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OGH vom 14.06.2017, 7Ob225/16p

OGH vom 14.06.2017, 7Ob225/16p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** C*****, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 250.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 28/16y-61, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Handelsgericht vom , GZ 28 Cg 27/13k-52, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „N***** GmbH“ richtiggestellt.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte hat am , im Firmenbuch eingetragen am , ihre Firma von A***** GmbH auf N***** GmbH geändert (FN *****). Dies war gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.

Zu II.:

Der Beklagten wurden für die Dauer von jeweils zehn Jahren gemäß §§ 9 und 15 Wr VeranstaltungsG Konzessionen „zum Betrieb von Münzgewinnspielapparaten“ in Automatenhallen in Wien erteilt, und zwar mit Bescheid vom am Standort P***** für 250 Stück, mit Bescheid vom am Standort P***** für 150 Stück, mit Bescheid vom am Standort P***** für 137 Stück, mit Bescheid vom am Standort B***** für 204 Stück und mit Bescheid vom am Standort B***** für 86 Stück. Keinem dieser Bescheide ist zu entnehmen, welche konkreten Gerätetypen für den jeweiligen Standort bewilligt wurden. Nach „Begründung“ und „Rechtsmittelbelehrung“ befindet sich in allen Bescheiden unter der Überschrift „Hinweise“ jeweils die Wortfolge:

„Gemäß § 15 Abs 1 zweiter Satz leg cit sind im Sinne dieses Gesetzes Spielautomaten, die die Entscheidung über Gewinn und Verlust (mechanisch oder elektronisch), ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig, herbeiführen, die aber wegen der Begrenzung des – nicht unter Verwendung von Bankomat- oder Kreditkarten – zu leistenden Einsatzes und Gewinnes nicht unter das Glückspielmonopol (§ 1 Abs 2 Z 7) fallen.

Andere Spielapparate als die im § 15 Abs 1 leg cit sind von dieser Konzession nicht umfasst.

Diese Konzession ersetzt nicht eine allenfalls nach anderen bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften einzuholende Genehmigung.“

Für die Einreichung beim (durch LGBl 1999/58 mit § 15 Abs 1a, 1b und 1c Wr VeranstaltungsG, LGBl 1971/12, eingeführten) Wiener Spielapparatebeirat verwendete die Beklagte ein Formular, bei dem um die Typisierung der Apparate ersucht wurde, wobei die einzelnen Apparate nach der vom Hersteller, Importeur oder Generalvertreter gewählten bzw am Gerät oder Bildschirm aufscheinenden Bezeichnung angeführt und ein Gutachten gemäß den Mindestvorgaben des Spielapparatebeirats beigelegt wurden.

Der Kläger hatte bereits Ende der 1990er Jahre beim Automatenspiel innerhalb von drei bis vier Monaten einen zum Teil kreditfinanzierten Betrag von 400.000 ATS verspielt und danach für einige Jahre mit dem Spielen aufgehört. 2004 oder 2005 begann der Kläger wieder auf Automaten zu spielen. Ungefähr gleichzeitig begann er mit dem Pokerspielen und gewann dabei aufgrund seines Talents einige größere Turniere mit Gewinnen von mehreren zehntausend Euro. Einen Großteil dieser Gewinne wie auch die Gewinne aus dem Automatenspiel verspielte er wiederum in Automatenhallen. Zum Teil stammte das Geld auch aus Darlehen von Banken und von Freunden; insgesamt betragen diese Schulden des Klägers etwa 200.000 EUR. Am gewann der Kläger ein großes Pokerturnier, das mit 250.000 EUR dotiert war. Bis auf einen geringen Betrag, mit dem er nach dem Turnier seinen Sieg feierte, und 1.000 EUR, die er seiner geschiedenen Frau und seinem Stiefsohn gab, verspielte er den gesamten Betrag bei Automatenspielen der Beklagten. In der Zeit von seinem Turniersieg bis September 2013 verlor er somit zumindest 250.000 EUR.

Der Kläger spielte in den Jahren 2010 bis 2013 in Automatenhallen der Beklagten überwiegend in Wien ***** durchwegs an den Glücksspielautomaten „B*****“, „L*****“, „L*****“, „B*****“, „D*****“ und „F*****“, wobei nicht festgestellt werden konnte, wann er genau in welcher der Spielhallen der Beklagten auf welchen Automaten wie lange spielte und welche Beträge er dabei jeweils verspielte. Welche Spielautomaten konkret in welcher Spielhalle in welcher Zahl aufgestellt waren, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.

Sämtliche Spielautomaten, auf denen der Kläger spielte, wurden vom Spielapparatebeirat letztlich in die Liste seiner „Positivempfehlungen“ aufgenommen. Hinsichtlich der Bescheide vom und vom kann der Behörde keine Stellungnahme des Spielapparatebeirats vorgelegen sein, da dessen erste Empfehlung im Oktober 2007 abgegeben wurde. Hinsichtlich der Apparate „L*****“ und „F*****“ konnte bei keinem der Bescheide eine Empfehlung vorliegen, da diese erst in der Sitzung vom erstattet wurde.

Der Kläger war zumindest im relevanten Zeitraum von Mai 2012 bis September 2013 spielsüchtig, er „litt unter der psychiatrischen Diagnose pathologisches Glücksspiel“. Dabei konnte er aber vor Beginn der Glücksspielsitzungen jeweils die Bedeutung der Glücksspielverträge und die damit verbundenen Risiken einschätzen und seinen Willen, zu spielen oder nicht zu spielen, bestimmen. Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war also grundsätzlich gegeben. Ob der Kläger nach Beginn der Spielsitzungen bei einzelnen Spielvorgängen einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit unterlag, also so in das Spiel „hineinkippte“, dass ihm in weiterer Folge die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit fehlte, kann nicht festgestellt werden.

Mitarbeiter der Beklagten sahen, dass der Kläger häufig lange Spielsitzungen absolvierte – häufig acht bis zehn, manchmal auch über vierzig Stunden – und „es musste für sie auch erkennbar sein, dass er dabei sehr hohe Geldbeträge verspielte“. Maßnahmen im Sinne der Aufforderung, mit dem Spielen aufzuhören, eine Spielerberatung aufzusuchen, Sperren oder Hausverbot wurden nicht gesetzt.

Der Kläger begehrte 250.000 EUR aus dem Titel Schadenersatz und (unter Hinweis auf die Entscheidung 6 Ob 118/12i) auch aus dem Titel Bereicherungsrecht. Die Automatenspiele, bei denen er im Zeitraum September 2010 bis September 2013 zumindest den Klagsbetrag verloren habe, hätten unzulässigerweise die Betragsgrenzen des § 4 Abs 2 GSpG – maximal 0,50 EUR Einsatz, maximal 20 EUR Gewinn – überschritten. Der Spielapparatebeirat nach dem Wr VeranstaltungsG sei keine Behörde; eine Spielstättengenehmigung bedeute nicht eine Genehmigung für das Aufstellen konkreter Apparate. Der Kläger sei spielsüchtig, er habe in seinen „Spieltriebphasen“ Kokain und Alkohol zu sich genommen; er sei zumindest zum Zeitpunkt der Spiele partiell geschäftsunfähig gewesen, was der Beklagten bekannt gewesen sei, ohne dass sie ihm Spielverbot erteilt hätte. Der Beklagten seien seine Spielsucht und der Umstand, große Geldmengen verspielt zu haben, bekannt gewesen. Sie wäre verpflichtet gewesen, ihm ein Spielverbot zu erteilen. Der Kläger habe Beziehungen letztlich durch Scheidung verloren, die wohl allesamt durch seine Spielsucht negativ beeinflusst gewesen seien. „In der Gesamtschau waren Selbstverwahrlosungs- und Fremdverwahrlosungstendenzen sehr wohl vorhanden“; er habe zum Beispiel keinen Unterhalt für sein Kind bezahlt und all seine Beziehungen seien auch infolge seiner Spielsucht gescheitert. Der Kläger leide bereits seit längerem an einer massiven Beeinträchtigung der Schlafqualität und -dauer, er könne nur mehr ein bis zwei Stunden durchschlafen. Er habe versucht, vor Freunden den Schein zu wahren, er sei nicht spielsüchtig.

Die Beklagte brachte vor, ihre Produkte seien mehrfach lizensiert und genehmigt. Ihre Spiele entsprächen den Vorgaben des GSpG und des Wr VeranstaltungsG. Die für ihre Spielapparate vorliegenden Empfehlungen und Typisierungen von Ausspielungen durch den Spielapparate-beirat sowie die von der zuständigen Magistratsabteilung 36 erteilten Betriebsstättengenehmigungen seien als verwaltungsbehördliche Bescheide zu qualifizieren, woran die Zivilgerichte gebunden seien. Spielsucht des Klägers liege nicht vor, sie wäre der Beklagten auch nicht bekannt gewesen. Sie sei nicht verpflichtet, Identität oder Bonität eines Spielers zu prüfen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Kläger sei nicht geschäftsunfähig gewesen. Er habe nicht einmal vorgebracht, dass er selbst bei der Beklagten eine Sperre begehrt hätte. Die Handlungspflichten des § 25 Abs 3 GSpG hätten den Betreiber von Automatenglücksspiel nicht getroffen; die Verpflichtung zu Spielsucht vorbeugenden Maßnahmen sei erst mit § 5 Abs 3 GSpG idF der GSpGNov 2010, BGBl I 2010/73, eingeführt worden. Aufgrund der Übergangsbestimmungen zur GSpG-Nov 2010 habe die Beklagte keine Spielerschutzmaßnahmen treffen müssen. Ein Anlass, § 25 Abs 3 GSpG analog anzuwenden, bestehe daher mangels einer planwidrigen Lücke nicht. Dass die Beklagte von einer Existenzgefährdung des Klägers gewusst hätte oder wissen hätte müssen, habe er nicht einmal vorgebracht. Im Übrigen ergebe sich eine Existenzgefährdung des Klägers auch objektiv nicht einmal aus seinem Vorbringen, würden die Verluste doch überwiegend aus seinem beträchtlichen Zusatzeinkommen durch Pokergewinne stammen. Somit habe für die Beklagte keine mit einer zivilrechtlichen Haftung bewehrte Veranlassung bestanden, den Kläger am weiteren Spiel zu hindern oder irgendwie auf ihn einzuwirken, wenn ihr auch die Häufigkeit seiner Spiele und die Größenordnung seiner Verluste zumindest bekannt sein musste. Die landesbehördliche Konzession für die Spielstätten der Beklagten und die für alle Automaten der Beklagten bestehende Positivempfehlung des Spielapparatebeirats seien der Beurteilung durch die Zivilgerichte entzogen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Kläger habe in erster Instanz weder behauptet, dass er durch die Spielverluste (etwa durch das Eingehen von Schulden oder den Verlust seines Arbeitsplatzes oder dergleichen) in seiner Existenz gefährdet gewesen wäre (immerhin habe er wiederholt große Geldbeträge beim Pokern gewonnen), noch dass und aufgrund welcher Wahrnehmungen es den Mitarbeitern der Beklagten möglich gewesen wäre, dies zu erkennen. Darauf, dass gravierende psychische Probleme zu einer leicht erkennbaren völligen Verwahrlosung des Klägers geführt hätten, habe er sich in erster Instanz nicht gestützt, sondern im Gegenteil darauf verwiesen, er habe versucht, Freunden gegenüber den Schein zu wahren, nicht spielsüchtig zu sein, was eine äußerlich erkennbare völlige Selbstverwahrlosung ausschließe. Dass die Zivilgerichte an Konzessionsbescheide nach dem Wr VeranstaltungsG gebunden seien, entspreche ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien und stehe im Einklang mit zum Stmk VeranstaltungsG ergangener Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, ungeachtet des Umstands, dass nach Wiener Recht – anders als in der Steiermark – die Automaten in den Bescheiden nicht individualisiert würden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Bewilligungsumfang von Konzessionsbescheiden nach dem Wr VeranstaltungsG fehle.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grund zulässig; sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Die Revision enthält zum Teil Ausführungen, die sich offenbar auf ein anderes Verfahren beziehen und daher unbeachtlich sind.

2. Die vom Revisionswerber behauptete Aktenwidrigkeit sowie eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen – wie vom Obersten Gerichtshof geprüft wurde – nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

3. Zum vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruch:

3.1. Nach der Rechtsprechung bezweckt § 25 Abs 3 GSpG nicht bloß den Schutz öffentlicher Interessen, sondern verfolgt zumindest auch den Schutz der (Vermögens-) Interessen des einzelnen Spielers mit (RIS-Justiz RS0111940). Mit dieser Vorschrift ist ein Spieler, der unter Nachweis seiner Identität in einer Spielbank Zutritt findet, dagegen geschützt, dass seine wirtschaftlichen und damit auch sozialen und familiären Grundlagen zerstört werden. Eine Verletzung der Norm kann daher auch einen Schadenersatzanspruch des Spielers zur Folge haben (RISJustiz RS0111940 [T1, T 5, T 9]); es handelt sich um ein Schutzgesetz zugunsten der Spielbankbesucher (RIS-Justiz RS0111940 [T2]). Zu ersetzen ist der durch den rechtswidrigen und schuldhaften Verstoß gegen diese Schutznorm adäquat und kausal herbeigeführte Schaden (RISJustiz RS0111940 [T4]).

3.2. Die Rechtsprechung lehnt eine analoge Anwendung von § 25 Abs 3 GSpG auf elektronische Lotterien mangels planwidriger Lücke ab, weil diese Bestimmung nur Spielbanken, also „terrestrische Casinos“, in die Pflicht nehmen will, obwohl der Gesetzgeber von der Möglichkeit des Spielens im Internet wusste (6 Ob 61/12g mwN = RISJustiz RS0111940 [T10]).

3.3. Nach § 60 Abs 25 Z 2 GSpG idF der – am im BGBl kundgemachten und daher am in Kraft getretenen – GSpG-Nov 2010, BGBl I 2010/73, dürfen unter anderem Glücksspielautomaten, die aufgrund landesgesetzlicher Bewilligung gemäß § 4 Abs 2 GSpG idF vor der GSpG-Nov 2010 zugelassen worden sind, längstens bis zum Ablauf des betrieben werden (Übergangszeit).

Soweit sich die Revision auf eine Verfassungswidrigkeit dieser Übergangsbestimmungen stützen möchte, ist darauf zu verweisen, dass sich der VfGH damit bereits mehrfach beschäftigt (VfSlg 19.972/2015, 20.011/2015) und festgehalten hat, dass diese Fristen ein taugliches Mittel für die vom Bundesgesetzgeber verfolgten öffentlichen Interessen der Erhöhung des Spielerschutzes darstellen.

3.4. Aus der dargelegten Rechtsprechung im Zusammenhalt mit der Neuregelung des nicht vom Bundesmonopol erfassten Glücksspiels durch die GSpGNov 2010 und den diesbezüglichen Übergangsfristen, welche ein Weiterbetreiben nach den bis dahin geltenden landesgesetzlichen Regeln und Bewilligungen erlaubten, ist der Schluss zu ziehen, dass keine Grundlage dafür besteht, den von § 25 Abs 3 GSpG verfolgten Zweck auf die nach allgemeinem bürgerlichen Recht zu beurteilenden Schutz- und Sorgfaltspflichten zu übertragen und somit die Bestimmung quasi „durch die Hintertür“ dennoch einzuführen und anzuwenden (6 Ob 61/12g = RISJustiz RS0013922 [T2]). Auch in der vorliegenden Fallkonstellation ist keine Gesetzeslücke erkennbar und somit eine analoge Anwendung von § 25 Abs 3 GSpG auf das hier zu beurteilende Automatenglücksspiel nicht angezeigt.

3.5. In Ansehung des § 3 GSpG hat die Rechtsprechung klargestellt, dass auch diese Bestimmung den Schutz der (Vermögens-)Interessen der einzelnen Spieler jedenfalls dann zumindest mitverfolgt, wenn eine Ausspielung mittels Spielautomaten mangels Erfüllung der kumulativen Voraussetzungen der Z 1 und 2 des § 4 Abs 2 GSpG in das Glücksspielmonopol eingriffe (6 Ob 118/12i = RIS-Justiz RS0111940 [T11] = ecolex 2013/388, 973 [zust Wilhelm]).

3.6. Was die Beklagte – unter Außerachtlassung von § 25 Abs 3 GSpG – treffende Schutz- und Sorgfaltspflichten betrifft, wurde zu 6 Ob 61/12g, ecolex 2013/115, 315 (krit Wilhelm), ausgeführt, dass die Rechtsordnung im Allgemeinen den Vertragspartnern von Süchtigen keine Pflichten dergestalt auferlegt, diese vor ihrer Sucht und der damit verbundenen Selbstschädigung zu schützen. Der Schutz der Süchtigen wird vom Gesetzgeber einerseits (nur) dort verfolgt, wo Verbotsnormen (zB das SMG) bestehen, andererseits dadurch, dass Rechtsgeschäfte eines Süchtigen, der (wegen seiner Sucht) geschäftsunfähig ist, unwirksam sind und dadurch dem Süchtigen zur Rückabwicklung eines unwirksamen Rechtsgeschäfts Bereicherungsansprüche zustehen. Auch P. Bydlinski (Zivilrechtsfragen des „kleinen“ Automatenglücksspiels, ÖJZ 2008, 697 [704, 706, 709]) vertrete die Ansicht, beim Automatenglücksspiel, auf das § 25 Abs 3 GSpG nicht anwendbar sei, treffe (sofern sonst keine speziellen Schutznormen für Spieler bestehen) den Betreiber gegenüber dem Spieler nur in „Extremfällen“ eine Haftung, etwa bei positiver Kenntnis des Betreibers von der Existenzgefährdung durch das Glücksspiel.

3.7. Zur Frage der Existenzgefährdung des Klägers haben schon die Vorinstanzen zutreffend darauf hingewiesen, dass dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers kein substanziierter Hinweis darauf zu entnehmen ist, dass eine solche Existenzgefährdung vorlag, zumal den klagsgegenständlichen Verlusten die gleich hohen Pokergewinne gegenüberstehen; er hat auch keine Behauptungen zu konkreten Umständen aufgestellt, aus denen die Beklagte auf seine Existenzgefährdung hätte schließen können. Dass sie der Beklagten bekannt gewesen wäre, ist aus den Feststellungen auch nicht ableitbar. Damit fehlt eine Grundlage für eine Haftung auslösende vorvertragliche Handlungspflicht der Beklagten.

3.8. Eine schadenersatzrechtliche Haftung der Beklagten wegen Verletzung einer vor- oder nebenvertraglichen Handlungspflicht (vgl RIS-Justiz RS0013922) kommt damit nicht in Betracht.

4. Weiters macht die Revision geltend, dass die vom Kläger bespielten Apparate gesetz- und konzessionswidrig gewesen wären. Sie hätten ein Überschreiten der 50-Cent-Grenze pro Spiel erlaubt und seien keine Münzgewinnspielapparate im Sinne der Konzessionsbescheide gewesen. Das Gericht habe zu prüfen, ob die Apparate den gesetzlichen Spielerschutzbestimmungen entsprochen hätten. Die zwischen den Parteien geschlossenen Spielverträge hätten gegen gesetzliche Verbote verstoßen und seien daher nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Es werde ein Bereicherungsanspruch geltend gemacht.

4.1. Gemäß § 3 GSpG ist das Recht zur Durchführung von Glücksspielen, soweit nichts anderes bestimmt wird, dem Bund vorbehalten (Glücksspielmonopol). Nach § 4 Abs 2 GSpG idF vor der GSpG-Nov 2010, BGBl I 2010/73, unterlagen Ausspielungen mittels eines Glücksspielautomaten nicht dem Glücksspielmonopol, wenn die vermögensrechtliche Leistung des Spielers nicht den Betrag oder den Gegenwert von 0,50 EUR und der Gewinn nicht den Betrag oder den Gegenwert von 20 EUR überstieg. § 3 GSpG verfolgt auch den Schutz der (Vermögens-) Interessen der einzelnen Spieler, wenn die Ausspielung mittels Spielautomaten mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs 2 GSpG in das Glücksspielmonopol eingriffe (6 Ob 118/12i, RIS-Justiz RS0128696; RS0111940 [T11]). Nach § 4 Abs 2 GSpG in der nunmehr geltenden Fassung unterliegen Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten nach Maßgabe des § 5 GSpG nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes.

4.2. Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner Entscheidung vom , 6 Ob 124/16b, mit einem dem vorliegenden vergleichbaren, ebenfalls nach dem Wr VeranstaltungsG zu beurteilenden Fall auseinandergesetzt und zu auch hier relevanten Rechtsfragen eingehend Stellung genommen.

Er führte zusammengefasst aus, dass Gerichte an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden gebunden sind, und zwar selbst dann, wenn diese Bescheide fehlerhaft (gesetzwidrig) sein sollten, und der Zivilrichter einen Bescheid nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit zu prüfen hat; die Bindung an Verwaltungsakte schließt auch die Prüfung aus, ob diese durch das Gesetz (noch) gedeckt sind. Während der Entscheidung 1 Ob 161/15f ein Sachverhalt zugrunde lag, wonach eine steirische Bezirkshauptmannschaft als Bewilligungsbehörde im Spruch der „Bescheinigung“ detailliert die genehmigten Automaten einzeln mit Typenbezeichnung, Gerätenummer und Bewilligungsgutachten anführte, hat die Wiener Verwaltungsbehörde der Beklagten nur den Betrieb einer jeweils bestimmten Anzahl von „Münzgewinnspielautomaten“ gestattet. Weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des Bescheids geht hervor, welche Art von Automaten davon erfasst sein sollten. Der durch § 15 Abs 1a Wr VeranstaltungsG für die Abgabe fachlicher Empfehlungen zur „Typisierung eines Spielapparats im Sinne der Unterscheidung nach Abs 1 [und] zur Funktionalität“ eingerichtete „Spielapparatebeirat“ (dessen Aufgabenbereich in der SpielapparatebeiratsV der WrLReg, Wr LGBl 2000/43, näher geregelt wurde) hatte zu beurteilen, ob Spielapparate nach ihrem Gerätetyp und ihrer Funktionalität in die Kategorie der Unterhaltungsspielapparate (§ 15 Abs 1 Satz 1 Wr VeranstaltungsG) oder der Münzgewinnspielapparate (§ 15 Abs 1 Satz 2 Wr VeranstaltungsG) fallen (§ 5 Abs 1 Z 1 SpielapparatebeiratsV), und ob der Betrieb derartiger Apparate mit Darstellungen, Szenen oder Spielerlebnissen die Aggressionen und Gewalt fördern, kriminelle Handlungen verherrlichen oder Tötungshandlungen oder pornografische Aktivitäten beinhaltet, und das Ergebnis dieser Prüfung nach § 5 Abs 2 SpielapparatebeiratsV in eine fortlaufend aktualisierte Liste aufzunehmen. Der Spielapparatebeirat ist aber keine Behörde. Es kann dahinstehen, ob nach der Absicht des Bescheidverfassers die im Konzessionsantrag mit Namensbezeichnung genannten Gerätetypen bewilligt werden sollten. Der der Bescheidbegründung zuzurechnende rechtliche „Hinweis“, wonach andere Spielautomaten als die in § 15 Abs 1 Wr VeranstaltungsG genannten von dieser Konzession nicht umfasst seien, indiziert, dass eine Pauschalbewilligung für eine bestimmte Anzahl von Automaten an bestimmten Standorten erlassen wurde, soweit diese der gesetzlichen Definition eines Münzspielautomaten entsprechen. Dies hatte für die Beklagte den Vorteil, dass sie die Automaten jederzeit gegen andere zulässige Geräte austauschen kann; andererseits führt diese Bescheidformulierung dazu, dass sie sich nicht auf eine verwaltungsbehördliche Genehmigung einzelner Gerätetypen berufen kann.

4.3. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Auch für den vorliegenden Fall gilt, dass die der Beklagten erteilten Konzessionsbescheide nach dem Wr VeranstaltungsG keine bindende Wirkung für die Zivilgerichte dahin entfalten, dass auch die an den jeweiligen Standorten konkret aufgestellten Spielautomaten verwaltungsbehördlich genehmigt wären. Die Gerichte sind vielmehr dazu aufgerufen, eigenständig zu überprüfen, ob die jeweiligen Apparate den gesetzlichen Vorgaben insbesondere des § 4 Abs 2 GSpG und den Konzessionen entsprachen (vgl VwGH 2013/17/0685; 2012/17/0023).

4.4. Auf die von der Beklagten aufgestellte Behauptung, die Spielapparate seien nach Bescheiderlassung ausgetauscht oder technisch verändert worden, kommt es daher nicht an. Die Konzessionsbescheide beziehen sich nicht auf die konkret aufgestellten Automaten selbst, sondern nur auf deren Anzahl. Es ist daher nur relevant, welche Automaten tatsächlich aufgestellt waren.

4.5. Bislang stehen zwar die Spielautomatentypen fest, an denen der Kläger Verluste erlitt. Ausgehend von ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht trafen die Vorinstanzen jedoch keine konkreten Feststellungen zu den Spielabläufen, insbesondere welche Einsätze und Gewinne bei diesen Apparaten möglich waren, um beurteilen zu können, ob diese Automaten jeweils den Vorgaben des GSpG und des Wr VeranstaltungsG entsprachen oder sie in das Glücksspielmonopol des Bundes eingriffen. Das Erstgericht wird daher zu prüfen und festzustellen haben, ob die konkreten Spiele (oder bestimmte ihrer Funktionen) der Apparate, bei denen der Kläger verlor, gegen § 3 GSpG sowie gegen die Bagatellgrenzen des § 4 Abs 2 GSpG verstießen, ob also jeweils die vermögensrechtliche Leistung des Spielers den Betrag oder den Gegenwert von 0,50 EUR oder der Gewinn den Betrag oder den Gegenwert von 20 EUR überstieg.

5. Sollte nach Ergänzung der Sachverhaltsgrundlage feststehen, dass die Spiele diesen Vorgaben nicht entsprachen, hat das Folgende zu gelten:

Die Durchführung einer Ausspielung ohne Konzession stellt ein verbotenes Glücksspiel dar. Nach der Rechtsprechung sind jene Spiele im Sinne des § 1174 Abs 2 ABGB verboten und damit nichtig im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB, die den in § 168 Abs 1 StGB und in § 1 Abs 1 GSpG angeführten Charakter haben, bei denen also Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen (6 Ob 124/16b; RIS-Justiz RS0102178, RS0038378). Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (6 Ob 124/16b; RIS-Justiz RS0025607 [T1]). Bereicherungsschuldner ist derjenige, dem der Spieler die Einsätze in Erfüllung mit ihm geschlossener, ungültiger Glücksspielverträge geleistet hat (6 Ob 124/16b mwN; RIS-Justiz RS0025607 [T4]).

Sollte nach Verfahrensergänzung davon auszugehen sein, dass ein verbotenes Glücksspiel vorlag, bestünde ein Bereicherungsanspruch zu Recht.

6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00225.16P.0614.000

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