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OGH vom 20.12.2018, 4Ob180/18a

OGH vom 20.12.2018, 4Ob180/18a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache betreffend R***** R*****, geboren ***** 1952, *****, vertreten durch Mag. Ulrich Paulsen, Rechtsanwalt in Klagenfurt, als Verfahrenshelfer, über den Revisionsrekurs der betroffenen Person gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 4 R 55/18g-55, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 3 P 114/99a-29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird gemäß § 207m Abs 3 AußStrG idF BGBl I 2017/59 an das Erstgericht überwiesen.

Text

Begründung:

Der Betroffene leidet an einer psychischen Erkrankung, nämlich einer paranoiden Persönlichkeitsstörung. Zum Untersuchungszeitpunkt durch den Sachverständigen im (damals) Sachwalterschaftsverfahren war er im Bewusstsein klar. Die Orientierung war nicht prüfbar. Die sprachliche Ausdrucksfähigkeit war gegeben, wobei seine Sprache sehr lautstark und empörend war. Der Wortfluss war beschleunigt, das Antworttempo nicht prüfbar und der Antrieb erhöht. Es war eine starke Dysphorie zu erkennen, sowie inhaltliche Einengung auf Vorwürfe gegenüber dem Gericht und gegen verschiedene Angehörige. Der Kontakt war mit ihm nur kurzfristig herstellbar. Der Betroffene benötigt die Besachwalterung für Vertretung vor Ämtern, Gerichten und Behörden, insbesondere in dem offenen Räumungsverfahren. Sollte dabei eine Verschuldung bekannt werden, so wäre die Sachwalterschaft auch auf die finanziellen Angelegenheiten auszudehnen. Sollte es zu einer Räumung kommen, wäre es Aufgabe des Sachwalters, dem Betroffenen bei einer Wohnversorgung zu helfen. Zustimmungsfähigkeit zu medizinischen Maßnahmen ist gegeben. Der Betroffene ist „derzeit nicht in der Lage, sich insbesondere in dem anhängigen Räumungsverfahren ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu vertreten“.

Im seit anhängigen Verfahren AZ ***** des Erstgerichts ist der Betroffene als Beklagter einem Begehren auf Übergabe eines Hauses ausgesetzt, das er nur prekaristisch bewohne; das Prekarium sei widerrufen worden, weil er sich unleidlich benehme. Der dort Beklagte wurde in diesem Verfahren nach der Aktenlage seit durch einen gewillkürten Vertreter, die M***** RechtsanwaltsGmbH***** vertreten. Das Prozessgericht regte die Bestellung eines Sachwalters an und unterbrach am das Räumungsverfahren. Der Betroffene sei logorrhoetisch, beantworte konkrete Fragen nicht adäquat und erzähle nur von alten Zeiten und dass alles wieder rückgängig gemacht gehöre.

Nach Einholung eines Clearingberichts und Erstanhörung war das Erstgericht der Meinung, das Verfahren sei fortzusetzen. Es bestellte am eine Rechtsanwältin als Verfahrenssachwalterin (4 Ob 7/18k) und schließlich nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit dem angefochtenen Beschluss diese auch zur endgültigen Sachwalterin zur Vertretung vor Ämtern, Gerichten und Behörden. Nach den getroffenen Feststellungen habe der Wirkungskreis der Sachwalterin diese Angelegenheiten zu umfassen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Sachwalterbestellung diene dem Schutz des Betroffenen, wobei die Abwehr des Räumungsbegehrens „im Vordergrund“ stehe. Dass im Räumungsverfahren für ihn eine Verfahrenshelferin bestellt worden sei, stehe der Beigebung eines Sachwalters nicht entgegen. Vielmehr werde „insoweit im Weiteren zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten eine Umbestellung bei der Verfahrenshilfevertretung auf die jetzige Sachwalterin anzudenken und in die Wege zu leiten sein“. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde nicht zugelassen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen beantragt die ersatzlose Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen, hilfsweise deren Aufhebung und die Zurückverweisung an das Erstgericht. Der Betroffene könne seine Angelegenheiten selbst regeln. Zudem sei nunmehr das 2. Erwachsenenschutzgesetz in Kraft getreten, welches das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen stärker betone. Die Voraussetzungen der Bestellung eines Erwachsenenvertreters lägen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist vom Obersten Gerichtshof nicht inhaltlich zu behandeln:

1. Mit ist das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, BGBl I 2017/59 (2. ErwSchG), in Kraft getreten.

1.1. Gemäß § 1503 Abs 9 Z 4 ABGB sind, soweit im Folgenden nichts anders bestimmt ist, die nach Z 1 leg cit mit in Kraft tretenden Bestimmungen auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach dem ereignen oder über diesen Zeitpunkt hinaus andauern. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehende Vertretungsverhältnisse nach der jeweils verbindlichen Rechtslage („sukzessives Anknüpfungselement“) zu beurteilen sind, also bis zum nach den bisherigen Vorschriften, danach nach den neuen Regelungen (7 Ob 179/18a mwN).

1.2. Gemäß § 239 Abs 1 ABGB idFd 2. ErwSchG ist im rechtlichen Verkehr dafür Sorge zu tragen, dass volljährige Personen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sind, möglichst selbständig, erforderlichenfalls mit entsprechender Unterstützung, ihre Angelegenheiten selbst besorgen können. Abs 2 leg cit enthält eine demonstrative Aufzählung möglicher Unterstützungsleistungen.

Nach § 240 Abs 1 ABGB idFd 2. ErwSchG kommt eine Teilnahme dieser Personen am Rechtsverkehr durch einen Vertreter nur dann in Betracht, wenn dies zur Wahrung ihrer Rechte und Interessen unvermeidlich ist. Die Vertretung erfolgt durch eine von ihnen bevollmächtigte Person (Vorsorgevollmacht) oder durch einen gewählten oder gesetzlichen oder gerichtlichen Erwachsenenvertreter. Nach Abs 2 leg cit darf kein Erwachsenenvertreter für die volljährige Person tätig werden, soweit sie bei Besorgung ihrer Angelegenheiten entsprechend unterstützt wird.

Nach § 271 ABGB idFd 2. ErwSchG ist nunmehr einer volljährigen Person vom Gericht auf ihren Antrag oder von Amts wegen insoweit ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter zu bestellen, als

1. sie bestimmte Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann,

2. sie dafür keinen Vertreter hat,

3. sie einen solchen nicht wählen kann oder will und

4. eine gesetzliche Erwachsenenvertretung nicht in Betracht kommt.

2.1. Den Umgang mit am anhängigen Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters regelt § 207m Abs 3 AußStrG idFd 2. ErwSchG. Ein im Zeitpunkt des Inkrafttretens des 2. ErwSchG anhängiges Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters nach den § 116a bis 126 AußStrG idFd 2. ErwSchG ist in erster Instanz fortzusetzen; ein in höherer Instanz anhängiges Verfahren ist – wenn noch Entscheidungsgrundlagen fehlen – dem Erstgericht zu überweisen und von diesem so fortzusetzen, als ob das Rechtsmittelgericht die Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an die erste Instanz zurückverwiesen hätte.

2.2. Die Materialien zum 2. ErwSchG (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 78) führen zu § 207m AußStrG aus, dass „ein zum Zeitpunkt des Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits anhängiges Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters nach den neuen Verfahrensvorschriften (ausgenommen § 127) fortzusetzen“ ist, weil „ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes kein Sachwalter mehr bestellt (bzw dessen Wirkungsbereich verändert oder die Sachwalterschaft übertragen oder beendet) werden kann“.

2.3. Damit ist im vorliegenden Verfahren nicht die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts nach der alten Rechtslage durch den Obersten Gerichtshof zu überprüfen, sondern – unter Wegfall der vor gefassten Beschlüsse der Vorinstanzen – eine Entscheidung nach den Bestimmungen des 2. ErwSchG zu treffen (8 Ob 109/18i, 7 Ob 179/18a).

3.1. Abgesehen davon, dass einer Entscheidung nach den Bestimmungen des 2. ErwSchG durch den Obersten Gerichtshof selbst Rechtsschutzdefizitbedenken entgegenstehen, fehlen hier ausreichende Entscheidungsgrundlagen. Insbesondere ist auf Sachverhaltsebene noch nicht ausreichend geklärt, ob dem Betroffenen aufgrund seiner Erkrankung konkrete Nachteile drohen, ob er in der Lage war, im Kündigungsverfahren einen gewillkürten Vertreter zu beauftragen, bejahendenfalls, ob er diesem zweckdienliche Anweisungen zur Wahrnehmung seiner Interessen erteilen und deren Befolgung selbständig überwachen kann. Dabei ist zu beachten, dass nach dem neuen Erwachsenenvertretungsrecht die Selbstbestimmung grundsätzlich Vorrang vor der Bestellung eines Erwachsenenvertreters hat.

3.2. Da hier vor dem keine rechtskräftige Bestellung eines Sachwalters für den Betroffenen erfolgt ist, wird das Erstgericht nach Ergänzung seiner Feststellungen zu den Voraussetzungen der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters nach den Bestimmungen des 2. ErwSchG eine Entscheidung nach der nunmehr geltenden Rechtslage zu treffen haben.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00180.18A.1220.000

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