OGH 23.02.2017, 2Ob16/17t
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. P***** (22 Cg 109/13f des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien), 2. R***** T***** (22 Cg 114/13s des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien), beide vertreten durch Mag. Bernd Trappmaier, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagten Parteien 1. Z*****-Aktiengesellschaft, *****, 2. W***** K*****, beide vertreten durch Maraszto Milisits Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 42.075,75 EUR sA und Feststellung (22 Cg 109/13f) und 64.119,15 EUR sA und Feststellung (22 Cg 114/13s), (1) über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Teil- und Teil-Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 166/16h-46, mit welchem das (richtig) Teil-Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 22 Cg 109/13f-39, infolge Berufung der beklagten Parteien im Ausspruch über das von der erstklagenden Partei erhobene Zahlungsbegehren abgeändert wurde, und (2) über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 166/16h-46, mit welchem die weitere Berufung der beklagten Parteien gegen das (richtig) Teil-Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 22 Cg 109/13f-39, zurückgewiesen wurde, soweit sie den in diesem Urteil erfolgten Ausspruch über das Zahlungsbegehren der zweitklagenden Partei bekämpfte, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Aufgrund eines Verkehrsunfalls erhoben die Erstklägerin und der Zweitkläger in getrennten Verfahren Zahlungs- und Feststellungsbegehren gegen die Beklagten, wobei die Erstklägerin Zahlung von 42.075,75 EUR sA und der Zweitkläger (zuletzt) Zahlung von 59.119,15 EUR sA begehrte.
Das Erstgericht verband die Verfahren und stellte mit (richtig) Teil-Zwischenurteil vom fest, dass beide Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehen.
Die Kläger ließen dieses Urteil unbekämpft. Die Beklagten erhoben getrennte Berufungen gegen die Entscheidung über die Ansprüche der Erstklägerin und des Zweitklägers. Beide Berufungen langten am beim Erstgericht ein. In beiden Berufungen machten die Beklagten geltend, dass die jeweilige Klageforderung nur mit 25 % zu Recht bestehe, weswegen das Mehrbegehren von 26.297,34 EUR sA (Erstklägerin) bzw 36.949,46 EUR sA (Zweikläger) abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung gegen die Entscheidung über die Ansprüche der Erstklägerin teilweise Folge. Es wies ein Begehren von 7.975,48 EUR sA ab und sprach aus, dass das weitere Begehren von 34.100,27 EUR sA dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu. Hingegen wies es die Berufung gegen die Entscheidung über die Ansprüche des Zweitklägers zurück. Die Verbindung der Verfahren habe dazu geführt, dass ein gemeinsames Urteil gefällt werden konnte, das – da die Parteien durch denselben Anwalt vertreten worden seien – auch nur einmal zuzustellen gewesen sei. Daher könne jede Partei nach dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels auch nur eine Berufung erheben, die zweite Rechtsmittelschrift sei zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidungen richten sich eine als außerordentlich bezeichnete Revision und ein Rekurs der beklagten Parteien. Beide Rechtsmittel wurden verfrüht vorgelegt.
1. Zur Revision:
Die Beklagten hatten in der Berufung die Abweisung eines Teilbegehrens der Erstklägerin von 26.297,34 EUR beantragt, weswegen der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts insofern zwar 5.000 EUR, nicht aber 30. 000 EUR überstieg. Da das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat, ist die Revision nach § 502 Abs 3 ZPO vorbehaltlich des § 508 Abs 3 ZPO jedenfalls unzulässig. Eine Partei kann daher nur nach § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und nach § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in einem solchen Fall eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel – wie hier – als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird; der Oberste Gerichtshof darf darüber nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Das gilt auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber keinen Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO gestellt hat, weil dieser Mangel nach § 84 Abs 3 ZPO verbesserbar ist (RIS-Justiz RS0109623).
Die Akten sind daher dem Erstgericht zurückzustellen. Dieses wird das von den Beklagten erhobene Rechtsmittel (nach Einholung der Rekursbeantwortung, unten 2.) dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob das Rechtsmittel zufolge der ohnehin ausgeführten Zulassungsbeschwerde den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob es insofern einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.
2. Zum Rekurs:
Der nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässige Rekurs (7 Ob 170/16z mwN) wurde ebenfalls verfrüht vorgelegt. Das Verfahren ist nach § 521a Abs 1 ZPO zweiseitig (RIS-Justiz RS0125481). Das Erstgericht hat den Rekurs daher der zweitklagenden Partei zuzustellen (6 Ob 33/16w).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. Musger und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. P***** (22 Cg 109/13f des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien), 2. R***** T***** (22 Cg 114/13s des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien), beide vertreten durch Mag. Bernd Trappmaier, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagten Parteien 1. Z*****-Aktiengesellschaft, *****, 2. W***** K*****, beide vertreten durch Maraszto Milisits Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 42.075,75 EUR sA und Feststellung (22 Cg 109/13f) und 59.119,15 EUR sA und Feststellung (22 Cg 114/13s), über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 166/16h-46, mit welchem die Berufung der beklagten Parteien gegen das (richtig) Teil-Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 22 Cg 109/13f-39, zurückgewiesen wurde, soweit sie den in diesem Urteil erfolgten Ausspruch über das Zahlungsbegehren der zweitklagenden Partei bekämpfte, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekurses sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Aufgrund eines Verkehrsunfalls erhoben die Erstklägerin und der Zweitkläger in getrennten Verfahren Zahlungs- und Feststellungsbegehren gegen die Beklagten, wobei die Erstklägerin Zahlung von 42.075,75 EUR sA und der Zweitkläger (zuletzt) Zahlung von 59.119,15 EUR sA begehrte.
Das Erstgericht verband die Verfahren und stellte mit (richtig) Teil-Zwischenurteil vom fest, dass beide Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestünden.
Die Beklagten erhoben getrennte Berufungen gegen die Entscheidung über die Ansprüche der Erstklägerin und des Zweitklägers. Beide Berufungen langten am beim Erstgericht ein. In beiden Berufungen machten die Beklagten geltend, dass die jeweilige Klageforderung nur mit 25 % zu Recht bestehe, weswegen das Mehrbegehren von 26.297,34 EUR sA (Erstklägerin) bzw 36.949,46 EUR sA (Zweitkläger) abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung gegen die Entscheidung über die Ansprüche der Erstklägerin teilweise Folge. Diese Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig. Hingegen wies es die Berufung gegen die Entscheidung über die Ansprüche des Zweitklägers zurück. Die Verbindung der Verfahren habe dazu geführt, dass ein gemeinsames Urteil gefällt werden konnte, das – da die Parteien durch denselben Anwalt vertreten worden seien – auch nur einmal zuzustellen gewesen sei. Daher könne jede Partei nach dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels auch nur eine Berufung erheben, die zweite Rechtsmittelschrift sei zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs der beklagten Parteien ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) und berechtigt.
Zwar trifft zu, dass jeder Partei gegen eine gerichtliche Entscheidung nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht; weitere Rechtsmittelschriften sind auch dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht werden (RIS-Justiz RS0041666). Eine Ausnahme gilt aber für weitere Rechtsmittelschriften, Nachträge oder Ergänzungen, wenn diese am selben Tag wie der erste Rechtsmittelschriftsatz beim Gericht einlangen (3 Ob 206/06z mwN; RIS-Justiz RS0041666 [T53]; zuletzt etwa 7 Ob 158/14g).
Ein solcher Fall liegt hier vor, da die beiden Berufungen am selben Tag beim Gericht eingelangt sind. Da der angefochtene Beschluss schon aus diesem Grund keinen Bestand haben kann, muss nicht weiter geprüft werden, ob der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels bei einer Entscheidung in verbundenen Verfahren überhaupt anwendbar ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO. Da die Kläger weder die Zurückweisung der Berufung beantragt haben noch dem Rekurs durch Erstattung einer Rekursbeantwortung (RIS-Justiz RS0125481) entgegengetreten sind, liegt kein Zwischenstreit vor. Die Kosten des Rekurses sind daher weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Zivilverfahrensrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00016.17T.0223.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAD-51329