OGH vom 26.02.1958, 2Ob633/57
Norm
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 332;
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 337 Abs 2;
Eisenbahn- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz § 17;
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen § 14 Abs 2;
Kopf
SZ 31/31
Spruch
Mangels einer anders lautenden Übergangsbestimmung des ASVG. ist für die Verjährung das bei der Begründung des Anspruches geltende Gesetz maßgebend.
Zur Verjährung der Regreßansprüche der Sozialversicherungsträger, insbesondere aus der Invaliden- (Pensions-) Versicherung; Einfluß von Vergleichsverhandlungen.
Entscheidung vom , 2 Ob 633/57.
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Rudolf H. erlitt am einen tödlichen Verkehrsunfall. Mit dem rechtskräftig gewordenen Urteil vom wurde der Erstbeklagte als Lastkraftwagenlenker wegen dieses Verkehrsunfalles gemäß § 335 StG. verurteilt. Die Klägerin als Sozialversicherungsträgerin (Pensionsversicherung) erbringt an die Witwe und den Sohn des Getöteten seit Pflichtleistungen an Witwen- und Waisenrente. In der am erhobenen Klage verweist die Klägerin auf die Haftung der beiden Beklagten nach § 1327 ABGB. (bezüglich des Zweitbeklagten als Kraftfahrzeughalters unter Bedachtnahme auf Art. IV EVzKraftfVerkG.) und die gesetzliche Zession dieser Ansprüche der Hinterbliebenen an die Sozialversicherungsträgerin nach § 1542 RVO. Die Klägerin verlangt die Verurteilung der beiden Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung des Betrages von 12.600 S (d. s. 300 S mal 42, nämlich für die Zeit vom bis , also 42 Monate) s. A. und zur Leistung einer monatlichen Rente von 300 S ab .
Die Beklagten haben den Anspruch dem Gründe (insbesondere auch wegen Verjährung) und der Höhe nach bestritten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil der Anspruch der Klägerin verjährt sei.
Der Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei teilweise Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Unter dem Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO. vertritt die Klägerin zunächst die Ansicht, daß die Klage noch innerhalb der dreijährigen Verjährungszeit des § 1489 ABGB. erhoben worden sei; denn erst Ende Februar 1954 sei die Feststellung der an die Hinterbliebenen des Rudolf H. von der Klägerin zu erbringenden Versicherungsleistungen rechtskräftig geworden, während die Klage am erhoben worden sei. Dieser Annahme des Beginns der Verjährungszeit mit Ende Februar 1954 kann aber nicht beigepflichtet werden. Vielmehr ist in dieser Hinsicht die Beurteilung der Untergerichte zu billigen. Bei der im § 1542 RVO. bzw. § 332 ASVG. normierten Legalzession entsteht der Anspruch in der Person des Verletzten und geht aus der Person des Verletzten grundsätzlich sofort auf den Träger der Sozialversicherung über. Bei der Invaliden-(Pensions-)Versicherung - darum handelt es sich in diesem Streitfalle - ergibt sich eine Einschränkung dieses Grundsatzes deswegen, weil Ansprüche aus dieser Versicherung nur auf Antrag gewährt werden. Der Übergang der Ersatzansprüche auf den Invaliden-(Pensions-) Versicherungsträger erfolgt demgemäß erst mit der Geltendmachung des Anspruches des Verletzten aus der Sozialversicherung beim Versicherungsträger (vgl. z. B. ZVR. 1957 S. 133; Fenzl, Der Zeitpunkt des Überganges der Ansprüche nach § 1542 RVO., ÖJZ. 1955 S. 557 ff.). Von der Tatsache des Anspruchsüberganges nach der Legalzession ist die Frage der Verjährung auseinanderzuhalten. Grundsätzlich gilt nun für die Verjährung des Rückgriffsanspruches des Sozialversicherungsträgers aus § 1542 RVO. - die Frage, ob auf den vorliegenden Fall die Bestimmungen der RVO. oder jene des ASVG. zur Anwendung kommen, wird später zu erörtern sein - diejenige Verjährungsvorschrift, welcher der zivilrechtliche Anspruch des Verletzten unterliegt, und es beginnt nicht eine neue Verjährung gegenüber dem Sozialversicherungsträger als Legalzessionar zu laufen. Für die Invaliden-(Pensions-) Versicherung wird dabei im Hinblick auf die oben erwähnte Besonderheit die Ansicht vertreten (vgl. Fenzl. a. a. O. S. 558), daß dir Verjährungsfrist bezüglich der Regreßansprüche des Sozialversicherungsträgers erst mit der Anmeldung des Versicherungsfalles durch den Verletzten zu laufen beginne, während die Verjährungsfrist bezüglich der Ansprüche des Verletzten selbst schon mit dem Unfalle zu laufen beginne. Nun ist vorliegendenfalls der Antrag auf Gewährung der Witwen- und Waisenrente bei der Klägerin am gestellt worden. Wenn die Vorinstanzen den Beginn der Verjährung auf diesen Zeitpunkt abgestellt haben, während sich der tödliche Verkehrsunfall des Rudolf H. am ereignet hatte, dann haben sie die für den Standpunkt der Klägerin günstigste vertretbare Ansicht der Entscheidung zugrunde gelegt und kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darüber beschweren. Auf die Erlassung des Bescheides des Sozialversicherungsträgers über den gestellten Antrag (vorliegendenfalls ist der Bescheid am ergangen) oder die Rechtskraft dieses Bescheides kommt es bei der Beurteilung des Beginnes des Laufes der Verjährungsfrist nicht an; den Ausgangspunkt dieser Beurteilung bilden ja die Legalzession und die daraus abzuleitenden oben dargelegten Folgerungen.
Die Revision ist auch unbegrundet, soweit darin unter Hinweis auf § 1480 ABGB. ausgeführt wird, daß "eine totale Verjährung der Rückgriffsansprüche der Klägerin nicht in Betracht komme". Diese Ansicht der Klägerin haben die Vorinstanzen zutreffend abgelehnt. Die Frage der Verjährung ist eben auf den Schadenersatzanspruch der Hinterbliebenen nach § 1327 ABGB. bzw. nach § 10 Abs. 2 KraftfVerkG. abzustellen und demnach nach § 1489 ABGB. bzw. § 14 KraftfVerkG. zu beurteilen. Erst das zuerkannte Recht auf den Rentenbezug verjährt durch den Nichtgebrauch von 30 Jahren, die Entschädigungsklage selbst ist nach drei Jahren verjährt. Die Ersatzpflicht kann sich auf die Lebenszeit erstrecken; wer aber zum Schadenersatz verpflichtet ist, wird von dieser Pflicht frei, wenn die Ersatzleistung nicht innerhalb der für die Entschädigungsklage vorgesehenen Frist geltend gemacht wird. Die Bezugnahme der Untergerichte auf die Entscheidung SZ. XIII 30 ist in diesem Zusammenhange durchaus gerechtfertigt. Umstände, die der Annahme der Verjährung nach § 1489 ABGB. im Wege stunden, behauptet die Revisionswerberin diesbezüglich selbst nicht.
Der Revision kann aber die Berechtigung nicht abgesprochen werden, soweit darin ein Rechtsirrtum in der Anwendung des § 14 Abs. 2 KraftfVerkG. gerügt wird. In dieser Hinsicht muß aber zunächst zum Vorbringen der Revisionsgegner in zwei Richtungen Stellung genommen werden, weil die Beklagten - hilfsweise - die Auffassung vertreten, daß die zitierte Vorschrift nicht zur Anwendung komme. Diese Ansicht der Beklagten als Revisionsgegner ist unrichtig. Denn erstens ist die Klage nicht nur auf das allgemeine bürgerliche Recht, sondern daneben auch auf das Kraftfahrzeugverkehrsgesetz gegrundet worden, was aber nichts anderes bedeutet, als daß geprüft werden muß, ob die Klagsansprüche - eventuell in verringertem Ausmaß - nach dem KraftfVerkG. gegeben seien, wenn eine Haftung der Beklagten nach dem ABGB. - es kommt diesbezüglich nur das Verjährungsproblem in Betracht - nicht gegeben wäre. Zweitens aber ist die Ansicht des Berufungsgerichtes zu billigen, daß nämlich der Anwendung des § 14 Abs. 2 KraftfVerkG. vorliegendenfalls die Vorschrift des § 337 Abs. 2 ASVG. nicht entgegenstehe. Der tödliche Unfall des Rudolf H. hat sich ja bereits am ereignet, und im Sinne der Rechtsprechung des Revisionsgerichtes (vgl. EvBl. 1957 Nr. 324) ist schon im allgemeinen festzuhalten, daß der Zeitpunkt des Unfalles für den Rückgriffsanspruch maßgebend ist (das ASVG. ist erst am in Kraft getreten; vgl. § 545 Abs. 1 dieses Gesetzes). Im besonderen ist aber noch zu berücksichtigen, daß mangels einer anders lautenden Übergangsbestimmung des ASVG. für die Verjährung das bei Begründung des Anspruchs geltende Gesetz maßgeblich ist (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. I/1 S. 95: Klang 2. Aufl. I 35 und 79). Dem Berufungsgerichte ist also entgegen der Ansicht der Revisionsgegner beizupflichten, wenn es die Anwendbarkeit des § 14 KraftfVerkG. auf den vorliegenden Fall grundsätzlich bejaht hat.
Im Umfange der Regelung nach dem KraftfVerkG. kann also das Klagebegehren nicht schon auf Grund des eigenen Vorbringens der Klägerin wegen Verjährung abgewiesen werden, was aber bedeutet, daß das Verfahren in Hinsicht auf die Behauptung der Verjährungshemmung nach § 14 Abs. 2 KraftfVerkG. ergänzungsbedürftig ist. Zunächst in dieser Richtung muß also das Vorbringen der Klägerin geprüft werden; diesbezüglich liegen Feststellungsmängel vor, die eine meritorische Entscheidung in dritter Instanz ausschließen.
Der Revision kann aber kein Erfolg beschieden sein, soweit darin auch die Verjährung der auf das ABGB. gegrundeten Ansprüche negiert wird. Denn in dieser Beziehung kommt es auf die Vorschrift des § 1489 ABGB. an, und im ABGB. ist eine Verjährungshemmung im Sinne des § 14 Abs. 2 KraftfVerkG. nicht vorgesehen. Daß auf die von den Beklagten erhobene Verjährungseinrede unter dem Gesichtspunkte der Arglist nicht einzugehen wäre, hat die Klägerin vor dem Erstgerichte nicht vorgebracht. In diesem Zusammenhang ist nur noch auf das Vorbringen der Revisionswerberin, daß die Klage nach Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen rechtzeitig erhoben worden sei, einzugehen. Dieses Vorbringen hat zunächst keinerlei Bedeutung, soweit es auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes hinsichtlich der Bestimmungen des § 1497 ABGB. Bezug nimmt, weil eine Unterbrechung der Verjährung nach dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt, wie bereits oben in einem anderen Zusammenhang dargelegt worden ist. Diesem Vorbringen der Revision kommt aber auch im übrigen keine Berechtigung zu. Zwar ist unter dem Gesichtspunkt redlicher Rechtsausübung anerkannt (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 9. Aufl. S. 159), daß auch außerhalb des Anwendungsgebietes des § 14 Abs. 2 KraftfVerkG. und der sonstigen dieser Vorschrift entsprechenden Sonderbestimmungen Vergleichsverhandlungen bewirken, daß nach ihrem Abbruch der Schädiger die Einrede der Verjährung mit Erfolg erst dann erheben kann, wenn der Verletzte bzw. dessen Rechtsnachfolger nicht innerhalb einer angemessenen, in der Regel aber nur kurz zu bemessenden Frist die Verjährung durch Klagserhebung unterbrochen hat. In dieser Hinsicht hat aber die Klägerin gegenüber der Verjährungseinrede nichts vorgebracht und insbesondere nicht die Verzögerung der Klagseinbringung begrundet. Dem Klagebegehren, soweit es auf das ABGB. gegrundet ist, steht also die Verjährung entgegen.
Für die Erledigung in dritter Instanz ergeben sich aus diesen Darlegungen die nachstehenden Folgerungen:
Das Klagebegehren ist auf Zahlung von 12.600 S, nämlich 300 S monatlich für die Zeit vom bis , sowie einer monatlichen Rente von 300 S ab gerichtet. Dieses Klagebegehren kann im Falle der Verjährungshemmung nach § 14 Abs. 2 KraftfVerkG. und nach Maßgabe der sonstigen noch zu prüfenden Voraussetzungen im Rahmen des § 12 Abs. 1 Z. 1 KraftfVerkG. begrundet sein. Maßgeblich ist das Rentenbegehren, der Betrag von 12.600 S bedeutet ja nichts anderes als eine aufgestockte Rente. Die monatliche Rentenleistung nach der zitierten Bestimmung ist aber mit 125 S begrenzt so daß höchstens dieser Betrag von den Beklagten zu leisten ist. Das darüber hinausgehende Klagebegehren ist unbegrundet, weil diesem auf das ABGB. gegrundeten Mehrbegehren die gerechtfertigte Einrede der Verjährung entgegensteht. In dem letzterwähnten Umfange war also das Urteil des Berufungsgerichtes, womit die erstinstanzliche Klagsabweisung bestätigt worden war, als Teilurteil zu bestätigen. Im übrigen war das Urteil des Berufungsgerichtes und in demselben Umfange auch das Ersturteil aufzuheben (es bedarf einer Verhandlung in erster Instanz, um die Sache spruchreif zu machen) und die Sache insoweit an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Im künftigen Verfahren wird das Erstgericht zunächst zu prüfen haben, ob dem restlichen auf das KraftfVerkG. gegrundeten Begehren die Einrede der Verjährung entgegenstehe bzw. ob die Verjährungshemmung nach Maßgabe des § 14 Abs. 2 KraftfVerkG. gegeben sei. Wenn Verjährung nicht gegeben sein sollte, wird sich das Erstgericht mit der Frage der Höhe des noch restlichen Anspruches zu befassen haben.