OGH vom 29.08.2002, 6Ob143/02a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert M*****, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gemeinde N*****, vertreten durch Rechtsanwälte-Partnerschaft Dr. Reinhold Wolf, Mag. Gerhard Mader, Dr. Christian Tschiderer, Rechtsanwälte in Reutte, wegen Räumung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 205/01f-15, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Imst vom , GZ 7 C 1721/00v-11, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 499,39 EUR (darin 83,23 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger hat im Jahr 1999 Teilwaldrechte (Holz- und Streunutzungsrechte) an einem Waldgrundstück der beklagten Gemeinde (§ 33 Abs 3 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996, TFLG 1996) käuflich erworben. In diesem Teilwald war schon vor 1945 eine Wildfütterungsanlage errichtet worden. Im Jahr 1968 wurde die Anlage vergrößert. Nach einer Änderung der Jagdpachtverhältnisse kam es zu einer neuerlichen Vergrößerung der Fütterungsanlage. Diese wurde von der Beklagten den Jagdpächtern zur Benützung zur Verfügung gestellt. Die Jagdpächter sind nach den Jagdpachtverträgen zur Erhaltung und zum Betrieb der Anlage verpflichtet.
Der Kläger begehrt mit seiner am beim Erstgericht eingelangten Klage die Räumung des Teilwaldes von den jagdlichen Anlagen die ohne seine Zustimmung und ohne Zustimmung der Rechtsvorgänger des Klägers errichtet worden seien. Die Beklagte sei vergeblich zur Räumung aufgefordert worden. Selbst wenn eine Zustimmung zur Errichtung und zum Betrieb der Fütterungsanlage erteilt worden sein sollte, läge mangels einer Vereinbarung über ein Entgelt nur eine reine Gestattung gegen jederzeitigen Widerruf vor. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Rechtsweg sei wegen der Zuständigkeit der Agrarbehörde unzulässig. Die jagdlichen Einrichtungen seien vor mehr als 20 Jahren mit Zustimmung der Rechtsvorgängerin des Klägers errichtet worden. Der Kläger habe mit dem Kaufvertrag vom das Teilwaldrecht in Kenntnis der Örtlichkeiten und der Existenz der Fütterungsanlage erworben. Er habe auf die Geltendmachung von Ertragseinbußen verzichtet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im Wesentlichen fest, dass die Waldberechtigten (die Rechtsvorgänger des Klägers) der Vergrößerung der Wildfütterungsanlage zugestimmt und kein Entgelt verlangt hätten. Ein Entgelt sei auch nie bezahlt worden. Gegen den Betrieb der Anlage sei nie ein Einwand erhoben worden. Im Kaufvertrag vom habe der Kläger das Teilwaldrecht so übernommen, wie es die Verkäuferin selbst besessen und benützt habe und berechtigt gewesen sei. Die Verkäuferin hafte nicht für eine bestimmte Beschaffenheit oder Eignung der Teilwaldgrundstücke. Der Käufer, "der selbst Fachmann ist", habe die Teilwaldgrundstücke besichtigt und begutachtet.
Das Erstgericht beurteilte den Sachverhalt rechtlich als "vertragsmäßige Einräumung des Betriebes der Anlage". Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Den Feststellungen des Erstgerichtes sei zu entnehmen, dass die Vergrößerung und der Betrieb der Wildfütterung im Zusammenhang mit der Verpachtung der Jagd gestanden seien. Der Pachtvertrag (der Gemeinde mit den Jagdpächtern) schließe ein Prekarium aus. Es sei nicht festgestellt worden, dass die Absicht der Beklagten und der Rechtsvorgänger des Klägers darauf gerichtet gewesen sei, die Errichtung der Wildfütterung nur gegen jederzeitigen Widerruf zu dulden. Dass allenfalls keine bestimmte Dauer für die Duldung der Anlagen vereinbart worden sei, rechtfertige noch nicht die Annahme einer Bittleihe. Die freie Widerruflichkeit könne sich zwar aus den Umständen ergeben. Ein Prekarium liege aber dann nicht vor, wenn die Parteien von einer Duldung der Benützung über einige Zeit oder einige Monate ausgegangen seien. Im Hinblick auf die Vergrößerungen der Wildfütterungsanlagen ergebe sich, dass die Parteien nicht an einen Widerruf der Benützung gedacht hätten. Der Kläger habe wegen seiner Besichtigung des Geländes anlässlich des Kaufs des Teilwaldrechtes von den Einrichtungen der Wildfütterung gewusst. Er müsse die Auswirkungen des Jagdpachtvertrages dulden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und dasss die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Über Antrag des Klägers erklärte es die ordentliche Revision doch für zulässig. Mit seiner Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass dem Räumungsbegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Vorauszuschicken ist, dass die von der Revision nicht aufgegriffene Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges infolge ihrer Bejahung durch die Vorinstanzen bindend erledigt ist (SZ 49/115).
Das Berufungsgericht hat keineswegs im Wege der Rechtsfortentwicklung eine im Gesetz nicht angeführte, über die Vertragstypen der Leihe, der Miete und des Prekariums hinausgehende "neue Form der Rechtsüberlassung" entwickelt, sondern lediglich dem festgestellten Sachverhalt entnommen, dass die Rechtsvorgänger des Klägers sich nicht die jederzeitige freie Widerrufsmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung vorbehalten hätten. Ohne eine solche liegt aber kein Prekarium nach § 974 ABGB vor. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist keine von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abweichende rechtliche Fehlbeurteilung. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung der freien Widerruflichkeit müsste sich eine solche aus den Umständen des Falles ergeben. Grundsätzlich spricht die Unentgeltlichkeit für die Widerruflichkeit (RS0019196). Ein gegenteiliger Bindungswille für die Zukunft kann sich aber aus anderen Umständen ergeben. Gegen eine jederzeitige Widerrufsmöglichkeit spricht schon die Erwägung, dass die Rechtsvorgänger des Klägers einer mit erheblichen Kosten verbundenen Vergrößerung der schon jahrzehntelang bestehenden jagdlichen Einrichtung zustimmten und dass es schon deshalb dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche, mangels einer konkreten Vereinbarung über eine Befristung oder eine Widerrufsmöglichkeit von einer bloßen Bittleihe auszugehen. Ein frühzeitiger Widerruf hätte die Aufwendungen frustriert. Wenn die Absicht der Rechtsvorgänger des Klägers auf eine freie Widerrufsmöglichkeit gerichtet gewesen wäre, hätten sie bei der Gebrauchsüberlassung darauf hinweisen müssen. Aus dem jahrzehntelangten Betrieb der Anlage und der gegebenen Zustimmung zur Vergrößerung ist klar auf einen längerfristigen Bindungswillen zu schließen. Auch wenn die Zeit des Gebrauchs weder datumsmäßig bestimmt oder von vorneherein auch nicht bestimmbar war, kann eine nicht frei widerrufliche Leihe (§ 971 ABGB) vorliegen (8 Ob 590/88 = MietSlg 40.076). Auch die Dauer der Leihe (ihre Bestimmbarkeit) ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen,. Hier hat sich eine zeitliche Begrenzung des unentgeltlichen Gebrauchsrechtes jedenfalls am Bedarf an der Wildfütterung und am erkennbaren Interesse der Leihenehmerin zu orientieren, dass die vorgenommenen Investitionen nicht zu einem frustrierten Aufwand werden. In diese Richtung kann eine Absicht redlicher Parteien unterstellt und der der Beklagten obliegende Beweis (§ 975 ABGB) als erbracht angesehen werden. Da dem Kläger im Kaufvertrag die Gebrauchsüberlassung überbunden wurde - er hat die Besitz- und Rechtsverhältnisse des Verkäufers übernommen - kann er seinen Räumungsanspruch nicht auf § 974 ABGB stützen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung enthält zutreffende Ausführungen zur Unzulässigkeit der Revision.