OGH vom 29.01.2003, 3Ob204/01y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. E***** AG, *****, vertreten durch Wolf, Theiss & Partner Rechtsanwälte in Wien, 2. W*****, vertreten durch Dr. Ulrich Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, 3. B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, und 4. R***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Beck & Krist Rechtsanwälte-Partnerschaft in Mödling, wider die verpflichteten Parteien 1. Harald L*****, und 2. Malgorzata L*****, diese vertreten durch Mag. Dipl. Ing. Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.267,34 EUR sA und weiterer betriebener Forderungen, infolge Revisionsrekurses der zweitverpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 7 R 52/01d-91, womit der Meistbotsverteilungsbeschluss des Bezirksgerichts Purkersdorf vom , GZ 1 E 2679/98k-82, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass des Revisionsrekurses werden die Beschlüsse der Vorinstanzen als nichtig aufgehoben und wird das erstinstanzliche Verfahren ab der Meistbotsverteilungstagsatzung vom für nichtig erklärt.
Das Erstgericht hat das Verfahren unter Beteiligung der Pfandgläubigerin “G***** GmbH, *****”, fortzusetzen. Die zweitverpflichtete Partei hat ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies mit dem aufgrund der Ergebnisse der Meistbotsverteilungstagsatzung vom , ON 74 gefassten Meistbotsverteilungsbeschluss ON 82 aus dem Meistbot von 1,752 Mio S und dem Zinsenzuwachs zunächst einer Wohnungseigentümergemeinschaft im Vorzugsrang und sodann in der bücherlichen Rangordnung mehreren (betreibenden) Pfandgläubigern Beträge, zuletzt an die Franz M***** GmbH (im Folgenden kurz: FM-GmbH den Meistbotsrest von 187.090,53 S (sowie 18,55 % aus dem Zinsenzuwachs) zu (= Punkt I B6 des Beschlusses). Zugleich verwies es die Zweitverpflichtete, die sowohl im vorliegenden Zwangsversteigerungsverfahren als auch im Verfahren, das zur Eintragung des Zwangspfandrechts der letztgenannten Gläubigerin geführt hatte, stets die Berechtigung der entsprechenden Grundbuchseintragung (mangels Titels bzw wegen unzulässiger Exekutionsart) bekämpft hatte, mit ihrer in der Meistbotsverteilungstagsatzung erörtertet und “als Widerspruch zu wertenden Eingabe vom ” gemäß § 231 EO auf den Rechtsweg.
Das Rekursgericht gab zwar mit - rechtskräftigem und bereits ausgeführtem - Beschluss vom (der als ON 93 in den Zwangsversteigerungsakten einliegt) dem Rekurs der Zweitverpflichteten gegen die erstinstanzliche Abweisung ihres Einstellungsantrags im genannten Verfahren zur zwangsweisen Pfandrechtsbegründung Folge und stellte dieses Verfahren unter Anordnung der Löschung der gegen beide Verpflichteten eingetragenen Zwangspfandrechte ein, gab allerdings mit dem am selben Tag gefassten, hier angefochtenen Beschluss dem Rekurs der Zweitverpflichteten gegen den Meistbotsverteilungsbeschluss (mit dem Abänderungsantrag, an die FM-GmbH keine Zuweisung vorzunehmen) nicht Folge. Da die Zweitverpflichtete im Zwangsversteigerungsverfahren keinen Aufschiebungsantrag gestellt habe, sei für das Erstgericht der Grundbuchsstand im Zeitpunkt der Meistbotsverteilung maßgebend gewesen; überdies sei die Eingabe der Zweitverpflichteten nicht als Widerspruch iSd § 213 EO zu werten (gewesen), weshalb der Rekurs nicht mit Erfolg auf Umstände gestützt werden könne, die in der Meistbotsverteilungstagsatzung mit Widerspruch geltend zu machen gewesen wären. Das Rekursgericht sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 52.000 S, nicht jedoch 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Rechtsfrage, ob - bei gesetzwidriger Verweisung einer verpflichteten Partei mit ihrem nicht formgerecht erhobenen Widerspruch auf den Rechtsweg - dem gegen den Meistbotsverteilungsbeschluss erhobenen Rekurs dieser verpflichteten Partei das “Rekursrecht nach Widerspruch” zuzuerkennen sei, noch nicht vom Obersten Gerichtshof entschieden worden sei.
Aus Anlass des zulässigen Revisionsrekurses der Zweitverpflichteten ist indessen die Nichtigkeit des vorliegenden Zwangsversteigerungsverfahrens ab der Meistbotsverteilungstagsatzung vom aus folgenden Gründen wahrzunehmen:
Die im Grundbuch mit einer Forderung gegen beide Verpflichteten von 122.500 S samt 10,25 % Zinsen seit , Kosten von 14.335,06 S samt 4 % Zinsen seit und weiteren Kosten von 5.552,71 S und 6.549,95 S ausgewiesene Hypothekargläubigerin “G***** GmbH” war am erstinstanzlichen Zwangsversteigerungsverfahren bis zur Zustellung der Zuschlagserteilung am (Rückschein bei ON 50) beteiligt. Anlässlich der (versuchten) Zustellung der Ladung zur Meistbotsverteilungstagsatzung vom nahm das Erstgericht den mit dem Vermerk “(Empfänger) besteht nicht mehr” eingelangten Postfehlbericht durch Einlegen des selben in die Akten “zur Kenntnis” (ON 75). Als anlässlich der Zustellung des Meistbotsverteilungsbeschlusses an diese Pfandgläubigerin ein gleichartiger Postfehlbericht einlangte, verfügte der Erstrichter am den Anschluss eines Firmenbuchauszugs (ON 83). Aus diesem geht hervor, dass über das Vermögen dieser Pfandgläubigerin mit Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 20 S 109/99a-3, der Konkurs eröffnet wurde, die Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkurses aufgelöst ist, sowie dass der Konkurs mit Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 20 S 109/99a-33, nach rechtskräftiger Bestätigung des am angenommenen Zwangsausgleichs gemäß § 157 Abs 1 KO aufgehoben wurde (ON 84).
Ohne weitere Klärung der rechtlichen Existenz dieser Gesellschaft und/oder der für sie vertretungsberechtigten Person(en) (siehe dazu die Rechtsprechungshinweise in der Vorentscheidung des erkennenden Senats vom , ON 98) nahm das Erstgericht auch den nach der (versuchten) Zustellung des zweitinstanzlichen Beschlusses vom eingelangten gleichartigen Postfehlbericht zu den Akten (ON 94) und legte den von der Zweitverpflichteten erhobenen Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
Zur Meistbotsverteilungstagsatzung sind gemäß § 209 Abs 2 EO alle an der versteigerten Liegenschaft dinglich Berechtigten - darunter jedenfalls alle Pfandgläubiger - zu laden. Dies traf - wie das Erstgericht im Ansatz ohnedies richtig erkannte - hier auf die G***** GmbH zu, die beim Ausfall der FM-GmbH als nächste Pfandgläubigerin zum Zug gelangt wäre. Die Vorgangsweise des Erstgerichts, die oben näher beschriebenen Postfehlberichte in Ansehung der G***** GmbH nur zum Akt zu nehmen, ohne iS der Ausführungen des Beschlusses des erkennenden Senats ON 98 eine Zustellung an diese GmbH zu Handen einer vertretungsberechtigten Person oder eines zu bestellenden Vertreters vorzunehmen, entsprach nicht dem Gesetz. In Entsprechung des Beschlusses des erkennenden Senats ON 98 bestellte der Erstrichter für die G***** GmbH mit Beschluss vom einen Kurator und stellte diesem den Meistbotsverteilungsbeschluss ON 82 am zu. Der Kurator erhob dagegen fristgerecht Rekurs an die zweite Instanz (ON 116). Da somit - ungeachtet des Umstands, dass in diesem Rekurs die Nichtigkeit des Verteilungsverfahrens nicht ausdrücklich geltend gemacht wurde - der Meistbotsverteilungsbeschluss gegenüber der G***** GmbH nicht in Rechtskraft erwuchs und die oben dargelegte Nichtigkeit daher auch nicht geheilt wurde, ist dieser Umstand aus Anlass des vorliegenden Revisionsrekurses der Zweitverpflichteten vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen. Da diese Pfandgläubigerin durch ungesetzlichen Vorgang am Verhandeln in der Meistbotsverteilungstagsatzung vom gehindert und insoferne in ihrem rechtlichem Gehör verletzt wurde (§ 78 EO,§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO; siehe auch Angst in Angst, EO, § 209 Rz 5 mwN), muss dies zur Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse wegen Nichtigkeit sowie zur Nichtigerklärung des Verfahrens ab Durchführung der Meistbotsverteilungstagsatzung führen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm § 51 Abs 2 ZPO.