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OGH vom 26.01.1993, 4Ob504/93

OGH vom 26.01.1993, 4Ob504/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosemarie R*****, vertreten durch Dr.Alfred Lind und Dr.Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Klaus Horst S*****, vertreten durch Dr.Gerhard Richter und Dr.Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung (Streitwert 500.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4b R 14/92-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom , GZ 13 Cg 27/91-16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Herta Hermen R***** ist am in G***** verstorben. Zu ihrem Nachlaß gehört (ua) auch eine Liegenschaft in P*****. Ein Sparbuch befindet sich nicht im Besitz der Verlassenschaft. Im Verlassenschaftsverfahren 20 A 287/90 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz haben der Beklagte und seine Schwester als Kinder eines Cousins der Erblasserin je zur Hälfte auf Grund des Gesetzes die unbedingte (Beklagter) bzw bedingte (Schwester des Beklagten) Erbserklärung abgegeben; beide Erklärungen sind vom Verlassenschaftsgericht angenommen worden. Das Verlassenschaftsverfahren war zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz () noch nicht abgeschlossen.

Die Klägerin ist eine Adoptivtochter des bereits im Jahre 1966 vorverstorbenen Ehegatten der Erblasserin; diese selbst hatte die Klägerin nicht adoptiert. Auf Grund eines von der Erblasserin eigenhändig geschriebenen und gefertigten Briefes vom , kundgemacht als letztwillige Verfügung am , meldete die Klägerin gegen die Verlassenschaft Vermächtnisforderungen an. Dieses Schreiben lautet wie folgt: "G*****, 20.X.89

Liebe Rosemarie!

In meinem Testament habe ich festgelegt, daß das vorhandene Bargeld Dir gehört. Das Losungswort heißt 'Herta'. Auch das Wohnungsinventar ist für Dich bestimmt. Herta R*****"

Der Beklagte hat dazu im Verlassenschaftsverfahren erklärt, daß ihm die Erblasserin noch zu Lebzeiten ein Sparbuch mit 500.000 S als Schenkung unter Lebenden übertragen und ihm auch das Losungswort mitgeteilt habe; dieses Sparbuch falle daher nicht in den Nachlaß. Er erklärte sich aber mit der Ausfolgung sämtlicher Fahrnisse der erblasserischen Wohnung an die Klägerin ausdrücklich einverstanden.

Unter Berufung auf ihre Stellung als Vermächtnisnehmerin in bezug auf das Sparbuch mit dem Losungswort "Herta" begehrt die Klägerin mit der Behauptung, daß dieses Sparbuch dem Beklagten von der Erblasserin keineswegs noch zu Lebzeiten geschenkt worden sei, sondern zum Nachlaß gehöre, die Feststellung, daß das Sparbuch Gegenstand des Nachlaßvermögens nach der am verstorbenen Herta Hermen R***** ist.

Am erhob die Klägerin ein Eventualbegehren auf Zahlung von 424.902 S sA, da ihre Vermächtnisforderung zwischenzeitig fällig geworden sei und der Beklagte das Sparbuchguthaben rechtswidrig behoben habe (ON 11 S 41).

Der Beklagte beantragt die Abweisung sowohl des Haupt- als auch des Eventualbegehrens. Die Klägerin sei in Ansehung des Sparbuches nicht Vermächtnisnehmerin, enthalte doch das Schreiben vom insoweit nur eine Information über den Inhalt eines Testamentes, ohne selbst - mangels Testierwillens - eine letztwillige Verfügung zu sein. Abgesehen davon, daß dem Beklagten die Passivlegitimation fehle, habe ihm die Erblasserin etwa einen Monat vor ihrem Tod das Sparbuch mit einem Einlagenstand von 402.471,50 S geschenkt und übergeben; es falle daher nicht in den Nachlaß.

Das Erstgericht wies sowohl das Hauptbegehren auf Feststellung als auch das Eventualbegehren auf Zahlung ab, weil ein Vermächtnisnehmer vor der Einantwortung nur den Nachlaß, nicht aber einen - wenngleich erbserklärten - Erben belangen könne.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Für Vermächtnisklagen sei vor der Einantwortung nur die Verlassenschaft passiv legitimiert. Bis zur Einantwortung könne der Vermächtnisnehmer die Erben weder einzeln noch als Streitgenossen belangen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

In der ihm gemäß § 508a Abs 2 ZPO freigestellten Revisionsbeantwortung weist der Beklagte darauf hin, daß die außerordentliche Revision nicht zulässig sei; er stellt den Antrag, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, welche entgegen ihrer Rechtsmittelerklärung und dem Rechtsmittelantrag inhaltlich nur noch Ausführungen zum Hauptbegehren auf Feststellung enthält, ist entgegen der Meinung des Beklagten schon deshalb zulässig, weil insoweit keine "Vermächtnisklage" im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt; sie ist auch mit ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.

Klagegrund ist die von der Klägerin behauptete Stellung als Vermächtnisnehmerin in bezug auf das ihr von der Erblasserin im Kodizill vom vermachte Sparbuch mit dem Losungswort "Herta". Diese Rechtsposition habe ihr der Beklagte mit der - unzutreffenden - Behauptung streitig gemacht, daß ihm die Erblasserin das Sparbuch knapp vor ihrem Tod geschenkt und unter Bekanntgabe des Losungswortes übergeben habe, weshalb es nicht in den Nachlaß falle.

Die Vorinstanzen haben in diesem Zusammenhang an sich zutreffend erkannt, daß ein Vermächtnis nach österreichischem Recht - ausgenommen den Fall des § 10 WEG - ein Damnationslegat ist; der Vermächtnisnehmer erhält also durch die letztwillige Verfügung nur einen Titel, der ihm einen schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung gewährt (Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht3, 205; Koziol-Welser II9, 362 f; Welser in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 535; SZ 59/219; NZ 1988, 137). Der Vermächtnisnehmer kann demnach sein fälliges Forderungsrecht ohne Rücksicht auf den Stand der Verlassenschaftsabhandlung mit der Vermächtnisklage durchsetzen, die jedoch als schuldrechtliche Singularklage vor der Einantwortung nicht gegen den (die) erbserklärten Erben, sondern gegen die Verlassenschaft zu richten ist (Koziol-Welser aaO 366; Welser aaO Rz 13 f zu § 647; SZ 48/86; EvBl 1986/11 mwN). Dabei ist der im streitigen Verfahren durchzusetzende Legatsanspruch grundsätzlich auf Leistung des Vermögensgegenstandes gerichtet (Schwimann/Eccher, ABGB III § 684 Rz 4). Dem Vermächtnisnehmer steht somit keinesfalls eine dingliche Klage gegen jeden Besitzer des Vermächtsnisgegenstandes zu (Welser aaO Rz 15 zu § 647; SZ 44/38).

Zutreffend weist aber die Klägerin darauf hin, daß sie mit ihrem Hauptbegehren auf Feststellung gegen den Beklagten - anders als in dem der Entscheidung EvBl 1986/11 zugrunde liegenden Fall - weder eine dingliche Klage noch eine Vermächtnisklage auf Leistung des Vermächtnisgegenstandes erhoben hat, sondern sich damit ausschließlich gegen dessen Behauptung zur Wehr setzt, er habe an dem Sparbuch noch vor dem Erbfall ein den Legatsanspruch ausschließendes eigenes Recht, nämlich das Eigentum, erworben. Beim Vermächtnis eines bestimmten Sparbuches des Erblassers handelt es sich um ein Speziesvermächtnis. Das vermachte Sparbuch hatte sich aber beim Erbfall nicht im Nachlaß befunden; schon aus diesem Grund konnte die Klägerin die Verlassenschaft nicht erfolgreich mit einer Vermächtnisklage belangen, weil in einem solchen Fall - argumentum a fortiori aus § 657 ABGB - auch ein Spezialvermächtnis grundsätzlich wirkungslos geworden ist (Welser aaO Rz 3 zu §§ 660, 661). Dazu kommt noch, daß der Beklagte der Sache nach überdies einen Widerruf des Legates im Sinne des § 724 ABGB geltend gemacht hat, fällt doch unter den weit zu verstehenden Begriff "Veräußerung einer Sache" jede Art der Veräußerung, auch eine Schenkung (Schwimann/Eccher aaO § 724 Rz 5). Allein schon die Berühmung des Beklagten, er habe durch Schenkung unter Lebenden das Eigentum am streitgegenständlichen Sparbuch erworben, führte aber zu einer Gefährdung der Rechtsstellung der Klägerin und zur Behinderung ihrer Bewegungsfreiheit im Rechtsleben oder in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen (Fasching III 67 und Lehrbuch2 Rz 1105 mwH; SZ 32/89; MietSlg 37.746; JBl 1986, 666 ua; zuletzt etwa 1 Ob 542/92). Damit ist auch das nach § 228 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung anzuerkennen, weil mit der begehrten Feststellung das Bestehen des strittigen Rechtsverhältnisses geklärt und solcherart der für beide Teile nachteilige Schwebezustand beendet und eine objektive Ungewißheit über das Bestehen des Anspruches dem Grunde nach beseitigt werden kann (SZ 57/180 mwN). Hier kann es freilich, da der Beklagte das Sparbuch zwischenzeitig liquidiert hat, nur noch darum gehen, ob es zum Zeitpunkt des Erbfalles zum Nachlaß gehört hat. Voraussetzung dafür wäre aber, daß das Sparbuch dem Beklagten von der Erblasserin nicht wirksam geschenkt wurde oder doch der Erblasserin im Fall einer Schenkung der gemäß § 724 ABGB zu vermutende Widerrufswille fehlte (Schwimann-Eccher aaO Rz 2). Obwohl hiezu das von den Parteien beantragte Beweisverfahren durchgeführt worden ist, hat das Erstgericht dennoch keinerlei Feststellungen getroffen; schon aus diesem Grund erweist sich somit eine Aufhebung in die erste Instanz als unumgänglich.

Dem steht auch nicht entgegen, daß der Beklagte erstmals im vorliegenden Verfahren die Aktivlegitimation der Klägerin auch mit der Behauptung in Frage gestellt hat, sie könne sich in Ansehung des Sparbuches gar nicht auf eine wirksame letztwillige Verfügung der Erblasserin berufen, ergebe sich doch schon aus dem Inhalt des Briefes vom deren fehlender Wille, die Klägerin als Vermächtnisnehmerin des Sparbuches zu bedenken, zumal dort nur auf den Inhalt eines "Testamentes" verwiesen werde. Abgesehen davon aber, daß der Unterschied zwischen Erbfolge und Vermächtnis dem durchschnittlichen Erblasser fremd ist (Gschnitzer-Faistenberger, Erbrecht2, 77 und 91; Welser aaO Rz 6 zu § 535; Schwimann-Eccher aaO § 535 Rz 1), sind auch briefliche Erklärungen, die - wie hier - den äußeren Formerfordernissen des § 578 ABGB entsprechen, nur dann letzter Wille, wenn sie der Erblasser als Anordnung gemeint hat (Welser aaO Rz 1 zu § 578; GIU 12.364); gemäß §§ 535, 553 und 647 ABGB ist demnach auch für die Gültigkeit eines Vermächtnisses in einem Kodizill grundlegende Voraussetzung der Testierwille, der "animus testandi" (Welser aaO Rz 9 zu § 565). Der Beklagte stellt das Vorliegen des Testierwillens nur nach dem Inhalt des Briefes vom in Frage; eine derartige Urkundenauslegung - auf andere Beweismittel hat sich der Beklagte nicht berufen - unterliegt demnach der rechtlichen Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof (NZ 1986, 70 mwH). Danach kann aber der Brief der Erblasserin an die Klägerin entgegen der Meinung des Beklagten nicht nur als eine Information über den Inhalt eines nicht näher bezeichneten "Testamentes" gewertet werden, stellt doch die Erblasserin durch die Mitteilung des Losungswortes überhaupt erst klar, daß mit dem "vorhandenen Bargeld" ein bestimmtes Sparbuch und nicht die bei ihrem Ableben vorhandenen Münzen und Geldscheine gemeint sind. Da sie der Klägerin in diesem Zusammenhang auch den zur Effektuierung des Sparbuches erforderlichen weiteren Legitimationsakt - das Losungswort - bekanntgegben hat, liegt insoweit jedenfalls auch eine Bekräftigung der bekanntgegebenen letztwilligen Verfügung vor. Daß aber auch dieser Teil des Schreibens nicht bloß als Information über den Inhalt eines "Testamentes" gedacht war, ergibt sich vollends aus dem Schlußsatz über das Wohnungsinventar, welches auch für die Klägerin bestimmt sein soll; die Erblasserin wollte daher mit ihrem Brief die Klägerin jedenfalls auch mit dem genannten Sparbuch bedenken, so daß ein Kodizill in Form eines Vermächtnisses zu deren Gunsten vorliegt.

Dem Aufhebungsantrag der Revision war daher stattzugeben. Dem Erstgericht bleibt es überlassen, ob es sofort oder erst nach einer Ergänzung des Verfahrens zu einer neuerlichen Urteilsfällung schreitet. Sollten die erforderlichen ergänzenden Feststellungen ein Ergebnis im Sinne des Beklagtenvorbringens zeitigen, dann wäre damit nicht nur dem Hauptbegehren auf Feststellung, sondern auch dem Eventualleistungsbegehren der Boden entzogen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.