OGH vom 17.02.2016, 7Ob224/15i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** Baugesellschaft mbH, *****, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei D***** Versicherung AG *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen 55.993,88 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil und über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 142/15g 25, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 23 Cg 111/14a 19, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
II. Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang des Feststellungsbegehrens aufgehoben. Die Rechtssache wird auch insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Zwischen den Streitteilen besteht eine Betriebshaftpflichtversicherung, der die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2009 und EHVB 2009) und das Versicherungskonzept des Versicherungsmaklers der klagenden Versicherungsnehmerin vom (in der Folge: Versicherungskonzept) zugrunde liegen.
Die AHVB 2009 lauten auszugsweise:
„Artikel 1
Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert?
1. Versicherungsfall
1.1 Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Pkt. 2) erwachsen oder erwachsen könnten.
…
2. Versicherungsschutz
2.1 Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer
2.1.1 die Erfüllung von Schadenersatzver-pflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen (in der Folge kurz „Schadenersatzverpflichtungen“ genannt);
2.1.2 die Kosten der Feststellung und der Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung im Rahmen des Art. 5, Pkt. 5.
...
Artikel 5
Bis zu welcher Höhe und bis zu welchem Umfang leistet der Versicherer?
…
5. Rettungskosten; Kosten
…
5.2 Die Versicherung umfasst ferner die den Umständen nach gebotenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Feststellung und Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzpflicht, und zwar auch dann, wenn sich der Anspruch als unberechtigt erweist.
...
Artikel 8
Was ist vor bzw. nach Eintritt des Versicherungsfalles zu beachten (Obliegenheiten)?
1. Obliegenheiten
Als Obliegenheiten, deren Verletzung die Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 6 VersVG bewirkt, werden bestimmt:
…
1.5.1 Der Versicherungsnehmer hat den vom Versicherer bestellten Anwalt (Verteidiger, Rechtsbeistand) zu bevollmächtigen, ihm alle von ihm benötigten Informationen zu geben und ihm die Prozessführung zu überlassen.
...“
Die EHVB 2009 lauten auszugsweise:
„Abschnitt B
Ergänzende Regelungen für spezielle Betriebs- und Nichtbetriebsrisken
1. Deckung reiner Vermögensschäden
Falls in den nachstehenden Bestimmungen oder in einer Besonderen Bedingung die Deckung reiner Vermögensschäden vorgesehen ist, so gilt folgendes:
1. Reine Vermögensschäden sind solche Schäden, die weder Personenschäden noch Sachschäden sind (Art. 1, Pkt. 2 AHVB) noch sich aus solchen Schäden herleiten.
...“
Das Versicherungskonzept lautet auszugsweise:
„ ...
Subunternehmer
Der Versicherungsschutz bezieht sich auch auf Schadenersatzverpflichtungen der vom Versicherungsnehmer beauftragten Subunternehmer in dieser Eigenschaft, jedoch nur insoweit, als hiefür nicht anderweitig Versicherungsschutz besteht.
…
Generalunternehmerrisiko
Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf die Haftung des Versicherungsnehmers gemäß § 1313a ABGB.
...
Nachbesserungs-Begleitschäden
Abweichend von Art. 1 und Art. 7, Punkte 1.1, 1.3, 10.2 und 10.3 AHVB bezieht sich der Versicherungsschutz auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus Schäden, die darauf zurückzuführen sind, dass zur Durchführbarkeit von wegen eines Mangels notwendigen Nachbesserungsarbeiten Sachen des Auftraggebers beschädigt oder beseitigt werden müssen (z.B. Abreißen von Tapeten, Aufschlagen von Wänden, Fliesen, Böden, Aufgrabungen, Entfernung von Materialien, Aus- und Einbaukosten).
In Erweiterung zu Absatz 1 bezieht sich der Versicherungsschutz abweichend von Art. 7, Punkte 1.1, 1.3 und 9 AHVB auch auf Schadenersatzansprüche aus reinen Vermögensschäden infolge aufgetretener Mängel an Sachen des Auftraggebers oder sonstiger Personen. Dieser Versicherungsschutz bezieht sich somit beispielsweise auf Stilllegung von Betrieben, Stehzeiten von Kraftfahrzeugen und dergleichen.
…
Versicherungsschutz besteht nicht, wenn die Sachen, die zur Durchführung der Nachbesserungsarbeiten beschädigt werden müssen, ursprünglich vom Versicherungsnehmer selbst (oder in seinem Auftrag oder auf seine Rechnung von Dritten) verlegt oder angebracht worden sind.
…
Reine Vermögensschäden
Reine Vermögensschäden sind abweichend von Art. 1 AHVB mitversichert.
…
Gewährleistung/Garantie für Subunternehmer
Das Gewährleistungs- und Garantierisiko des Versicherungsnehmers ist ausschließlich insoweit versichert, als der Versicherer das Ausfallsrisiko bei einem Insolvenzverfahren des Professionisten oder Subunternehmers trägt, welcher vom Versicherungsnehmer beauftragt worden ist.
Unabhängig von einem etwaigen Insolvenzverfahren besteht Versicherungsschutz für Sachverständigenkosten.“
Die Klägerin errichtete im Zeitraum Juli 2010 bis August 2011 als Generalunternehmerin ein Seniorenwohn- und Pflegeheim (in der Folge: Seniorenheim). Die Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärinstallationen wurden von einer Subunternehmerin durchgeführt. Diese wählte ungeeignete (nicht gegen Korrosion geschützte) Heizleitungsrohre aus und baute diese ein, weshalb es Ende 2012 zu einem Wasserschaden kam.
Die Kosten für die zwischen Ende 2012 und Anfang 2013 durchgeführten Entfeuchtungsmaßnahmen und Sanierungsarbeiten wurden vom Leitungswasserversicherer der Betreibergesellschaft des Seniorenheims getragen. Mit Schreiben vom meldete dieser gegenüber der Klägerin seine Regressansprüche gemäß § 67 VersVG hinsichtlich der ausbezahlten Entschädigungssumme und der Sachverständigenkosten an.
Eine Untersuchung der übrigen Heizleitungen ergab, dass diese ebenfalls schon zu korrodieren begonnen hatten. Im Jahr 2014 wurden daher weitere Arbeiten zur Sanierung der korrodierten Heizleitungen in sechs Abschnitten durchgeführt. Die Heimbewohner wurden jeweils umgesiedelt. Den in diesem Zusammenhang von der Betreibergesellschaft geforderten Verdienstentgang (Betriebsausfallschaden) in Höhe von 27.000 EUR hat die Klägerin ersetzt. Die Sanierungsarbeiten sind gänzlich abgeschlossen.
Der Betriebshaftpflichtversicherer der Subunternehmerin lehnte eine Deckung der Ersatzansprüche, die die Betreibergesellschaft im Zusammenhang mit dem Wasserschaden erhoben hatte, ab.
Die Klägerin beauftragte die Klagevertreterin mit ihrer außerprozessualen Vertretung in dieser Angelegenheit, nachdem die anwaltlich vertretene Betreibergesellschaft Ansprüche gegen sie erhoben hatte. An Vertretungskosten fielen nach RATG insgesamt 16.754,90 EUR an.
Auf eine Deckungsanfrage der Klagevertreterin teilte die Beklagte mit, dass, soweit keine andere Versicherung - etwa von der Subunternehmerin - deckungspflichtig sei, Versicherungsschutz nur für bisher angefallene Mangelfolgeschäden, nicht jedoch für Erfüllungsansprüche bestünde.
Die Subunternehmerin ist nicht insolvent.
Die Klägerin begehrte - soweit dies noch Gegenstand des Revisions- und Rekursverfahrens ist - den Ersatz des dem Geschädigten bezahlten Betriebsausfallschadens und der Vertretungskosten sowie die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten aufgrund und im Umfang des Haftpflichtversicherungsvertrags für sämtliche Schäden und Kosten aufgrund der Wasserschäden im Seniorenheim und der damit im Zusammenhang stehenden erforderlichen Sanierungsmaßnahmen. Sie brachte vor, dass das Versicherungskonzept zahlreiche Deckungserweiterungen vorsehe. So bestehe ganz allgemein Versicherungsschutz für reine Vermögensschäden. Ein solcher ergebe sich bezogen auf den Betriebsausfallschaden abweichend von den Risikoausschlüssen der Art 7.1.1, 7.1.3 und 7.9 AHVB 2009 ausdrücklich auch aus der Klausel für „Nachbesserungs-Begleitschäden“. Die Ersatzpflicht für die Vertretungskosten ergebe sich aus Art 5.5.2 AHVB 2009. Der Leitungswasserversicherer der Betreibergesellschaft habe ganz konkret bezifferte Regressansprüche (darunter auch Sachverständigenkosten) angemeldet, weshalb davon auszugehen sei, dass die Klägerin weitere finanzielle Belastungen treffen könnten, die zumindest teilweise aufgrund der Betriebshaftpflichtversicherung von der Beklagten zu tragen seien. Im Zusammenhang mit dem Gewährleistungs- und Garantierisiko für Versäumnisse des Subunternehmers sehe das Versicherungskonzept vor, dass unabhängig von einem Insolvenzverfahren Versicherungsschutz für Sachverständigenkosten bestehe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Voraussetzungen des Rückeinschlusses für Nachbesserungs-Begleitschäden nach dem Versicherungskonzept lägen nicht vor. Die Deckungserweiterung nach der „Subunternehmer“-Klausel des Versicherungskonzepts hänge vom nicht anzunehmenden Fehlen eines Versicherungsschutzes des Subunternehmers ab. Die Übernahme der Kosten für die außergerichtliche Vertretung der Klägerin setze nach der Bedingungslage eine Beauftragung durch die Beklagte voraus; diese sei jedoch nicht erfolgt. Ein Feststellungsinteresse liege nicht vor. Die Sanierung sei abgeschlossen, sämtliche Kosten seien bereits bekannt. Die vom Leitungswasserversicherer der Betreibergesellschaft angemeldeten Regressansprüche seien befriedigt.
Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren statt und wies das Feststellungsbegehren ab. Der Betriebsausfallschaden sei zwangsläufig mit der Sanierung des von der Klägerin hergestellten Werks verbunden; dieser unterliege daher dem Risikoausschluss des Art 7.1 AHVB 2009. Allerdings erweitere hier die Klausel für Nachbesserungs-Begleitschäden des Versicherungskonzepts den Versicherungsschutz auf reine Vermögensschäden, so ausdrücklich auch auf die durch die Verbesserung eines Mangels bedingte Stilllegung von Betrieben. Ein anderweitiger Versicherungsschutz der Subunternehmerin bestehe nicht, weil sich deren Versicherungsschutz nicht auch auf die mit der Durchführung von Nachbesserungsarbeiten verbundenen reinen Vermögensschäden erstrecke. Der Betriebsausfallschaden werde gemäß § 273 ZPO entsprechend den Behauptungen der Klägerin bemessen. Die Vertretungskosten hätten der Feststellung und Abwehr der durch die Betreibergesellschaft gegenüber der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzansprüche gedient; dafür bestehe nach Art 5.5 AHVB 2009 Versicherungsschutz. Die Klägerin habe zwar die nach den Versicherungsbedingungen bestehende Obliegenheit zur Rücksprache mit dem Versicherer bei der Beiziehung eines Rechtsanwalts verletzt; die Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 6 Abs 3 VersVG lägen jedoch nicht vor. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin bestehe nicht, weil die Beklagte nicht bestreite, dass sie im Umfang des Versicherungsvertrags Deckung zu gewähren habe. Die vom Leitungswasserversicherer der Betreibergesellschaft bezahlte Entschädigungssumme, deren Regress angekündigt worden sei, umfasse im Übrigen in erster Linie nach den Versicherungsbedingungen nicht gedeckte Ansprüche.
Das Berufungsgericht hob die Entscheidung über den Betriebsausfallschaden und die Vertretungskosten auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; weiters bestätigte es die Abweisung des Feststellungsbegehrens. Im Versicherungskonzept werde der in Art 1.2.1.1 AHVB 2009 umschriebene Versicherungsschutz auf reine Vermögensschäden erweitert. Der Betriebsausfallschaden sei nach Absatz 2 der Klausel für Nachbesserungs-Begleitschäden im Versicherungskonzept rückeingeschlossen; Absatz 4 dieser Klausel schließe den nach Absatz 2 erweiterten Versicherungsschutz für reine Vermögensschäden schon deshalb nicht wieder aus, weil gegebenenfalls Absatz 2 im Zusammenhang mit der Herstellungsklausel des Art 7.9 AHVB 2009 keinen Anwendungsbereich hätte. Die Beklagte habe aufgrund der „Generalunternehmer“-Klausel des Versicherungskonzepts jedenfalls Versicherungsschutz für den Betriebsausfallschaden zu gewähren; daher bedürfe es keiner näheren Befassung mit der in der „Subunternehmer“ Klausel des Versicherungskonzepts angeordneten Subsidiarität. Das Verfahren sei zur Höhe des Betriebsausfallschadens ergänzungsbedürftig, weil das Erstgericht diesen zu Unrecht nach § 273 Abs 1 ZPO bemessen habe. Nach den Art 5.5.2 und 8.1.5.1 AHVB 2009 sei die außergerichtliche Rechtsverteidigung zum Unterschied von der gerichtlichen dem Versicherer nicht vorbehalten. Selbst wenn sich ein solcher Vorbehalt aus dem Versicherungskonzept ergebe, würde ein allfälliger Verstoß dagegen keinen Risikoausschluss, sondern nur eine Obliegenheitsverletzung darstellen. Die Beklagte habe allerdings nur Versicherungsschutz für außergerichtliche Kosten zur Feststellung und Abwehr versicherter Schadenersatzansprüche zu gewähren; eine Ermittlung der gedeckten Vertretungskosten sei anhand der erstgerichtlichen Feststellungen jedoch nicht möglich. Bei den vom Leitungswasserversicherer der Betreibergesellschaft „angemeldeten“ Ansprüchen handle es sich um solche, die gemäß Art 7.1.1, 7.1.3, 7.9 AHVB 2009 und Absatz 4 der Klausel für Nachbesserungs-Begleitschäden des Versicherungskonzepts vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien. Dies gelte auch für die Sachverständigenkosten als Kosten der Fehlersuche; diese würden zu den schadenersatzrechtlich zu beurteilenden Verbesserungskosten gehören, die als Erfüllungssurrogate nicht in den Versicherungsschutz einbezogen seien. Die nur auf Gewährleistungs- und Garantieansprüche abstellende Subunternehmerklausel des Versicherungskonzepts erweitere insofern den Versicherungsschutz nicht. Einen noch zu befürchtenden Ersatzanspruch für Reinigungskosten als reinen Vermögensschaden habe die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht konkret behauptet.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen das Teilurteil und der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig seien, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den vorliegenden Klauseln für Nachbesserungs-Begleitschäden und Subunternehmer fehle.
Gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens richtet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit einem Antrag auf Klagsabweisung.
Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
ad I) Rekurs der Beklagten:
Der Rekurs der Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Zum Versicherungsschutz für Schadenszufügung durch Subunternehmer:
Die Betreibergesellschaft nahm die Klägerin als Generalunternehmerin in Anspruch. Dafür gewährt das Versicherungskonzept in der Klausel „Generalunternehmerrisiko“ Versicherungsschutz ohne Anordnung einer Subsidiarität. Nach der „Subunternehmer“-Klausel bezieht sich der Versicherungsschutz auch auf Schadenersatzverpflichtungen der vom Versicherungsnehmer beauftragten Subunternehmer in dieser Eigenschaft, jedoch nur insoweit, als hiefür nicht anderweitig Versicherungsschutz besteht. Der Rekurs räumt zwar ein, dass die Klägerin Generalunternehmerin war und als solche vom Geschädigten in Anspruch genommen wird, übergeht aber die „Generalunternehmerklausel“ und argumentiert mit der hier nicht anzuwendenden „Subunternehmerklausel“ und will die dort vereinbarte Subsidiarität auf die „Generalunternehmerklausel“ übertragen. Sie bleibt dabei aber jeden Grund dafür schuldig. Nach der eindeutigen Bedingungslage besteht für die Deckung aus der „Generalunternehmerklausel“ keine Subsidiarität.
2. Zum Betriebsausfallschaden:
2.1. Unstrittig ist, dass es sich beim Betriebsausfallschaden um einen reinen Vermögensschaden handelt, der als Erfüllungssurrogat nach Art 7.1 AHVB 2009 (Gewährleistungsklausel) nicht gedeckt ist (vgl etwa RIS Justiz RS0081685). Der Rekurs stützt sich nur darauf, dass sich der Risikoeinschluss durch die „Nachbesserungs-Begleitschäden“-Klausel des Versicherungskonzepts nicht auf den Betriebsausfallschaden bezieht, weil für die Durchführung der Verbesserungsarbeiten keine Sachen des Auftraggebers oder Dritter betroffen waren.
2.2. Der Versicherungsschutz der „Nachbesserungs-Begleitschäden“-Klausel bezieht sich nach Absatz 2 abweichend von Art 7.1.1, 7.1.3 und 7.9 AHVB 2009 auch auf Schadenersatzansprüche aus reinen Vermögensschäden infolge aufgetretener Mängel an Sachen des Auftraggebers oder sonstiger Personen. Als Beispiel wird unter anderem die Stilllegung von Betrieben angeführt. Absatz 4 schließt den Versicherungsschutz aus, wenn die Sachen, die zur Durchführung der Nachbesserungsarbeiten beschädigt werden müssen, ursprünglich vom Versicherungsnehmer selbst (oder in seinem Auftrag oder auf seine Rechnung von Dritten) verlegt oder angebracht worden sind. Der sekundäre Risikoausschluss nach Absatz 4 kann sich im hier zu beurteilenden Zusammenhang nicht auf den Risikoeinschluss nach Absatz 2 beziehen. Der Betrieb ist keine Sache, die vom Versicherungsnehmer hergestellt wurde. Ein anderes Verständnis würde auch dem ausdrücklich als Beispiel in Absatz 2 genannten Risikoeinschluss für reine Vermögensschäden aus Betriebsstilllegungen widersprechen.
2.3. Zusammengefasst folgt daraus, dass ein Betriebsausfallschaden vom Versicherungsschutz grundsätzlich umfasst ist. Das Berufungsgericht hat zu dessen Beurteilung eine Verbreiterung der Tatsachengrundlage angeordnet.
3. Zu den außerprozessualen Vertretungskosten:
Der Rekurs zieht nicht mehr in Zweifel, dass keine Obliegenheitsverletzung vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer einen Rechtsanwalt mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt, meint aber, dass der Versicherer die ohne sein Wissen und Zutun verursachten Kosten nicht zu ersetzen hat, weil andernfalls ein Vertrag zu Lasten Dritter vorläge.
3.1. Nach Art 5.5.2 AHVB 2009 sind - in Einklang mit § 150 Abs 1 VersVG - die den Umständen nach gebotenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Feststellung und Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzpflicht vom Versicherungsschutz umfasst, und zwar auch dann, wenn sich der Anspruch als unberechtigt erweist. Nach Art 8.1.5.1 AHVB 2009 hat der Versicherungsnehmer den vom Versicherer bestellten Anwalt (Verteidiger, Rechtsbeistand) zu bevollmächtigen, ihm alle von ihm benötigten Informationen zu geben und ihm die Prozessführung zu überlassen. Aus Art 8.1.5.1 AHVB 2009 kann eine Obliegenheit, die außerprozessuale Schadenregulierung dem Versicherer zu überlassen, nicht abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0081133). Eine Zustimmung des Versicherers als Deckungsvoraussetzung (wie dies der Rekurs fordert) ist den Bedingungen nicht zu entnehmen, sodass Erörterungen, ob dies überhaupt zulässig ist, unterbleiben können. Mit der Einschränkung in Art 5.2.2 AHVB 2009, dass der Versicherer nur die „nach den Umständen gebotenen“ außergerichtlichen Kosten der Feststellung und Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzpflicht zu tragen hat, ist sichergestellt, dass der Versicherer nicht durch eine mutwillige Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts durch den Versicherungsnehmer selbst geschädigt wird (vgl 7 Ob 8/77 = RIS-Justiz RS0081119, wonach die Kostentragungspflicht nach § 150 Abs 1 VersVG allein nach der objektiven Sachlage zu prüfen ist). Die grundsätzliche Notwendigkeit der Beiziehung eines Rechtsanwalts wird im Rekurs nicht in Zweifel gezogen.
3.2. Der vom Haftpflichtversicherer geschuldete Rechtsschutz wird durch Übernahme der für die Verteidigung gegen den Haftpflichtanspruch erforderlichen Kosten gewährt (7 Ob 60/13v). Demgemäß sind nur jene außergerichtlichen Vertretungskosten gedeckt, die versicherte Schadenersatzansprüche betreffen. In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht bedarf es daher Feststellungen dazu, welche Vertretungskosten auf die Feststellung und die Abwehr versicherter Schadenersatzverpflichtungen entfielen.
4. Zusammenfassung und Kosten:
Dem Rekurs der Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO (RIS-Justiz RS0035976).
ad II) Revision der Klägerin:
Die Revision ist zulässig, sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.
Gegenstand der Revision ist ausschließlich die Abweisung des Feststellungsbegehrens mangels Feststellungsinteresses durch die Vorinstanzen.
1. Bei der Beurteilung des Wesens des Anspruchs des Versicherungsnehmers aus der Haftpflichtversicherung sind das Deckungs- und das Haftpflichtverhältnis zu unterscheiden. Der Versicherungsanspruch in der Haftpflichtversicherung ist auf die Befreiung von begründeten und die Abwehr von unbegründeten Haftpflichtansprüchen gerichtet. Unbeschadet dieser beiden Komponenten (Befreiungs- und Rechtsschutzanspruch) handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch des Versicherungsnehmers. Er wird in dem Zeitpunkt fällig, in dem der Versicherungsnehmer von einem Dritten auf Schadenersatz wegen eines unter das versicherte Risiko fallenden Ereignisses oder einer sonstigen Eigenschaft in Anspruch genommen wird, unabhängig davon, ob die Haftpflichtforderung begründet ist, weil Versicherungsschutz auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche in sich schließt (RIS-Justiz RS0080384, RS0081228, RS0080013, RS0080086). Ab der Inanspruchnahme durch den Dritten steht dem Versicherungsnehmer (vorerst nur) ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Versicherungsschutzes (der Deckungspflicht) zu, wenn der Versicherer die Deckung ablehnt. Mit der bloßen Ablehnung der Deckung geht allerdings der primär nicht auf eine Geldleistung gerichtete Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers nicht (gleichsam automatisch) in einen Zahlungsanspruch über. Auf eine Leistungsklage kann der Versicherungsnehmer noch nicht verwiesen werden, auch wenn der Schaden bereits zur Gänze behoben wurde oder der gegen ihn geltend gemachte Schaden bereits ziffernmäßig feststeht (RIS-Justiz RS0038928 [T5 bis T 7]). Der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers wandelt sich gemäß § 154 Abs 1 VersVG, der keine Sondervorschriften für das Fälligwerden anordnet (RIS-Justiz RS0080609), nur dann in einen Zahlungsanspruch, wenn der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt wurde (RIS-Justiz RS0080603).
2. Zur Begründung ihres Feststellungsinteresses verweist die Klägerin in ihrer Revision auf im Schreiben des Leitungswasserversicherers der Betreibergesellschaft vom enthaltene Sachverständigenkosten, die sie selbst noch nicht befriedigt habe, die daher auch nicht Gegenstand des Leistungsbegehrens sein könnten und deren Übernahme die Beklagte ablehnt.
Nach der Klausel „Gewährleistung/Garantie für Subunternehmer“ im Versicherungskonzept ist das Gewährleistungs- und Garantierisiko des Versicherungsnehmers ausschließlich insoweit versichert, als der Versicherer das Ausfallrisiko bei einem Insolvenzverfahren des Professionisten oder Subunternehmers trägt, welcher vom Versicherungsnehmer beauftragt worden ist. Hier liegt keine Insolvenz des Subunternehmers vor. Der letzte Satz der Klausel erweitert aber den Versicherungsschutz für Sachverständigenkosten unabhängig von einem Insolvenzverfahren. Demnach besteht aufgrund des Risikoeinschlusses jedenfalls Versicherungsschutz für im Zusammenhang mit der Fehlersuche aufgelaufene Sachverständigenkosten im Hinblick auf Arbeiten des Subunternehmers.
3. Da der Klägerin gegenüber Ansprüche geltend gemacht wurden, die vom Versicherungsschutz umfasst sind, was die Beklagte bisher bestritt, könnte das Feststellungsbegehren grundsätzlich berechtigt sein. Allerdings fehlen Feststellungen dazu, ob die Sachverständigenkosten - entsprechend dem Einwand der Beklagten - vom Bauwesenversicherer der Klägerin in der Zwischenzeit getilgt wurden. Ist dies der Fall, fehlt eine Inanspruchnahme der Klägerin und das Feststellungsbegehren wäre abzuweisen. Damit kann aber derzeit nicht abschließend über das Feststellungsbegehren abgesprochen werden.
4. Das Verfahren ist betreffend das Feststellungsbegehren im aufgezeigten Sinn ergänzungsbedürftig. Die Rechtssache war daher auch in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen.
5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00224.15I.0217.000