Suchen Hilfe
OGH vom 29.11.2001, 6Ob297/01x

OGH vom 29.11.2001, 6Ob297/01x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Wiener Neustadt zu FN ***** eingetragenen "D*****, wegen Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 283 HGB, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers Franz N*****, beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 267/00s-16, womit infolge Rekurses der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer der Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , GZ 1 Fr 5376/99s-10, teilweise ersatzlos aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht hatte mit Beschluss vom die Geschäftsführer unter Androhung einer Zwangsstrafe von je 10.000 S aufgefordert, den Jahresabschluss zum und das Formblatt für die Bekanntgabe der Größenmerkmale binnen vier Wochen einzureichen. Nachdem Fristerstreckungs- und Unterbrechungsanträge der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer durch das Erstgericht rechtskräftig abgewiesen und der Verfassungsgerichtshof die Anträge der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer, § 277 Abs 1 und 4 HGB idF EUGesRÄG 1996 als verfassungswidrig aufzuheben, zurückgewiesen hatte, regten die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer an, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Übereinstimmung der Offenlegungsbestimmungen mit gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Grundrechten, Grundfreiheiten und allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedsstaaten einzuholen.

Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom aus, der Anregung auf Einholung der Vorabentscheidung nicht zu entsprechen und forderte die Geschäftsführer neuerlich auf, den Jahresabschluss zum binnen zwei Wochen bei sonstiger Verhängung der angedrohten Zwangsstrafe einzureichen. Mit Beschluss vom (ON 10) verhängte das Erstgericht schließlich die angedrohten Zwangsstrafen über die beiden Geschäftsführer.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des einen Geschäftsführers, der im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz nicht mehr Geschäftsführer gewesen war, Folge und hob die über ihn verhängte Zwangsstrafe ersatzlos auf. Dem Rekurs des zweiten Geschäftsführers und jenem der Gesellschaft gab es nicht Folge. Der Jahresabschluss sei zwar tatsächlich am - nach Verhängung der Zwangsstrafen - beim Firmenbuch eingereicht worden, das Rekursgericht habe den angefochtenen Beschluss jedoch nach der Sachverhaltsgrundlage zum Zeitpunkt der Strafverhängung zu prüfen und könne daher auf nachfolgende Ereignisse nicht Bedacht nehmen. Die über den im Zeitpunkt der Straffestsetzung vertretungsbefugten Geschäftsführer verhängte Zwangsstrafe werde daher bestätigt. Ob die Zwangsstrafe reines Beugemittel sei oder auch repressiven Charakter habe, sei für ihre Bemessung ohne Relevanz; auch die Frage, ob die verhängten Zwangsstrafen noch zu vollziehen seien, wenn das zu erzwingende Verhalten doch noch gesetzt werde, stelle sich im Rekursverfahren nicht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer die Aufhebung der verhängten Zwangsstrafe und den Ausspruch, dass das Erzwingungsverfahren infolge Leistung eingestellt werde. Hilfsweise wird der Ausspruch beantragt, dass die verhängte Zwangsstrafe nicht weiter vollstreckt werden dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (6 Ob 214/98h; 6 Ob 188/99m; 6 Ob 211/01z; RIS-Justiz RS0110629). Eines Ausspruchs des Rekursgerichtes über den Wert des Entscheidungsgegenstandes bedurfte es nicht. Firmenbuchsachen sind im Regelfall keine rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten, die das Rekursgericht nach § 13 Abs 2 AußStrG iVm § 15 FBG zu bewerten hat.

Der Revisionsrekurs ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mittels Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom - Publizitäts- richtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom - Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (vor allem der Entscheidung vom Slg 1997 I-6843 - Daihatsu = EuZW 1998,

45) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (6 Ob 101/01y mwN, RIS-Justiz RS0113282 uva).

Der Beschluss ist im Rechtsmittelverfahren auf der Sachverhaltsgrundlage der erstinstanzlichen Entscheidung zu überprüfen. Nachfolgende Ereignisse (nova producta) sind von der Neuerungserlaubnis des § 10 AußStrG nicht erfasst und unterliegen

nach ständiger Rechtsprechung dem Neuerungsverbot (6 Ob 212/99s =

ecolex 2000, 366 = RdW 2000, 157; 6 Ob 211/01z uva). Eine Nachholung

der Offenlegung erst im Rekursverfahren kann das Rechtsmittelgericht, wie bereits die zweite Instanz zutreffend erkannte, daher nicht mehr berücksichtigen.

Auf die vom Revisionsrekurs angesprochene Frage eines (auch) strafrechtlichen (repressiven) Charakters der Zwangsstrafe braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil die Gesellschaft ihrer gesetzlichen Verpflichtung - wenngleich erst nach der Entscheidung des Erstgerichts - ohnehin nachkam und somit ein über den Beugezweck hinausreichender Strafzweck gar nicht zum Tragen kommen konnte. Die Frage nach einem repressiven Charakter der Zwangsstrafe stellt sich daher derzeit nicht.

Über den im Rechtsmittel hilfsweise gestellten Antrag, auszusprechen, dass die im Erzwingungsverfahren verhängte Strafe nicht vollstreckt werden dürfe, kann erst anlässlich der Vollstreckung entschieden werden.

Fundstelle(n):
LAAAD-50580