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OGH vom 23.01.2013, 7Ob221/12v

OGH vom 23.01.2013, 7Ob221/12v

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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** W*****, vertreten durch Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt in St. Jakob in Haus, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 10.000 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 191/12p 17, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 25 C 30/12a 13, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Parteien besteht ein Unfallversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 2003) zugrunde liegen. In Art 7 (Dauernde Invalidität) ist soweit hier von Bedeutung geregelt:

„1. Voraussetzungen für die Leistung:

Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.

Die Invalidität ist innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei uns geltend gemacht worden.

...

7. Steht der Grad der dauernden Invalidität nicht eindeutig fest, sind sowohl die versicherte Person als auch wir berechtigt, den Invaliditätsgrad jährlich bis vier Jahre ab dem Unfalltag ärztlich neu bemessen zu lassen.

...“

Am erlitt der Kläger einen vom Versicherungsvertrag gedeckten Unfall. Die Beklagte rechnete am auf Grund eines unfallchirurgischen Gutachtens vom die aus diesem Unfall resultierende Invalidität des Klägers mit 10 % (von 100 %) ab und überwies an ihn einen Betrag von 2.000 EUR. Im Gutachten wurde ausgeführt: „Eine Nachuntersuchung erscheint aus derzeitiger Sicht nicht mehr notwendig, da ein weitgehend nicht mehr besserungsfähiger Endzustand eingetreten ist. Damit erscheinen aus derzeitiger Sicht die Unfallfolgen global und umfassend beurteilt und abgegolten.“ Es ist nicht feststellbar, dass zwischen den Parteien Uneinigkeit über den Grad der Invalidität bestand oder dass der Grad der Invalidität noch nicht eindeutig feststand. Es handelte sich bei der Zahlung weder um eine „Akontozahlung“ noch behielt sich der Kläger eine allfällige Neubemessung vor.

Mit dem Hinweis auf ein in einem Sozialgerichtsverfahren erstattetes lungenfachärtzliches Gutachten vertrat der Kläger die Ansicht, die Invalidität sei mit 15 % statt wie bisher mit 10 % zu bemessen und begehrte von der Beklagten mit Schreiben vom , sohin innerhalb von vier Jahren ab Unfalltag, eine entsprechende Neubemessung. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom , dass das Gutachten vom schlüssig sei und eine weitere Begutachtung nicht durchgeführt werde. Auch sei das im Sozialgerichtsverfahren eingeholte Gutachten für die private Unfallversicherung „nicht aussagekräftig“, weil dort die Minderung der Erwerbsfähigkeit zu beurteilen gewesen sei.

Der Kläger begehrt mit der am bei Gericht eingebrachten Klage im Hinblick auf das im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten weitere 10.000 EUR mit der Begründung, dass die Gesamtinvalidität richtigerweise nicht mit 10 %, sondern mit 15 % einzuschätzen gewesen sei. Der Kläger habe nach Art 7.7. AUVB innerhalb der vierjährigen Frist einen Anspruch auf Neuberechnung. Der Lauf der Verjährungsfrist nach § 12 VersVG habe hinsichtlich des sich aus der Neubemessung ergebenden Anspruchs frühestens mit Zugang des Ablehnungsschreibens der Beklagten vom begonnen. Die Versicherungsbedingungen seien nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers dahin auszulegen, dass sich der Versicherer innerhalb der Vierjahresfrist einen Antrag auf Neubemessung gefallen lassen müsse.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Anspruch verjährt sei. Mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen sei die Forderung des Klägers fällig geworden, womit auch die Verjährungsfrist gemäß § 12 Abs 1 VersVG zu laufen begonnen habe. Die Berechtigung, den Invaliditätsgrad jährlich bis vier Jahre ab dem Unfalltag gemäß Art 7.7. AUVB 2003 ärztlich neu bemessen zu lassen, stehe nur dann zu, wenn der Invaliditätsgrad zum Zeitpunkt der erstmaligen Abrechnung noch nicht eindeutig feststehe. Die Voraussetzungen für eine Neubemessung lägen nicht vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe nicht einmal eine Änderung seines Gesundheitszustands behauptet. Er hätte gemäß § 12 Abs 1 VersVG binnen drei Jahren einen allfälligen Anspruch gerichtlich geltend machen müssen. Die Verjährungsfrist beginne nicht mit der Ablehnung der Neubemessung neu zu laufen.

Das Berufungsgericht schloss sich der Rechtsmeinung des Erstgerichts an. Art 7.7. AUVB 2003 eröffne nicht die Möglichkeit einer von eingetretenen Veränderungen unabhängigen Nachprüfung der Erstbemessung. Eine Änderung des Gesundheitszustands habe der Kläger nicht behauptet. Falls der Kläger mit der Bemessung des Invaliditätsgrads durch die Beklagte nicht einverstanden gewesen wäre, hätte er innerhalb der Verjährungsfrist des § 12 Abs 1 VersVG seine Ansprüche geltend machen müssen. Ausgehend von der Leistung der Entschädigung durch die Beklagte im Juli 2008 sei die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Einbringung der Klage am abgelaufen gewesen. Dies gelte auch dann, wenn man die Zeit vom bis zum Ablehnungsschreiben der Beklagten am als fristhemmend berücksichtigen würde.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zwar Judikatur zu den Voraussetzungen einer Nachbemessung existiere, nicht aber zur Frage des „Zusammenspiels“ mit der Verjährungsfrist nach § 12 Abs 1 VersVG.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Geldleistungen des Versicherers sind mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen fällig (§ 11 Abs 1 VersVG). Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verjähren in drei Jahren (§ 12 Abs 1 VersVG). Ist ein Anspruch des Versicherungsnehmers beim Versicherer angemeldet worden, so ist die Verjährung bis zum Einlangen einer schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt, die zumindest mit der Anführung einer der Ablehnung derzeit zugrunde gelegten Tatsache und der gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung begründet ist (§ 12 Abs 2 VersVG).

Wenn der Versicherungsnehmer mit der Leistung des Versicherers nicht einverstanden ist, muss er innerhalb der Verjährungsfrist eine Klage einbringen. Die Frist des § 12 VersVG ist hier unstrittig abgelaufen. Der Kläger meint aber, dass sein Anspruch auf Leistung (eines höheren Betrags) nicht verjährt sei, weil er innerhalb der vierjährigen Frist des Art 7.7. AUVB 2003 einen Antrag auf Neubemessung gestellt habe.

Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mehrfach mit den in der gängigen Versicherungspraxis in der Unfallversicherung im Fall einer Dauerinvalidität geltenden Fristen auseinander gesetzt. Bei diesen Fristen handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um Ausschlussfristen. Die Fristen sollen verhindern, dass die abschließende Bemessung der Invalidität auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben wird (7 Ob 63/07a, 7 Ob 185/07t; zum Eintritt der dauernden Invalidität innerhalb eines Jahres vom Unfallstag gerechnet: RIS Justiz RS0109447, RS0122859; zur Vierjahresfrist für die Antragstellung auf Neubemessung: RIS Justiz RS0122119). Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer muss grundsätzlich mit Risikoausschlüssen und einschränkungen rechnen und kann nicht jedenfalls erwarten, dass alle Änderungen des Gesundheitszustands bis zu seinem Lebensende gedeckt sind (7 Ob 63/07a).

Auch der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann Art 7.7. AUVB 2003 nur so verstehen, dass er keinen Antrag auf Neubemessung stellen kann, wenn sein Gesundheitszustand seit dem Unfall eindeutig und unverändert feststeht. Die Wortfolge „wenn der Grad der dauernden Invalidität nicht eindeutig feststeht“ hätte bei der vom Kläger gewählten Interpretation, dass beide Parteien innerhalb von vier Jahren ohne weitere Voraussetzungen zur Antragstellung auf Neubemessung berechtigt sein sollten, keinen Sinn. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf Neubemessung nur darauf, dass auf Grund eines in einem (späteren) sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachtens die bisherige Festsetzung des Invaliditätsgrads ohne Änderung des Gesundheitszustands unrichtig war. Ändert sich wie im vorliegenden Fall der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers nicht, so stellt sich die Frage der Neubemessung grundsätzlich nicht. Der Kläger war nicht berechtigt, eine Neufestsetzung von der Beklagten zu beantragen. Der Anspruch ist daher wie bereits die Vorinstanzen richtig erkannt haben verjährt. Eine unzulässige Antragstellung auf Neubemessung kann nicht die Verjährungsfrist verlängern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.