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OGH vom 24.01.2011, 5Ob190/10t

OGH vom 24.01.2011, 5Ob190/10t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin P***** GmbH, *****, vertreten durch Kalmann De Cillia, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Berichtigung der Mindestanteile betreffend EZ 216 GB *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , AZ 2 R 139/10h, womit infolge Rekurses der Antragstellerin der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , TZ 4026/10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

An der Liegenschaft EZ 216 GB ***** ist Wohnungseigentum begründet. Darauf wurden drei Baukörper errichtet. Beim dritten Baukörper wurde Wohnungseigentum aufgrund der seinerzeitigen Baubewilligung vom begründet. Durch die geänderte Bauführung im Zuge der Errichtung des Hauses 3 ergaben sich zahlreiche Bestandverschiebungen. Unter anderem wurden statt 18 Wohnungen durch teilweise Teilung von Wohnungen nunmehr 21 Wohneinheiten errichtet.

Sämtliche Wohnungseigentumsobjekte des Hauses 3 stehen im Eigentum der Antragstellerin.

Diese begehrte aufgrund des Sachbeschlusses des Bezirksgerichts Villach vom , des Nutzwertgutachtens des Baumeisters Ing. Bruno K***** und der Bescheinigung gemäß § 6 WEG ebenfalls des Ing. K***** „die Einverleibung des berichtigten Eigentumsrechts gem WEG 2002 zu B LNr 101 bis B LNr 116, 150, 160“. Im Antrag werden untereinander stehend durch Bruchzahlen angegebene Anteile aufgelistet, ohne dass ein Bezug zu bestehenden Anteilen hergestellt wird. Die Antragstellerin behauptet (in ihren Rechtsmittelschriften), dass sich die geänderte Bauführung ausschließlich auf die Nutzwerte bzw Miteigentumsanteile der Wohneinheiten des Hauses 3 bezieht, die der Wohneinheiten des Hauses 1 und 2 sowie sämtlicher Tiefgaragenabstellplätze und der Pkw Abstellplätze im Freien hingegen völlig unverändert bleiben.

Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil ihm nicht zu entnehmen sei, welche berichtigten Anteile welchen Wohnungen zugeordnet werden sollten. Einer Berichtigung stehe auch entgegen, dass drei neue Wohnungseigentumsobjekte durch Teilung entstünden. Eine Teilung stelle immer eine Änderung dar, deren Zulässigkeit nach „§ 13 Abs 2 WEG“ (gemeint wohl: § 16 Abs 2 WEG 2002) zu beurteilen sei. Es sei daher der urkundliche Nachweis zu fordern, dass die Miteigentümer mit der Bestandänderung einverstanden seien oder die fehlende Zustimmung durch einen Gerichtsbeschluss gemäß „§ 26 Abs 1 Z 2 WEG“ (gemeint wohl: gemäß § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002) ersetzen zu lassen.

Dem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Die Voraussetzungen für die begehrte Berichtigung der Miteigentumsanteile lägen nicht vor. § 10 Abs 3 WEG lasse bei bereits einverleibtem Wohnungseigentum eine Berichtigung von Miteigentumsanteilen, sei es aufgrund einer gerichtlichen oder einvernehmlichen Nutztwertfeststellung, nur zu, wenn dies bei keinem der Miteigentumsanteile zu einer Änderung von mehr als 10 % führe. Die Antragstellerin begehre zwar bei mehreren Objekten Bestandänderungen zu berichtigen, die über 10 % nicht hinausgingen, bei anderen Objekten jedoch, die durch Teilung entstanden seien, Änderungen von jeweils mehr als 10 %. Eine Berichtigung käme daher nur nach § 10 Abs 4 letzter Satz WEG in Betracht. Dafür sei allerdings die Darlegung erforderlich, dass durch Anteilsveränderungen, die nicht mehr als 10 % betragen, keine über 10 % liegenden Veränderungen eines anderen Miteigentumsanteils bewirkt würden.

Das Rekursgericht verneinte außerdem eine im Rekurs angezogene Verletzung der Pflicht des § 82a Abs 1 GBG durch das Erstgericht. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Fassung des Grundbuchantrags einen derart verbesserungsfähigen Mangel dargestellt hätte, hätte die Rekurswerberin diesen gemäß § 82a Abs 5 GBG mit dem Rechtsmittel verbessern müssen. Das sei nicht erfolgt. In Wahrheit handle es sich aber um einen nicht verbesserungsfähigen Inhaltsmangel, wenn ein Antragsteller im Grundbuchantrag weder die Einverleibung des Eigentumsrechts begehrt noch die angestrebten, neu entstandenen Wohnungseigentumseinheiten dargestellt habe.

Letztlich verwies das Rekursgericht auch noch darauf dass, Abrechnungsmodalitäten der gesamten Liegenschaft von den Änderungen berührt sein könnten.

Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob die Beschränkung des § 10 Abs 3 bzw Abs 4 letzter Satz WEG auch dann anwendbar sei, wenn sämtliche Objekte im Eigentum derselben Rechtsperson stünden. Auch sei der notwendige Inhalt eines entsprechenden Berichtigungsantrags klärungsbedürftig.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Bewilligung des Grundbuchsantrags; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag an das Gericht zweiter in eventu erster Instanz gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zu den Voraussetzungen des § 10 Abs 4 letzter Satz WEG noch keine ausreichende höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Bei der Beurteilung, ob die Bagatellgrenze des § 10 Abs 3 erster Satz WEG überschritten wird, kommt es auf das Ausmaß der Anteilsveränderung jedes einzelnen Anteils iSd § 2 Abs 9 WEG und nicht auf das Ausmaß der Veränderungen im Verhältnis zur Gesamtliegenschaft an (5 Ob 245/08b = NZ 2009, 386 [ Hoyer ] = wobl 2010/4 [ Hausmann ]).

Weil es hinsichtlich keines Miteigentumsanteils zu einer Verschiebung von mehr als 10 % kommen darf, was bei der Teilung eines Miteigentumsanteils denknotwendigerweise die Folge ist, kann eine Teilung eines bestehenden Wohnungseigentumsobjekts keinesfalls durch bloße Berichtigung durchgeführt werden. Dass dabei alle Miteigentumsanteile beim selben Eigentümer verbleiben, ist für die allein ausschlaggebende Größe der Anteilsverschiebung ohne Bedeutung (5 Ob 86/10y = wobl 2010/115 [ Hausmann ]).

Eine Berichtigung der Anteile nach § 10 Abs 3 WEG kommt daher nicht in Betracht.

2. § 10 Abs 4 letzter Satz WEG lässt eine Berichtigung von Anteilsverschiebungen unter 10 % zu, allerdings unter der Voraussetzung, dass solche (zu berichtigende) Anteile nicht zu einer über 10 % liegenden Veränderung eines anderen Miteigentumsanteils beigetragen haben (vgl Würth/Zingher/Kovanyi , Wohnrecht 2007 Anm 2 lit d zu § 10 WEG).

Daraus ergibt sich, dass derjenige Antragsteller im Grundbuchverfahren, der unter diesen Voraussetzungen eine Berichtigung anstrebt, diese zu behaupten und in urkundlicher Form nachzuweisen hat und auch sein Antragsbegehren dahingehend formulieren muss, dass ohne weitere Schlussfolgerungen oder komplizierte Rechenoperationen (RIS Justiz RS0108861 [T3]; RS0060878 [T4]; 5 Ob 15/10g) vom Grundbuchgericht die Voraussetzungen der Bewilligungsfähigkeit beurteilt werden können. Der in § 98 GBG angeführte wesentliche Inhalt eines Grundbuchbeschlusses ist auch für die Frage des Inhalts eines Grundbuchgesuchs (§ 85 GBG) maßgebend (RIS-Justiz RS0061013).

Damit dem Bestimmtheitsgebot des § 85 GBG im Fall eines auf § 10 Abs 4 WEG gegründeten Berichtigungsantrags entsprochen wird, müssen also nicht nur die einzelnen Liegenschaftsanteile mit den ihnen zugeordneten Wohnungseinheiten benannt werden, wie sie Gegenstand der berichtigten Eintragung sein sollen, sondern auch die Herkunft sämtlicher Beiträge zu 10 % überschreitenden Anteilsveränderungen. Im Sinne der dargestellten Rechtsprechung ist es nicht Sache des Grundbuchgerichts, aus Urkunden die Herkunft der Anteile zu erforschen oder Rechenoperationen anzustellen, um das Begehren in eine bewilligungsfähige Form umgestalten zu können.

Zu Recht haben daher die Vorinstanzen auch einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot als Abweisungsgrund herangezogen.

3. Dass es sich bei den beschriebenen Voraussetzungen um Inhaltserfordernisse handelt, ergibt sich daraus, dass die in § 10 Abs 4 letzter Satz WEG beschriebenen Umstände materiellrechtliche und grundbuchsrechtliche Voraussetzungen einer Berichtigung sind.

4. Soweit die Revisionsrekurswerberin meint, der Anwendbarkeit des § 10 Abs 4 letzter Satz WEG stehe im Sinn der Entscheidung 5 Ob 245/08b nur entgegen, dass alle Miteigentümer zu einer die Bagatellgrenze überschreitenden Anteilsänderung beitragen, ist auf den Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung zu verweisen. Dass im zitierten Fall eine Berichtigung schon deshalb nicht in Frage kam, weil sämtliche Miteigentümer zu entsprechenden Anteilsverschiebungen beitrugen, will in diesem Zusammenhang nur ausdrücken, dass die dortigen Antragsteller (wie alle übrigen Miteigentümer) zu einer 10 % übersteigenden Anteilsverschiebung beigetragen hatten.

5. Die in dem dem Grundbuchantrag beigefügten Gutachten des Sachverständigen K***** vorgenommene „Bestätigung“, dass es bei keinem der angeführten Miteigentumsanteile zu einer Änderung von mehr als 10 % kommt, orientiert sich nicht am notwendigen und verwertbaren Gutachtensinhalt, wie von § 6 Abs 1 Z 2 WEG normiert, und stellt insofern nur eine für die Gerichte nicht bindende und wie ausgeführt zudem nicht zutreffende Rechtsansicht dar.

6. Die Anwendung des § 136 GBG für die begehrte Berichtigung von Miteigentumsanteilen über die in § 10 Abs 3 und 4 WEG normierten Fälle hinaus scheitert daran, dass grundsätzlich nur außerbücherliche Rechtsänderungen oder offenkundige Unrichtigkeiten einer Berichtigung nach § 136 GBG zugänglich sind. Bestandänderungen, die zu einer Verschiebung von Miteigentumsanteilen führen, bewirken aber ebensowenig Rechtsänderungen wie ein Nutzwertfestsetzungsverfahren (vgl RIS-Justiz RS0106054; insbes 5 Ob 29/08p mit Darstellung der Rechtslage und Rsp-Hinweisen). Wohnungseigentum wird gemäß § 5 Abs 3 WEG durch die Einverleibung in das Grundbuch erworben. Daher bedarf auch jede Änderung von Anteilen (§ 2 Abs 9 WEG) zur wohnungseigentumsrechtlichen Wirksamkeit der grundbücherlichen Durchführung. § 10 Abs 3 und 4 WEG normieren unter bestimmten restriktiven Bedingungen die Möglichkeit, geringfügige Anteilsverschiebungen „in sinngemäßer Anwendung“ des § 136 Abs 1 GBG vorzunehmen. Eine Regelungslücke (vgl RIS Justiz RS0098756) oder eine „unechte“ Lücke (RIS Justiz RS0008839) ist im vorliegenden Fall einer Überschreitung der ausdrücklich festgelegten Bagatellgrenze gerade nicht gegeben.

7. Schließlich ist noch festzuhalten, dass ein weiterer, von den Vorinstanzen nicht beachteter Abweisungsgrund iSd § 94 Abs 1 Z 3 GBG vorliegt. Im Verfahren über die Neufestsetzung der Nutzwerte ist in einem jeder Dispositionsbefugnis einzelner Parteien entzogenen, auf Antrag einzuleitenden Verfahren für alle als Wohnungseigentumseinheiten in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft ausgehend von der jeweiligen materiellen Rechtslage und entsprechend der konkreten Widmung zu entscheiden, wobei allen Mit und Wohnungseigentümern Parteistellung zukommt (5 Ob 100/02w; RIS Justiz RS0082872; 5 Ob 226/07g; RIS Justiz RS0083252 ua). Entscheidend für Nutzwert und Mindestanteil ist jeweils der Wert bzw Anteil an der Gesamtliegenschaft. Es ist daher eine Teilnutzwertfestsetzung oder eine Teilnutzwertneufestsetzung rechtlich unmöglich. Dass von den Änderungen nur ein baulich abgeschlossener Teil umfasst ist, ändert daran nichts. Eine Neufestsetzung der Nutzwerte wie hier nur für eines von drei Gebäuden auf ein und derselben Liegenschaft widerspricht daher den gesetzlichen Voraussetzungen. Dem zur Begründung des Berichtigungsbegehrens beigelegten erstinstanzlichen Sachbeschluss des Bezirksgerichts Villach ist zu entnehmen, dass nur die Antragstellerin Partei des Verfahrens war und überdies nur die Nutzwerte und Anteile der Wohnungen des Hauses 3 neu festgesetzt wurden. Weil aber durch diese Urkunde das Begehren auf Berichtigung von Anteilsverschiebungen gestützt werden soll, fehlt es an der Voraussetzung des § 94 Abs 1 Z 3 GBG. Der Nutzwertneufestsetzungssachbeschluss kann keine taugliche rechtliche Grundlage des Begehrens bilden.

Zu Recht haben daher die Vorinstanzen den Grundbuchantrag abgewiesen.