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OGH vom 19.11.1974, 3Ob200/74

OGH vom 19.11.1974, 3Ob200/74

Norm

ABGB § 1035;

ABGB § 1037;

ABGB § 1041;

Kopf

SZ 47/130

Spruch

Die Geschäftsführung ohne Auftrag setzt begrifflich die Absicht voraus, ein fremdes Geschäft (ohne Auftrag) zu führen. Sie fehlt, falls jemand auf Grund eines vermeintlichen Auftrages tätig geworden ist

Der Anspruch nach § 1041 ABGB greift nur dann ein, wenn weder ein Geschäftsführungsverhältnis (§§ 1035 f. ABGB) noch ein die Vermögensverschiebung rechtfertigendes Vertragsverhältnis, sei es zwischen dem Verkürzten und dem Bereicherten, sei es zwischen dem Verkürzten und einem Dritten, besteht, bzw. nicht etwa auf Grund eines vertragsähnlichen Verhältnisses ein Anspruch gegen den Bereicherten oder einen Dritten erhoben werden kann

Auch Arbeitsleistungen können zum Nutzen eines anderen verwendet werden, der Nutzen kann auch in der Ersparung von Auslagen liegen

(OLG Wien 10 R 125/74; LGZ Wien 1 Cg 325/73)

Text

Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von schließlich 13.643 S samt Anhang, weil er im September 1970 in dem ihr gehörenden Haus W, S-Gasse 1, eine Potentialausgleichserdung angebracht habe, er habe von einer Mieterin des Hauses, Ingeborg K, den Auftrag erhalten, die für verschiedene Elektroinstallationen unbedingt notwendigen Arbeiten vorzunehmen, sei damals irrtümlich der Auffassung gewesen, daß hiezu auch eine Potentialausgleichserdung notwendig sei und habe diese deshalb mit Wissen der Beklagten angebracht; erst später habe sich herausgestellt, daß damals für das Haus bzw. die Mieterin die Anbringung einer Potentialausgleichserdung nicht notwendig - also durch die Auftragserteilung der Mieterin nicht gedeckt - gewesen sei, nunmehr sei jedoch für das Haus eine Potentialausgleichserdung vorgeschrieben worden, die Beklagte hatte diese also nunmehr selbst anbringen müssen. Der Kläger habe deshalb zum klaren Vorteil der Beklagten gehandelt und daher Anspruch auf Ersatz der notwendigen Kosten; er berief sich hiebei insbesondere auf die §§ 1037, 1041, 1042 und 1431 ABGB.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie brachte im wesentlichen vor, sie habe dem Kläger keinen Auftrag erteilt und keine Kenntnis von der Anbringung der Potentialausgleichserdung gehabt. Nach ihrer Information sei diese für das Haus nicht erforderlich die vom Kläger behaupteten Arbeiten, deren Umfang der Beklagten unbekannt sei, hätten zu keinem Vorteil für sie geführt. Der Kläger habe ferner nicht die Absicht gehabt, die Beklagte zu verpflichten, weil er für die Mieterin K tätig gewesen sei; schließlich sei der behauptete Anspruch verjährt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes baute der Kläger im September 1970 im gegenständlichen Haus anläßlich von Elektroarbeiten für die Geschäftsraummieterin Ingeborg L, nunmehr verehelichte K, welche ihm "hiezu" den Auftrag erteilte, eine Potentialausgleichserdung ein, weil die vorhandene Wasserleitungsanlage infolge ihres schlechten Zustandes keine verlaßliche Erdungsgrundlage mehr darstellte und der Kläger daher die Errichtung einer Potentialausgleichserdung für geboten erachtete, worüber er von der zuständigen MA 31 eine mündliche Bestätigung der "Zweckmäßigkeit und Gebotenheit" erhielt. Der Kläger legte "für seine Tätigkeit der Auftraggeberin Ingeborg L mit Beilage C Rechnung". Diese lehnte die Bezahlung der genannten Rechnung für die Errichtung der Potentialausgleichserdung ab, weil sie dem Kläger hiezu keinen Auftrag erteilt habe und diese Arbeit das Haus betreffe. Ein vom Kläger zunächst gegen Ingeborg L eingeleiteter Rechtsstreit wurde nach Anfrage an die E-Werke und Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens nicht fortgesetzt.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt W, MA 31, vom , erhielt die Beklagte den Auftrag, durch einen konzessionierten Elektroinstallateur das Erforderliche zu veranlassen, weil mit die Wasserzuleitung ihre Wirksamkeit als Schutzmaßnahme (Erdung) verliere. Mit Rücksicht auf die im Haus vorhandenen Leitungen wäre auf Grund dieses Bescheides ab die Errichtung einer Potentialausgleichserdung unbedingt erforderlich gewesen wenn diese der Kläger nicht schon im September 1970 errichtet hatte.

Die vom Kläger hiefür in Beilage C verrechneten Preise sind - bis auf die vom Kläger durch Einschränkung seines ursprünglichen Begehrens bereits berücksichtigte Möglichkeit der Verkürzung der Leitungslänge - angemessen.

Bei diesem Sachverhalt vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Beklagte habe dem Kläger den eingeschränkten Klagsbetrag zufolge § 1037 ABGB zu ersetzen, die Berechtigung des Zinsenbegehrens - 12% ab - ergebe sich "aus der Aussage des Klägers im Zusammenhalt mit Beilage D".

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil in klagsabweisendem Sinne ab. Es führte im wesentlichen aus, die Geschäftsführung ohne Auftrag setze die Absicht voraus, ein fremdes Geschäft zu besorgen, eine derartige Absicht habe der Kläger bei

Errichtung der Potentialausgleichserdung nicht gehabt, weil er zugegebenermaßen irrtümlich geglaubt habe, diese auf Grund eines von Ingeborg K erteilten Auftrages machen zu müssen; überdies dürfe dem Eigentümer kein Vorteil aufgedrängt werden, den er gar nicht haben wolle; unerwünschte Aufwendungen seien überhaupt unnütz, der Geschäftsführer ohne Auftrag könne in derartigen Fällen selbst bei wertvollstem Aufwand keinen Ersatz verlangen.

Dasselbe gelte für den "übrigens nur mangels eines Vertrages oder vertragsähnlichen Verhältnisses als Grundlage für den gemachten Aufwand subsidiären" Verwendungsanspruch gemäß "§§ 1041 ABGB"; auch hier müsse entweder eine der Beklagten obliegende Verpflichtung erfüllt oder eine Leistung zu ihrem überwiegenden Nutzen bzw. Vorteil erbracht worden sein. Ein derartiger Verwendungsanspruch sei hier außerdem schon nach dem Klagsvorbringen ausgeschlossen, wonach der Kläger die umstrittene Potentialausgleichserdung "mit Wissen und Willen", wenn auch ohne Auftrag der Beklagten, hergestellt habe.

Schließlich liege kein den §§ 1431 ABGB subsumierbarer Sachverhalt vor.

Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung - allenfalls nach ergänzender Verhandlung - an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Beizupflichten ist dem Berufungsgericht, daß das vorliegende Begehren beim festgestellten Sachverhalt nicht auf § 1037 ABGB gestutzt werden kann. Die Geschäftsfuhrung ohne Auftrag setzt nämlich begrifflich die Absicht voraus, ein fremdes Geschäft (ohne Auftrag) zu führen (ebenso Stanzl in Klang[2] IV/1, 892/93; SZ 32/22, HS 6418 u. a.). Diese Absicht fehlt, falls jemand auf Grund eines vermeintlichen Auftrages tätig geworden ist (ebenso ausdrücklich 6 Ob 428/61; vgl. auch GlUNF 7099 u. a.).

Hingegen kann der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß hier auch ein Verwendungsanspruch im Sinn des § 1041 ABGB nicht in Betracht käme, aus nachstehenden Gründen nicht beigetreten werden:

Zunächst setzt dieser Anspruch keine Geschäftsführungsabsicht voraus, sondern bloß eine (ungerechtfertigte) Vermögensverschiebung vom Verkürzten zum Bereicherten, falls weder ein Geschäftsführungsverhältnis (§§ 1035 f. ABGB), noch ein die Vermögensverschiebung rechtfertigendes Vertragsverhältnis, sei es zwischen dem Verkürzten und Bereicherten, sei es zwischen dem Verkürzten und einem Dritten besteht, bzw. nicht etwa auf Grund eines vertragsähnlichen Verhältnisses ein Anspruch - gegen den Bereicherten oder einen Dritten - erhoben werden kann (ebenso Stanzl, 909; SZ 36/68, 37/169 u. a.).

Falls daher zwischen dem Kläger und Ingeborg K in Ansehung der Potentialausgleichserdung ein Rechtsverhältnis im Sinne der vorstehenden Ausführungen bestanden haben sollte, stunde dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch zu.

Bei den eingangs wiedergegebenen tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes kann dies jedoch nicht verläßlich beurteilt werden.

Bereits die vom Erstgericht eingangs gebrauchte Formulierung, der Kläger habe "anläßlich" von Elektroarbeiten für die Mieterin, welche ihm den Auftrag "hiezu" erteilte, die Potentialausgleichserdung eingebaut, ist nicht eindeutig. Denn wenn auch das Wort "anläßlich" eher dafür spricht, daß die Errichtung der Potentialausgleichserdung vom Auftrag der Mieterin nicht erfaßt war, so kann sich das Wort "hiezu" auch auf die Potentialausgleichserdung bezogen haben. Die weitere Formulierung, der Kläger habe die Errichtung der Potentialausgleichserdung für geboten erachtet und von der zuständigen MA 31 mündlich die Bestätigung der Zweckmäßigkeit "und Gebotenheit" erhalten, könnte dahin gedeutet werden, daß bei Auslegung des zwischen dem Kläger und der Mieterin K bestehenden Rechtsverhältnisses gemäß § 914 ABGB von dieser Mieterin die Bezahlung der Potentialausgleichserdung verlangt werden könnte. Ferner führt mit Rücksicht darauf, daß in der Rechnung Beilage C als Tätigkeit des Klägers lediglich die Errichtung der Potentialausgleichserdung aufscheint, die in diesem Zusammenhang verwendete Formulierung "Auftraggeberin" nur zu weiterer Unklarheit. Es ist ferner nicht wesentlich, daß die Mieterin K die Bezahlung ablehnte und der Prozeß gegen sie nicht fortgesetzt wurde, sondern allein, ob Ingeborg K zu deren Bezahlung wegen Fehlens diesbezüglicher Vertragsbeziehungen tatsächlich nicht verpflichtet ist.

Wenn also die Beklagte in ihren Berufungsausführungen zum Ausdruck brachte, der Kläger habe die Potentialausgleichserdung "mit Auftrag" der Mieterin K errichtet und das Berufungsgericht mit dem Hinweis auf den "übrigen" nur subsidiären Charakter des Verwendungsanspruches gleichfalls keine eindeutige Stellung bezog, so kann nicht gesagt werden, daß hier entsprechende tatsächliche Grundlagen für die Beurteilung der Frage vorliegen, ob die vom Kläger vorgenommene Errichtung der Potentialausgleichserdung durch den zwischen ihm und der Mieterin K abgeschlossenen (allenfalls nach § 914 ABGB auszulegenden) Vertrag gedeckt war oder nicht.

War dies nicht der Fall, so steht dem Kläger für die Errichtung der Potentialausgleichserdung einerseits kein Anspruch gegen Ingeborg K zu, andererseits ist er unter der Voraussetzung, daß die Potentialausgleichserdung für die Eigentümer des Hauses einen "Nutzen" im Sinn des § 1041 ABGB darstellte, zum Begehren gegenüber den Hauseigentümern grundsätzlich berechtigt. Denn in diesem Fall hing das zwischen dem Kläger und der Mieterin K bestehende Vertragsverhältnis - Durchführung bestimmter, die Errichtung der Potentialausgleichserdung nicht rechtfertigender Elektroarbeiten bloß äußerlich mit der Errichtung der Potentialausgleichserdung zusammen; dieses äußerliche, die geschehene Vermögensverschiebung nicht rechtfertigende Vertragsverhältnis stunde daher einem Anspruch gemäß § 1041 ABGB gegen die Beklagte als Bereicherten nicht entgegen (in diesem Sinne insbesondere Stanzl, 910 unter III 1).

Daß jedoch die Potentialausgleichserdung mit Wissen und Willen der Beklagten errichtet worden wäre, ist weder dem Klagsvorbringen, noch den getroffenen Feststellungen zu entnehmen.

Da ohne weiteres davon auszugehen ist, daß der Kläger den Eigentümern des Hauses W, S-Gasse 1, nichts schenken wollte, ferner ein Aufwand, welchen ein Hauseigentümer zwei Jahre später bereits auf Grund behördlicher Vorschreibung hätte machen müssen, nicht einfach als unnütz beurteilt werden kann - gerade die vom Berufungsgericht zitierten Ausführungen Stanzls gehen deutlich dahin, daß sehr wohl ein Nutzen vorliegt, wenn die Verhältnisse beim Geschäftsherrn bzw. Bereicherten "bei vernünftiger Beurteilung verbessert" wurden (901 und 919) -, ferner der Nutzen im Sinn des § 1041 ABGB auch in der Ersparnis von Auslagen bestehen kann (ebenso Stanzl, 919; SZ 26/195; SZ 44/92; MietSlg. 24.106 u. a.), schließlich auch Arbeitsleistungen zum Nutzen eines anderen verwendet werden können (ebenso Stanzl, 917; Arb. 5679 u. a.), ist unter der Voraussetzung, daß im Sinne der vorstehenden Ausführungen das Fehlen jeder die gegenständliche Vermögensverschiebung rechtfertigenden vertraglichen Beziehung festgestellt wird, das Klagebegehren grundsätzlich gerechtfertigt, zumal angesichts der Klagseinbringung am auch von Verjährung keine Rede sein kann.

Die Höhe des vom Kläger infolge Untunlichkeit eines Naturalersatzes zustehenden Geldersatzes richtet sich nach dem der Beklagten zur Zeit der Verwendung zugekommenen Nutzen (ebenso Stanzl, 920; SZ 44/92; MietSlg. 24.106 u. a.). Auch für den Umfang dieses Nutzens sind tatsächliche Feststellungen nötig, wenngleich sie hier im Ergebnis mit den vom Erstgericht unter dem Gesichtspunkt des § 1037 ABGB berechneten Kosten übereinstimmen werden (vgl. hiezu Stanzl, 921; Arb. 6439 u. a.). Hingegen wird zu berücksichtigen sein, daß dem Kläger gegen die Beklagte erst ab Mahnung Zinsen zustehen (ebenso Stanzl, 922), sowie daß beim Fehlen grober Fahrlässigkeit nur die gesetzlichen Zinsen zuzusprechen sind (ebenso HS 4228, 6248 u. a.).