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OGH vom 25.01.2017, 7Ob232/16t

OGH vom 25.01.2017, 7Ob232/16t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei mj D***** D*****, vertreten durch die Mutter N***** D*****, vertreten durch Mag. Martin Divitschek und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen den Gegner der gefährdeten Partei D***** H*****, vertreten durch den Sachwalter Mag. M***** P*****, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382e EO, über den Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 1 R 272/16a11, womit dem Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Voitsberg vom , GZ 11 C 31/16a5, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Gegner der gefährdeten Partei ist schuldig, der gefährdeten Partei die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die gefährdete Partei (in der Folge: Antragsteller) ist ein sechsjähriges Kind. Der 26 Jahre alte Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge: Antragsgegner) wohnte in einer betreuten Wohnung der L***** in K*****, in unmittelbarer Nachbarschaft des Hauses, in dem der Antragsteller mit seiner Familie wohnt.

Am lockte der Antragsgegner den Antragsteller in seine Wohnung und verging sich sexuell an ihm. Der Antragsgegner wird deshalb strafrechtlich verfolgt und ist seit in Untersuchungshaft. Am verhängte die Polizei über ihn ein Betretungsverbot nach § 38a SPG hinsichtlich der Wohnung des Antragstellers samt Hof und Parkplatz.

Beim Antragsgegner liegt eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und dissozialen Anteilen, eine mittelgradige Intelligenzminderung mit deutlicher Verhaltensstörung, eine Impulskontrollstörung und eine pathologische Neigung zur Brandstiftung vor. Er hat seit 2008 einen Sachwalter, der seit für alle Angelegenheiten bestellt ist. Seine Testierfähigkeit ist aufgehoben; er kann keine Vollmacht erteilen, seinen Wohnsitz nicht bestimmen und nur eingeschränkt dem Gang einer Verhandlung folgen. Der Antragsgegner hatte am unter Einfluss seiner psychischen Erkrankung – die eine schwere geistige Abnormalität, jedoch keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Sinne des § 11 StGB darstellt – einen Einbruchsdiebstahl begangen; die Zurechnungsfähigkeit ist zwar deutlich eingeschränkt, prinzipiell jedoch erhalten.

Eine vollständige Überlagerung der Handlungs- und Willensbildungsfähigkeit des Antragsgegners durch seine psychische Erkrankung liegt nicht vor. Es wurde nicht bescheinigt, dass er aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage wäre, einem Aufenthalts- und Kontaktaufnahmeverbot willentlich Folge zu leisten.

Am begehrte der Antragsteller die Erlassung einer von den Sicherheitsbehörden zu vollziehenden einstweiligen Verfügung nach § 382e EO, dem Antragsgegner für ein Jahr nach ihrer Erlassung zu verbieten,

- mit dem mj Antragsteller zusammenzutreffen und Kontakt aufzunehmen;

- sich vor und auf dem Grundstück des Wohnsitzes des Antragstellers samt Hof, Stiegenhaus und dazugehörigen Wiesenflächen sowie im und vor dem Gebäude der vom Antragsteller besuchten Volksschule aufzuhalten.

Ein weiteres Zusammentreffen mit dem Antragsgegner sei für den Antragsteller unzumutbar; seine Interessen an der Vermeidung des Zusammentreffens würden die des Antragsgegners überwiegen, der durch die einstweilige Verfügung auch nicht in der Ausübung seiner geringfügigen Erwerbstätigkeit gehindert würde.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Provisorialantrags. Ein weiteres Zusammentreffen mit dem Antragsgegner sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Die Wohnung sei per bereits gekündigt gewesen, der Umzug an einen anderen Ort wäre unmittelbar bevorgestanden und würde auch im Falle einer Entlassung aus der Untersuchungshaft stattfinden. Es sei unzulässig, einer Person wie dem Antragsgegner, der aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht zu einer Willensbildung in der Lage sei, nach den §§ 354 ff EO zu vollstreckende Unterlassungspflichten aufzuerlegen. Auch mit sicherheitspolizeilichen Mitteln dürfte die angestrebte einstweilige Verfügung nicht durchgesetzt werden. Diese sei zudem nicht ausreichend konkretisiert und zu unpräzise.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und betraute mit dem Vollzug die Sicherheitsbehörden. Weder die Untersuchungshaft noch die Bestimmung des Wohnsitzes durch den Sachwalter könnten zukünftiges Zusammentreffen (so unwahrscheinlich dies auch sein möge) verhindern; dieser habe insbesondere keine Einflussnahmemöglichkeit auf den tatsächlichen physischen Aufenthaltsort des Antragsgegners. Dessen mangelnde Handlungsfähigkeit sei einerseits nicht bescheinigt, andererseits wäre diese nur bei der Vollstreckung nach §§ 354 ff EO relevant, nicht jedoch bei der Vollstreckung durch die Sicherheitsbehörden nach § 382d Abs 4 iVm § 382e Abs 4 EO, wobei der geschuldete Zustand nämlich nicht durch den Willen des Verpflichteten beeinflussende Beugestrafen, sondern unmittelbar durch die Organe der Sicherheitsbehörden herzustellen sei.

Dem nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Rekurs des Antragsgegners gab das Rekursgericht nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts und ergänzte dessen Ausführungen zusammengefasst dahin, die unter den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls zu beurteilenden Kriterien für die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammentreffens seien das Gesamtverhalten und die Persönlichkeitsstruktur des gewalttätigen Antragsgegners. Wesentlich sei auch die Frage, ob ohne Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung in Zukunft eine erhebliche Gefährdung zu erwarten sei. Die Gründe für die Unzumutbarkeit seien verschuldensunabhängig; es komme nicht auf das Unrechtsbewusstsein des Antragsgegners oder auf seine Absichten an. Der Einwand des Antragsgegners, er sei psychisch krank, sodass ihm die Gewaltausübung subjektiv nicht angelastet werden könnte, stehe der Bewilligung der einstweiligen Verfügung nicht entgegen. Die Feststellung, in welchem körperlichen oder geistigen Zustand sich eine Person in einem bestimmten Zeitpunkt befunden habe, gehöre dem Tatsachenbereich, die Beantwortung der Frage aber, ob der festgestellte Zustand einer Person deren rechtliche Handlungsunfähigkeit zur Folge gehabt habe, dem Rechtsbereich an. Maßnahmen staatlicher Befehls- und Zwangsgewalt – sowohl gerichtlicher als auch verwaltungsbehördlicher Natur – seien losgelöst von Delikts-, Handlungs- und Einwilligungsfähigkeit anzuordnen bzw vorzunehmen. Weder die Untersuchungshaft noch das dem Sachwalter zustehende Recht der Wohnortbestimmung könnten eine zukünftige Gefährdung des Antragstellers ausschließen. Der Entscheidung 7 Ob 150/97b (wonach eine Person, die aufgrund einer psychischen Erkrankung und insoweit bestehender Handlungsunfähigkeit nicht in der Lage sei, einem Unterlassungsgebot willentlich Folge zu leisten, hierzu auch nicht urteilsmäßig verpflichtet werden könne) sei eine zivilrechtliche Unterlassungsklage zugrunde gelegen; sie sei mit dem hier vorliegenden Fall eines missbrauchten sechsjährigen Kindes, das jedenfalls eines entsprechenden Schutzes bedürfe, und in dem die Interessensabwägung eindeutig zu Gunsten des Kindes ausfalle, nicht zu vergleichen. Zudem liege hier eine einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz und keine zivilrechtliche Unterlassungsklage vor. Aus der Formulierung der einstweiligen Verfügung gehe eindeutig hervor, auf welche hinreichend konkretisierten Orte sie sich beziehe. Sie entspreche dem Bestimmtheitsgebot und sei keineswegs unklar.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Erlassung einstweiliger Verfügungen gemäß § 382e EO gegen behinderte und in allen Angelegenheiten unter Sachwalterschaft stehende Personen fehle.

Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs strebt der Antragsgegner die Abänderung im antragsabweisenden Sinne an.

Der Antragsteller beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Gemäß § 402 Abs 1 EO ist ein Revisionsrekurs nicht schon deshalb unzulässig, weil das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluss über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Gänze bestätigt hat (vgl RISJustiz RS0097221). Da nach ständiger Rechtsprechung kein Bewertungsausspruch vorzunehmen ist (RISJustiz RS0105351 [T2]), kommt es für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses allein auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage an (RISJustiz RS0097221; 2 Ob 82/08k, 7 Ob 166/14h [zu § 382g EO]; 7 Ob 17/15y).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber gesteht in seinem Rechtsmittel zu, dass er tatsächlich einen körperlichen Angriff und ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten gesetzt habe, das dem Antragsgegner das weitere Zusammentreffen mit ihm unzumutbar mache; es treffe auch zu, dass keine schwerwiegenden Interessen des Antragsgegners beeinträchtigt würden, wenn ihm der Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten verboten oder ihm auftragen werde, das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden. Gleichwohl hätte gegen ihn eine nach den §§ 354, 355 EO zu vollstreckende einstweilige Verfügung nicht erlassen werden dürfen, weil er in allen Belangen besachwaltet und daher zu einer rechtserheblichen Willensbetätigung nicht fähig sei. Die von der EO zur Verfügung gestellten Exekutionsarten böten keinen präventiv wirksamen Schutz vor dem Zuwiderhandeln gegen durch Exekutionstitel geschaffene Handlungsverbote und Unterlassungsgebote. Der Titel sei nicht ausreichend bestimmt. Er verfehle seinen Zweck, weil der Antragsgegner in Haft sei.

Dazu wurde erwogen:

1. Nach § 382e Abs 1 EO hat das Gericht einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, auf deren Antrag – soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen – den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten (Z 1) und aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden (Z 2).

Für die Beurteilung der Unzumutbarkeit nach § 382b EO – ebenso wie der nach § 382e EO (RIS-Justiz RS0110446 [T16]) – maßgeblich sind Ausmaß, Häufigkeit und Intensität der bereits – auch schon länger zurückliegenden – angedrohten oder gar verwirklichten Angriffe sowie bei – ernst gemeinten und als solche verstandenen – Drohungen die Wahrscheinlichkeit deren Ausführung. Je massiver das dem Antragsgegner zur Last fallende Verhalten auf die körperliche und seelische Integrität des Opfers eingewirkt hat, je schwerer die unmittelbaren Auswirkungen und die weiteren Beeinträchtigungen des Antragsgegners sind und je häufiger es zu solchen Vorfällen gekommen ist, desto eher wird unter den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls von einer Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens auszugehen sein. Je leichtere Folgen das Verhalten des Antragsgegners gezeitigt hat, je länger es – ohne weitere „einschlägige“ Vorkommnisse – zurückliegt und je mehr sich der Antragsgegner in der Folge bewährt hat, desto eher wird man dem Betroffenen das weitere Zusammenleben zumuten können (RIS-Justiz RS0110446). Nach § 382e EO ist zwingend eine Interessenabwägung vorzunehmen (RIS-Justiz RS0127363 [T1]; RS0113699 [T1]): Der Sicherungsantrag nach § 382e EO ist abzuweisen, wenn die Interessenabwägung zugunsten des Antragsgegners ausgeht, das heißt, wenn schwerwiegende Interessen des Antragsgegners entgegenstehen (RIS-Justiz RS0112179 [T2]).

Die Gründe für die Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO sind verschuldensunabhängig, objektiver Beurteilungsmaßstab sind die Umstände des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0110444 [insb T 1, T 6, T 9]); das Gleiche gilt für die Gründe nach § 382e EO (RIS-Justiz RS0110444 [T10]). Es kommt daher nicht auf Unrechtsbewusstsein oder Absichten des Antragsgegners, sondern auf die Auswirkungen des bescheinigten Verhaltens an (5 Ob 180/09w = RIS-Justiz RS0110444 [T7] = RS0110446 [T13]). Das persönliche Recht auf Wahrung der körperlichen Integrität wirkt absolut, sodass als Verfügungsgrund bereits eine einmalige und ihrer Art nach nicht völlig unbedeutende tätliche Entgleisung genügt (RIS-Justiz RS0110446 [T5]). „Psychoterror“ ist, weil die Zumutbarkeitsfrage entscheidet, nicht nach objektiven, sondern nach subjektiven Kriterien zu beurteilen; von Bedeutung ist daher nicht ein Verhalten, das der Durchschnittsmensch als „Psychoterror“ empfände, sondern die Wirkung eines bestimmten Verhaltens gerade auf die Psyche des Antragstellers; entscheidend sind dabei stets die Umstände des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0110446 [T4]). Wesentlich ist für die Beurteilung, ob ohne Erlassung der beantragten Verfügung unter Bedachtnahme auf eine realistische Abschätzung der künftigen Entwicklung eine erhebliche Gefährdung zu erwarten ist (vgl Beck in Gitschthaler/Höllwerth EuPR §§ 382b382e EO Rz 17). Bei der Prüfung der Voraussetzung der Zumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens ist zu Gunsten von Opfern von Gewalttätigkeiten im Familienkreis grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0110446 [T6]).

2. Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, so ist ihr auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu ein Sachwalter zu bestellen (§ 268 Abs 1 ABGB). Die Bestellung eines Sachwalters hat subsidiären Charakter und darf nur dann erfolgen, wenn der Betroffene nicht anders, nämlich durch die im § 268 Abs 2 ABGB erwähnten Möglichkeiten (durch einen anderen gesetzlichen Vertreter oder im Rahmen einer anderen Hilfe, besonders in der Familie, in Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder im Rahmen sozialer oder psychosozialer Dienste) in die Lage versetzt werden kann, seine Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß zu besorgen (RIS-Justiz RS0049088).

„Angelegenheiten“ in diesem Sinne sind in einem umfassenden Sinn zu verstehen; darunter fallen nicht nur Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, sondern auch die Fürsorge für die eigene Person (RISJustiz RS0048990). Bei den Agenden rechtlicher Art handelt es sich etwa um die Vornahme von Rechtsgeschäften, Rechtshandlungen, die Einwilligung zu medizinischer Heilbehandlung, die Führung von Prozessen und Behördenverfahren sowie die Geltendmachung und Verteidigung von (Persönlichkeits-)Rechten aller Art, etwa dem Schutz der persönlichen Integrität und Bewegungsfreiheit (vgl Weitzenböck in Schwimann/G. Kodek4§ 268 ABGB Rz 6 mwH; Hopf in KBB4§ 268 ABGB Rz 3).

Auch eine Sachwalterschaft zur Besorgung aller Angelegenheiten beschränkt zwar die Geschäftsfähigkeit (sowie – in dem Umfang, in dem ihm ein Sachwalter zur Vertretung beigestellt wurde – die Prozessfähigkeit: RISJustiz RS0103637; Pfurtscheller in Schwimann, ABGB-TaKom³ § 280 Rz 1) des Betroffenen, hat an sich aber keinen Einfluss etwa auf die Deliktsfähigkeit (Aicher in Rummel/Lukas4§ 21 ABGB [2015] Rz 4; Weitzenböck aaO § 280 ABGB Rz 3), die sich nach der tatsächlichen psychischen Verfassung richtet (Hopf aaO Rz 1).

3. Ausgehend von den in Punkt 1. dargelegten Grundsätzen hat eine einstweilige Verfügung nach § 382e EO den Zweck, das Recht einer Person zu schützen, an Orten, an denen sie sich regelmäßig aufhält, nicht einem gewalttätigen oder psychisch erheblich belastenden Verhalten einer anderen Person ausgesetzt zu sein (E. Kodek in Angst/Oberhammer, EO3§ 382e Rz 1). Das Gesetz soll demnach Gewaltopfer vor Eingriffen in ihre physische und psychische Integrität schützen. Eine wichtige Zielsetzung ist, die Gefahren fernzuhalten und rasch gerichtliche Hilfe in Auseinandersetzungen mit drohenden oder bereits erfolgten Gewalttaten zu ermöglichen, bevor schwerwiegende Folgen eintreten (Beck aaO Rz 3).

§ 382e EO stellt damit – im Gegensatz zu der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht – nicht auf die Voraussetzungen und Angelegenheiten ab, die eine Sachwalterbestellung erforderlich machen. Vielmehr soll er Schutz vor dem verpönten faktischen Verhalten einer Person bieten, die einen Anderen in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, und zwar unabhängig davon, ob der Täter zurechnungsfähig oder einer Willensbildung/-beugung zugänglich ist. Die einstweilige Verfügung nach § 382e EO kann gegen jede Person erlassen werden, von der die Gefahr ausgeht. Das Erstgericht ordnete den Vollzug durch die Sicherheitsbehörden an.

4. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind als Vollstreckungsorgane jeweils auf Ersuchen des Antragstellers verpflichtet, den der einstweiligen Verfügung entsprechenden Zustand durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt herzustellen (§ 382e Abs 4 erster Satz iVm § 382d Abs 4 EO). Die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Akte, die von Verwaltungsorganen in Durchführung richterlicher Befehle gesetzt werden, werden nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht dem Bereich der Hoheitsverwaltung zugeordnet, sondern stellen Akte im Rahmen der Gerichtsbarkeit dar (vgl VwGH 98/01/0121 mwN). Solche Maßnahmen staatlicher Befehls- und Zwangsgewalt sind ungeachtet der Delikts, Handlungs und Einwilligungsfähigkeit des von ihnen Betroffenen vorzunehmen (vgl Zierl, Sachwalterrecht [2007] 115 f).

Die einstweilige Verfügung ist Voraussetzung und Grundlage für die Vollstreckung durch die Sicherheitsbehörden und damit notwendigerweise unabhängig von der Geschäftsfähigkeit oder Fähigkeit des Verpflichteten zur Willensbildung. Dem steht auch § 382e Abs 4 EO, nach dem „im Übrigen einstweilige Verfügungen nach den Bestimmungen des Dritten Abschnitts im Ersten Teil zu vollziehen sind“, nicht entgegen. Die Materialien (271/A BlgNR 24. GP 24) verweisen darauf, dass es dem Antragsteller freistehen solle, anstelle oder neben dem Vollzug durch die Sicherheitsbehörden bei Zuwiderhandeln eine Vollstreckung nach den allgemeinen Regeln (durch Geld- bzw Haftstrafen) zu begehren. Schon der dargelegte Zweck der einstweiligen Verfügung nach § 382e EO gebietet es, dass nicht bereits im Titelverfahren, sondern erst in dem Fall, dass neben dem Vollzug durch die Sicherheitsbehörden auch ein Exekutionsverfahren nach §§ 354 ff EO angestrengt werden sollte, im Exekutionsverfahren zu klären ist, ob den Verpflichteten ein Verschulden trifft (vgl allgemein 7 Ob 261/04i mwN; RIS-Justiz RS0085147) bzw ob er aufgrund seines Persönlichkeitszustands allenfalls keiner Willensbeugung zugänglich ist. Die vom Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 7 Ob 150/97b erging vor dem Inkrafttreten des 2. Gewaltschutzgesetzes (2. GeSchG, BGBl I 2009/40). Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs (2007/11/0025, VwSlg 17220A/2007 = JBl 2008, 333 [zu § 5 VVG im Zusammenhang mit einem Führerscheinentzug]) betrifft eine nicht vergleichbare Unterlassungspflicht.

5. Das Argument des Revisionsrekurswerbers, die einstweilige Verfügung könne ein Zusammentreffen oder eine Kontaktaufnahme faktisch nicht präventiv verhindern, überzeugt nicht, weil dies auf jedes Zuwiderhandeln gegen erlassene Verbote zutrifft.

Dass innerhalb des Wirkungszeitraums der einstweiligen Verfügung weder die Möglichkeit eines Zusammentreffens noch eines Aufenthalts des Antragsgegners an ihm verbotenen Orten oder einer Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller bestünde, ergibt sich aus dem bescheinigten Sachverhalt nicht.

6. Zur ausreichenden Bestimmtheit der einstweiligen Verfügung genügt der Hinweis auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichts (§§ 528a, 510 Abs 3 ZPO), wonach die Orte, von denen sich der Antragsgegner fernzuhalten hat – Wohnsitz und Schule des Antragstellers – durch die Angabe der Adressen und die nähere Bezeichnung der Örtlichkeiten ausreichend konkret und nachvollziehbar bezeichnet sind; warum der bisherige Wohnsitz des Antragsgegners – der nach eigenen Angaben ohnehin bereits aufgegeben wurde – davon mitumfasst sein sollte, ist nicht erkennbar.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393/2 EO iVm §§ 50, 41 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00232.16T.0125.000

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