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OGH vom 24.10.2019, 6Ob138/19s

OGH vom 24.10.2019, 6Ob138/19s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers *****verband *****, vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin M***** B***** – Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Überprüfung einer Barabfindung, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 33/19v-149, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 29 Fr 4497/15k-140, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die M***** Aktiengesellschaft mit Sitz in L***** ist zu FN ***** im Firmenbuch eingetragen. Mit Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung vom wurden sämtliche Anteile der (damals) übrigen Aktionäre gemäß § 1 GesAusG auf die Antragsgegnerin als Hauptgesellschafterin übertragen und die Barabfindung der ausscheidenden Aktionäre mit 540 EUR pro Aktie festgesetzt.

Der Antragsteller, der fünf Aktien hielt, und weitere 28 Aktionäre beantragten die Überprüfung der Angemessenheit dieser Barabfindung. In diesem Verfahren, in dem gemäß § 225f AktG auch ein Rechtsanwalt für die nichtantragstellenden Aktionäre bestellt worden war, bot die Antragsgegnerin eine Barabfindung von 670 EUR pro Aktie einschließlich Zinsen und in weiterer Folge eine solche von 699 EUR pro Aktie einschließlich Zinsen, jedoch zuzüglich Kostenersatz an. Ein Vergleich vor dem Gremium (§ 225g AktG iVm § 6 Abs 2 GesAusG) kam zwar mangels Zustimmung des Antragstellers zunächst nicht zustande, sämtliche übrigen Aktionäre schlossen jedoch am vor Gericht einen Teilvergleich mit der Antragsgegnerin in der zuletzt angebotenen Höhe ab; die Kostentragungsregelung lautete dabei folgendermaßen:

Die Antragsgegnerin verpflichtet sich zusätzlich, den Kostenaufwand der jeweiligen unterfertigten Antragsteller und des gemeinsamen Vertreters wie folgt zu ersetzen:

a) bis zu Beteiligung von 49 Aktien […] erhält ein Antragsteller 2.500 EUR als pauschalierten Kostenersatz;

b) ab einer Beteiligung von 50 Aktien bis zu einer Beteiligung von 199 Aktien […] 7.500 EUR […];

c) ab einer Beteiligung von 200 Aktien bis zu einer Beteiligung von 4.999 Aktien […] 25.000 EUR […];

d) ab einer Beteiligung von 5.000 Aktien […] 100.000 EUR […].

e) Insgesamt ist der pauschalierte Kostenersatz eines jeden Antragstellers jedoch jedenfalls mit einem Maximalbetrag von 100.000 EUR begrenzt.

f) Der gemeinsame Vertreter erhält einen pauschalierten Kostenaufwandersatz in Höhe von 50.000 EUR (zzgl Umsatzsteuer und Barauslagen).

g) Die vorstehenden Beträge sollen jenen Antragstellern zustehen, die im Zeitpunkt der Antragstellung anwaltlich vertreten waren. Antragstellern ohne anwaltliche Vertretung sollen die vorstehend genannten Beträge jeweils multipliziert mit dem Faktor 0,6 zustehen.

h) Zusätzlich erhält jeder Antragsteller die gerichtliche Pauschalgebühr für den Überprüfungsantrag in Höhe von 256 EUR ersetzt.

Die Kostenaufwandersatzbeträge sind binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit des Vergleichs zur Zahlung fällig.

Der pauschalierte Kostenaufwandersatz versteht sich als Bruttobetrag und deckt somit den gesamten Schaden der Antragsteller inklusive einer nicht abzuziehenden Vorsteuer ab.

Die in diesem Teilvergleich gewährte Barabfindung von 699 EUR pro Aktie einschließlich Zinsen entsprach einem tatsächlichen Barabfindungsbetrag von 693,33 EUR pro Aktie zum Stichtag , während der angemessene Abfindungsbetrag zu diesem Stichtag (maximal) 690,06 EUR pro Aktie betragen hätte. Der Kostenersatz der Antragsgegnerin aufgrund der vereinbarten Ersatzregelung belief sich unter Miteinbeziehung der Kosten für den gemeinsamen Vertreter auf insgesamt 385.000 EUR und somit auf eine Aufzahlung von 10 bis 11 EUR pro Aktie.

Die Vorinstanzen verpflichteten – ausgehend vom Barabfindungsbetrag von 693,33 EUR pro Aktie laut Teilvergleich – die Antragsgegnerin zur Zahlung von weiteren 153,56 EUR pro Aktie, insgesamt somit von 767,80 EUR für fünf Aktien, samt Zinsen und zum Ersatz der Kosten des Verfahrens in Höhe von 2.815,75 EUR. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, es fehle hier an jeglichen Anhaltspunkten für eine vom Antragsteller erblickte versteckte bare Zuzahlung im Sinn des § 225i Abs 1 AktG, hätten doch die übrigen antragstellenden Aktionäre einschließlich des gemeinsamen Vertreters vor dem Hintergrund, eine sachgerechte Kostenlösung erreichen zu müssen, mit der Antragsgegnerin eine vergleichsweise Regelung erzielt. Dieses Vergleichsergebnis entziehe sich infolge wechselseitigen Nachgebens der daran Beteiligten einer Einflussnahme durch den Antragsteller, der auch ein kollusives Zusammenwirken der anderen Aktionäre gar nicht behaupte.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:

1. Das Rekursgericht hat seinen Zulassungsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit vom verbliebenen Antragsteller eine in einer vergleichsweisen Kostentragungsregelung aller übrigen Antragsteller mit der Antragsgegnerin unter Beitritt des gemeinsamen Vertreters nach § 225f AktG allenfalls liegende verdeckte Zuzahlungsvereinbarung aufgegriffen werden kann. Dieser Fragestellung liegt zugrunde, dass in Erweiterung der Rechtskraftwirkung gerichtliche Entscheidungen oder Vergleiche im Sinn des § 225h AktG grundsätzlich für und gegen sämtliche Aktionäre aller an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften, soweit diese nicht auf ihre Ansprüche verzichtet oder sich sonst – außergerichtlich – verglichen haben, sowie für alle Gerichte und Behörden wirken („erga-omnes-Wirkung“; Szep in Artmann/Karollus, AktG III6 [2019] § 225i Rz 1; Bachner, Aktionärskultur auf Österreichisch? ecolex 2002, 255; vgl auch 6 Ob 170/01w). Die Norm wurzelt im Gleichbehandlungsgrundsatz und mindert die Versuchung, einzelne Anteilsinhaber auszukaufen (Szep aaO; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² [2012] § 225i Rz 1). Im Hinblick auf § 6 Abs 2 GesAusG gilt dies auch im Fall eines Gesellschafterausschlussverfahrens.

Auf die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kommt es hier jedoch gar nicht an:

2. Der Antragsteller begehrte zunächst in seinem Antrag vom ganz allgemein die Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Barabfindung in Höhe von 540 EUR pro Aktie mit der Begründung, die Antragsgegnerin sei „von sich aus schon bereit [gewesen], je Aktie um 25 EUR mehr zu zahlen“, und deren Verpflichtung, einen Ausgleich durch bare Zuzahlungen zu leisten. Dieser Antrag stand in Einklang mit § 225c Abs 2 AktG iVm § 6 Abs 2 GesAusG, wonach ein Antrag bei Gericht gestellt werden kann, dass das Umtauschverhältnis (hier: die Barabfindung) überprüft wird und die übernehmende Gesellschaft (hier: der Hauptaktionär) einen Ausgleich durch bare Zuzahlungen zu leisten hat. Dieser Antrag, über den nach § 225e Abs 2 AktG iVm § 6 Abs 2 GesAusG im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist, muss nicht konkret beziffert sein, gilt doch zum einen im Überprüfungsverfahren der Grundsatz der amtswegigen Sachverhaltsermittlung (§ 16 Abs 1 AußStrG), der hier dem Umstand Rechnung trägt, dass die antragstellenden Aktionäre regelmäßig nicht über jene Informationen verfügen, die für eine Feststellung des Unternehmenswerts von Relevanz sind (Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung² [2010] § 225e AktG Rz 5); zum anderen lässt § 9 Abs 2 AußStrG bei auf Geldleistung gerichteten Begehren ganz grundsätzlich auch einen unbestimmten Antrag zu. Sobald allerdings die Verfahrensergebnisse eine ziffernmäßig bestimmte Angabe des Begehrens zulassen, hat das Gericht die Antragsteller nach § 9 Abs 2 AußStrG zu einer solchen Angabe aufzufordern.

3. Eine solche Aufforderung durch das Erstgericht ist im vorliegenden Fall zwar nicht erfolgt. Dies führt dennoch nicht zu einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen (vgl G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I [2013] § 9 Rz 21; Rechberger in Rechberger, AußStrG² [2013] Rz 5; Schneider in Schneider/Verweijen, AußStrG [2019] § 9 Rz 24 – ohne ziffernmäßige Konkretisierung darf keine Entscheidung gefällt werden), ging es doch dem Antragsteller hinsichtlich des im Revisionsrekursverfahrens noch strittigen Betrags von 5,36 EUR nicht (mehr) um eine grundsätzliche Überprüfung der Barabfindung anhand des Unternehmenswerts bzw des Werts der einzelnen Aktie. Er behauptete vielmehr unter Zugrundelegung des Teilvergleichs vom eine im Hinblick auf § 225h AktG iVm § 6 Abs 2 GesAusG unzulässige Zuzahlung der Antragsgegnerin an einzelne Aktionäre, die er für sich ebenfalls in Anspruch nehmen will.

Diese Frage warf der Antragsteller bereits in seiner Stellungnahme vom zum von der Antragsgegnerin angebotenen Teilvergleich auf und stellte in den Raum, „warum [die Antragsgegnerin] ungewöhnlich hohe Kostenersätze an die Antragsteller [zahle], obwohl doch noch gar kein aufwändiges Verfahren durchgeführt wurde“. Konkrete Zahlen nannte der Antragsteller in diesem Zusammenhang allerdings keine; auch in der Verhandlung des Gremiums zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses gemäß § 225g Abs 1 AktG vom führte er lediglich aus, „nach zwischenzeitig eingeholten Erkundigungen könnte der Wert der Aktie jedenfalls bei mehr als der im Vergleich vereinbarten Zuzahlung liegen“. In seinem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens vor dem Gremium stellte der Antragsteller „Rechenbeispiele“ anhand zweier Aktionäre auf, indem er die diesen (fiktiv) zustehenden Kostenersatzansprüche – berechnet nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz – den Kostenersatzansprüchen laut Teilvergleich gegenüberstellte und den Überhang als „versteckte zusätzliche Zuzahlung“ bezeichnete; „ein Gutachten [könne] mehr Klarheit in diesem Punkt bringen“. In seinem Schriftsatz vom bezeichnete der Antragsteller gewährte Kostenersätze bis zu 100.000 EUR an einzelne Aktionäre als „maßlos“.

Erst in seinem Rekurs nannte der Antragsteller den Betrag von 5,36 EUR pro Aktie und argumentierte dahin, dass den beiden Aktionären mit den meisten Aktien (10.191 bzw 9.017) laut Teilvergleich ein Kostenersatz in Höhe von jeweils 100.000 EUR zugekommen sei, während ihre Kostenersatzansprüche berechnet nach dem Rechtsanwaltstarif lediglich insgesamt 22.504,76 EUR ausgemacht hätten. Den Differenzbetrag von 177.495,24 EUR teilte der Antragsteller auf insgesamt 34.545 vom Gesellschafterausschluss betroffene Aktien auf.

4. Die Prämisse des Antragstellers, Kostenersatzbeiträge seien grundsätzlich als bare Zuzahlung anzusehen, findet im Gesetz keine Deckung. § 225l AktG sieht ja selbst einen Anspruch auf Kostenersatz vor, sodass es auch zulässig ist, einen solchen in einem Vergleich zu vereinbaren, solange sich nicht aus den Umständen konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass damit in Wahrheit verdeckt ein zusätzlicher Vorteil geleistet wird. Es entspricht allerdings ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass derjenige, der sich auf das Vorliegen eines Scheingeschäfts beruft, die Voraussetzungen dafür zu beweisen hat (RS0018084 [T1], RS0018129). Dieser Grundsatz ist auch hier anwendbar: Der Antragsteller hätte somit bereits im Verfahren erster Instanz klar darstellen und behaupten müssen, welchen Betrag pro Aktie er zusätzlich zugesprochen erhalten will, weil anderen Aktionären eine unzulässige Zuzahlung aus dem Titel des Kostenersatzes gewährt worden sein soll, und wie er rechnerisch zu diesem Betrag kommt.

5. Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass entgegen der Auffassung des Rekursgerichts die Zustimmung des gemeinsamen Vertreters und der übrigen Aktionäre zum Teilvergleich andere Aktionäre nicht zu binden vermag (vgl Szep aaO Rz 14).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00138.19S.1024.000

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