OGH vom 07.07.2020, 3Nc11/20b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen N*****, geboren am ***** 2012, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 83 Pu 119/17w15, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Mürzzuschlag wird genehmigt.
Text
Begründung:
Der im Sprengel des Bezirksgerichts Mürzzuschlag lebende außereheliche Vater der Minderjährigen ist dieser gegenüber zur Unterhaltsleistung in Höhe von derzeit 50 EUR monatlich verpflichtet.
Die für das Kind allein obsorgeberechtigte Mutter stellte am beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Antrag, den Vater rückwirkend ab Jänner 2018 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 100 EUR zu verpflichten. Anlässlich ihrer Vorsprache bei Gericht gab sie bekannt, dass die Minderjährige zwar an ihrer Wiener Anschrift behördlich gemeldet sei, aber tatsächlich bei der mütterlichen Großmutter in Tschechien lebe und dort die Schule besuche. Sie komme nur in den Ferien und für Arztbesuche mit der Mutter nach Wien. Auch die Mutter werde in Zukunft wieder nach Tschechien übersiedeln.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien übertrug daraufhin mit (unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem) Beschluss vom die Zuständigkeit für die Pflegschaftssache gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN an das Bezirksgericht Mürzzuschlag. Gemäß § 114 Abs 2 JN sei jenes Gericht für gesetzliche Unterhaltsansprüche zuständig, in dessen Sprengel der Unterhaltsberechtigte seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen habe, mangels eines solchen im Inland aber das Gericht, in dessen Sprengel der Unterhaltsschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen habe. Die Minderjährige halte sich in Tschechien auf, der Vater im Sprengel des Bezirksgerichts Mürzzuschlag. Es sei daher zweckmäßiger, wenn Letzteres diese Pflegschaftssache führe.
Das Bezirksgericht Mürzzuschlag lehnte die Übernahme unter Hinweis darauf ab, dass sowohl die Mutter als auch die Minderjährige nach wie vor in Wien aufrecht gemeldet seien und die Mutter das Kind derzeit auch noch in Wien versorge und betreue.
Rechtliche Beurteilung
Die Zuständigkeitsübertragung ist zu genehmigen.
1. Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Ausschlaggebendes Kriterium einer Zuständigkeitsübertragung nach § 111 Abs 1 JN ist stets das Kindeswohl (RS0047074).
2. In der Regel ist dabei das Naheverhältnis zwischen dem Pflegebefohlenen und dem Gericht von wesentlicher Bedeutung, sodass im Allgemeinen das Gericht am besten geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder (gewöhnlichen) Aufenthalt hat (RS0047074 [T7]). Die Minderjährige hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt allerdings nach den Angaben der Mutter nicht (mehr) in Österreich, sondern in Tschechien. Daran kann auch die vom Bezirksgericht Mürzzuschlag ins Treffen geführte aufrechte behördliche Meldung nichts ändern.
3. Es erscheint daher eine Verfahrensfortsetzung durch das Bezirksgericht Mürzzuschlag, in dessen Sprengel der unterhaltspflichtige Vater lebt, zweckmäßiger, sodass die Übertragung iSd § 111 Abs 2 JN zu genehmigen ist.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0030NC00011.20B.0707.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.