OGH vom 12.03.2015, 7Ob230/14w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. W***** B*****, vertreten durch Mag. Peter Abmayer, Rechtsanwalt in Mödling, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 81.895,51 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 70/14i 19, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 12 Cg 54/12d 15, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit nicht der Zuspruch von 4.193,25 EUR sA durch das Erstgericht unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, dahin abgeändert, dass das Urteil insgesamt lautet:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 5.395,51 EUR samt 8 % Zinsen über den Basiszinssatz per anno aus 1.409,06 EUR seit sowie aus 1.084,19 EUR seit und 8,38 % Zinsen per anno aus 1.202,26 EUR seit binnen 14 Tagen zu zahlen.
2. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 76.500 EUR samt 8,38 % Zinsen per anno seit zu zahlen, wird abgewiesen.
3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei 10.271,63 EUR (darin enthalten 1.711,94 EUR USt) an Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei 4.944,73 EUR (darin enthalten 824,65 EUR USt) an Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen dem beklagten Versicherer und einem Rechtsanwalt (Versicherungsnehmer) bestand zwischen und ein Berufshaftpflichtversicherungs-vertrag, dem die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung (ABHV 2000 und EBHV 2000 in der Fassung 2009) zugrunde lagen. Deren maßgeblicher Inhalt lautet auszugsweise:
ABHV 2000 idF 2009:
„Artikel 1
Versichertes Risiko; Vergrößerung des versicherten Risikos
1. Inhalt und Umfang
Das versicherte Risiko ergibt sich aus der in der Polizze festgelegten Risikobeschreibung und umfasst alle Eigenschaften, Rechtsverhältnisse und Tätigkeiten, zu denen der Versicherungsnehmer aufgrund der für seinen Beruf oder Betrieb geltenden Rechtsnormen berechtigt ist.
...
Artikel 2
Versicherungsfall
1. Definition
Versicherungsfall ist der Verstoß (Handlung oder Unterlassung), welcher aus dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Art 3., Pkt. 1) erwachsen oder erwachsen könnten.
...
Artikel 3
Leistungsversprechen des Versicherers
1. Leistungsversprechen
Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer
1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines reinen Vermögensschadens aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen.
...
3. Abgrenzungen zum Leistungsversprechen
Das Leistungsversprechen des Versicherers gemäß Pkt. 1 umfasst somit nicht:
3.1 Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung.
...
4. Treuhandverträge (Treuhandschaften)
Der Versicherungsschutz gemäß Pkt. 1. bezieht sich auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus Treuhandverträgen (Treuhandschaften).
Es sind aber nur solche Schadenersatzverpflichtungen gedeckt, die aus der Verletzung der Bedingungen der Treuhandschaft erfolgen (z.B. grundbücherliche Besicherung). In diesem Rahmen finden die Ausschlussbestimmungen gemäß Art. 8., Pkt. 12.1. keine Anwendung. Nicht versichert sind jedenfalls Verpflichtungen aus einer rein vertraglich garantierten Zahlungszusage (Garantievertrag).
...
Artikel 8
Ausschluss vom Versicherungsschutz
...
12. Geld, Wechsel, Wertpapiere, Wertzeichen
12.1 Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Beschädigung, Vernichtung, Verlust oder Abhandenkommen von Geld, Wechsel, Wertpapieren und Wertzeichen und den daraus resultierenden Folgen. ...“
EBHV 2000 idF 2009:
„ Ziffer 3
Notare; Rechtsanwälte; Verteidiger in Strafsachen
Die Versicherung erstreckt sich insbesondere auf folgende Tätigkeiten des Versicherungsnehmers im Rahmen seiner Befugnis:
1. Beratung, Prüfung und Vertretung in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Rechts. ...“
Im Herbst 2010 beauftragte der Kläger den Rechtsanwalt mit der Errichtung, treuhändigen Abwicklung und grundbücherlichen Durchführung eines Liegenschaftskaufvertrags samt Selbstberechnung sowie Abführung der Grunderwerbsteuer und Eintragungsgebühr. Zur Abdeckung der Grunderwerbsteuer und der Eintragungsgebühr überwies er diesem am 76.500 EUR auf das im Kaufvertrag als dessen „Fremdgeldkonto“ bezeichnete Konto. Dabei handelte es sich jedoch um kein Ander oder Treuhandkonto, sondern um ein dem Zugriff dritter Gläubiger nicht entzogenes Geschäftskonto des Rechtsanwalts. Trotz Urgenzen des Klägers unterblieb in der Folge die Selbstberechnung und Abführung der Grunderwerbsteuer sowie die Verbücherung im Grundbuch. Am führte ein Gläubiger des Rechtsanwalts Exekution auf das auf dem Geschäftskonto befindliche Guthaben, wovon auch der vom Kläger überwiesene Betrag umfasst war. Dieser Gläubiger lehnte die Rückzahlung des gepfändeten Betrags an den Kläger ab. Nach mehr als 20 Urgenzen des Klägers, die Grunderwerbsteuer zu berechnen, abzuführen und die Einverleibung vorzunehmen, beendete der Kläger schließlich mit Schreiben vom den Vertrag mit dem Rechtsanwalt und forderte ihn zur Rückzahlung von 78.200 EUR auf. Die Einforderung blieb erfolglos.
Das Finanzamt schrieb dem Kläger im Dezember 2011 die Grunderwerbsteuer zur Zahlung vor. Mit Bescheid vom , der an den Kläger persönlich adressiert war, setzte das Finanzamt mangels Entrichtung der Grunderwerbsteuer bis gemäß § 217 Abs 1 und 2 BAO einen ersten Säumniszuschlag von 1.202,26 EUR fest.
Der Versicherungsnehmer (Rechtsanwalt) trat dem Kläger seine Ansprüche gegen die Beklagte ab. Die Beklagte bestätigte dem Kläger nachfolgend, das im Versicherungsvertrag vereinbarte Abtretungsverbot nicht einzuwenden.
Der Kläger begehrte von der Beklagten soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz den Ersatz des Verlustes des Treuhandgeldes von 76.500 EUR; darüber hinaus habe er einen Säumniszuschlag von 1.202,26 EUR zu zahlen gehabt.
Die Beklagte erwiderte, das Risiko des Verlusts oder Abhandenkommens von Fremdgeldern sei nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Risikoausschlüsse seien nach § 158c VersVG auch Dritten gegenüber wirksam. Jedenfalls falle dem Kläger ein erhebliches Mitverschulden zur Last, weil er die Durchführung seiner Aufträge mehr als neun Monate nicht kontrolliert habe. Die Verpflichtung zur Zahlung der Säumnisgebühr beruhe auf eigenen Versäumnissen des Klägers.
Das Erstgericht wies soweit noch relevant das Klagebegehren ab. Hinsichtlich des gepfändeten Betrags von 76.500 EUR bestehe kein Versicherungsschutz, weil es zu einer Bereicherung des Versicherungsnehmers gekommen sei. Zwar stünden dem Kläger neben schadenersatzrechtlichen Ansprüchen auch Bereicherungsansprüche gegen den Rechtsanwalt zu. Letztere seien den schadenersatzrechtlichen Ansprüchen gegenüber in der Regel nicht subsidiär, hier hätten sie jedoch hinter diese zurückzutreten, weil im maßgeblichen Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Rechtsanwalt dessen Bereicherung im Vordergrund stehe. Die Abdeckung des Risikos der Bonität des Versicherungsnehmers sei nicht vom Versicherungsschutz einer Berufshaftpflichtversicherung umfasst. Auf § 158c VersVG komme es nicht weiter an, weil dieser auf Risikoausschlüsse gar nicht anwendbar sei. Den Säumniszuschlag von 1.202,26 EUR habe der Kläger nur infolge Verletzung von Schadenminderungspflichten bezahlen müssen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Rechtlich führte es unter Verweis auf § 55 VersVG aus, dass die Auszahlung der begehrten Versicherungsleistung zu einer Bereicherung des Versicherungsnehmers (Rechtsanwalt) führen würde, weil durch die Pfändung dessen Schulden reduziert worden seien. Zwar sei durch die Verwendung des Treuhandgeldes eine gleich hohe Schuld des Rechtsanwalts gegenüber dem Kläger entstanden, doch sei es insgesamt im Ergebnis nur zu einer „Umschuldung“ und daher zu keinem nach der Differenzmethode durch einen Vermögensvergleich zu ermittelnden Schaden des Versicherungsnehmers gekommen.
Nach Art 3.3.1 ABHV würden keine Ansprüche aus Verletzung vertraglicher Erfüllungsansprüche abgedeckt. Der Anspruch des Klägers auf Rückgabe des anvertrauten Treuguts sei kein Schadenersatz , sondern ein Erfüllungsanspruch, sodass der Verlust des an den Versicherungsnehmer der Beklagten überwiesenen Geldbetrags nicht vom Versicherungsschutz umfasst sei.
Dass ein Säumniszuschlag auch bei Ratenzahlungen einhebbar sei, sei kein stichhaltiges Argument, warum der Ausnahmetatbestand des § 217 Abs 4 „lit c“ BAO nicht vorliege. Dem Kläger werde diesbezüglich zu Recht die Verletzung seiner Schadensminderungspflicht vorgeworfen.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil die Auslegung der im Einzelfall getroffenen Vereinbarungen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sei.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben.
Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und teilweise auch berechtigt.
1. Zu beurteilen ist ein Pflicht-Haftpflichtversicherungsvertrag, bei dem die Tätigkeit als Rechtsanwalt versichert war. Nach § 21a Abs 1 RAO muss jeder Rechtsanwalt zur Deckung der aus seiner Berufstätigkeit gegen ihn entstehenden Schadenersatzansprüche eine Haftpflichtversicherung abschließen. Der Kläger macht die ihm vom Versicherungsnehmer (Rechtsanwalt) rechtsgeschäftlich abgetretenen Ansprüche aus dem Berufshaftpflichtversicherungsvertrag gegen den beklagten Versicherer geltend. Durch die (wirksame) Zession wandelte sich der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers in einen Zahlungsanspruch des Klägers um ( Schauer , Das österreichische Versicherungsvertragsrecht 3 , 404; Voit/Knappmann in Prölss/Martin , VVG 27 § 156 Rn 11).
2. Für die Haftpflichtversicherung gilt allgemein, dass der Versicherer verpflichtet ist, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat (§ 149 VersVG). Für die Pflicht Haftpflichtversicherung gelten die Vorschriften der §§ 158c bis 158i VersVG (§ 158b VersVG). Der Versicherer haftet nur im Rahmen der amtlich festgesetzten Mindestversicherungssummen und der von ihm übernommenen Gefahr (§ 158c Abs 3 VersVG). Die örtlichen, zeitlichen und sachlichen Grenzen der Gefahrenübernahme, also auch die zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer zulässig vereinbarten Ausschlüsse gelten gegenüber dem Dritten, der sich insoweit nicht auf § 158c VersVG stützen kann. Das heißt, die Leistungspflicht des Versicherers kann nicht weiter als bei einem ordnungsgemäßen Versicherungsverhältnis gehen. § 158c VersVG führt demnach nicht zu einer Erweiterung der versicherten Gefahr (7 Ob 145/13v mwN = RIS Justiz RS0129256; vgl RS0080651).
3. Das Leistungsversprechen der Beklagten die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen nach Art 3.1.1 ABHV umfasst nicht Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung (Art 3.3.1 ABHV). Der Ausschluss dieser Haftung entspricht ganz allgemein dem Grundgedanken der Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer zu übertragen (RIS Justiz RS0081518 [T4, T 7, T 8]; RS0081898 [T1]). Aus dem eindeutigen und klaren Text des Art 3.3.1 ABHV geht hervor, dass unter die Versicherung weder die Erfüllung noch Erfüllungssurrogate fallen.
4. Auf das Vertragsverhältnis Treugeber (Kläger) Treunehmer (Rechtsanwalt) sind die Bestimmungen der §§ 1002 ff ABGB entsprechend anzuwenden. Zu den Pflichten des Geschäftsbesorgers gehört es nach § 1009 ABGB, das Geschäft, seinem Versprechen und der erhaltenen Vollmacht gemäß, emsig und redlich zu besorgen und allen aus dem Geschäft entspringenden Nutzen dem Machtgeber zu überlassen. Die Herausgabepflicht umfasst auch das, was dem Geschäftsbesorger zum Zwecke oder in Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgung überlassen wurde wie Geld, Urkunden etc. Zum in § 1009 erster Satz ABGB genannten Vorteil zählt auch der einem Rechtsanwalt treuhändig übergebene Geldbetrag (2 Ob 87/00h mwN).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger mit Schreiben vom das Vertragsverhältnis mit dem Rechtsanwalt (durch Widerruf nach § 1020 ABGB) beendet und insbesondere die Rücküberweisung des Treuhandbetrags von 76.500 EUR gefordert. Dass der Treuhänder über den ihm treuhändig übergebenen Geldbetrag nicht mehr verfügt, hebt seine Rückstellungspflicht gegenüber dem Treugeber nicht auf. Die Herausgabepflicht besteht in Ansehung vertretbarer Sachen auch dann, wenn das Erlangte selbst wegen Treuepflichtverletzung oder Vollmachtsüberschreitung beim Geschäftsbesorger nicht mehr vorhanden ist (6 Ob 509/96; Strasser in Rummel 3 § 1009 ABGB Rz 23; Rubin in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 § 1009 Rz 20). Beim Herausgabeanspruch auf das Treugut handelt es sich wovon das Berufungsgericht zutreffend ausging um einen Erfüllungs und nicht um einen Schadenersatzanspruch (RIS Justiz RS0019312; Strasser aaO Rz 24; Apathy in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1009 Rz 17). Der versicherte Treuhänder hat nur die Verpflichtung zur Rückzahlung dessen, was ihm vom Treugeber zunächst übergeben wurde, was sein Vermögen unberührt lässt. Gegen ihn wird kein darüber hinausgehender, sein Vermögen mindernder Schadenersatz geltend gemacht. Damit handelt es sich beim begehrten Rückzahlungsanspruch von 76.500 EUR (Treuhanderlag) um einen Erfüllungsanspruch nach Art 3.3.1 ABHV, sodass keine Leistungsverpflichtung der Beklagten besteht.
5. Davon zu unterscheiden sind Schadenersatzansprüche des Klägers gegenüber dem Rechtsanwalt, die daraus resultieren, dass dieser rechtswidrig und schuldhaft nicht seine Interessen wahrte. Der Kläger begehrt in diesem Zusammenhang den Ersatz des ihm bescheidmäßig vorgeschriebenen ersten Säumniszuschlags von 1.202,26 EUR sA. Den Zeitpunkt des Beginns des Zinsenlaufs bestritt die Beklagte nicht. Bei diesem Anspruch handelt es sich um eine Schadenersatzverpflichtung des Rechtsanwalts aus mangelhafter Vertretung.
Nicht gefolgt werden kann den Rechtsansichten der Vorinstanzen, dass dem Kläger hinsichtlich des Säumniszuschlags nach § 1304 ABGB ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorzuwerfen sei. Das Finanzamt setzte den (ersten) Säumniszuschlag mit Bescheid vom fest, weil der Kläger die Grunderwerbsteuer nicht bis zum (Fälligkeit) zahlte. Dass der Kläger die Grunderwerbsteuer nicht zeitgerecht zahlen konnte, wurde ihm von den Vorinstanzen zutreffend nicht vorgeworfen. Nach § 217 Abs 4 lit b iVm § 230 Abs 3 BAO verhindern rechtzeitig eingebrachte Ansuchen um Zahlungserleichterungen (§ 212 Abs 1 BAO) die Verpflichtung zur Entrichtung von Säumniszuschlägen ( Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz , BAO 3 § 217 Anm 31 [Stand ]). Rechtzeitig im Sinn des § 230 Abs 3 BAO ist ein solches Ansuchen, wenn es vor dem Ablauf der für die Entrichtung der Abgabe zur Verfügung stehenden Frist hier: spätestens am Fälligkeitstag eingebracht wird (UFS RV/0627 W/06; RV/0797 I/06).
Dem Kläger kann nicht angelastet werden, dass er nicht schon bis zum Fälligkeitszeitpunkt ein Ansuchen um Zahlungserleichterung stellte. Dass ihm diese Vorgangsweise zur Vermeidung des Säumniszuschlags zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, steht nicht fest. Zudem war auch noch das Auftragsverhältnis zum Rechtsanwalt aufrecht, der gerade im Hinblick auf die unterlassene Selbstbemessung und Abführung der Grunderwerbsteuer jedenfalls verpflichtet gewesen wäre, zu handeln oder wenigstens den Kläger über die Vermeidung eines Säumniszuschlags aufzuklären. Dass eine Aufklärung erfolgt wäre, wurde von der dafür beweispflichtigen Beklagten weder vorgebracht noch steht dies fest. Der Kläger hat damit Anspruch auf Ersatz der Kosten für den Säumniszuschlag.
6. Die Revision des Klägers ist daher teilweise berechtigt.
Die Kostenentscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs 2 1. Fall und 50 ZPO. Der Beklagten stehen ihre Kosten auf Basis des obsiegten Betrags von 76.500 EUR zu.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00230.14W.0312.000