TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 28.11.1978, 4Ob390/78

OGH vom 28.11.1978, 4Ob390/78

Norm

Berner Übereinkunft Art 11 Abs 1;

Berner Übereinkunft Art 11 Abs 2;

Urhebergesetz § 18 Abs 1;

Urhebergesetz § 18 Abs 2;

Urhebergesetz § 53 Abs 1;

Urhebergesetz § 53 Abs 2;

Kopf

SZ 51/167

Spruch

Die Rundfunkwiedergabe geschützter Musikwerke in einem Saal mit mehr als 100 Arbeiterinnen, welche nur zum Teil verwandt oder gut befreundet sind, ist eine "öffentliche Aufführung" im Sinne des § 18 Abs. 1 und 3 UrhG. Kann durch eine solche Musikdarbietung eine gewisse Monotonie der Arbeit durchbrochen und damit die Arbeitsfreude gehoben und das allgemeine Betriebsklima verbessert werden, dann dient sie auch - mittelbar einem "Erwerbszweck" im Sinne des § 53 Abs. 1 Z. 3 UrhG

Die Wiederholungsgefahr ist bei Unterlassungsansprüchen nach dem Urheberrechtsgesetz nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen wie im Verfahren nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

(OLG Wien 3 R 115/78; KG Wr. Neustadt 2 Cg 1232/77)

Text

Die klagende Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger reg. Genossenschaft m. b. H. (AKM) behauptet, die Beklagte beschäftige in ihrem Zweigbetrieb in S etwa 140 Näherinnen. Sie übertrage an die Arbeitsplätze täglich Rundfunksendungen, in denen Musikstücke Werkbestand der Klägerin angehören, gebracht würden, ohne Werknutzungsbewilligung der Klägerin zu verfügen. Die Dienstnehmerinnen hätten auch die Möglichkeit, Schallplatten, die von zu Hause mitgebracht worden seien, am Arbeitsplatz abzuspielen. Diese Musikdarbietungen seien öffentlich, entgeltpflichtig und dienten jedenfalls zumindest indirekt einem Erwerbszweck.

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei die Unterlassung der öffentlichen Aufführung von Werken der Tonkunst, die durch die Zugehörigkeit des Textdichters, des Komponisten oder Musikverlegers zur klagenden Partei oder zu einer ihr durch Gegenseitigkeitsvertrag angeschlossenen ausländischen Urhebergesellschaft dem Werkbestand der klagenden Partei angehören, durch lebende Musik oder mechanische Musik welcher Art immer, soweit es hiezu der Einwilligung der Urheber bedarf.

Die beklagte Partei beantragt Abweisung des Klagebegehrens. Da es sich beim Einspielen von Musik in den Nähsaal ihres Betriebes in S um keine öffentliche Aufführung handle und die Aufführung jedenfalls nicht Erwerbszwecken, sondern der Unterhaltung der Angestellten diene.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest: Die Beklagte habe einen Erzeugerbetrieb in W und einen weiteren in S. Dort werden nur Näharbeiten durchgeführt und 110 bis 140 Näherinnen beschäftigt; die Fluktuationsrate betrage 15.2%. S liege im Burgenland an der ungarischen Grenze und habe rund 2600 Einwohner. Die Arbeitnehmerinnen arbeiten alle in einem einzigen Saal, zu dem sonst niemand Zutritt habe. Werksführungen werden in diesem Werk nicht durchgeführt. Auf Wunsch der Arbeiterinnen werde dort Musik eingespielt, und zwar vorwiegend die Sendungen Ö 3 "Milde Mischung" (Sendezeit 9.05 bis 10.05 Uhr) und "Beschwingt um 11" (Sendezeit 11.05 bis 12.00 Uhr). Es sei dies vorwiegend Musik von Komponisten, welche die Klägerin vertrete. Von der Zentrale in W sei zwar das Einspielen von Musik verboten worden, doch sei nicht bekannt, ob sich die Arbeitnehmer im Werk S daran halten. Die Arbeitnehmerinnen kommen überwiegend aus S. Soweit sie aus der Umgebung stammen, werden sie mit einem Firmenbus transportiert; sie seien teilweise untereinander verwandt bzw. auch gut bekannt.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß eine "öffentliche" Aufführung von Musikwerken durch die beklagte Partei nicht vorliege, weil der Raum, in den die Musik eingespielt werde, nur einem bestimmten Personenkreis, nämlich den darin beschäftigten Näherinnen, zugänglich sei und die Näherinnen überdies teils untereinander verwandt oder doch gut befreundet seien; sie verbrächten einen wesentlichen Teil ihres Lebens am Arbeitsplatz, und es erfolge auch die Fahrt zum und vom Arbeitsplatz gemeinsam, so daß sich zwangsläufig gute menschliche Kontakte ergeben.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der Wert des (von der Abänderung betroffenen) Streitgegenstandes 2000 S übersteigt. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, teilte aber die rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht nicht. Es war der Auffassung, daß die Musikdarbietungen "öffentlich" im Sinne des § 18 Abs. 1 UrhG seien, da sie keineswegs in privater Sphäre erfolgten. Der Teilnehmerkreis sei nicht durch ein reelles, persönliches Band verbunden und abgegrenzt. Es sei nur ein Teil der Teilnehmer untereinander verwandt oder doch gut bekannt; die Beziehungen der Teilnehmer zum Veranstalter seien rein dienstrechtlicher Art. Auch der Zweck, zu dem diese Arbeitnehmerinnen zusammenkommen, sei nicht privater Natur, weil der Grund dafür die berufliche Tätigkeit sei. Die Musikaufführungen seien von der Unternehmensleitung veranstaltet oder doch zumindest von ihr geduldet worden und dienten damit der Förderung eines guten Betriebsklimas. Wegen der darin gelegenen Förderung des Arbeitsfriedens und der Arbeitsfreude werde somit im Zweifel ein betrieblicher und damit ein Erwerbszweck verfolgt. Es liege daher auch keine Aufführungsfreiheit gemäß § 53 Abs. 1 Z. 3 UrhG vor, weil schon das Ausnahmetatbestandsmerkmal, daß die Aufführung "keinerlei Erwerbszwecken" diene, fehle. Eine Erörterung, ob auch auf § 53 Abs. 2 UrhG Bedacht zu nehmen wäre, sei daher entbehrlich.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Frage, ob die Musikstücke nur am oder öfter in den Nähsaal des Werkes in S eingespielt wurden und ob dies auch noch der Fall ist, ist für die Frage, ob eine Wiederholungsgefahr gegeben ist, unwesentlich, weil diese Frage bei Unterlassungsansprüchen nach dem UrhG nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen ist, wie im Verfahren nach dem UWG. Es darf somit auch hier bei der Annahme der Wiederholungsgefahr nicht engherzig vorgegangen werden; vielmehr ist eine solche Gefahr auch schon bei einem einmaligen Gesetzesverstoß anzunehmen, wenn keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine ernstliche Sinnesänderung des Verletzers dahin, daß er einen neuerlichen Verstoß nicht begehen werde, gegeben sind (ÖBl. 1976, 170 m. w. N.; 4 Ob 307/78, 4 Ob 345/78 u. a.). Den Wegfall der Wiederholungsgefahr hat die beklagte Partei zu beweisen. Diesen Beweis hat sie aber im vorliegenden Verfahren, in dem sie auf der Berechtigung zum Einspielen von Musik in den Arbeitsraum der Näherinnen ihres Betriebes nachdrücklich beharrte, nicht erbracht. Wiederholungsgefahr wurde daher mit Recht angenommen.

Es kommt somit entscheidend darauf an, ob die beklagte Partei mit dieser Musikdarbietung tatsächlich Aufführungsrechte der von der klagenden Partei vertretenen Urheber verletzte. Auch das wurde vom Berufungsgericht mit Recht bejaht:

Gemäß § 18 Abs. 1 und 3 UrhG hat der Urheber u. a. das ausschließliche Recht, ein Sprachwerk öffentlich vorzutragen oder aufzuführen oder ein Werk der Tonkunst öffentlich aufzuführen; zu den öffentlichen Aufführungen gehört auch die Benützung einer Rundfunksendung zu einer öffentlichen Wiedergabe des gesendeten Werkes durch Lautsprecher sowie die auf eine solche Art bewirkte Wiedergabe von Vorträgen oder Aufführungen eines Werkes außerhalb des Ortes, wo sie stattfinden. Der private Empfang einer Sendung ist demnach kein urheberrechtlicher Verwertungstatbestand, wohl aber ist es die öffentliche Wiedergabe der Sendung (ÖBl. 1972, 23 u. a.). "Öffentlich" ist eine Aufführung immer dann, wenn der Zutritt im wesentlichen jedermann freisteht, die Aufführung also nicht von vornherein auf einen in sich geschlossenen und nach außen hin begrenzten Kreis abgestimmt ist, aber auch dann, wenn die Veranstaltung zwar nicht allgemein zugänglich, aber der bestimmte oder bestimmbare Teilnehmerkreis nicht durch solche Beziehungen verbunden ist, die seine Zusammenkunft als solche der Privatsphäre erscheinen lassen; letzteres ist dort der Fall, wo der Kreis der Teilnehmer durch ein reelles, persönliches Band verbunden und durch wechselseitige Beziehungen untereinander oder zum Veranstalter nach außen hin abgegrenzt ist (ÖBl. 1974, 73 m. w. N.; Dittrich in ÖBl. 1975, 125).

Es wurde wiederholt in Lehre und Rechtsprechung betont, daß die Ausnahmen vom alleinigen Aufführungs- und Übertragungsrecht des Urhebers eng auszulegen sind (Dittrich in ÖJZ 1971, 228; Rintele n, Urheberrecht u. Urhebervertragsrecht, 152; Ulmer, Urheber- u. Verlagsrecht[2], 247; ÖBl. 1974, 73; BGH , NJW 1972, 1273). Dies wurde insbesondere damit begrundet, daß die Fälle der Aufführungsfreiheit eine besondere Begünstigung seien, die zur Vermeidung von Mißbräuchen und aus der Überlegung, daß dem Urheber im Zweifel ein Beteiligungsrecht am Ergebnis der weiteren Verwertung seines Schaffens zukommen muß, streng auszulegen seien. Die Ausnahmen sollen daher nur innerhalb eng gezogener Grenzen bestehen, da dem Schöpfer eines Werkes auch dessen wirtschaftlicher Wert gesichert werden soll. Dies wird dadurch bewirkt, daß der Urheber für die Gestattung der Werkvermittlung ein Entgelt verlangen kann, das vom Vermittler des Werkes durch die Einbeziehung in den Preis für das einzelne dem Werkbenützer zu überlassende (zu verkaufende) Vervielfältigungsstück auf diesen umgelegt werden kann. Der Preis eines Vervielfältigungsstückes und die im Regelfall darin enthaltene Vergütung für den Urheber ist aber auf den privaten Benützer und nicht auf eine Benützung durch einen größeren Personenkreis abgestellt (Dittrich in ÖBl. 1975, 125).

Dafür, daß der Begriff "öffentlich" weit zu fassen ist, um den Bereich der freien Nutzungen klein zu halten, spricht auch der Umstand, daß nach Art. 11 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886 (RBÜ - Brüsseler Fassung, BGBl. 183/1953; Stockholmer Fassung, BGBl. 378/1973; ebenso die Pariser Fassung) dem Urheber eines dramatischen, dramatisch-musikalischen oder musikalischen Werkes das Recht zur öffentlichen Aufführung und zur öffentlichen Übertragung allgemein vorbehalten wird; die Vertragsländer, zu denen auch Österreich gehört, haben die Möglichkeit, mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Allgemeinheit dieses Recht des Urhebers einzuschränken. Wenn auch über das Ausmaß, in welchem Umfang den Vertragsstaaten dieses Recht zusteht, keine einhellige Meinung besteht, so besteht doch Einigkeit darüber, daß diese Einschränkungen nur im notwendigen Ausmaß vorzunehmen sind und im Zweifel zugunsten des Aufführungs- und Verwertungsrechtes der Urheber entschieden werden muß (Dittrich, Österr. und internationales Urheberrecht, 303 Anm. 1 zu Art. 11 RBÜ PF; Hoyer in ZfRV 1974, 300 ff.; M. Walter in ÖBl. 1974, 77 ff.). Dieser Gesichtspunkt muß daher auch bei der Beurteilung, ob eine Aufführung "öffentlich" oder "privat" ist, beachtet werden.

Ob eine Veranstaltung "privat" oder "öffentlich" im Sinne des § 18 UrhG ist, kann in Grenzfällen nur nach den Umständen des Falles unter Berücksichtigung der Zahl der Teilnehmer, des Ausmaßes der persönlichen Beziehungen zwischen ihnen untereinander oder zwischen ihnen und dem Veranstalter und auch des Zweckes des Zusammenkommens beurteilt werden. Es kann somit weder eine bestimmte Anzahl der Teilnehmer als Grenze festgelegt werden, noch die Beurteilung bloß auf das Bestehen familiärer, verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Beziehungen oder bloß auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengemeinschaft (z. B. einem Verein, einer Betriebsgemeinschaft)oder auf den Bestand gleichgerichteter Interessen abgestellt werden (Dittrich in ÖBl. 1975, 126).

Bei einer Zusammenkunft, bei der den Teilnehmern Musik dargeboten wird, muß auch der Zweck dieser Zusammenkunft berücksichtigt werden. So wurde in der deutschen Praxis (über deren Verwertbarkeit für den österreichischen Rechtsbereich: ÖBl. 1974, 73 = ZfVR 1974, 296 und die Besprechung Hoyers dazu) im Fall "Alters-Wohnheim" (BGH , GRUR 1975, 33 mit zustimmender Besprechung von Bielenberg) die Öffentlichkeit einer Fernsehübertragung in einem Gemeinschaftsraum unter anderem auch damit begrundet, daß sich der Teilnehmerkreis trotz bestehender persönlicher Kontakte zwischen den Bewohnern des Heimes nicht auf Grund gegenseitiger, zu einer persönlichen Verbundenheit führender Beziehungen, sondern auf Grund der Nichtanschaffung eines Fernsehgerätes durch die einzelnen Teilnehmer gebildet habe; es entspreche der Lebenserfahrung, daß in einem von 100 Personen bewohnten, Alters-Wohnheim nur zwischen einem Teil von ihnen engere persönliche Beziehungen entstunden. Dittrich (ÖBl. 1975, 126 f.) hat diese Auffassung ebenso gebilligt wie jene im "Klinik"-Fall, in welchem die Fernseh- und Radioübertragungen in den Gemeinschaftsräumen einer Klinik mit "mehr als 100 Betten" als öffentlich beurteilt wurden, weil nicht unter sämtlichen Patienten persönliche Bindungen bestunden (vgl. auch den Hinweis Hoyers in ZfVR 1974, 300 f., auf die Rechtslage in der Schweiz, die auch auf den Zweck der "Gemeinschaft" abstellt).

Bei der Beurteilung einer "Betriebsmusik" in der im vorliegenden Fall gegebenen Form (Musik im Arbeitsraum) kommt es wesentlich auf die Größe des Betriebes, aber auch auf die Umstände des Einzelfalles hinsichtlich des Ausmaßes der persönlichen Beziehungen zwischen den Arbeitnehmern untereinander und (oder) zwischen diesen und dem Betriebsinhaber an. Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß die Betriebsgemeinschaft typischerweise nicht durch die persönliche Verbundenheit der Betriebsangehörigen untereinander, sondern durch die zum gemeinsamen Dienstgeber bestehenden Rechtsverhältnisse (zu deren schuldrechtlichen Charakter mit "personalem Einschlag" vgl. Floretta - Spielbüchler - Strasser, Arbeitsrecht I, 8 f., 16 f.,) und die sich daraus ergebenden - auch gemeinsamen - Interessen und die Rechtsbeziehungen untereinander gekennzeichnet ist. Es spricht daher im Zweifel schon der Zweck des Zusammenkommens im Arbeitsraum dagegen, eine darin gebotene Musikdarbietung als "private" Veranstaltung, wie eine Darbietung im eigenen Haushalt, das Spielen im Kreise der Familie oder im Kreise von Freunden, dem vielfach die dem Urheber vorbehaltene "öffentliche" Darbietung eines Werkes gegenübergestellt wurde (Ulmer a. a. O., 186), zu beurteilen.

Da dem Schöpfer eines Werkes auch dessen wirtschaftlicher Wert gesichert werden soll und Ausnahmen vom alleinigen Verwertungsrecht des Urhebers durch öffentliche Aufführung oder öffentliche Übertragung des Werkes nur so weit gerechtfertigt erscheinen, als dem ein Bedürfnis der Öffentlichkeit entspricht, ist auch die Auffassung von Dittrich (ÖBl. 1975, 129) zu teilen, daß im Zweifel, ob die Darbietung der Privatsphäre zugeordnet oder als "öffentlich" im Sinne des § 18 UrhG beurteilt werden soll, auch zu berücksichtigen ist, ob damit durch den Veranstalter (eigene oder fremde) wirtschaftliche Ziele gefördert werden sollen. Ein Bedürfnis der Öffentlichkeit, das grundsätzliche Aufführungs- und Übertragungsrecht des Urhebers zu durchbrechen, wird um so eher zu verneinen sein, je mehr es angebracht erscheint, dem "Veranstalter" die Zahlung eines Entgeltes für die Verwertung des Werkes zuzumuten. Das wird bei einer durch den Dienstgeber bewirkten Musikdarbietung in Arbeitsräumen eher anzunehmen sein als etwa bei einer Veranstaltung im Freundeskreis.

Diese Überlegungen führen im vorliegenden Fall dazu, die Musikdarbietung der beklagten Partei durch Einspielen von Radiomusik in den Arbeitsraum der Näherinnen ihres Betriebes in S auch dann als "öffentlich" im Sinne des § 18 UrhG zu beurteilen, wenn darin tatsächlich - wie die beklagte Partei behauptet - "nur" 100 Näherinnen beschäftigt sind. Auch diese Zahl von Beschäftigten ist bereits so groß, daß eine derartige persönliche Verbundenheit, die es rechtfertigte, ihr durch den Zweck der Arbeitsleistung veranlaßtes Zustandekommen einer privaten Zusammenkunft gleichzustellen, nicht angenommen werden kann (vgl. Dittrich in ÖBl. 1975, 130 vor FN 38). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß ein mehr oder weniger großer Teil der Arbeitnehmerinnen untereinander gut befreundet oder verwandt ist, weil dies nicht bei allen Dienstnehmerinnen zutrifft und mit Rücksicht auf die große Zahl der Beschäftigten jedenfalls bei einem erheblichen Teil anzunehmen ist, daß gegenseitige, zu persönlicher Verbundenheit führende Beziehungen, die für die Annahme einer privaten Sphäre ausreichten, fehlen (vgl. die oben angeführten Fälle "Alters-Wohnheim", "Klinik").

Daß die Beziehungen der Arbeitnehmerinnen zum "Veranstalter", nämlich zu ihrem Dienstgeber, nicht persönlicher, sondern rein dienstrechtlicher Natur sind, hat bereits das Berufungsgericht hervorgehoben. Die Musikdarbietung wurde somit zutreffend als eine "öffentliche" Aufführung im Sinne des § 18 UrhG angesehen.

Die beklagte Partei beruft sich aber auch zu Unrecht auf die Bestimmung des § 53 Abs. 1 Z. 3 UrhG, wonach die öffentliche Aufführung eines erschienen Werkes der Tonkunst - abgesehen von den Ausnahmen nach § 53 Abs. 2 und 3 UrhG - u. a. dann zulässig ist, wenn die Zuhörer kein Eintrittsgeld oder sonstiges Entgelt entrichten und die Aufführung "keinerlei Erwerbszwecken" dient.

Diese Ausnahme vom alleinigen Recht des Urhebers zur öffentlichen Aufführung seines Werkes wurde nach den erläuternden Bemerkungen zum Entwurf des UrhG (abgedruckt bei Peter, Das österr. Urheberrechtsgesetz, 574 f.) damit begrundet, daß sich die Vorschriften, wonach die öffentliche Aufführung lebender Musik, wenn man von den Aufführungen bei kirchlichen oder bürgerlichen Feierlichkeiten oder aus militärdienstlichen Anlässen absieht, nur bei Veranstaltungen frei ist, deren Ertrag ausschließlich für wohltätige Zwecke bestimmt ist und bei denen die Mitwirkenden kein Entgelt für ihre Tätigkeit erhalten, als zu eng erwiesen habe. Danach läge beispielsweise ein Eingriff in die Aufführungsrechte vor, wenn jemand zu seinem Vergnügen auf der Straße ein geschütztes Musikstück blase, wenn in einem allgemein zugänglichen Gasthausgarten eine Gesellschaft zu ihrer Unterhaltung ein geschütztes Lied singe oder wenn eines ihrer Mitglieder seinen Freunden mit einer Ziehharmonika zum Tanz aufspielte, ohne eine Aufführungsbewilligung erworben zu haben. Anders verhalte es sich, wenn die Aufführung zu Erwerbszwecken vorgenommen werde, wenn also z. B. ein Gastwirt einen Klavierspieler bestellt habe, der den Gästen zum Tanze aufspielt. Der Gastwirt verfolge mit einer solchen Aufführung einen Erwerbszweck auch dann, wenn er von den Gästen weder ein Eintrittsgeld noch sonst irgendein Entgelt für die Darbietung einhebe. Der Entwurf bringe ferner durch die Wendung, daß die Aufführung "keinerlei Erwerbszwecken" diene, zum Ausdruck, daß es gleichgültig ist, ob durch die öffentliche Aufführung der Erwerb des Veranstalters oder der Erwerb eines anderen gefördert werden soll und ob diese Förderung des Erwerbers unmittelbar oder nur mittelbar bewirkt werde. Demnach bestehe zum Beispiel keine Aufführungsfreiheit für Promenadenkonzerte, die in Sommerfrischen von Gemeinden oder Kurkommissionen veranstaltet werden und zu denen jedermann freien Zutritt habe, denn solche Konzerte sollten den Sommergästen eine Zerstreuung und Unterhaltung bieten und dadurch den Besuch des Ortes im Interesse der auf Fremdenverkehr angewiesenen Einwohner fördern. Damit dienten sie aber, wenn auch nur mittelbar, Erwerbszwecken.

Umfang und Berechtigung der Ausnahmebestimmung des § 53 Abs. 1 Z. 3 UrhG sind keineswegs unbestritten. Während Rintelen (a. a. O., 154) darauf verweist, daß entgegen einer Tendenz zur Anerkennung und Förderung des Aufführungsrechtes des Urhebers nach dem Referentenentwurf (1954) der Vortrag oder die Aufführung bei einer Betriebsfeier keinerlei Erwerbszwecken des Veranstalters diene, wurde vom "Arbeitskreis Urheberrecht" eine ersatzlose Streichung dieser Bestimmung vorgeschlagen, da sie der RBÜ widerspreche und eine durch die Sachlage nicht gebotene Verletzung der ideellen und materiellen Interessen der Urheber darstelle; es sei nicht einzusehen, warum gerade der Urheber sich ohne seinen Willen und ohne Entgelt fremder Unentgeltlichkeit anschließen soll (ÖBl. 1974, 4). Nach M. Walter (ÖBl. 1974, 79) sei diese Bestimmung zwar nach Konventionsrecht zulässig, doch rechtfertige der fehlende Gewinnzweck für sich allein noch nicht die genehmigungsfreie Werknutzung; das Anliegen der Vorschriftbestehe in dem Bedürfnis der Allgemeinheit daran, daß spontane Werkinterpretation bewilligungsfrei bleibe: wer zu seinem Vergnügen auf der Straße eine geschützte Melodie pfeife, wer an einem öffentlichen Badestrand sein Transistorradio höre oder wer in einem allgemein zugänglichen Gasthausgarten in einer Gesellschaft ein geschütztes Lied singe, solle nicht gehalten sein, vorher die Zustimmung des Urhebers einzuholen. Mißbräuchen werde in aller Regel durch eine strenge Prüfung des fehlenden Erwerbszweckes beizukommen sein. Hiezu verwies der Autor zustimmend auf die Entscheidung des OGH, ÖBl. 1974, 73, in der auch von einer engen Auslegung dieser Ausnahmebestimmung und davon ausgegangen wurde, daß es insbesondere maßgeblich sei, ob die Aufführung in der Sphäre eines gewerblichen Unternehmens stattfinde. Es wurde auf Ulmer (a. a. O., 189) hingewiesen, wonach Gewerbsmäßigkeit jedenfalls vorliege, wenn die Verbreitung oder Vorführung im Rahmen eines Unternehmens erfolge, und die Absicht auf Gewinnerzielung nicht erforderlich sei. Besonders hervorgehoben wurde auch, daß kein Grund bestehe, daß gerade Urheber ihre Leistungen, die zur Förderung des Betriebszweckes verwendet werden, unentgeltlich erbringen sollen, während alle anderen Leistungen, die dafür in Anspruch genommen werden, vergütet werden müssen. Es sei ungerechtfertigt, daß dem Urheber ein Verzicht zugemutet werde, so daß die Einschränkung seines Aufführungsrechtes in diesen Fällen nicht mehr im öffentlichen Interesse vertretbar sei (Ulmer a. a. O., 247 f.). Dieser Gesichtspunkt wird auch von Hoyer (a. a. O., 302 f.) betont. Auch von Gamm (Urheberrechtsgesetz, 558) führt aus, daß bereits die mittelbare Förderung des Erwerbszweckes, d. h. gewerblicher oder sonstiger erwerbswirtschaftlicher Interessen oder Belange, die Anwendung der Ausnahme ausschließe, wobei es auf eine unmittelbare Einnahme oder Gewinnerzielung nicht ankomme; die Ausnahme treffe daher für Musikdarbietungen bei "Betriebsfeiern" nicht zu, wohl aber bei singenden Wandergruppen oder Schüleraufführungen. Schließlich kommt auch Dittrich (ÖBl. 1975, 131 f.) zu dem Ergebnis, daß der Begriff "Erwerbszweck" im Sinne des § 53 Abs. 1 Z. 3 UrhG weit auszulegen und darauf Bedacht zu nehmen sei, ob dem Veranstalter die Zahlung eines entsprechenden Entgeltes für die Aufführungsbewilligung zugemutet werden könne.

Allerdings ist in der Entscheidung ÖBl. 1971, 54 die Auffassung vertreten worden, daß die Unterhaltung der Angestellten durch Radiomusik an sich nicht als der Förderung von Erwerbszwecken des Unternehmers dienlich angesehen werden könne. Aus der Musikdarbietung könne nämlich weder eine ins Gewicht fallende Leistungssteigerung abgeleitet werden, noch könne diese Darbietung als Teil des Entgeltes der Angestellten aufgefaßt werden. Daß mit der Darbietung einem Wunsch der Angestellten entsprochen werde, liege außerhalb des Erwerbszweckes des Unternehmers, der mit dessen Erfüllung häufig sogar eine Minderung der Konzentration und damit einen Leistungsabfall seiner Angestellten in Kauf nehmen müsse. Dieser Auffassung ist zunächst Dillenz (ÖBl. 1971, 76) entgegengetreten; er hielt ihr entgegen, daß nach den Erkenntnissen der Arbeitsmedizin die Arbeitsmusik die Monotonie am Arbeitsplatz unterbreche und die überwiegend seelisch verursachten Ermüdungen vermeiden helfe, und daß durch die Musik das Betriebsklima gehoben und die Arbeitsfreude gesteigert sowie die Unterhaltungen der Beschäftigten verhindert würden. Dittrich (ÖBl. 1975, 129 f.) führt aus, daß die Meinungen über den Wert der Musik am Arbeitsplatz geteilt seien, und bezweifelt, ob die Forschung darüber bereits ausreichend gesicherte Ergebnisse gebracht habe.

Mit Rücksicht auf die bereits dargelegte Entstehungsgeschichte und die Begründung der Ausnahmebestimmung des § 53 Abs. 1 Z. 3 UrhG, insbesondere auch auf die zu ihrer Erläuterung angeführten Beispiele, sowie auf die zum Begriff "Erwerbszweck" vertretenen Ansichten ist aber der Auffassung zuzustimmen, daß unternehmerisches Handeln auch dann vorliegt, wenn es nicht unmittelbar zur Erzielung von Einnahmen durch Steigerung des Umsatzes oder der Arbeitsleistung von Dienstnehmern führt, sondern entfernteren Möglichkeiten der Förderung wirtschaftlicher Interessen oder Belange dient. Dazu muß auch die Möglichkeit der allgemeinen Förderung des Betriebsklimas oder der Arbeitsfreude u. dgl. gezählt werden. Es erscheint daher richtig, die Frage, ob die Darbietung von Musik am Arbeitsplatz einem "Erwerbszweck" im Sinne des § 53 Abs. 1 Z. 3 UrhG dient, nach den Umständen des Falles zu lösen und sie im vorliegenden Fall mit Rücksicht auf die Art der Beschäftigung, bei der durchaus die Möglichkeit gegeben erscheint, daß durch die Musikdarbietung eine gewisse Monotonie der Arbeit durchbrochen und damit die Arbeitsfreude gehoben und das allgemeine Betriebsklima verbessert wird, zu bejahen.

Daraus folgt, daß durch das Einspielen geschützter Radiomusik in den Arbeitsraum der Näherinnen im Betrieb in S durch die beklagte Partei Ausschließlichkeitsrechte der von der klagenden Partei vertretenen Urheber verletzt wurden. Da - wie bereits ausgeführt - auch Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, hat das Berufungsgericht zu Recht den erhobenen Unterlassungsanspruch bejaht (§ 81 UrhG) und dem Klagebegehren stattgegeben.