OGH vom 16.11.2012, 6Ob145/12k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** S*****, Tschechische Republik, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 19.620 EUR), Schadenersatz (20.000 EUR) und Widerrufs (Streitwert 10.000 EUR, Gesamtstreitwert 49.620 EUR, Revisionsstreitwert 34.620 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 60/12v 30, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind auf § 1330 ABGB gestützte Ansprüche auf Unterlassung und Widerruf im Zusammenhang mit einer von der in Deutschland ansässigen beklagten Partei in Deutschland und Österreich vertriebenen Zeitschrift.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.
1.1. In der Entscheidung 6 Nc 17/10t die ebenfalls ein Unterlassungs und Widerrrufsbegehren zum Gegenstand hatte, hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen, dass Art 5 Nr 3 EuGVVO auch auf Klagen aufgrund einer Ehrenbeleidigung einschließlich der Geltendmachung von Gegendarstellungen bei grenzüberschreitenden Veröffentlichungen anzuwenden ist.
1.2. Auf die Frage, ob der Gerichtsstand des Erfolgsorts für den Fall der Unteilbarkeit von Unterlassungsansprüchen gänzlich zu versagen ist ( Slonina , ÖJZ 2012, 62; G. Wagner in Stein/Jonas , ZPO Art 5 EuGVVO Rz 169; ähnlich Leible in Rauscher , EuZPR/EuIPR Art 5 Brüssel I VO Rz 92; vgl aber zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet EuGH C 509/09 und C 161/10; 4 Ob 82/12f) oder die Unteilbarkeit des Anspruchs auf Urteilsveröffentlichung die grundsätzlich bestehende inländische Zuständigkeit nicht zu beseitigen vermag (so 12 Os 135/07f), ist im vorliegenden Fall nicht einzugehen, weil die Vorinstanzen übereinstimmend die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte bejaht haben. Ist aber wie im vorliegenden Fall das Berufungsgericht in die Prüfung der Frage einer allfälligen im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit eingegangen und hat eine solche verneint, so ist die Wahrnehmung dieser Nichtigkeit im Verfahren dritter Instanz nicht mehr möglich (RIS Justiz RS0042981, RS0042917, RS0043405).
2.1. Auf Unterlassungsansprüche wegen ehrverletzender und/oder rufschädigender Äußerungen ist nach § 48 Abs 1 IPRG das Recht jenes Staates anzuwenden, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt wurde (6 Ob 321/04f). Allerdings hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass für den Gesetzgeber auch der Ort, an dem eine im Ausland hergestellte Druckschrift, Sendung oder dergleichen im Inland einlangt und dort ihre (rechtswidrige) Wirkung entfaltet, als Begehungsort auch iSd § 13 Abs 2 IPRG anzusehen ist (4 Ob 89/92). Nach der zu einem Anspruch auf Unterlassung und Widerruf ehrrühriger Behauptungen ergangenen Entscheidung 6 Ob 283/01p kann offen bleiben, ob die geltend gemachten Ansprüche § 48 Abs 1 IPRG zu unterstellen sind oder das anwendbare Recht durch analoge Anwendung des § 13 Abs 2 IPRG zu ermitteln ist, weil nach beiden Bestimmungen das Recht jenes Staates maßgeblich ist, in dem das schädigende Verhalten gesetzt worden ist. Die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts nach deutschem Recht durch die Vorinstanzen ist daher nicht zu beanstanden.
2.2. Im Übrigen hätte die unrichtige kollisionsrechtliche Beurteilung nur die Anwendung des bei richtiger kollisionsrechtlicher Beurteilung berufenen Sachrechts, nicht aber wie die beklagte Partei vermeint die Abweisung der Klage zur Folge. Entgegen der Rechtsansicht der beklagten Partei ist die kollisionsrechtliche Einordnung niemals Element des Streitgegenstands iSd §§ 226, 411 ZPO.
3.1. Soweit die Revision die unrichtige Anwendung deutschen Rechts rügt, ist ihr zunächst entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, für die Einheitlichkeit oder gar die Fortbildung fremden Rechts Sorge zu tragen (4 Ob 136/99z ua). Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO kommt im Zusammenhang mit der Anwendung ausländischen Rechts nur dann in Betracht, wenn sich die Vorinstanzen über eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hinweggesetzt hätten (RIS Justiz RS0042940; vgl auch RS0042948).
3.2. Wenn die Vorinstanzen von einer Identifizierbarkeit des Klägers ausgegangen sind (vgl dazu RIS Justiz RS0031757), so ist darin ebenso wenig eine im Interesse der Rechtssicherheit der Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürftige Fehlbeurteilung zu erblicken wie in der weiteren Auffassung der Vorinstanzen, es handle sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, der nach deutschem Recht auch die Zuerkennung einer Geldentschädigung erfordert. Das Argument, nach der deutschen Rechtslage komme neben der Zuerkennung eines Widerrufs eine Geldentschädigung generell nicht in Betracht, trifft nicht zu (vgl nur Rixecker in Münchner Kommentar BGB Anh zu § 12 Rz 236 ff, Rz 248).
4. Zusammenfassend bringt die beklagte Partei daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.