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OGH vom 27.04.2016, 7Ob232/15s

OGH vom 27.04.2016, 7Ob232/15s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R***** L*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. H***** E*****, 2. E***** KEG, beide *****, beide vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, 3. E***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, und 4. U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 41.914,02 EUR sA und Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen der dritt und viertbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 213/14v 102, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

In der am eingereichten, vom Erstbeklagten namens der Zweitbeklagten als steuerliche Vertreterin des Klägers verfassten Einkommenssteuererklärung für 1999 wurde von der im Regelfall für den Steuerpflichtigen günstigeren Bestimmung des § 16 Abs 1 Z 8 lit b Satz 2 EStG 1988 (idF BGBl 1996/201), wonach bei unentgeltlichem Erwerb eines Gebäudes anstelle des Einheitswerts für den letzten Feststellungszeitpunkt auf Antrag die fiktiven Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage für die Abschreibung anzusetzen sind, kein Gebrauch gemacht.

Weder der Erst noch die Zweitbeklagte erstatteten eine Schadensmeldung an die Dritt und Viertbeklagte.

Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat für ihre Mitglieder, daher auch für den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte, mit der Rechtsvorgängerin der Drittbeklagten eine Exzedentenhaftpflichtversicherung abgeschlossen. Abschnitt II) (Haftpflichtversicherung) des inhaltlich unstrittigen (vgl RIS Justiz RS0121557 [insb T 3]) und insbesondere von der Drittbeklagten selbst angesprochenen Versicherungsvertrags lautet auszugsweise:

„2. Versicherungsfall

2.1 Versicherungsfall ist der Verstoß (Handlung oder Unterlassung), den ein Mitglied der Kammer der Wirtschaftstreuhänder bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit innerhalb des Berechtigungsumfanges des 1. Hauptstückes des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes (WTBG) in der jeweils gültigen Fassung selbst begangen hat oder durch Personen, für die es nach dem Gesetz einzutreten hat, begangen wurde und aus welchem dem versicherten Mitglied Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen können.

6. Zeitlicher Geltungsbereich des Versicherungsschutzes:

6.1 Wirksamkeit

6.1.1 Der Versicherungsschutz ist gegeben, wenn der Verstoß während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes begangen wird.

6.1.2 Wenn der Verstoß in einer schriftlichen Unterlage, welcher Art immer, seine Begründung findet, gilt er in dem Augenblick begangen, in dem das versicherte Mitglied oder eine mitversicherte Person gemäß II, Pkt. 9 diese Unterlage unterfertigt. In allen anderen Fällen gilt der Verstoß als begangen, wenn das versicherte Mitglied oder eine mitversicherte Person … eine diesen begründende Äußerung abgibt oder Handlung setzt.

...

9. Mitversicherte:

9.1 Die Versicherung gilt für Schadenersatzverpflichtungen des versicherten Mitgliedes aus einem Versicherungsfall …

9.3 Jedem einzelnen versicherten Mitglied kommen die Rechte und Pflichten eines Versicherungsnehmers zu.

... “

Der Erstbeklagte und die Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten waren Mitversicherte der vom Vater des Klägers bei der Viertbeklagten abgeschlossenen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, die jedenfalls bis zum aufrecht war. Dieser Versicherung lagen die Allgemeinen Bedingungen zur Haftpflichtversicherung von Vermögensschäden der Wirtschaftstreuhänder (AVBW) zugrunde, deren Artikel 2 wie folgt lautet:

„ Zeitliche Begrenzung der Haftung

(1) Der Versicherer haftet nur dann, wenn der Verstoß während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes begangen wird.

(2) Wird ein Schaden durch Unterlassung gestiftet, so gilt im Zweifel der Verstoß als an dem Tag begangen an welchem die versäumte Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen, um den Eintritt des Schadens abzuwenden. “

Rechtliche Beurteilung

A. Zur Revision der Drittbeklagten:

1. Nach Abschnitt II) Art 9.3. des zwischen der Kammer der Wirtschaftstreuhänder und der Drittbeklagten abgeschlossenen Exzedentenhaftpflichtversicherungsvertrags kommen jedem versicherten Mitglied (hier: dem Erstbeklagten und der Zweitbeklagten) selbst die Rechte und Pflichten eines Versicherungsnehmers zu. Bei dieser Sachlage ist ein direkter Anspruch des Erstbeklagten und der Zweitbeklagten gegen die Drittbeklagte zu bejahen und das Berufungsgericht ist daher nicht im Widerspruch zu, sondern im Einklang mit der Entscheidung 7 Ob 29/06z und der darauf aufbauenden Rechtsprechung (RIS Justiz RS0120609) von der Zulässigkeit eines Begehrens auf Feststellung der Deckungspflicht der Drittbeklagten gegenüber dem Erstbeklagten und der Zweitbeklagten ausgegangen.

Das Berufungsgericht hat auch die regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende (RIS Justiz RS0039177 [T1]) Frage eines bestehenden Feststellungsinteresses des Klägers gegenüber der Drittbeklagten vertretbar bejaht, hat diese doch sowohl behauptet, dem Erstbeklagten und der Zweitbeklagten sei kein haftungsbegründendes Verhalten vorzuwerfen, als auch die Zulässigkeit einer Feststellung ihrer Deckungspflicht bis zuletzt bestritten.

2. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat der Erstbeklagte die AfA für die Liegenschaft des Klägers auf Basis der jedenfalls unrichtigen historischen Anschaffungskosten geltend gemacht anstatt des möglichen, aber nicht vorteilhaften Einheitswerts oder der optimalen fiktiven Anschaffungskosten, wozu ein mit der Einkommenssteuererklärung verbundener Antrag notwendig gewesen wäre. Dem Erstbeklagten ist daher nicht schlichte Untätigkeit, sondern ein aktives Tun, nämlich die Vorbereitung einer inhaltlich unrichtigen Einkommenssteuererklärung vorzuwerfen, die den Verstoß im Sinn des oben wiedergegebenen Pkt. 6.1.1 des Versicherungsvertrags bildet. Damit hat das pflichtwidrige Verhalten des Erstbeklagten begonnen. Dass dieser einen Antrag, die Absetzung von den fiktiven Anschaffungskosten vorzunehmen, im steuerlichen Rechtsmittelverfahren nicht nachgetragen hat (vgl VwSlg 5477 F/1980), begründet keinen selbstständigen Versicherungsfall, weil es auf den ersten Verstoß ankommt (7 Ob 70/14s; vgl zur Rechtsschutzversicherung RIS Justiz RS0114209; RS0114001 [T3]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich der Versicherungsfall während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes ereignete, ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden, weshalb die Drittbeklagte auch in diesem Punkt keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darzulegen vermag.

B. Zur Revision der Viertbeklagten:

1. Die Viertbeklagte vertritt wie die Drittbeklagte den Standpunkt, dass das Fehlverhalten des Erstbeklagten nicht in einem Tun, sondern in einem Unterlassen, nämlich eines Antrags auf Heranziehung fiktiver Anschaffungskosten (§ 16 Abs 1 Z 8 lit b Satz 2 EStG 1988 [idF BGBl 1996/201]), bestanden habe, welches noch nach dem Wirksamkeitsende des mit der Viertbeklagten geschlossenen Versicherungsvertrags hätte nachgeholt werden können. Dem ist aus den schon oben (A.2.) genannten Gründen zu entgegnen, dass die (einleitende) Fehlleistung des Erstbeklagten im Gegensatz zu der von der Viertbeklagten angesprochenen Entscheidung 7 Ob 16/92 nicht in einem unterlassenen, sondern in einem dem Kläger nachteiligen und fachlich falschen Antrag bestanden hat.

2.1. Die Frage, ob in dem Fall, dass der Deckungs und der Haftpflichtprozess in einem Verfahren abgewickelt werden, der Versicherer auch materielle Einwände gegen den Anspruch erheben kann, muss hier mangels Erheblichkeit des Einwands der Viertbeklagten nicht vertieft werden.

2.2. Betreffend die in diesem Kontext vom Berufungsgericht übergangene Frage der Bedeutung der Negativfeststellung zu einer Entgeltvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten gilt nämlich gemäß § 354 Abs 1 UGB, dass ein Unternehmer (auch im einseitig unternehmensbezogenen Geschäft) im Zweifel entgeltlich tätig ist ( Dullinger in Jabornegg/Artmann UGB 2 § 354 Rz 4 mwN). Wirtschaftstreuhändern steht im Zweifel ein angemessenes Honorar zu, auch wenn es nicht ausdrücklich vereinbart wurde (RIS Jusitz RS0038261). Es ist daher trotz der Negativfeststellung davon auszugehen, dass der Erstbeklagte den Kläger nicht selbstlos beraten hat, war doch hier nicht ein bloßer Rat zu erteilen, sondern die Steuererklärung eines Selbstständigen zu erstellen. Die von der Viertbeklagten aufgeworfene Frage, ob eine Haftung nach § 1300 ABGB erster Satz („gegen Belohnung“) oder nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung in Betracht kommt, stellt sich daher nicht.

3. Sonstige Einwände stellt die Viertbeklagte in ihrer Revision nicht mehr substanziiert dar.

C. Ergebnis:

Im Ergebnis zeigen die Revisionswerber keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Vielmehr hält sich die Entscheidung des Berufungsgerichts auf gegebener Vertragslage im Ergebnis im Rahmen vorliegender Rechtsprechungsgrundsätze. Beide außerordentlichen Revisionen sind somit unzulässig und zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00232.15S.0427.000