OGH vom 25.10.2017, 6Ob140/17g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N*****, Deutschland, vertreten durch Neuwirth Neurauter Bohmann Rechtsanwälte in Wien, wegen 42.876 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 33/17k48, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 54 Cg 74/14g42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.215,44 EUR (darin 369,24 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin schloss mit der Beklagten, der Medizinischen Universität *****, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der B***** AG im Jahr 2010 einen Vertrag zur Errichtung des L***** Instituts für *****forschung (L*****) ab. Das L***** verfolgte einen gemeinnützigen Zweck, nämlich die Förderung der Forschung um Ursachen, Diagnostik und Behandlung der Krankheit der pulmonalen Hypertonie. Dass das L***** einen gemeinnützigen Zweck verfolgt, wird in der außerordentlichen Revision nicht mehr bestritten. Die Parteien vereinbarten eine Innengesellschaft, nach außen sollte das L***** als Teil der Klägerin auftreten.
Der zwischen den Gesellschaftern geschlossene Vertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
„7.1. Vertragslaufzeit
Dieser Vertrag ist bis zum befristet abgeschlossen und endet zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es einer Kündigung bedarf. […]
7.3. Beendigung durch Kündigung
7.3.1. Jeder Vertragspartner kann den Vertrag aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung aufkündigen. […]
7.3.2. Durch die Kündigung wird die Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern beendet; es sei denn, die übrigen Vertragspartner vereinbaren untereinander, das L***** weiterzuführen. […]
7.5. Weitere Rechtsfolgen einer Kündigung
7.5.1. Der Vertragspartner, der gekündigt hat oder der von der L***** GmbH hinausgekündigt wurde, scheidet zum Kündigungstermin aus diesem Vertragsverhältnis aus.
7.5.2. Wird das L***** durch die Kündigung beendet, nimmt der Vertragspartner, der gekündigt hat, an der Abwicklung (Punkt 9.) des L***** teil. Ansonsten sind dem ausgeschiedenen Vertragspartner zum Kündigungstermin seine, dem L***** zur Nutzung überlassenen Betriebsmittel (in-kind-Leistungen) einschließlich überlassener Mitarbeiter zurückzustellen. Die vom ausgeschiedenen Vertragspartner dem L***** zur Verfügung gestellten geheimen Forschungs- und Entwicklungsergebnisse (Punkt 3.2.3.) können für die Zwecke des L***** weiter verwendet werden. Der ausscheidende Vertragspartner hat keinen Anspruch auf Rückerstattung von Cash-Beiträgen, auch wenn solche bei einer späteren Abwicklung ausgeschüttet werden sollten. […]
9.1. Abwicklung der Betriebsmittel
Mit Beendigung dieses Vertrags sind die von Vertragspartnern dem L***** zur Nutzung überlassenen Betriebsmittel (in-kind-Leistungen), einschließlich überlassener Mitarbeiter, an den jeweiligen Vertragspartner zurückzustellen. Verbleibende Cash-Beiträge der Vertragspartner sind im Verhältnis der Beiträge der Vertragspartner aufzuteilen, sofern und soweit dadurch die Gemeinnützigkeit der L***** GmbH nicht gefährdet wird; allenfalls dann noch verbleibende Mittel sind in Absprache mit den Vertragspartnern so zu verwenden, dass bei Sicherung der Gemeinnützigkeit der L***** GmbH der Zweck des L***** bestmöglich gefördert wird. Weitere Ansprüche aufgrund der Beendigung des Vertrags bestehen zwischen den Vertragspartnern nicht. […]“
Die Beklagte hatte aufgrund dieses Vertrags in jährlichen Teilbeträgen insgesamt 400.000 EUR an Beitragszahlungen an die Klägerin zu zahlen und weitere mit 400.000 EUR bewertete in-kind-Leistungen an das L***** zu erbringen. Als in-kind-Leistungen entwickelte die Beklagte Geräte für das L*****, führte Messungen für die Klägerin durch und stellte Mitarbeiter zur Verfügung.
Mit Schreiben vom beendete die Beklagte wegen Unstimmigkeiten mit dem Vertragspartner B***** AG ihre Mitwirkung im L***** mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin nahm diese Kündigung zur Kenntnis. Das L***** wurde von den übrigen Vertragspartnern weitergeführt. Eine Abrechnung zum wurde nicht durchgeführt. Die Beklagte weigerte sich in weiterer Folge, den von der Klägerin geforderten offenen Betrag für das zweite Halbjahr 2013 zu zahlen. Dass die Beklagte zu wenig in-kind-Leistungen im Jahr 2013 erbracht hatte, wurde im weiteren Verfahren nicht mehr behauptet, auch die Gegenforderung der Beklagten bezüglich der Auszahlung der bisher erbrachten in-kind-Leistungen ist nicht mehr revisionsgegenständlich.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 42.876 EUR sA; in eventu die Zahlung dieses Betrags durch die Beklagte an die Gesellschafter des L***** zu Handen der Klägerin. Dabei handle es sich um den ausstehenden Betrag für das zweite Halbjahr 2013 bis zur Kündigung durch die Beklagte am . Alle anderen Vertragspartner hätten ihre Ansprüche der Klägerin zum Inkasso abgetreten. Der Vertrag enthalte eine abschließende Regelung über die Folgen des Ausscheidens eines Vertragspartners und sehe vor, dass kein Auseinandersetzungsguthaben auszuzahlen sei. Der Zweck der Zusammenarbeit sei auf Forschung und nicht auf Gewinn gerichtet gewesen. Die entsprechende Regelung im Vertrag sei nicht sittenwidrig. Dass bei einer Vollbeendigung, zu der es hier allerdings nicht gekommen sei, eine Aufteilung erforderlich sei, entspreche der Natur der Sache. Die Klägerin habe 60 % der Gesamtmittel in Cash aufgebracht.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Die Klägerin fordere von der Beklagten eine Einlage, dazu sei sie allein nicht aktiv klagslegitimiert. Jeder Gesellschafter habe einen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben; wegen dieses Anspruchs der Beklagten werde eine Gegenforderung von 50.000 EUR eingewendet. Die Bestimmung im Vertrag über das Ausscheiden eines Vertragspartners sei sittenwidrig, weil danach die übrigen Vertragspartner die Gesellschaft weiterführen könnten, um dem ausscheidenden Gesellschafter keine Cash-Beiträge zurückzahlen zu müssen. Nach Ansicht der Beklagten habe die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Kündigung einen Wert von 50.000.000 EUR gehabt. Der Abfindungsanspruch der Beklagten ergebe sich aus dem Verhältnis der geleisteten Beiträge der Gesellschafter untereinander, danach würde sich ein Abfindungsanspruch der Beklagten von 12.500.000 EUR errechnen.
Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung zur Gänze zu Recht besteht und die Gegenforderungen bis zur Höhe der Klagsforderung nicht zu Recht bestehen. Weiters wies das Erstgericht das Hauptbegehren ab, gab aber dem Eventualbegehren der Klägerin zur Gänze Folge. Das Erstgericht kam in seiner rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis, dass die Klägerin gemäß § 1188 ABGB nur zu dem eventualiter erhobenen Zahlungsbegehren zu Gunsten aller Gesellschafter berechtigt sei. Die Gegenforderungen seien nicht berechtigt, weil die Beklagte zum einen laut dem Vertrag keinen Anspruch darauf habe, von ihr erbrachte in-kind-Leistungen in Geld ersetzt zu erhalten, zum anderen ein Abfindungsanspruch eines ausscheidenden Gesellschafters im Vertrag ausgeschlossen worden sei. Eine derartige Regelung sei hier auch sachgerecht, die entsprechende Klausel sei daher weder sittenwidrig noch gröblich benachteiligend.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil. In der rechtlichen Beurteilung führt es aus, der Wortlaut des § 1188 ABGB regle nicht die Art und Weise, wie ein Gesellschafter seine Verpflichtung zu erfüllen hat, im Übrigen entspreche die Zahlung zu Handen der Klägerin dem Vertrag. Die Vertragsregelung sei nach § 914 ABGB auszulegen, demnach stehe der Beklagten keine volle Abgeltung der zur Verfügung gestellten Betriebsmittel zu, sie bekomme diese lediglich zurückgestellt. Es stehe ihr auch kein Abfindungsanspruch zu, da nach dem Wortlaut des § 1203 ABGB einem ausscheidenden Gesellschafter nur das zusteht, was ihm bei Auflösung der Gesellschaft zugestanden wäre. Im Vertrag sei aber geregelt, dass nur bei Abwicklung des L***** die verbliebenen Cash-Beiträge an die Gesellschafter auszuzahlen seien. Eine solche Verteilung bei einer Kündigung ohne Abwicklung des L***** sei im Vertrag jedoch explizit ausgeschlossen worden. Dieser Ausschluss einer Abfindung eines Gesellschafters sei zulässig und aufgrund des gemeinnützigen Zwecks der Gesellschaft auch sachlich gerechtfertigt. Die Beklagte habe zudem lediglich eine Abfindung aus dem Unternehmenswert gefordert, jedoch nie behauptet oder nachgewiesen, dass geleistete Cash-Beiträge, aus der sich eine etwaige Abfindung im Sinne der Abwicklungsregelung des Vertrags ergeben könnte, noch vorhanden wären.
Es sprach aus, dass die ordentlicheRevision nicht zulässig sei, da Fragen über die Vertragsauslegung in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten. Die Revision sei zulässig, weil es zur Frage, ob es mit § 1188 letzter Satz ABGB vereinbar sei, dass aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung ein Urteilsbegehren so formuliert werden darf, dass zwar an die einzelnen Gesellschafter jedoch „zu Handen der klagenden Partei“ zu bezahlen ist, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe; weil es zur Frage, auf welchen Zeitpunkt die Formulierung des § 1188 ABGB „aller Gesellschafter“ abziele, nämlich auf den Zeitpunkt der Entstehung der Schuld oder den Zeitpunkt der Klage nach § 1188 ABGB, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe, und weil das Berufungsgericht mit der rechtlichen Beurteilung, der vertragliche Ausschluss einer Abfindung bei Kündigung aus wichtigem Grund sei nicht sittenwidrig, von der herrschenden Rechtsprechung abgewichen sei und es zur neu kodifizierten Bestimmung des § 1203 ABGB noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).
2.1. Zwar kann grundsätzlich mangels eigener Rechtspersönlichkeit der GesbR Leistung nur an alle Gesellschafter verlangt werden (vgl RIS-Justiz RS0061635; 6 Ob 58/00y), jedoch ist in Ausnahmefällen die Leistung sogar direkt an den Gesellschafter zulässig (RIS-Justiz RS0061578). Im vorliegenden Fall ist die Leistung jedoch nicht an die Klägerin direkt, sondern nur zu ihren Handen zu erfüllen. Darüber hinaus entspricht die Zahlung an die Klägerin auch dem Vertrag. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der letzte Satz des § 1188 ABGB nur jede Einschränkung des Gesellschafters, die Erfüllung von die Gesellschaft betreffenden Verbindlichkeiten eines anderen Gesellschafters einzufordern, verbietet, ist nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht zu beanstanden. Zudem wurde im vorliegenden Fall überhaupt keine Vereinbarung bezüglich des § 1188 ABGB getroffen, sondern im Vertrag nur geregelt, an wen die Zahlungen („Cash-Beiträge“) zu leisten sind. Eine Einschränkung der Klagebefugnis oder der Art und Weise, wie solche Ansprüche geltend gemacht werden müssen, wurde nicht getroffen. Inwiefern die Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, dass die „Cash-Beiträge“ an die Klägerin zu zahlen sind, die Regelung des § 1188 ABGB
– wie die Beklagte vermeint – „aushebeln sollte“, ist nicht erkennbar.
2.2. Nach herrschender Rechtsprechung liegt der Auseinandersetzung bei Personengesellschaften das Prinzip der Gesamtabrechnung zugrunde. Alle dem Abfindungs- bzw Rückzahlungsanspruch zugrunde liegenden Einzelansprüche werden zu unselbständigen Abrechnungsposten und können daher nicht mehr selbständig geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0061834; 6 Ob 39/10v). Im vorliegenden Fall macht die Klägerin jedoch das Ergebnis der Auseinandersetzung geltend, weil der Beklagten – wie zu zeigen sein wird – kein Abfindungsanspruch zusteht und weitere Einzelansprüche zwischen der Beklagten und der Gesellschaft nicht behauptet wurden.
3.1. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung ist das Berufungsgericht auch bei der rechtlichen Beurteilung der Rückstellungspflicht bezüglich Sachleistungen („in-kind-Leistungen“) nicht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass der Beklagten keine Rückerstattung der in-kind-Leistungen in Geld zusteht. Zudem verweist es darauf, dass im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem ausgeschiedenen Gesellschafter die der Gesellschaft von diesem zur Benutzung überlassenen Sachen nach § 1203 Abs 1 ABGB zurückzustellen sind. Insofern sind diese auch ein Anspruch aus der Auseinandersetzung. Dass das Berufungsgericht diese Rückstellung als Ersatz für die Abfindung ansähe oder die Rückstellung in eine etwaige Berechnung eines Auseinandersetzungsguthabens miteinbeziehen wollte, ist der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht der klaren gesetzlichen Regelung und dem Wortlaut des Vertrags.
3.2. Vertragspunkt 9.1 schränkt die Ausgleichsansprüche, die einem Gesellschafter bei Beendigung des Instituts zukommen, generell ein. Daneben schließt Vertragspunkt 7.5.2 explizit solche Ansprüche bei Kündigung eines Gesellschafters und Fortbestehen des Instituts aus. Schon die vertragliche Regelung zur Abwicklung des Instituts kommt einem gänzlichen Ausschluss von Abfindungsansprüchen sehr nahe, weil die Vertragspartner am Anfang des auf vier Jahre befristeten Vertrags kaum abschätzen können, ob am Ende der Laufzeit überhaupt noch Bar-Beiträge übrig sind, die zur Verteilung gelangen. Sonstige Mittel sind nach dem Vertrag – entgegen dem Rechtsstandpunkt der Beklagten – nicht aufzuteilen, sondern zum bestmöglichen Nutzen für den Zweck des Instituts zu verwenden. Damit unterscheidet sich der anzuwendende Maßstab zwischen dem generellen Ausschluss nach Punkt 7.5.2 des Vertrags im Ergebnis kaum von der Einschränkung nach Punkt 9.1 des Vertrags.
3.3. Im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer GesbR steht nach § 1203 ABGB, welcher § 137 UGB nachgebildet ist (ErläutRV 270 BlgNR 25. GP 20) diesem ein Abfindungsanspruch zu. Ihm ist in Geld auszuzahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhielte, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Die Höhe des Abfindungsanspruchs ergibt sich im Rahmen der gesetzlichen Regelung aus zwei Faktoren, dem Wert des Gesellschaftsvermögens einerseits, dem Anteil des Ausscheidenden an diesem Vermögen andererseits. Die erste dieser Bezugsgrößen ist im Wege einer Abschichtungsbilanz (Auseinandersetzungsbilanz) zu ermitteln (Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 138 Rz 9). Wenn es jedoch – wie im vorliegenden Fall – zu keiner Feststellung einer Abschichtungsbilanz kommt, kann der Ausscheidende auf Leistung der Abfindung klagen.
3.4. Vereinbarungen, die die dargelegte gesetzliche Abfindungsregelung modifizieren, sind grundsätzlich zulässig. Unzulässig und unwirksam sind diese jedoch, soweit sie mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften oder außergesetzlichen Regeln unvereinbar sind, die dazu dienen, ein Minimum an Chancengleichheit zwischen den verbleibenden Gesellschaftern einerseits und den Ausgeschiedenen, den Erben und Gläubigern andererseits zu gewährleisten. So kann Drittbeeinträchtigung, insbesondere Gläubigerbeeinträchtigung, eine Abfindungsklausel sittenwidrig und damit unzulässig machen (RIS-Justiz RS0034714). In diesem Sinn wurde eine Regelung in der Satzung einer Personengesellschaft wegen Gläubigerbenachteiligung als sittenwidrig qualifiziert, wenn sie den Entgeltanspruch eines Gesellschafters im Wesentlichen nur für den Fall seines durch Konkurseröffnung bedingten Ausscheidens, nicht aber in einem vergleichbaren Fall auf weniger als den Verkehrswert beschränkt (RIS-Justiz RS0034714 [T4]). Als zulässig wurde jedoch ein vertraglicher Abfindungsausschluss bei Vertragsverletzungen im Zuge des Ausscheidens aus der Gesellschaft angesehen (6 Ob 85/14i).
4.1. Die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht jedoch – wie das Berufungsgericht zutreffend
erkannte – darin, dass der Zweck der befristeten Zusammenarbeit und der weiterhin fortbestehenden Gesellschaft ein gemeinnütziger ist. Durch diesen Zweck weicht die Gesellschaft entscheidend vom gesetzlichen Leitbild einer Gesellschaft ab, deren Zweck es üblicherweise ist, das Vermögen der Gesellschafter durch Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft zu vermehren (vgl Jaeger, DB 1997, 1607 f). Der Unterschied zeigt sich besonders deutlich im Fall der Liquidation, weil im vorliegenden Fall nur die noch vorhandenen Bar-Beiträge ausbezahlt werden und die sonstigen Mittel nach Absprache der Gesellschafter zum bestmöglichen Nutzen für Zwecke des Instituts, sohin zu einem gemeinnützigen Zweck, zu verwenden sind. Auch eine laufende Gewinnausschüttung oder die Zuwendung sonstiger monetärer Vorteile der Gesellschaft an die Gesellschafter sind nicht vorgesehen.
4.2. Auch nach Auffassung des BGH besteht für Gesellschaften mit ideellem Zweck eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unwirksamkeit des Ausschlusses von Abfindungsansprüchen. Die Beteiligung an einer solchen Gesellschaft diene nicht der Vermehrung des eigenen Vermögens, sondern altruistischen Motiven. Die Gesellschafter hätten der Sache nach die Stellung von Treuhändern, die zur uneigennützigen Verwendung des ideellen Zwecken gewidmeten Vermögens berufen seien. Eine ihnen persönlich zukommende Abfindung ließe sich damit schwer vereinbaren. Daraus leitet der BGH ab, dass die wirtschaftliche Freiheit des ausscheidenden Gesellschafters durch Ausschluss oder weitgehende Beschränkung der Abfindung nicht beeinträchtigt wird (BGH II ZR 81/96 = NJW 1997, 2592). Dieser Entscheidung lag ein Fall einer Gesellschaft zugrunde, die sich zum Ziel gesetzt hatte, gemeinschaftlich und alternativ zu wohnen und den Gesellschaftern und ihren Kindern bessere Lebensverhältnisse zu schaffen. Zu diesem Zweck erwarb, renovierte und verwaltete die Gesellschaft eine Liegenschaft. Bei Ausscheiden eines Gesellschafters sah der Gesellschaftsvertrag nur eine Auszahlung der geleisteten Einlage vor.
4.3. Von dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Sachverhalt unterscheidet sich der vorliegende Fall einerseits dadurch, dass die Gesellschaft auf vier Jahre befristet war, andererseits dadurch, dass der gemeinnützige Zweck in der Förderung der Forschung lag und die Gesellschaft keine dauerhafte Investition mit den Einlagen durchführte, sondern die Bar-Beiträge von Anfang an dafür bestimmt waren, verbraucht zu werden, und zwar konkret dafür, den gemeinnützigen gemeinsamen Zweck der Gesellschaft zu erfüllen. Dies ergibt sich in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit aus der Abwicklungsbestimmung des Punkt 9.1 des Vertrags sowie aus dem letzten Satz dieser Bestimmung, wonach auch verbliebene Mittel nicht ausbezahlt werden, sondern dem Zweck des Instituts gewidmet werden. Eine Rückzahlung der noch vorhandenen Bar-Beiträge vor Beendigung des Instituts wäre damit nicht vereinbar.
5.1. Entgegen der Revisionsansicht liegt auch kein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert, den der ausgeschiedene Gesellschafter im Fall, dass er nicht kündigt, sondern bis zur Beendigung des Instituts Gesellschafter bleibt, bekommen würde, und seinem Abfindungsanspruch vor, weil der Gesellschafter auch im Fall einer Vollbeendigung nur noch vorhandene Bar-Beiträge zurückerhalten würde.
5.2. Auch eine Ungleichbehandlung der Gesellschafter durch die vertragliche Ausgestaltung liegt nicht vor. Der Ausschluss des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters kann deshalb nicht zu einer Besserbehandlung der verbliebenen Gesellschafter im Fall der Auflösung des Instituts führen, weil diese auch dann nur ihre eigenen geleisteten und noch nicht verbrauchten Bar-Beiträge zurückerhalten und nicht solche, die die Beklagte geleistet hat. Dies ist auch durch die vertragliche Regelung in Punkt 9.1 („soweit dadurch die Gemeinnützigkeit der L***** GmbH nicht gefährdet wird“) sichergestellt. Gemäß § 39 Z 3 BAO ist Voraussetzung für die Gemeinnützigkeit unter anderem, dass die Mitglieder der Gesellschaft bei ihrem Ausscheiden oder der Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer Sacheinlagen zurückerhalten dürfen, der nach dem Zeitpunkt der Leistung der Einlagen zu berechnen ist.
6.1. Die vorliegende vertragliche Regelung ist daher aufgrund der besonderen Ausgestaltung der Gesellschaft und ihres gemeinnützigen Charakters nicht sittenwidrig oder gröblich benachteiligend.
6.2. Selbst wenn man dem nicht folgte, wäre eine ergänzende Vertragsauslegung dahin vorzunehmen, dass ausgeschiedene Gesellschafter an der Auszahlung der nicht verbrauchten Bar-Beiträge erst dann teilnehmen, wenn das Institut tatsächlich beendet ist, weil dann sichergestellt ist, dass der gemeinnützige Zweck nicht weiter erfüllt wird. Auch eine derartige Auslegung würde jedoch am Ergebnis im vorliegenden Fall nichts ändern, weil diesfalls die Bar-Beiträge noch nicht fällig wären und sich daher auch nicht zur Aufrechnung eigneten.
7. Zusammenfassend erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts daher als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.
8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00140.17G.1025.000 |
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