OGH vom 07.07.2008, 6Ob140/08v

OGH vom 07.07.2008, 6Ob140/08v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am verstorbenen Helene Katharina Adele B*****, über den Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes Mag. Rudolf B*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 220/08h-83, womit der Rekurs des erblasserischen Sohnes gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom , GZ 1 A 59/03s-79, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Erblasserin verstarb am ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Der Revisionsrekurswerber ist der Sohn der Erblasserin. Mit Schriftsatz vom gab er aufgrund des Gesetzes die unbedingte Erbserklärung ab. Diese wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom angenommen und der Erbrechtsausweis für erbracht angesehen.

Mit Beschluss vom wurde dem erblasserischen Sohn die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen und gleichzeitig festgestellt, dass das Amt des Verlassenschaftskurators erloschen sei.

Mit Beschluss vom wurde die Frist des Gerichtskommissärs Dr. Harald Wimmer zur Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens um zwei Jahre ab Rechtskraft des Beschlusses verlängert (ON 69).

In der Folge beantragte der erblasserische Sohn die Verlängerung der Frist zur Erstattung des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses um „weitere zwei bis drei Jahre". Dies begründete er damit, dass er aufgrund von anhängigen Verfahren die Aktiva und Passiva der Verlassenschaft derzeit nicht beziffern könne.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab und forderte den erblasserischen Sohn gleichzeitig zur Vorlage eines eidesstättigen Vermögensbekenntnisses binnen sechs Wochen auf. Die anhängigen Gerichtsverfahren hinderten die Errichtung eines eidesstättigen Vermögensbekenntnisses und demnach die Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung nicht. Auf die Möglichkeit der Nachtragsabhandlung wurde verwiesen.

Den dagegen erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht zurück. Verfahrensleitende Beschlüsse seien, soweit nicht ihre selbstständige Anfechtung angeordnet sei, nur mit dem Rekurs gegen die Endentscheidung über die Sache anfechtbar (§ 45 Satz 2 AußStrG). Dazu gehörten der Stoffsammlung dienende Aufträge und Verfügungen wie die Beischaffung von Akten, aber auch sonstige den Verfahrensablauf betreffende Verfügungen wie die Anberaumung oder Erstreckung einer Tagsatzung. Im Übrigen werde mit dem angefochtenen Beschluss in die Rechtsstellung des Rekurswerbers nicht eingegriffen. Es stehe ihm jederzeit frei, durch Vorlage eines eidesstättigen Vermögensbekenntnisses den Abschluss des Verfahrens zu erreichen. Erst bei beschlussmäßiger Verhängung von Zwangsmaßnahmen nach § 19 AußStrG liege eine vom Rechtsmittelwerber bekämpfbare Entscheidung vor.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig. Eine höchstgerichtliche Entscheidung zur Anfechtbarkeit der Abweisung eines Antrags auf Fristverlängerung nach dem neuen AußStrG liege noch nicht vor. Auch sei das Verhältnis des § 141 ZPO zu § 23 AußStrG fraglich.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Nach § 205 AußStrG 2003, BGBl I 2003/111, sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Verlassenschaftsverfahren anzuwenden, die nach dem erstmals bei Gericht oder beim Gerichtskommissär anhängig gemacht wurden, sofern sie nicht schon früher eingeleitet hätten werden können. Sonst sind die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften über das Verlassenschaftsverfahren weiter anzuwenden. Diese Regelung betrifft jedoch - trotz der weitgefassten Formulierung („die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes") - nur die §§ 143 - 185 AußStrG (Fucik/Kloiber, AußStrG § 205 Rz 1). Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem zweiten Satz dieser Bestimmung, wonach auf andere Verfahren die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften über das Verlassenschaftsverfahren weiter anzuwenden sind. Die gesonderten Übergangsbestimmungen zum I. Hauptstück (§ 204 AußStrG) bleiben davon unberührt (Fucik/Kloiber aaO; 6 Ob 99/08i). Daher sind auch in „Altverfahren" die Vorschriften des AußStrG, BGBl I 2003/111, über den Rekurs und den Revisionsrekurs anzuwenden, wenn nur die Entscheidung erster Instanz ein Datum nach dem trägt (Fucik/Kloiber aaO; 6 Ob 99/08i).

2. Nach herrschender Auffassung waren nach dem AußStrG 1854 Beschlüsse, mit denen eine Fristverlängerung abgelehnt wurde oder eine Frist mehrfach erstreckt wurde, anfechtbar (ÖBl 1974, 71; Gitschthaler in Rechberger, ZPO3 § 141 Rz 4; Buchegger in Fasching/Konecny, ZPO2, § 141 Rz 3). Dies wurde damit begründet, dass auch im Außerstreitverfahren in erweiternder Auslegung der §§ 7, 17 AußStrG 1854, wonach hinsichtlich der Berechnung der Fristen in Angelegenheiten außer Streitsachen die für das Prozessverfahren bestehenden Vorschriften zu gelten haben, die Vorschriften der ZPO über Fristen nicht nur für die Berechnung derselben, sondern so weit gelten, als nicht das AußStrG selbst eigenständige Vorschriften über Fristen enthält. In diesem Sinne wurde die Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO über die Verlängerung der Fristen, aber auch des § 141 ZPO über die Anfechtbarkeit einer Fristverlängerung bejaht (GlU 11.866 und 14.445; SZ 20/85; ÖBl 1974, 71; ÖBl 1976, 85; EFSlg 39.876; RIS-Justiz RS0006112). Aus § 514 ZPO leitete die einhellige Lehre ab, dass die - nicht vom Rechtsmittelausschluss des § 141 ZPO erfasste - Verweigerung der Verlängerung einer Frist mit Rekurs anfechtbar sei (Gitschthaler aaO; Buchegger aaO).

3.1. Nunmehr sieht § 23 Abs 1 AußStrG vor, dass die Bestimmungen der ZPO über die Fristen, ausgenommen diejenigen über die Unterbrechung durch die verhandlungsfreie Zeit, sinngemäß anzuwenden sind. Nach den Gesetzesmaterialien (abgedruckt in Fucik/Kloiber,AußStrG 121) sind daher insbesondere die §§ 123 bis 129 ZPO auch im Verfahren außer Streitsachen anzuwenden. Darüber hinaus sollen nach Fucik/Kloiber, AußStrG § 23 Rz 1 auch die sich auf Fristen beziehende Vorschriften der §§ 140 bis 143 ZPO - somit auch der die Rechtsmittelbeschränkung regelnde § 141 ZPO - anwendbar sein. Allerdings fehlt im AußStrG eine § 514 ZPO entsprechende Regelung.

3.2. Vielmehr sieht § 45 Satz 2 AußStrG vor, dass verfahrensleitende Beschlüsse, soweit nicht ihre selbstständige Anfechtung angeordnet ist, nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar sind. Diese Spezialregelung steht einer Anwendbarkeit des § 514 ZPO im Außerstreitverfahren entgegen. Auch ein Rückgriff auf eine analoge Anwendung dieser Bestimmung im AußStrG scheidet aus. Vielmehr hat der Gesetzgeber ausdrücklich den eigenständigen Charakter des AußStrG betont und ausgeführt, dass ein Generalverweis auf die ZPO weder sachlich noch technisch gerechtfertigt sei. Nur einige Bereiche und Institute der ZPO seien durch Verweisung dort übernommen worden, wo ein Auseinanderklaffen der beiden großen Zivilverfahren weder notwendig noch nützlich sei. Die Verweisung umfasse jedoch nur das Rechtsinstitut und die dort - in Abweichung von den allgemeinen Regeln der ZPO - festgelegten Sondervorschriften als lex specialis, nicht jedoch auch die allgemeinen Regeln der ZPO in diesem Bereich. Für das Beispiel der Wiedereinsetzung bedeute dies, dass zwar die Rechtsmittelbeschränkung des § 153 ZPO, nicht jedoch die allgemeine Regel des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gelte (ErläutRV AußStrG, abgedruckt bei Fucik/Kloiber,AußStrG 13).

3.3. Der § 23 Abs 1 AußStrG statuierte Verweis umfasst somit zwar die Rechtsmittelbeschränkung des § 141 ZPO, nicht aber auch die allgemeine Vorschrift des § 514 ZPO, wonach Beschlüsse grundsätzlich mit Rekurs anfechtbar sind.

3.4. Die Anfechtbarkeit des Auftrags zur Vorlage eines eidesstättigen Vermögensbekenntnisses ist ausschließlich nach § 45 AußStrG zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung sind - wie ausgeführt - verfahrensleitende Beschlüsse, soweit nicht ihre selbstständige Anfechtung angeordnet ist, nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung der Sache anfechtbar. Nach Fucik/Kloiber(AußStrG § 45 Rz 2) dienen verfahrensleitende Beschlüsse der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens und haben kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben; das Gericht sei jederzeit in der Lage, sie abzuändern und einer geänderten Situation anzupassen; sie erwachsen nicht in materielle Rechtskraft; sie seien der Stoffsammlung dienende Aufträge und Verfügungen. Dazu gehöre die Aktenbeischaffung, aber auch sonstige den Verfahrensablauf betreffende Verfügungen, wie die Anberaumung oder Erstreckung einer Tagsatzung. In der Rechtsprechung wurde bisher etwa die Verständigung des Konkursgläubigers von der Bestreitung seiner Forderung und die Fristsetzung zur Geltendmachung seines Anspruchs (§ 110 Abs 4 KO) als verfahrensleitende Verfügung qualifiziert (5 Ob 138/59 = JBl 1959, 458; 5 Ob 133/61; RIS-Justiz RS0041412). Ebenso wurde im Außerstreitverfahren die Fristsetzung als prozessleitende Verfügung angesehen (2 Ob 42/74; RIS-Justiz RS0006265).

3.5. Das eidesstättige Vermögensbekenntnis hatte nach der Rechtsprechung keine andere Folge als die, dass es der Abhandlungspflege zugrunde zu legen sei. Hingegen entfaltete es keinerlei Wirkung über das Verlassenschaftsverfahren hinaus (RIS-Justiz RS0007879). Das eidesstättige Vermögensbekenntnis war vielmehr in der Regel ohne Erhebung seiner Richtigkeit anstelle des Inventars der Abhandlung zugrunde zu legen (3 Ob 538/86; 7 Ob 622/92 = NZ 1994, 113; RIS-Justiz RS0007878). Mit dem Auftrag zur Vorlage des Vermögensbekenntnisses und der Abweisung des Antrags auf Fristerstreckung wollte das Erstgericht daher nur das Verfahren weiter betreiben. Der Hinweis des Revisionsrekurswerbers auf die „zentrale Funktion" des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses vermag daran nichts zu ändern, dass das Erstgericht gerade keine Sachentscheidung, sondern eine bloß verfahrensleitende Entscheidung getroffen hat. Eine derartige Sachentscheidung im Verlassenschaftsverfahren ist im Regelfall die Einantwortung; alle im Zuge des dieser Entscheidung vorgelagerten Verfahrens ergehenden Entscheidungen sind schon begrifflich verfahrensleitende Entscheidungen, die nur nach Maßgabe des § 45 AußStrG angefochten werden können.

4. Da sich sohin die Zurückweisung des Rekurses durch das Rekursgericht schon aus dem Grund fehlender Statthaftigkeit des Rechtsmittels als zutreffend erweist, bedurfte es keines Eingehens auf die vom Rekursgericht subsidiär herangezogene Begründung, dem erblasserischen Sohn fehle überdies die Beschwer, weil es ihm offenstehe, durch Befolgung des erstgerichtlichen Auftrags das Verfahren in Gang zu setzen; befolge er die Anordnung des Erstgerichts nicht, so könne er eine allenfalls gegen ihn verhängte Zwangsstrafe bekämpfen.

5. Im Übrigen hat schon das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anhängigkeit eines Verfahrens die Erstellung eines Inventars nicht hindert (§ 71 Abs 3 AußStrG).

6. Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als frei vom Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.