen Kontaktrechts oder auch der Möglichkeit der Rückführung der Kinder zu konzentrieren hätten.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung ist nicht zu genehmigen.

§ 111 Abs 1 JN ordnet an, dass das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen kann, wenn das im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Das ist in der Regel erst dann der Fall, wenn der Aufenthalt des Pflegebefohlenen und der Mittelpunkt seiner Lebensführung in jenen Gerichtssprengel verlegt wurde, an dessen Gericht die Pflegschaftssache übertragen werden soll. Abgelehnt wird daher von der Rechtsprechung eine Zuständigkeitsverlagerung, solange der Aufenthalt des Betreffenden noch nicht stabil ist (5 Nc 22/07s mwN; 4 Nc 20/09t; 5 Nc 13/11y; Mayr in Rechberger ³ § 111 JN Rz 2 mwN).

Auch im vorliegenden Fall kann derzeit von einem voraussichtlich stabilen Aufenthalt der Minderjährigen im Sprengel des Bezirksgerichts Vöcklabruck nicht ausgegangen werden. Sie ist dort in einer Sozialpädagogischen Wohngruppe aufhältig und ihr weiterer persönlicher Weg und ihr künftiger Ausbildungsweg sind noch nicht absehbar. Dazu kommt, dass es im Hinblick auf die bisherigen Probleme auf der Eltern- bzw Stiefelternebene zweckmäßig erscheint, die Pflegschaftssache betreffend beide Kinder (Michael und Tamara) bei einem Gericht zu führen; es ist aktuell noch nicht vorhersehbar, ob sich die Wege der beiden Kinder trennen.

Unter diesen Umständen ist eine Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Vöcklabruck derzeit nicht zweckmäßig.

Fundstelle(n):
AAAAD-51761