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OGH vom 17.03.2005, 6Ob310/04p

OGH vom 17.03.2005, 6Ob310/04p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Landeshauptstadt Linz, Hauptplatz 1, 4041 Linz, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei T***** AG, ***** vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, wegen 25.964,39 EUR, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 56/04k-20, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom , GZ 16 C 241/03v-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.315,08 EUR (darin 219,18 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf öffentlichem Gut der klagenden Gebietskörperschaft sind von der Beklagten betriebene Fernsprechzellen aufgestellt, auf Privatgrund drei Münzfernsprecher. Seit Jahrzehnten bezahlte die Rechtsvorgängerin der Beklagten und dann sie selbst bis zum Jahr 1999 ein Entgelt nach einer vom Gemeinderat der Klägerin genehmigten „Tarifordnung für die über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung des öffentliches Gutes" nach dem für Automaten vorgesehenen Ansatz. Im Jahr 2000 stellte die Beklagte die Zahlungen für die Fernsprechzellen ein, im Jahr 2001 auch diejenigen für die Münzfernsprecher.

Die Klägerin begehrt mit ihrer beim Erstgericht am eingebrachten Mahnklage die Bezahlung des Entgelts nach der Tarifordnung für die Nutzung ihres Grundeigentums für Fernsprechzellen für die Jahre 2000 bis 2002 und für die Münzfernsprecher für das Jahr 2002.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien kein rechtsgeschäftliches Rechtsverhältnis bestehe, das zur Zahlung eines Entgelts verpflichte. Die Beklagte sei aufgrund eines gesetzlichen Auftrags zur flächendeckenden Versorgung mit Fernmeldedienstleistungen an öffentlich zugänglichen Orten verpflichtet. Ihr stünden unentgeltliche Leitungsrechte am Eigentum der Klägerin zu. Jedenfalls seit der Gesetzesänderung durch das Telekommunikationsgesetz sei die Beklagte leistungsfrei. Im Übrigen sei der Rechtsweg unzulässig, weil die Klägerin eine auf öffentlich-rechtlichen Normen beruhende Abgabe einzuheben versuche.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren nur hinsichtlich des für die Münzfernsprecher begehrten Entgelts von 218,01 EUR statt und wies das Mehrbegehren von 25.746,38 EUR ab. Es stellte über den schon wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt hinaus noch ergänzend fest, dass die Beklagte schon ab 1983 wiederholt aber vergeblich versucht habe, eine Reduktion des von der Klägerin vorgeschriebenen Entgelts zu erreichen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass der Rechtsweg nach dem Wortlaut des Klagebegehrens und dem vorgebrachten Sachverhalt zulässig sei. Hier müsse von übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien über die entgeltliche Benützung des öffentlichen Gutes ausgegangen werden. Das Vertragsverhältnis habe schon vor dem Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes bestanden. Auf den vorliegenden Fall sei noch nicht das Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003) anzuwenden. Gesetze wirkten im Zweifel gemäß § 5 ABGB nicht zurück. Eine Rückwirkung ergebe sich aus den Übergangsbestimmungen des neuen Gesetzes nicht. Im TKG idF BGBl I 100/1997 sei erstmals eine Bestimmung zu finden, aus der man für Telekommunikationsunternehmen das Recht ableiten könnte, unentgeltlich öffentliches Gut zu benützen. § 6 Abs 1 TKG normiere für die Inhaber einer Konzession zur Erbringung eines öffentlichen Kommunikationsdienstes die unentgeltliche Benützung des öffentliches Gutes. Die Klägerin habe ihr Begehren nicht auf öffentlich-rechtliche Abgaben, sondern auf vereinbartes Entgelt gestützt. Die Vorschreibung nach den Tarifordnungen erfolge nach den vereinbarten Entgeltbedingungen, letztlich auf privatrechtlicher Grundlage. Damit sei aber die Unentgeltlichkeit im Sinne des § 6 Abs 1 erster Satz TKG gegeben und liege nicht der Ausnahmefall des § 6 Abs 1 letzter Satz TKG vor, weil die Klägerin nicht öffentlich-rechtliche Abgaben eingehoben habe. Sie könne von der Unentgeltlichkeit nicht abgehen. Die Gesetzesänderung des § 6 TKG wirke zwar auf schon bestehende Dauerschuldverhältnisse nicht generell zurück, das neue Gesetz sei aber ab seinem Inkrafttreten auf die künftig sich verwirklichenden Sachverhalte anzuwenden. Dies bedeute, dass die Grundeigentümer und Nutzungsberechtigten ihre Vorgangsweise abzustimmen hätten (§ 6 Abs 2 TKG). Angesichts des gesetzlichen Versorgungsauftrags an das beklagte Unternehmen wäre es wirtschaftlich „widersinnig, wenn die Klägerin noch einen Entgeltanspruch für die Jahre 2000 bis 2002 hätte. Die Errichtung einer öffentlichen Sprechstelle sei im öffentlichen Interesse gelegen (§ 11 Abs 2 TKG). Der Vertrag über die entgeltliche Nutzung des öffentlichen Guts sei zufolge § 6 Abs 1 TKG im Sinne des § 879 ABGB gesetzwidrig. Die Gesetzesänderung wirke ex nunc. Der Klageanspruch sei lediglich hinsichtlich der Münzfernsprecher berechtigt, weil diese auf Privatgut postiert seien und sich § 6 Abs 1 TKG nur auf öffentliches Gut beziehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es teilte im Wesentlichen die Rechtsansichten des Erstgerichts. Die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs 1 letzter Satz TKG liege nicht vor. Unter „Abgaben" seien primär Steuern, jedenfalls aber dem öffentlichen Recht zuzurechnende Geldleistungen zu verstehen, nicht aber privatrechtlich vereinbarte Entgelte. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts seien allerdings die Bestandverträge wegen der gesetzlichen Unentgeltlichkeit aber nicht nichtig oder teilnichtig. Die durch das Gesetz angeordnete Unentgeltlichkeit führe nur dazu, dass das Vertragsverhältnis nicht mehr als Bestandverhältnis, sondern als Leihe anzusehen wäre. Einem von der Klägerin angeregten Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof sei nicht näher zu treten. Die Unentgeltlichkeit der Inanspruchnahme des öffentlichen Gutes könne mit dem öffentlichen Interesse an einer flächendeckenden Versorgung von Fernmeldedienstleistungen gerechtfertigt werden. Im Verhalten der Beklagten, die Entgelte bis zum Jahr 1999, also auch nach dem Inkrafttreten des TKG über einen Zeitraum von zwei Jahren und fünf Monaten bezahlt habe, liege keine schlüssige Vereinbarung über die Bezahlung eines Entgelts trotz gesetzlicher Unentgeltlichkeit. An die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Willen lege § 863 ABGB einen strengen Maßstab an. Es dürfe kein vernünftiger Grund übrig bleiben, am rechtsgeschäftlichen Willen zu zweifeln. Es komme auf das Verständnis des redlichen Erklärungsempfängers an. In der bloßen Weiterbezahlung des vereinbarten Entgelts liege kein Rechtsverzicht auf die gesetzliche Unentgeltlichkeit.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer oberstgerichtlichen Judikatur zur gestellten Rechtsfrage nach § 6 TKG zulässig sei.

Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

I. Zur Anspruchsgrundlage des von der klagenden Gebietskörperschaft für die Sondernutzung des öffentlichen Guts verlangten Entgelts:

Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist hier schon wegen der den Obersten Gerichtshof bindenden Bejahung dieser Frage durch die Vorinstanzen nicht näher zu erörtern (§ 42 Abs 3 JN). Zur beurteilen ist ein zwischen den Parteien durch jahrzehntelange Übung schlüssig begründeter Gestattungsvertrag, wonach die Beklagte (bzw ihre Rechtsvorgängerin) für die auf öffentlichem Gut aufgestellten Fernsprechzellen ein Entgelt nach der Tarifordnung der Klägerin für die über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung des öffentlichen Guts bezahlte (zum Gestattungsvertrag: 6 Ob 280/98i = SZ 72/14; zum Kontrahierungszwang: RIS-Justiz RS0029715). Die Beklagte will von diesem Vertrag unter Hinweis auf die gesetzliche Unentgeltlichkeit nach § 6 Abs 1 Telekommunikationsgesetz idF BGBl I 100/1997 (TKG) abgehen und bezahlte seit dem Jahr 2000 das geforderte Entgelt nicht mehr.

II. Gesetzliche Grundlagen:

1. Das Telegraphenwegegesetz, BGBl 1929/435 normierte in seinem § 1 zugunsten des Bundes und den öffentlichen Telegraphenanstalten (die Rechtsvorgängerin der Beklagten war eine solche juristische Person) für die Herstellung, Instandhaltung und den Betrieb von Telegraphen an öffentlichen Straßen und Wegen und an sonstigem öffentlichen Gut sowie an unverbautem und in fremdem Privateigentum stehenden Grundstücken sowie an Gebäuden und sonstigen Baulichkeiten Leitungsrechte, wenn dadurch der bestimmungsgemäße Gebrauch der Liegenschaft nicht dauernd behindert wird und überwiegende öffentliche Rücksichten nicht im Wege stehen (Abs 1). Diese Leitungsrechte umfassten gemäß Abs 2 das Recht zur Führung und Erhaltung von Leitungen im Luftraum oder unter der Erde (lit a), zur Anbringung und Erhaltung von Leitungsstützpunkten, Schalt- und Transformatorenanlagen, sonstigen Leitungsobjekten und anderem Zubehör (lit b), zur Einführung von Kabelleitungen in Gebäuden und sonstigen Baulichkeiten (lit c) und zum Betrieb aller dieser Anlagen (lit d). Das Gesetz sah keine Entschädigung für den durch die Leitungsrechte mit einer Legalservitut (6 Ob 390/97i) Belasteten vor. Lediglich für die im Gesetz weiters als zulässig normierte Enteignung von Grundstücken war im Telegraphenwegegesetz eine Entschädigung vorgesehen. Die Post- und Telegraphenverwaltung hatte nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts unentgeltliche Leitungsrechte (VfGH B 43/83; VwGH 2003/03/0163). Fraglich konnte nach dem zitierten Gesetzestext lediglich sein, ob Fernsprechzellen unter den Begriff der unentgeltlichen Leitungsrechte fielen, etwa unter „sonstige Leitungsobjekte" subsumierbar waren. Mit dem Telekommunikationsgesetz 1997 (TKG) wurden bei gleichzeitiger Abschaffung des Monopols der ehemals staatlich geführten Monopolisten im Telekommunikationsbereich die europarechtlichen Vorgaben zu einer vollständigen Liberalisierung des Marktes ab umgesetzt. Das Telegraphenwegegesetz wurde in Telekommunikationswegegesetz (TWG) unbenannt und teilweise novelliert. Den Inhabern einer Konzession zur Erbringung eines öffentlichen Telekommunikationsdienstes standen aber auch nach dieser Novellierung durch das TKG die zitierten Leitungsrechte unentgeltlich zu. Die teilweisen Überschneidungen und Auslegungsschwierigkeiten (zum Verhältnis TKG - TWG: Zanger/Schöll, Telekommunikationsgesetz1 Rz 9 f zu § 6) sind seit dem Telekommunikationsgesetz 2003, BGBl I 70/2003 (TKG 2003) infolge des mit diesem Gesetz normierten Außerkrafttretens des TWG nicht mehr relevant.

2. Das TKG (1997):

Das wichtigste Ziel dieses Gesetzes war die Umsetzung der EU-Richtlinien in das österreichische Recht zur Einführung eines vollständigen Wettbewerbs am Telekommunikationsmarkt ab (RV 759 BlgNR 20. GP, 45). Nach der Richtlinie 96/19/EG, Abl. L 74, S 13, Erwägungsgrund Nr 23, war die Übertragung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts an öffentlichen Wegen an Infrastrukturlizenznehmer europarechtlich geboten. Der Erwägungsgrund 23 lautet wörtlich:

„Anbieter von öffentlichen Telekommunikationsnetzen benötigen Zugang zu öffentlichem und privatem Grundbesitz, um Anlagen zu errichten, die erforderlich sind, um die Endnutzer zu erreichen. Die Telekommunikationsoganisationen genießen in vielen Mitgliedsstaaten gesetzliche Privilegien, ihr Netz auf öffentlichem oder privatem Grund zu errichten, und zwar ohne Entgelt oder zu einem Entgelt, das lediglich die entstandenen Kosten ausgleicht. Wenn die Mitgliedsstaaten neu lizenzierten Betreibern nicht vergleichbare Möglichkeiten zum Ausbau ihrer Netze einräumen, würde dies zu Verzögerungen führen und in manchen Gebieten der Beibehaltung ausschließlicher Rechte zu Gunsten der Telekommunikationsorganisationen gleichkommen. Gemäß Artikel 90 iVm

Artikel 59 dürfen die Mitgliedsstaaten außerdem neue Marktteilnehmer, die in der Regel aus anderen Mitgliedsstaaten kommen, im Vergleich zu ihren nationalen Telekommunikationsorganisationen und anderen nationalen Unternehmen, denen zur Erleichterung des Ausbaus ihrer Telekommunikationsnetze Wegerechte eingeräumt wurden, nicht diskriminieren".

§ 6 TKG (1997) normiert unter der Überschrift „Nutzung von öffentlichem Gut":

„(1) Inhaber einer Konzession zur Erbringung eines öffentlichen Telekommunikationsdienstes sind berechtigt, für das Errichten von Telekommunikationslinien und diesen zugehörigen Einrichtungen öffentliches Gut, wie Straßen, Fußwege, öffentliche Plätze und den darüberliegenden Luftraum, ausgenommen das öffentliche Wassergut, unentgeltlich und ohne gesonderte Bewilligung nach diesem Gesetz in Anspruch zu nehmen. Dies umfasst auch das Recht zur Anbringung und Erhaltung von Leitungsstützpunkten, Vermittlungseinrichtungen, sonstigen Leitungsobjekten und das Recht zum Betrieb dieser Einrichtungen. Unentgeltlichkeit im Sinne dieser Bestimmung betrifft nicht die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehenden rechtlichen Grundlagen der Einhebung von Abgaben.

(2) Berechtigte gemäß Abs 1 haben ihre Vorgangsweise bei der Ausübung dieser Rechte mit den Eigentümern oder Nutzungsberechtigten der betroffenen Grundstücke abzustimmen".

Damit wurde das den früheren Monopolunternehmen (Post- und Telegraphenverwaltung) nach § 1 TWG eingeräumte Privileg beseitigt und die Unentgeltlichkeit für die konzessionierten Unternehmen am Telekommunikationsmarkt eingeführt (VwGH 2003/03/0163).

3. Das TKG 2003:

Die unentgeltlichen Leistungsrechte sind im § 5 geregelt. Unter den im Abs 1 angeführten Leitungsrechten werden auch „Vermittlungseinrichtungen" angeführt (Z 2). § 5 Abs 3 leg cit lautet:

„Bereitsteller eines Kommunikationsnetzes sind berechtigt, Leitungsrechte an öffentlichem Gut, wie Straßen, Fußwege, öffentliche Plätze und den darüber liegenden Luftraum, ausgenommen das öffentliche Wassergut, unentgeltlich und ohne gesonderte Bewilligung nach diesem Gesetz in Anspruch zu nehmen. Unentgeltlichkeit im Sinne dieser Bestimmung betrifft nicht die bereits am bestanden habenden rechtlichen Grundlagen der Einhebung von Abgaben."

Gegenüber dem TKG (1997) ist daher der Kreis der Berechtigten weiter gefasst und nicht auf Konzessionsinhaber beschränkt. An der Umsetzung der schon zitierten Vorgaben nach Europarecht über die Unentgeltlichkeit hat sich mit dem § 5 im Vergleich zu § 6 TKG in dem hier interessierenden Punkt nichts geändert. § 5 Abs 3 TKG 2003 ersetzt die frühere Umsetzungsnorm des § 6 Abs 1 TKG. III. Öffentliche Sprechstellen fallen unter die im § 6 Abs 1 TKG (1997) bzw § 5 Abs 1 TKG 2003 angeführten Begriffe Telekommunikationslinie bzw. Leitungsrechte:

Weder in den beiden zitierten Gesetzesbestimmungen noch in der Aufzählung der Leitungsrechte des § 1 TWG sind (waren) die öffentlichen Sprechstellen ausdrücklich angeführt.

Unter „Telekommunikationslinie" waren nach der Legaldefinition des § 3 Z 15 TKG die unter- oder oberirdisch geführten festen Übertragungswege (Telekommunikationskabelanlagen) einschließlich deren Zubehör wie Schalt-, Verstärker- oder Verzweigungseinrichtungen, Masten und Unterstützungen, Kabelschächte und Rohre zu verstehen. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes sind öffentliche Sprechstellen davon umfasst, jedenfalls aber gleich zu behandeln. Dies ergibt sich nicht nur ganz allgemein schon aus dem angeführten Gesetzeszweck entsprechend den europarechtlichen Vorgaben, sondern auch aus verschiedenen Einzelbestimmungen des Gesetzes vor allem denjenigen über den Universaldienst. Danach hat die Beklagte als (im Revisionsverfahren unstrittig) Universaldienstleister ua für die flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Sprechstellen an allgemeinen und jederzeit zugänglichen Standorten zu sorgen (§ 24 Abs 2 Z 5 TKG (1997); § 26 Abs 2 Z 4 TKG 2003; beide Bestimmungen in Umsetzung der Universaldienstrichtlinie 2002/22/EG). Zur Erfüllung dieser Universaldienstverpflichtung sieht das Gesetz auch die Möglichkeit der Enteignung vor. § 11 TKG (1997) lautete:

„(1) Liegt die Errichtung einer Telekommunikationslinie oder einer öffentlichen Sprechstelle im öffentlichen Interesse und führt die Inanspruchnahme der Rechte gemäß §§ 6 bis 8 nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zum Ziel, ist eine Enteignung zulässig. Das Verfahren richtet sich nach dem Telekommunikationswegegesetz.

(2) Die Errichtung einer Telekommunikationslinie oder einer öffentlichen Sprechstelle durch einen Konzessionsinhaber gilt jedenfalls als im öffentlichen Interesse gelegen.

(3) Bei der Enteignung hat das jeweils gelindeste Mittel Anwendung zu finden. Wird durch die Enteignung die widmungsgemäße Verwendung des Grundstücks unmöglich oder unzumutbar, ist auf Verlangen des Grundstückseigentümers die zu belastende Grundfläche gegen angemessene Entschädigung in das Eigentum des Enteignungsberechtigten zu übertragen."

§ 13 Abs 1 und 2 TKG 2003 normiert eine inhaltsgleiche Enteignungsbestimmung.

Die Gleichstellung von Telekommunikationslinie und öffentlicher Sprechstelle in der Frage der Unentgeltlichkeit ergibt sich schon aus der Zitierung des § 6 TKG bzw § 5 TKG 2003 in den genannten Enteignungsbestimmungen. Es bedeutete einen Wertungswiderspruch, wenn öffentliche Sprechstellen nicht unter den Begriff Telekommunikationslinie fielen (so auch Zanger-Schöll, Telekommunikationsgesetz (2003)² § 5 Rz 17). Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass der Beklagten grundsätzlich zumindest seit dem Inkrafttreten des TKG das unentgeltliche Recht zustand, auf öffentlichem Gut öffentliche Sprechzellen zu errichten und zu betreiben. Die unentgeltliche Duldungspflicht des Grundeigentümers beruht auf einem privatrechtlichen, gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen dem Grundeigentümer und dem Nutzungsberechtigten (Zanger/Schöll aaO Rz 26 zu § 5).

IV. Die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs 1 letzter Satz TKG (1997) und dessen Nachfolgebestimmung § 5 Abs 3 letzter Satz TKG 2003, wonach die rechtlichen Grundlagen der schon bis zum eingehobenen „Abgaben" von der Unentgeltlichkeit nicht betroffen sind - die Abgaben also weiter zu bezahlen sind -, sind auf vertragliche Entgelte aufgrund von Gestattungsverträgen nicht anwendbar:

1. Im österreichischen Recht fehlt eine Legaldefinition des Begriffs „Abgabe". In der finanzwissenschaftlichen Terminologie werden unter Abgaben nicht nur Steuern, sondern auch Beiträge und Gebühren als Entgelt für besondere in Anspruch genommene Leistungen einer Gebietskörperschaft verstanden (Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts I8 Rz 3). Jedenfalls geht es aber um Geldleistungen, die von den Gebietskörperschaften kraft öffentlichen Rechts auferlegt werden und nicht um in privatrechtlichen Verträgen vereinbarte Entgelte.

2. Diese Auffassung wird hier schon durch die Entstehungsgeschichte der Gesetzwerdung des letzten Absatzes im § 6 Abs 1 TKG gestützt:

Es waren nämlich die Gemeinden, die angesichts der notwendigen Anpassung des Telekommunikationsrechts an die europarechtlichen Vorgaben um ihre Einnahmen aufgrund bestehender Gebrauchsabgabengesetze fürchteten, sodass erst in letzter Minute und kurz vor der Verabschiedung des TKG die Ausnahmebestimmung für schon bestehende Abgaben eingeführt wurde (Zanger/Schöll, Telekommunikationsgesetz1 Rz 29 f zu 6; Zanger/Schöll, Telekommunikationsgesetz² Rz 87 zu § 5), um diese Sondernutzungsgebühr den Gemeinden zu erhalten. Mit dem Begriff „Abgaben" waren in der Regel die in den Landesgesetzen normierten Gebrauchsabgaben gemeint (Feiel/Lehofer, Telekommunikationsgesetz 2003, 26). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beibehaltung des Privilegs der Gemeinden hinsichtlich der schon vor dem eingehobenen Abgaben mit den Vorgaben der EU-Richtlinien vereinbar sind (führt dies doch zu einer Diskrimierung der alten Telekommunikationsunternehmen gegenüber den neuen Anbietern), weil im vorliegenden Fall das oberösterreichische Landesrecht jedenfalls bis zum genannten Zeitpunkt eine Gebrauchsabgabe nur für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund durch gemeindeeigene Unternehmungen normierte (OÖ. Gebrauchsabgabengesetz, LGBl 1967/9), sodass für die Beklagte keine Abgabenpflicht bestand. Anders verhält es sich beispielsweise hinsichtlich der Gebrauchsabgaben, die aufgrund des NÖ Gebrauchsabgabengesetzes 1973, LGBl 3700, eingehoben wurden, für die also die Unentgeltlichkeit wegen der schon vor dem bestandenen Abgabenpflicht nicht gilt (VwGH 2001/17/0187). Damit ist dem Revisionsargument der Klägerin, § 6 Abs 1 letzter Satz TKG (1997) hätte keinen Anwendungsbereich, wenn man unter Abgaben nicht auch Entgelte aufgrund privatrechtlicher Verträge verstünde, der Boden entzogen.

V. Zum Einfluss der dargestellten Rechtslage auf den hier zu beurteilenden entgeltlichen Gestattungsvertrag:

1. Der Gestattungsvertrag wurde zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem der Vereinbarung eines Entgelts weder europarechtliche Vorgaben noch ein dieses umsetzendes nationales Gesetz entgegenstanden. Überdies war zumindest zweifelhaft, ob öffentliche Sprechstellen unter den Begriff „Leitungsrechte" des TWG fielen. Das TKG muss schon deshalb auf Altverträge Rückwirkungen haben, weil nur so eine nach den Richtlinien der EU verbotene Diskriminierung am Telekommarkt vermieden werden kann. Das EU-Recht verlangt die unentgeltliche Nutzung des öffentlichen Guts. Ein „Wegezoll", sei es in Form einer Konzessionsabgabe, einer Sondernutzungsgebühr oder eines Gestattungsentgelts, wäre mit dem Ziel der Dienstrichtlinie, nämlich vollständigen Wettbewerb auf den Telekommunikationsmärkten einzuführen, nicht vereinbar (Zanger/Schöll, Telekommunikationsgesetz² Rz 66 zu § 5). Mit der Unentgeltlichkeit soll aber nicht nur die Diskriminierung infolge der Privilegierung früherer Monopolunternehmen beseitigt werden. Gesetzesziel ist die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Telekommunikationsunternehmen zum Nutzen der Verbraucher (vgl § 1 Abs 1 TKG 2003). Diesem Ziele liefe es zuwider, an entgeltlichen privatrechtlichen Dauerschuldverhältnissen festzuhalten, nach denen Inhaber von Konzessionen zur Erbringung eines öffentlichen Telekommunikationsdienstes (§ 6 Abs 1 TKG) bzw jetzt Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes (§ 3 Z 1 TKG 2003) entgegen der normierten Unentgeltlichkeit weiterhin und wettbewerbsverzerrend ein Entgelt zu bezahlen hätten. Die Zielsetzung der EU-Richtlinien und der österreichischen Umsetzungsnormen führt zur Rechtsauslegung, dass ein auf einem privatrechtlichen Gestattungsvertrag beruhendes entgeltliches Dauerschuldverhältnis kraft Gesetzes in ein unentgeltliches Dauerschuldverhältnis umgewandelt wird. § 6 Abs 1 TKG ist demnach zwingendes Recht. Bei Dauertatbeständen wie Dauerrechtsverhältnissen ist bei einer Gesetzesänderung der in den zeitlichen Geltungsbereich der neuen Rechtslage reichende Teil des Dauertatbestandes nach dem neuen Gesetz zu beurteilen, wenn für den Übergang - wie hier - nichts anderes vorgesehen ist. Dies gilt auch dann, wenn die alte Rechtslage eine öffentlich-rechtliche Beziehung vorsah und die neue eine privatrechtliche vorsieht (RIS-Justiz RS0008732). Ab dem Inkrafttreten des TKG (1997) ist somit die privatrechtliche Zahlungsverpflichtung der Beklagten weggefallen.

2. Zu keinem anderen Ergebnis gelangte man aber auch, wenn man eine gesetzliche Umwandlung des Dauerrechtsverhältnisses verneinte. Die Rechtsänderung durch das TKG müsste dann jedenfalls zu einem Recht des zu einer Geldleistung vertraglich verpflichteten Nutzungsberechtigten auf Vertragsanpassung dahin führen, dass er das öffentliche Gut für sein Telekommunikationsnetz inklusive von Fernsprechzellen ab Wirksamkeit der Gesetzesbestimmung unentgeltlich zur Verfügung gestellt bekommt. Die Änderung der Rechtslage begründete ein Anpassungsrecht analog den Grundsätzen, wie sie in der Rechtsprechung zur Auflösung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund vertreten werden. Man gelangt also auch bei einer rein rechtsgeschäftlichen Betrachtungsweise zum Ergebnis der Unentgeltlichkeit, sodass sich weitere Erörterungen über die Rechtsgrundlage der berechtigten Zahlungsverweigerung der Beklagten erübrigen.

3. Durch die Zahlung von Entgelten bis zum Jahr 2000 trotz der seit geltenden (gesetzlichen) Unentgeltlichkeit ist es entgegen den Revisionsausführungen zu keiner konkludenten Vereinbarung über eine Entgeltlichkeit im bisherigen Umfang der Zahlungsverpflichtung gekommen:

Auf die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen (§ 863 ABGB) ist ein strenger Maßstab anzulegen, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinwies. Besonders gilt dies für die Annahme eines stillschweigenden Verzichts (RIS-Justiz RS0014146). Für die Auffassung, dass die Beklagte in Kenntnis der komplexen Rechtslage und im Wissen der aus dem Gesetz nur zu erschließenden Unentgeltlichkeit für auf öffentlichem Gut aufgestellte Fernsprechzellen ihre Zahlungen fortgesetzt hätte, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Im Übrigen kann hier auf die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Abschließend ist zur Anregung der Revisionswerberin auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim VfGH nur kurz zu bemerken, dass keine Sachargumente aufgezeigt werden, die Bedenken dahin auslösen könnten, § 6 Abs 1 TKG (1997) bzw § 5 Abs 3 TKG 2003 wären verfassungswidrig.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.