OGH vom 28.11.2000, 1Ob239/00d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Howard K*****, Spanien, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 4,355.805,25 sA infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 14 R 79/00s-16, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 32 Cg 14/99k-6, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 26.487 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu bezahlen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrte die Zahlung von insgesamt S 4,355.805,25 als Ersatzleistung gemäß § 394 EO, weil er auf Grund von vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu Unrecht erlassenen einstweiligen Verfügungen einen Schaden in dieser Höhe erlitten habe. Erst in der Verhandlungstagsatzung vom stützte er seinen Anspruch auch auf Amtshaftung.
Die beklagte Partei wendete ein, § 394 EO sei auf einen Ersatzanspruch aus einer nach § 144a StPO erlassenen einstweiligen Verfügung nicht anwendbar. Im Übrigen sei die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen worden. Für den Fall der Anwendbarkeit von § 394 EO sei der ordentliche Rechtsweg nicht zulässig, sondern habe das Landesgericht für Strafsachen Wien als Sicherungsgericht zu entscheiden.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs zurück und erklärte das Verfahren ab Klagszustellung als nichtig. Zur Entscheidung über Ersatzansprüche nach § 394 EO sei ausschließlich das Sicherungsgericht - also das Landesgericht für Strafsachen Wien - zuständig.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss insoweit ab, als es die Klage nur zurückwies, soweit sie sich auf einen Anspruch nach § 144a StPO iVm § 394 EO stützte; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Auf die vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 144a Abs 1 StPO erlassene einstweilige Verfügung seien die Bestimmungen der Exekutionsordnung über einstweilige Verfügungen sinngemäß anzuwenden. § 144a StPO verweise also auch auf § 394 EO; zur Entscheidung über eine nach dieser Gesetzesbestimmung begehrte Ersatzleistung sei stets das Sicherungsgericht zuständig, der Rechtsweg vor dem ordentlichen Prozessgericht sei somit ausgeschlossen. Demgemäß erweise sich die Zurückweisung der Klage, soweit sie sich auf § 394 EO stütze, als zutreffend. Der Kläger stütze das Begehren aber auch auf Amtshaftung, für die der Rechtsweg zulässig sei; insoweit komme eine Zurückweisung der Klage nicht in Betracht.
Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg ist die Frage zu prüfen, ob dem von einer nach § 144a StPO erlassenen einstweiligen Verfügung Betroffenen bei Zutreffen der Voraussetzungen Ansprüche gemäß § 394 EO zustehen. Die beklagte Partei verneint diese Frage mit dem Argument, dass damit eine Ausnahme von der Amtshaftung zugelassen würde, die dieser Vorschrift nicht entnommen werden könne. Dieser Auffassung kann indes nicht beigetreten werden:
Gemäß § 144a Abs 1 letzter Satz StPO gelten für die vom Untersuchungsrichter danach erlassenen einstweiligen Verfügungen die Bestimmungen der Exekutionsordnung über einstweilige Verfügungen sinngemäß; dass § 394 EO zu den Bestimmungen der Exekutionsordnung über einstweilige Verfügungen (§§ 378 ff EO) gehört, kann nicht zweifelhaft sein. Schon deshalb ist sie, zumal der Strafprozessordnung insoweit gegenteilige "Sonderbestimmungen" (vgl dazu Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, § 394 Rz 4) nicht zu entnehmen sind, - sinngemäß - auch auf die nach § 144a StPO erlassenen einstweiligen Verfügungen anzuwenden (Fuchs in ÖJZ 1990, 552; König, Einstweilige Verfügungen2 Rz 4/24; vgl auch ecolex 1999, 650).
§ 394 EO bietet dem Gegner der gefährdeten Partei im Vergleich zu den Bestimmungen der §§ 1293 ff ABGB über Schadenersatzansprüche nicht zu übersehende Vorteile, die ihm eine raschere, kostengünstigere und erfolgversprechendere Durchsetzung seiner Ansprüche ermöglichen: Vor allem ist der Anspruch gemäß § 394 EO nach Lehre und Rechtsprechung (Zechner aaO Rz 1; SZ 62/66 uva) verschuldensunabhängig; es handelt sich dabei um reine Erfolgshaftung. Außerdem ordnet § 394 EO ganz allgemein an, dass das Gericht die Höhe des Ersatzes nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) festzusetzen hat. Würde man dem durch eine nach § 144a StPO erlassene einstweilige Verfügung geschädigten Betroffenen die Antragstellung nach § 394 EO verwehren, so blieben diesem die vorher erwähnten Erleichterungen bei der Durchsetzung von Ersatzansprüchen - im Gegensatz zum Gegner der gefährdeten Partei in den unmittelbar auf Grund der exekutionsrechtlichen Vorschriften abgeführten Sicherungsverfahren - vorenthalten, was dem Gesetzgeber des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987, durch dessen Art II § 144a in die Strafprozessordnung eingefügt wurde, schon unter den Gesichtspunkten der Gleichbehandlung wohl nicht zugesonnen werden kann.
Auch dass eine Provisorialmaßnahme nach § 144a StPO nur auf Antrag des Staatsanwalts getroffen werden kann, steht Ansprüchen des zu Unrecht Betroffenen gemäß § 394 EO nicht entgegen, muss doch die Republik Österreich, für die der Staatsanwalt einschreitet, schon deshalb einer gefährdeten Partei im Sinne des § 394 EO gleichgehalten werden, weil mit der einstweiligen Verfügung zu ihren Gunsten (vgl § 373b StPO) abzuschöpfende oder für verfallen zu erklärende Vermögenswerte gesichert werden sollen (vgl Fuchs aaO; König aaO).
Das Rekursgericht hat auch zutreffend die Unzuständigkeit des angerufenen Prozessgerichts zur Entscheidung über die aus einer nach § 144a StPO erlassenen einstweiligen Verfügung abgeleiteten Ansprüche nach § 394 EO bejaht: Nach Rechtsprechung (SZ 69/36 = JBl 1997, 116 uva) und Lehre (Zechner aaO Rz 4; Heller-Berger-Stix4 2866: König aaO Rz 3/20) entscheidet über solche Ersatzansprüche ausschließlich das Sicherungsgericht. Der Rechtsweg vor den ordentlichen Prozessgerichten ist insoweit ausgeschlossen. Schon unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie wäre es nicht vertretbar, voneinander verschiedene Gerichte mit derselben Sache zu befassen. Für die nach § 144a StPO erlassenen einstweiligen Verfügungen kann, da die Bestimmungen der Exekutionsordnung über einstweilige Verfügungen - wie schon erwähnt - sinngemäß anzuwenden sind und die Strafprozessordnung gegenteilige "Sonderbestimmungen" nicht vorsieht, nichts Anderes gelten.
Über den Antrag des von einer einstweiligen Verfügung nach § 144a StPO Betroffenen gemäß § 394 EO hat demgemäß das Strafgericht zu befinden, das die einstweilige Verfügung erlassen hat. Die vom Kläger gegen dieses Ergebnis vorgetragenen Bedenken dahin, dass der über den Sicherungsantrag entscheidende Richter ebenso wie der Staatsanwalt für die Republik Österreich tätig werde, können an der Zuständigkeit des Sicherungsgerichts für solche Entscheidungen nichts ändern, befinden doch über privatrechtliche Ansprüche der Republik Österreich stets Richter, die dabei für diese ("in deren Namen") tätig werden; vor allem entscheidet aber auch sonst jener Richter, der die einstweilige Verfügung erlassen hat, auch über die daraus abgeleiteten Ersatzansprüche nach § 394 EO. Auch wenn im Übrigen regelmäßig Zivilgerichte über Ansprüche privatrechtlicher Natur entscheiden (SZ 69/16 uva), sind doch auch auf Grund sondergesetzlicher Vorschriften Strafgerichte zur Entscheidung über solche Ansprüche berufen, namentlich über die von einem Privatbeteiligten im Adhäsionsverfahren geltend gemachten privatrechtlichen Ansprüche (§§ 4 und 365 StPO). Soweit im Rahmen des durch § 144a StPO geregelten Sicherungsverfahrens das Strafgericht zur Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche berufen ist, soll dies ebenso wie beim Adhäsionsverfahren dazu dienen, dem Geschädigten rascher zur Durchsetzung seiner Ersatzansprüche zu verhelfen (Foregger/Fabrizy, StPO7 § 365 Rz 1).
Dem Revisionsrekurs des Klägers ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 41,§ 50 Abs 1 und § 52 Abs 1 ZPO. Der auf § 394 EO gestützte Anspruch des Klägers fand im Zwischenstreit vor dem Obersten Gerichtshof seine endgültige Erledigung.