OGH vom 20.12.2016, 1Ob227/16p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers F***** H*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayrhofer, Rechtsanwalt in Mauthausen, gegen die Antragsgegnerin U***** H*****, vertreten durch Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwalt in Freistadt, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff EheG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 145/16y 44, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Perg vom , GZ 2 Fam 69/14z 32, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht hatte neben der unbekämpft gebliebenen Zuteilung der Ersparnisse, der Liegenschaft samt der Ehewohnung sowie Wohnungseinrichtung und anderen Gegenständen der Antragsgegnerin eine Ausgleichszahlung von ca 25.000 EUR auferlegt. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers, diese zu erhöhen, nicht Folge. Vielmehr wies es über den Rekurs der Antragstellerin dessen Antrag auf Zuerkennung einer Ausgleichszahlung überhaupt ab.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung vom Antragsteller erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig, was kurz zu begründen ist (§ 71 Abs 3 AußStrG):
1. Oberster Grundsatz bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG ist die Billigkeit (RIS Justiz RS0079235 [T1]). Die Aufteilung hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage nur dann vorliegt, wenn das Rekursgericht seinen Ermessensspielraum in einer korrekturbedürftigen Weise überschritten hat (vgl RIS Justiz RS0108755 [T1]; RS0113732).
2. Der Revisionsrekurswerber wendet sich dagegen, dass das Rekursgericht bei Beurteilung der Frage, ob ihm ein (von ihm selbst in Höhe von ca 33.000 EUR als angemessen betrachteter) Ausgleichsbetrag zuzuerkennen sei, berücksichtigte, dass mit während der Ehe erwirtschafteten Mitteln die vor der Ehe entstandenen Verbindlichkeiten allein des Antragsgegners in Höhe von 98.000 EUR zur Gänze getilgt wurden, und damit zum Ergebnis gekommen war, deswegen stehe ihm im Rahmen einer billigen Aufteilung eine Ausgleichszahlung nicht zu. Eine solche Berücksichtigung der Tilgung seiner vor der Ehe eingegangenen Verbindlichkeiten widerspreche den Entscheidungen 7 Ob 105/09f, 7 Ob 47/99h und 1 Ob 145/16d.
3. Gerade der Entscheidung 7 Ob 47/99h ist aber zu entnehmen, dass es dem Grundsatz der Billigkeit entsprechen kann, dass die Aufteilung nicht streng rechnerisch – wie dies nun der Antragsgegner tut – nach dem Wert des aufzuteilenden Vermögens erfolgt. In dem damals zu beurteilenden Fall war die Liegenschaft mit dem Haus, für die während der Ehe ein Kredit vom Mann aufgenommen (und bezahlt) worden war, den gemeinsamen Kindern geschenkt worden, weswegen die Tatsache, dass diese Liegenschaft, zu deren Anschaffung die Schulden aufgenommen worden waren, nicht mehr als Aktivum vorhanden war, auf dem Schenkungswillen der Ehegatten beruhte. Billigkeitserwägungen, die nun auch in seiner Entscheidung das Rekursgericht angestellt hat, waren es, die im Hinblick auf den Nettoverdienst der damaligen Antragsgegnerin dazu führten, dass ihr über die auferlegte Rückzahlung der Kredite hinaus keine weitere Ausgleichszahlung zugemutet und deswegen in jenem Fall die vom Mann geleistete Tilgung der Kredite nicht berücksichtigt wurde.
Im Fall der Entscheidung 7 Ob 105/09f war strittig gewesen, ob die Wertsteigerung einer von einem Ehegatten in die Ehe eingebrachten Liegenschaft in die Aufteilungsmasse fällt oder nicht. Der Oberste Gerichtshof sprach damals aus, es sei eine auf Anstrengungen oder Konsumverzicht der Eheleute beruhende Wertsteigerung einzubeziehen, nicht jedoch eine solche, die ihre primäre Ursache in der Entwicklung der Liegenschafts und Baustoffpreise habe, weil nur erstere eine eheliche Errungenschaft sei. Gleichzeitig betonte der siebente Senat aber, dass es auch der damaligen Antragstellerin zuzurechnen sei, dass sie es etwa wegen von ihr auf sich genommenen Einschränkungen dem Antragsgegner ermöglicht hatte, die auf seiner Eigentumswohnung lastenden Schulden zu reduzieren, was im Rahmen der Billigkeit zu berücksichtigen sei.
Erst unlängst stellte der erkennende Senat klar, dass die Schuldtilgung von für die Anschaffung oder den Ausbau einer in die Ehe von einem eingebrachten Liegenschaft aus ehelichen Mitteln im Ausmaß der Reduktion des Kreditsaldos als deren Wertsteigerung in die Aufteilungsmasse fällt (1 Ob 262/15h = RIS-Justiz RS0130671 = EF Z 2016/94, 199 [ Oberhumer ] = iFamZ 2016/108, 179 [ Deixler Hübner ] mwN). Dass die Schuldtilgung hier nicht gleichzeitig der Anschaffung einer Sache gedient hatte, vermag eine Unrichtigkeit der vom Rekursgericht angestellten Überlegungen zur Billigkeit nicht aufzuzeigen. Wenn eheliche Mittel in erheblichem Ausmaß zur Tilgung der von einem Ehegatten in die Ehe mitgebrachten Schulden verwendet werden, wird ein Teil der ehelichen Errungenschaft, der sonst angespart (und später aufgeteilt) werden hätte können, einseitig zu Gunsten eines Ehepartners verwendet. Auch wenn dem Antragsteller hier kein Wert in Form einer Sache verblieben ist, verbleibt ihm der mit ehelichen Mitteln geschaffene Vorteil, dass er nun nicht mehr mit seinen Schulden belastet ist. Im Fall der zuletzt vom Revisionsrekurswerber erwähnten Entscheidung 1 Ob 145/16d wurde der dem damaligen Antragsgegner zugekommene Vermögensvorteil einer Verminderung jener Schulden, die er zur Finanzierung von Vorhaben seines eigenen Lebensbereichs eingegangen war, im Rahmen der Bemessung der Ausgleichszahlung maßgeblich berücksichtigt und minderte die der Antragstellerin aufzuerlegende Ausgleichszahlung. Wenn der Revisionsrekurswerber meint, der Unterschied zur nun zu beurteilenden Konstellation liege darin, dass damals diese Schulden während der aufrechten Ehe eingegangen worden seien, lässt sich zum einen eine Argumentation mit diesem Umstand der Entscheidung gar nicht entnehmen. Zum anderen wäre darin auch kein Wertungsunterschied zum hier vorliegenden Sachverhalt zu sehen. Wesentlicher wiegt, dass auch die in dieser Entscheidung erwähnten Schulden solche waren, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen oder der Ehewohnung nicht im Zusammenhang standen. Schon in der Entscheidung 1 Ob 505/92 berücksichtigte der Oberste Gerichtshof im Rahmen der billigen Aufteilung sogar, dass die Frau durch entsprechenden Konsumverzicht dazu beigetragen hatte, mit während der Ehe erwirtschafteten Mitteln sowohl bereits vorher bestandene, als auch neu eingegangene Verbindlichkeiten des Mannes, die im Zusammenhang mit von der Aufteilung ausgenommenen Sachen standen, abzusenken.
4. Dass daher das Rekursgericht bei Bemessung der Ausgleichszahlung im Rahmen der Billigkeit den Vorteil des Antragsgegners der Tilgung seiner Schulden im Ausmaß von ca 100.000 EUR berücksichtigte und deswegen der Antragstellerin keine Ausgleichszahlung mehr auferlegte, hält sich somit im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
Der Revisionsrekurs des Antragstellers, der auch sonst keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigen kann, ist daher zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00227.16P.1220.000