OGH vom 31.03.2016, 1Ob227/15m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** V*****, vertreten durch Dr. Edgar Veith, Rechtsanwalt in Götzis, gegen die beklagten Parteien 1. E***** F*****, 2. *****sportverein *****, beide vertreten durch Mag. Bernhard Schwendinger, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 152/15h 41, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom , GZ 4 C 860/10p 37, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 614,86 EUR (darin enthalten 102,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf befindlichen Wohnhaus, das ganzjährig bewohnt ist. Die Liegenschaft ist mit dem öffentlichen Wegenetz durch einen im Eigentum einer Güterwegegenossenschaft stehenden Weg verbunden, der eine Schiabfahrt kreuzt. Die Zweitbeklagte, deren Obmann der Erstbeklagte ist, veranstaltete auf dieser Abfahrtspiste Schirennen, bei welchen entsprechend der österreichischen Wettkampfordnung die gesamte Rennpiste mit Absperrbändern abgegrenzt wurde. Diese Absperrbänder verliefen auch über den Güterweg und wurden ab dem Jahr 2010 so montiert, dass der Weg zum Anwesen des Klägers (zu Fuß) ohne Behinderung passiert werden konnte, und die Absperrbänder nicht extra hochgehoben werden mussten.
Der Kläger begehrte, die Beklagten schuldig zu erkennen, Störungen betreffend die Zufahrt zu seinem Wohnobjekt, insbesondere durch die Veranstaltung von Schirennen, das Sperren der Zufahrtsstraße mittels Absperrbänder oder durch ähnliche Maßnahmen, in eventu, die Sperre der Zufahrtsstraße durch diese oder ähnliche Maßnahmen zu unterlassen.
Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der Klage durch das Erstgericht. Ein uneingeschränktes, über landwirtschaftliche Zwecke hinausgehendes Dienstbarkeitsrecht sei dem Kläger mit Vertrag vom nicht eingeräumt worden. Ob es zur Ersitzung eines (uneingeschränkten) Geh und Fahrrechts durch den Kläger gekommen sei, könne hier dahinstehen, weil der Geh und Fahrweg erst im Jahr 1972 ausgebaut worden sei, und die Zweitbeklagte bereits davor Schirennen auf der Piste veranstaltet habe. Eine Ersitzung könne daher wenn überhaupt nur in einem eingeschränkten Umfang erfolgt sein, sodass der Kläger jedenfalls kein uneingeschränktes Fahrrecht ersessen habe. Dass er gegenüber den Grundeigentümern einer Nutzung des Weges durch Schifahrer bei Schirennen widersprochen habe, sei nicht geltend gemacht, weswegen insoweit von einer zumindest konkludenten Zustimmung und damit von einer entsprechenden Einschränkung eines allenfalls ersessenen Gehrechts auszugehen sei. Letztlich diene das Anbringen von Absperrbändern während der Schirennen nicht nur dem Schutz von Schifahrern, sondern auch dem Schutz anderer, den Weg nutzender Personen, weswegen dadurch billige Interessen des Klägers nicht verletzt seien.
Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil soweit überblickbar keine Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob ein Fahrrecht nur eingeschränkt ersessen werden könne, wenn der mit der Dienstbarkeit belastete Weg während der Wintersaison von auf einer kreuzenden Piste fahrenden Schifahrern im Zuge von Schirennen benutzt werde.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
1. Das Berufungsurteil ist weder mit sich selbst im Widerspruch, noch ist dessen Fassung so mangelhaft, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könnte. Eine Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO (iVm § 503 Abs 1 Z 1 ZPO) liegt damit nicht vor.
2.1 Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage stellt sich in Wahrheit nicht.
2.2 Wie das Erstgericht festgestellt hat, erließ der Bürgermeister der Gemeinde, die auch Schiliftbetreiberin ist, am eine Verordnung gemäß § 43 Abs 1 lit b (und Abs 2 lit a) StVO über ein Fahrverbot, nach deren § 3 der hier streitgegenständliche Güterweg während der Wintersaison zur Sicherheit der Schiliftbenützer für jegliche Kraftfahrzeuge zu sperren ist. Anträge unter anderem des Obersten Gerichtshofs (AZ 1 Ob 202/14h), § 3 dieser Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , GZ V 66/2014 14 ua, abgewiesen.
2.3 In Verfahren, die der Kläger (3 Ob 154/15s) bzw dessen Vertreter im eigenen Namen (1 Ob 162/15b) gegen die Schiliftbetreiberin führte, wurde bereits ausgesprochen, dass es wenn nicht eine Ausnahme vom verordneten Fahrverbot bewilligt wird an der rechtlichen Erlaubtheit (vgl dazu auch 2 Ob 173/12y) des Befahrens des Güterwegs mit Kraftfahrzeugen jeglicher Art während der Wintersaison fehlt.
2.4 Ein Verfahren zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung vom erlassenen Fahrverbot ist nach den Feststellungen des Erstgerichts zwar anhängig, jedoch noch nicht rechtskräftig beendet. Auch für den vorliegenden Fall gilt daher, dass dem Kläger derzeit ein Befahren des Güterwegs mit Kraftfahrzeugen jeglicher Art während der Wintersaison rechtlich nicht erlaubt ist. Solange die Verordnung aufrecht ist bzw dem Kläger eine Ausnahmebewilligung vom Fahrverbot nicht erteilt wird, kann sich der Kläger nicht darauf berufen, er werde in der Ausübung einer ihm zukommenden Dienstbarkeit des Fahrrechts durch die Abhaltung von Schirennen adäquat kausal beeinträchtigt (vgl dazu RIS Justiz RS0012084), gleichgültig ob er eine solche Servitut eingeschränkt ersessen hat, wie das Berufungsgericht meint, oder ob ihm ein solches Recht vertraglich eingeräumt wurde, wie der Kläger in seiner Revision geltend macht.
3.1 Das Recht der Gemeinde als Schiliftbetreiberin, über den gegenständlichen Weg eine Schiabfahrt zu führen, stellt der Kläger in seinen Revisionsausführungen nicht in Frage. Damit zeigt er auch mit seinen Ausführungen zu der vom Berufungsgericht vorgenommenen Interessenabwägung keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO auf.
3.2 Klagegrund der Servitutenklage ist jede Störung der Dienstbarkeit, selbst wenn sie nur geringfügig ist, aber doch dauernd wirkt, oder wenn Wiederholung droht. Sie kann auf Beseitigung des Hindernisses oder der Beeinträchtigung und gegen jeden gerichtet werden, der den Dienstbarkeitsberechtigten an der Ausübung seines Rechts hindert oder ihn sonst stört (1 Ob 304/01i). Eine Beschränkung der Rechtsausübung durch den Belasteten ist ohne zumindest schlüssige Zustimmung des Berechtigten nur dann zulässig, wenn die Ausübung des Rechts dadurch nicht ernstlich erschwert oder gefährdet wird; erhebliche oder gar unzumutbare Erschwernisse müssen nicht hingenommen werden (RIS Justiz RS0011740 [T2]; RS0011733 [T6]).
3.3 Aus § 484 ABGB ergibt sich, dass im Einzelfall bei der Beurteilung, ob dem Dienstbarkeitsberechtigten Erschwernisse zuzumuten sind, Natur und Zweck der Dienstbarkeit zu berücksichtigen sind (1 Ob 304/01i ua; RIS Justiz RS0106411). Der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit ist in ein billiges Verhältnis zu setzen (RIS Justiz RS0011733). Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kommen diese Wertungen nicht nur dann zum Tragen, wenn der Servitutsbelastete die Ausübung des Rechts beeinträchtigt, sondern können auch herangezogen werden, wenn wie hier der Kläger der Zweitbeklagten, die ihr Recht zur Veranstaltung von Schirennen zweifellos von der Gemeinde als Betreiberin der Schiabfahrt ableitet, eine Störung des Gehrechts vorwirft. Dass das Berufungsgericht zur Prüfung der Frage, ob eine beachtliche Störung vorliegt, eine Interessensabwägung vornahm, ist daher nicht zu beanstanden. Aus welchen Überlegungen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts durch die Anbringung eines Absperrbands für die Dauer des Schirennens eine erhebliche oder gar unzumutbare Beeinträchtigung seines Gehrechts vorliegen soll, legt der Kläger in seinen Revisionsausführungen nicht dar. Eine solche ist in Anbetracht der Feststellungen wonach seit dem Jahr 2010 die Absperrbänder so montiert werden, dass der Zufahrtsweg ohne Behinderung (durch Anheben der Bänder) passiert werden kann, auch nicht zu erkennen. Eine Beachtung allenfalls kreuzender Schifahrer ist bei Ausübung des Gehrechts aber auch ohne Abhaltung eines Rennens erforderlich. Aus § 87 Abs 3 StVO, der sich nur an Personen, die auf Straßen, die gemäß § 87 Abs 1 StVO zweiter Satz vom Verbot der Ausübung von Wintersport ausgenommen sind, kann der Kläger für die Interessenabwägung zu seinen Gunsten nichts ableiten.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Beklagten haben auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihnen der Kläger die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00227.15M.0331.000
Fundstelle(n):
GAAAD-50132