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OGH vom 19.12.2019, 6Ob145/19w

OGH vom 19.12.2019, 6Ob145/19w

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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. DI G*****, 2. Ing. A*****, beide vertreten durch Mag. Sandra Cejpek, Rechtsanwältin in Guntramsdorf, gegen den Antragsgegner W*****, vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in Wels, wegen 7.803,80 EUR sA, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 40 R 15/19f-57, mit dem infolge Rekurses des Antragsgegners der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 10 Nc 69/16k-47, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller sind schuldig, dem Antragsgegner die mit 917,02 EUR (darin enthalten 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten der Rechtsmittelbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.

1. Vorauszuschicken ist, dass die Vorinstanzen die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs für den hier geltend gemachten Anspruch ausdrücklich bejahten; der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 42 Abs 3 JN an die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz gebunden (RS0044538 [T1]; vgl RS0114196 [T3]; RS0046249 [T1, T 2]).

2. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936, RS0042871). Selbst dann, wenn auch eine andere Auslegung vertretbar gewesen wäre, läge darin noch keine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung (RS0042776 [T2]; RS0112106 [T2, T 4], RS0044298 [T39]; vgl RS0042555 [T1, T 4]). Diese Grundsätze gelten auch für die Auslegung von Gesellschaftsverträgen (RS0042936 [T21]; RS0042776 [T27]).

3. Gesellschaftsverträge von typischen Personengesellschaften – so insbesondere der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (4 Ob 229/07s = RS0108891 [T13]) – sind grundsätzlich nach § 914 ABGB unter besonderer Berücksichtigung des Treuegedankens auszulegen (RS0109668; RS0108891 [T13]). Nur nach einem Wechsel im Mitgliederbestand der Gesellschaft wird der objektiven Auslegung (vgl RS0108891) des Gesellschaftsvertrags der Vorzug eingeräumt (2 Ob 209/10i; 6 Ob 226/13y; vgl 4 Ob 229/07s).

4. Die Auslegung durch das Rekursgericht steht im Einklang mit den dargestellten Grundsätzen.

4.1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass mit dem „Miteigentümervertrag“, den der Antragsgegner gemeinsam mit 35 weiteren Personen offenkundig nicht erst im Zuge eines Gesellschafterwechsels unterzeichnete, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Durchführung eines „Bauherrenmodells“ (Erwerb einer Liegenschaft, Errichtung eines Gebäudes und gemeinsame Verwertung durch Vermietung) errichtet wurde.

4.2. Strittig sind im Wesentlichen der Umfang und die Voraussetzungen der zu leistenden Nachschüsse.

4.3. Das Rekursgericht legte den Miteigentümervertrag dahin aus, dass sich aus dessen § 2.7 und 3.5 eine Verpflichtung zur Leistung von Nachschüssen ergebe, die von den Antragstellern gemäß § 1188 ABGB nF zugunsten aller Gesellschafter eingefordert werden könne (actio pro socio, vgl 6 Ob 61/16p; 6 Ob 45/18p; RS0113443).

4.4. Hinsichtlich der Höhe der vom einzelnen Gesellschafter zu leistenden Nachschüsse kam es zum Ergebnis, dass jeder Gesellschafter nur verpflichtet sei, den im Verhältnis der Miteigentumsanteile auf ihn entfallenden Anteil der Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die aus den Kapitaleinnahmen der Gesellschaft nicht gedeckt werden könnten, nachzuschießen. Hingegen seien die Gesellschafter nicht verpflichtet, von anderen Gesellschaftern vertragswidrig nicht geleistete Nachschüsse oder nicht eingezahlte Bareinlagen anteilsmäßig zu tragen. Eine derartige Ausfallshaftung der übrigen Miteigentümer bestehe nach § 2.6 des Gesellschaftsvertrags nur unter der – nicht behaupteten – Voraussetzung, dass der betroffene Gesellschafter seinen Geschäftsanteil den übrigen Gesellschaftern zum Kauf anbiete; auf diese Vertragsbestimmung hätten sich die Antragsteller zudem nicht gestützt.

4.5. Ausgehend von dieser Vertragsauslegung trug das Rekursgericht dem Erstgericht auf, festzustellen, ob und in welchem Umfang den gegenüber dem Antragsgegner geltend gemachten Nachschüssen die anteilige Deckung auch solcher Verbindlichkeiten der Gesellschaft zugrunde liege, die aus der Verletzung der Zahlungspflichten anderer Gesellschafter – sowohl der Verpflichtung zur Leistung von Nachschüssen als auch der Verpflichtung zur Leistung von Bareinlagen – resultierten. Nach der vom Rekursgericht vorgenommenen Vertragsauslegung ist die Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistung von Nachschüssen dem Grunde nach von allfälligen Verletzungen der Zahlungspflicht durch andere Gesellschafter unabhängig; die anderen Gesellschaftern gegenüber bestehenden Forderungen der Gesellschaft sind aber nicht – anteilig – vom Antragsgegner zu begleichen.

4.6. Zu der vom Rekursgericht vorgenommenen Auslegung des Antragsvorbringens, wonach sich die Antragsteller nicht auf die Subsidiarhaftung der Gesellschafter nach § 2.6 des Miteigentümervertrags gestützt hätten, enthält der Revisionsrekurs kein Vorbringen. Die Revisionsrekurswerber betonen vielmehr, die geltend gemachten Ansprüche seien ausschließlich aus § 2.7 des Vertrags abzuleiten.

4.7. Nach § 2.7 des Miteigentümervertrags ist jeder Miteigentümer verpflichtet, näher bezeichnete Deckungslücken abzudecken, wenn dies vom gemeinsamen Vertreter oder der Mehrheit der Miteigentümer verlangt wird. Nach § 3.5 des Miteigentümervertrags hat jeder Miteigentümer über Aufforderung „den auf ihn entfallenden Anteil“ einzuzahlen. Vor diesem Hintergrund ist die Auslegung, wonach den angeführten Vertragsbestimmungen keine Subsidiarhaftung der übrigen Gesellschafter zu entnehmen sei, nicht unvertretbar.

4.8. Die Revisionsrekurswerber zeigen in diesem Zusammenhang keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrags auf. Das Vorbringen, die allenfalls vertragswidrige Nichtleistung von Bareinlagen durch einzelne Gesellschafter habe auf den Liquiditätsbedarf der Gesellschaft in den hier zu betrachtenden Jahren 2015 bis 2018 keinen Einfluss gehabt, betrifft die Tatsachenebene; eine unrichtige Vertragsauslegung wird damit nicht aufgezeigt. Auch mit dem weiteren Vorbringen, ohne subsidiäre Zahlungspflicht der Gesellschafter drohten die Insolvenz der Gesellschaft und die Zwangsversteigerung der Liegenschaft, wird keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Vertragsauslegung durch das Rekursgericht dargetan.

4.9. Betreffend die Voraussetzungen der Nachschusspflicht legte das Rekursgericht die vertragliche Verpflichtung der Miteigentümer, Nachschüsse „nach Aufforderung“ durch den gemeinsamen Vertreter bzw Verwalter zu leisten, dahin aus, dass sich die Miteigentümer nur so weit zur Zahlung von Nachschüssen verpflichtet hätten, als diese – für zukünftige Abrechnungsperioden – plausibel gemacht würden. Für in der Vergangenheit liegende Abrechnungsperioden sei die Nachschusspflicht nicht auf der Grundlage von davor erstellten Prognosen, sondern auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung für die abgelaufene Periode zu prüfen.

4.10. Auch in diesem Zusammenhang zeigt der Revisionsrekurs keine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Vertragsauslegung auf. Es ist nämlich nicht unvertretbar, redlichen Parteien zuzusinnen, bei Nachschüssen, die erst nach Ablauf einer Abrechnungsperiode geltend gemacht werden, eine bereits erkannte Unrichtigkeit der im Vorhinein angestellten Vorschauen zu berücksichtigen. Dieser Gedanke liegt der vom Rekursgericht vorgenommenen Auslegung zugrunde.

4.11. Das Vorbringen der Revisionsrekurswerber, der Antragsgegner hätte Beanstandungen der Vorschauen, die den Nachschüssen zugrunde lagen, gegenüber der Verwalterin geltend machen müssen, ist ebenfalls nicht geeignet, eine erhebliche Rechtsfrage darzutun. Vielmehr bleibt unklar, aus welchen Erwägungen redliche Vertragsparteien einem Miteigentümer die Möglichkeit abschneiden wollten, einem Zahlungsbegehren die Unrichtigkeit der Berechnungsgrundlage entgegenzuhalten.

Auch in diesem Zusammenhang wird daher keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

5. Der Revisionsrekurs ist daher mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG; der Antragsgegner hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen (vgl RS0123222 [T2 und T 6]).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00145.19W.1219.000

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