OGH vom 27.03.2013, 7Ob220/12x

OGH vom 27.03.2013, 7Ob220/12x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. U***** B*****, vertreten durch Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, 1140 Wien, Rainergasse 31/8, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 76/12g 19, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 16 Cg 178/11f 15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist die von der Republik Österreich für durch Wertpapierfirmen geschädigte Anleger eingerichtete Entschädigungseinrichtung (vgl §§ 75 ff WAG 2007). Die am gegründete A***** AG war von Anfang an Mitglied der Beklagten. Mit Schreiben vom teilte der Vorstand der A***** AG der Finanzmarktaufsicht mit, dass er die zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen bestehende Konzession zurücklege. Mit Feststellungsbescheid der Finanzmarktaufsicht vom wurde die Konzession gelöscht.

Die am gegründete A***** Gruppe AG (ursprünglich: A***** M***** Beteiligungs AG) war nie Mitglied (Gesellschafter) der Beklagten.

Die Klägerin erwarb am , und insgesamt neun von der A***** Gruppe AG emittierte Genussscheine und bezahlte dafür insgesamt 23.259 EUR.

Am wurde sowohl über die A***** AG als auch über die A***** Gruppe AG der Konkurs eröffnet.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten den in § 75 Abs 2 WAG 2007 vorgesehenen Höchstbetrag von 20.000 EUR sA. Sie brachte im Wesentlichen vor, es schade nicht, dass die A***** Gruppe AG niemals Mitglied der Beklagten gewesen sei, weil die Kundengelder an die A***** AG geflossen seien, für welche die Beklagte einzustehen habe, weil beide Gesellschaften ein untrennbares Firmenkonglomerat gebildet hätten. Die komplizierte Verschachtelung der verschiedenen A***** Firmen verbunden mit der Notierung der Genussscheine an der Frankfurter Börse dürfe niemals zu Lasten der schützenswerten Anleger gehen. Der Gesetzgeber habe wohl kaum die Absicht verfolgt, Anleger dann nicht mehr zu schützen, wenn ein Mitglied der beklagten Partei aus taktischen Gründen, nämlich um nicht mehr beaufsichtigt zu werden, die Konzession freiwillig zurücklege, aber die Beantragung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens monate oder jahrelang verzögere.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens im Wesentlichen mit der Begründung, eine Haftung nach § 75 Abs 2 WAG setze voraus, dass über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet werde. Die Klägerin habe jedoch ausschließlich in Genussscheine der A***** Gruppe AG investiert, welche nie Mitglied der Beklagten gewesen sei. Selbst wenn die A***** Gruppe AG der A***** AG zugerechnet werde, sei ein Anspruch der Klägerin auf Anlegerentschädigung nach § 75 WAG mangels Mitgliedschaft der A***** AG bei der Beklagten nicht gegeben, weil die Konzession der A***** AG mit Feststellungsbescheid der Finanzmarktaufsicht vom und somit eineinhalb Jahre vor der Konkurseröffnung am erloschen sei. Da die A***** AG zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung nicht mehr Mitglied (Gesellschafter) der Beklagten gewesen sei, komme eine Entschädigungsleistung für konzessionswidriges Halten von Kundengeldern nach §§ 75 ff WAG nicht in Betracht; ansonsten würde sich die Verpflichtung der Beklagten auch auf konzessionswidrige Tätigkeiten beliebiger, nicht beaufsichtigter Unternehmen erstrecken.

Die Emission von Wertpapieren (hier: Genussscheinen) sei keine Wertpapierdienstleistung. Die Genussscheine seien vielmehr als Eigenkapital zu qualifizieren, weshalb auch aus diesem Grund kein Entschädigungsfall vorliege. Würde man den Genussscheinen den Eigenkapitalcharakter absprechen, so wären diese als Schuldverschreibungen zu qualifizieren, die gemäß § 93 Abs 5 Z 10 BWG ebenfalls keine Entschädigung begründen würden. Schließlich sei das Klagebegehren auch mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr nicht in Einklang zu bringen, weil die A***** AG (als Tochtergesellschaft) nicht für Verbindlichkeiten ihrer Muttergesellschaft A***** Gruppe AG hafte, da dies den strengen Gläubigerschutzvorschriften, insbesondere des § 52 AktG, widersprechen würde. Leistungen Dritter wie der Beklagten fielen unter das Verbot der Einlagenrückgewähr, wenn die Leistung auf Rechnung oder Risiko der A***** AG gehe, deren Vermögen schmälere oder deren Risiko erhöhe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es verneinte eine Haftung der Beklagten im Wesentlichen mit der Begründung, dass die A***** Gruppe AG nie und die A***** AG im Zeitpunkt der Konkurseröffnung nicht mehr Mitglied der Beklagten gewesen seien. Deshalb sei die Voraussetzung nach dem klaren Wortlaut des § 75 Abs 2 WAG 2007, wonach über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet werden müsse, damit die Beklagte hafte, hier nicht erfüllt. Auch nach Rechtsprechung und Lehre sei für das Auslösen der Entschädigerhaftung wesentlich, dass die besondere Gefahr vom konzessionswidrigen „Halten“ der Gelder und Finanzinstrumente durch das WPDLU ausgehe. Lediglich Linder (in Gruber/N. Raschauer [Hrsg], WAG § 75 Rz 21) sehe die Sache differenzierter:

Werde die Konzession einer Wertpapierfirma zurückgenommen oder erlösche diese, scheide daraufhin die Wertpapierfirma aus der Entschädigungseinrichtung aus. Gehe sie erst danach in Konkurs, sei fraglich, ob die Entschädigungseinrichtung (und mittelbar die anderen Mitglieder) auch für ein solches ehemaliges Mitglied hafte. Aus dem Zweck der Anlegerentschädigung, insbesondere dem Anlegerschutz sei eine Haftung auch für ehemalige Mitglieder grundsätzlich denkbar. Allerdings erscheine eine zeitlich unbefristete Haftung für ehemalige Mitglieder unverhältnismäßig, weil eine solche das Risiko der übrigen Mitglieder ungebührlich erhöhen würde. Es solle daher auch innerhalb eines Jahres ab Konzessionsverlust feststehen, ob ein Entschädigungsfall eintrete oder nicht, was letztlich auch im Interesse der geschädigten Anleger liegen sollte.

Da die A***** AG selbst bei Berücksichtigung dieser Lehrmeinung mit dem ihre Konzession verloren habe und erst eineinhalb Jahre später insolvent geworden sei, sei das Klagebegehren aufgrund mangelnder Mitgliedschaft sowohl der A***** Gruppe AG als auch der A***** AG abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Beklagte hafte zwar gemäß § 75 Abs 2 WAG 2007 im Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Mitglieds für Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen gemäß § 93 Abs 2a BWG bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger. Die Klägerin habe aber ausschließlich von der A***** Gruppe AG emittierte Genussscheine gezeichnet. Ansprüche könnten der Klägerin nur gegen diese Gesellschaft oder deren Konkursmasse zustehen. Die von der Klägerin ins Treffen geführte „wirtschaftliche Einheit“ mit der A***** AG könne über die eigenständige Rechtspersönlichkeit der A***** Gruppe AG nicht hinwegtäuschen. Da die A***** Gruppe AG nie Mitglied der Beklagten gewesen sei, habe die Beklagte für Forderungen, die die Klägerin aus den von der A***** Gruppe AG emittierten Genussscheinen ableite, gemäß § 75 Abs 2 WAG 2007 nicht einzustehen.

Da die Klägerin keine von der A***** AG emittierten Genussscheine erworben habe, sei die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof nicht geboten. Von der Klägerin weiters relevierte Unterschiede zwischen der Anlegerentschädigung nach §§ 75 ff WAG und der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung nach § 93 BWG begründeten keine exzessive, unter dem Blickwinkel des Art 7 B VG bedenkliche Überschreitung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Für die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens bestehe daher ebenfalls kein Anlass.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die rechtserhebliche Frage, ob die Beklagte für Anlegerforderungen aus den von der A***** Gruppe AG emittierten Genussscheinen einzustehen habe, auch Gegenstand zahlreicher Parallelverfahren sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Revisionswerberin räumt ein, dass nach dem Gesetzeswortlaut eine Haftung der Beklagten nur besteht, wenn die Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WPDLU) zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung Mitglieder der Anlegerentschädigung sind. Der Oberste Gerichtshof habe jedoch zu 9 Ob 50/09g ausgeführt, besonders raffinierte gesellschaftsrechtliche Umgehungskonstrukte bedeuteten eine unverhältnismäßige Einschränkung für den Anlegerschutz und ein WPDLU sollte dafür in keiner Weise belohnt werden. Im speziellen Fall der Klägerin sei „eine besonders raffinierte Umgehungskonstruktion im Hinblick auf aufsichtsrechtliche Vorgaben“ vorgelegen. Es könne nicht im Sinne des Gesetzes sein, dass auf Grund von Insolvenzverschleppungen keine Haftung der Anlegerentschädigung gegeben sein solle. Der Gesetzgeber habe die Anlegerentschädigungs-Richtlinie (AE RL) nicht richtlinienkonform umgesetzt: So hätten die Behörden bei Erlassung des Bescheids hinsichtlich der Konzessionslöschung der A***** AG überprüfen müssen, ob diese nicht bereits zu jenem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihren Verpflichtungen aus den Forderungen der Anleger nachzukommen. Die AE RL sehe als Voraussetzung für das Vorliegen eines Entschädigungsfalls keine Notwendigkeit für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor. Nach Art 6 AE RL werde die Deckung auch nach dem Widerruf der Zulassung der Wertpapierfirma für die bis zum Zeitpunkt dieses Widerrufs getätigten Wertpapiergeschäfte gewährt. Der österreichische Gesetzgeber habe somit folgende wichtige Inhalte der AE RL nicht übernommen: Zwingende Überprüfungen und Feststellungsverfahren der zuständigen Behörden, das Vorliegen von Entschädigungsfällen auch ohne die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und schließlich Nachhaftungen für den Fall des Erlöschens der Konzession und des (unverschuldet) verspäteten Geltendmachens von Forderungen durch den Anleger. Bei rechtskonformer Umsetzung der Richtlinie würde ein Entschädigungsfall vorliegen. Außerdem sei die Klägerin durch die §§ 75 ff WAG auch in ihrem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art 7 B VG verletzt.

I. In der zu einem völlig gleich gelagerten Fall ergangenen Entscheidung 10 Ob 50/12v vom , die aus dem selben Sachverhalt abgeleitete Ansprüche anderer Anleger auf den in § 75 Abs 2 WAG vorgesehenen Höchstbetrag zum Gegenstand hatte, hat sich der Oberste Gerichtshof mit den auch hier relevanten Fragen befasst und dazu Folgendes ausgeführt:

„1. Zweck der Anlegerentschädigungs-RL 97/9/EG (AE RL) ist es, Anleger vor „Betrügereien“ zu schützen (Erwägungsgrund 3) und deren Ansprüche im Insolvenzfall zu sichern. Das Anlegerentschädigungssystem bezweckt (ebenso wie die Einlagensicherung) somit eine Sicherung des Insolvenzrisikos eines Finanzdienstleisters; einer möglichen Zahlungsunfähigkeit soll schon im Vorfeld entgegengewirkt werden. Die AE RL verpflichtet daher die Mitgliedstaaten, Anlegerentschädigungssysteme einzuführen oder anzuerkennen, denen Wertpapierfirmen (im Sinn des Art 1 Z 1 AE-RL) anzugehören haben und die Anlegern eine Entschädigung zuerkennen, wenn eine Wertpapierfirma nicht in der Lage ist, ihren Verpflichtungen aus den Forderungen der Anleger nachzukommen und gegenwärtig keine Aussicht auf eine spätere Erfüllung besteht oder Forderungen der Anleger aufgrund einer gerichtlichen Verfügung ruhen (Art 2 Abs 2 AE RL).

1.1 Eine Forderungsdeckung ist nach der Richtlinie konkret in zwei Fällen vorgeschrieben, die der österreichische Gesetzgeber als Grundtatbestände mehr oder weniger wörtlich in das Anlegerentschädigungssystem des WAG (wie auch des BWG) übernommen hat: Der Entschädigungsanspruch des Anlegers besteht, wenn eine Wertpapierfirma (ein Kreditinstitut) nicht in der Lage ist, Geld zurückzuzahlen, das Anlegern geschuldet wird oder gehört und für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten wird oder den Anlegern Instrumente zurückzugeben, die diesen gehören und für deren Rechnung gehalten, verwahrt oder verwaltet werden (Art 2 Abs 2 AE RL). Diese in Art 2 Abs 2 Unterabsatz 2 AE RL vorgesehene Forderungsdeckung wird gemäß Art 6 AE RL auch nach dem Widerruf der Zulassung der Wertpapierfirma für die bis zum Zeitpunkt dieses Widerrufs getätigten Wertpapiergeschäfte gewährt. In einem Entschädigungsfall ist Anlegern eine Entschädigung von mindestens 20.000 EUR je Anleger zu gewähren (Art 4 Abs 1 AE RL). Die Richtlinie gewährt dem einzelnen Anleger gemäß ihrem Art 13 einen durchsetzbaren Anspruch (vgl 6 Ob 235/09s; 9 Ob 50/09g = ecolex 2010/348, 950 [ Wilhelm ] = ZFR 2010/171, 275 [ Graf ]; Kalss / Linder , Ausgewählte Fragen zur Anlegerentschädigung gem §§ 23b ff WAG, ÖBA 2006, 824 ff [825 f] mwN).

2. Die AE RL wurde in Österreich durch Änderungen im BWG und im WAG umgesetzt.

2.1 Gemäß § 93 Abs 1 Satz 1 BWG müssen Kreditinstitute, die sicherungspflichtige Einlagen (Abs 2) entgegennehmen oder sicherungspflichtige Wertpapierdienstleistungen (Abs 2a) durchführen, einer Sicherungseinrichtung im Rahmen ihres Fachverbandes angehören. Die Sicherungseinrichtungen sind in der Form von Haftungsgesellschaften zu betreiben. Bei gesetzwidriger Nichtzugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung erlischt die Konzession zur Entgegennahme sicherungspflichtiger Einlagen bzw zur Durchführung sicherungspflichtiger Wertpapierdienstleistungen (§ 93 Abs 1 Satz 2 BWG). Einlagen sind bis zur Höhe von 20.000 EUR binnen drei Monaten in bestimmten, gesetzlich aufgezählten Fällen (§ 93 Abs 3 Z 1 bis 4 BWG) auszubezahlen, insbesondere, wenn über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird. Forderungen aus Wertpapierdienstleistungen sind gemäß § 93 Abs 3b BWG bis zu einem Betrag von 20.000 EUR binnen drei Monaten in den Haftungsfällen der AE RL zu entschädigen. Voraussetzung dafür ist, dass das Kreditinstitut nicht in der Lage ist, Geld zurückzuzahlen, das Anlegern geschuldet wird oder gehört und für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen gehalten wird, oder den Anlegern Instrumente zurückzugeben, die diesem gehören und für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden (vgl Kalss/Linder , Ausgewählte Fragen zur Anlegerentschädigung gem § 23b ff WAG, ÖBA 2006, 824 ff [826]). In § 93a BWG und § 93b BWG sind die Beitragsleistungen der Mitgliedsinstitute zu den Sicherungseinrichtungen näher geregelt.

2.2 In der mit dem Finanzmarktaufsichtsgesetz (BGBl I 2001/97) eingefügten Bestimmung des § 93c BWG wurde festgelegt, dass die Bestimmungen der §§ 93 bis 93b bei Kreditinstituten gemäß § 1 Abs 1 und § 9 und Wertpapierfirmen gemäß § 9a, denen die Konzession oder Berechtigung zur Entgegennahme sicherungspflichtiger Einlagen oder zur Durchführung sicherungspflichtiger Wertpapierdienstleistungen entzogen wurde oder deren diesbezügliche Konzession oder Berechtigung erloschen ist, für alle Einlagen und Forderungen, die bis zum Zeitpunkt des Entzugs oder des Erlöschens dieser Konzession oder Berechtigung entgegengenommen wurden oder entstanden sind, auch dann gelten, wenn der Sicherungsfall gemäß § 93 Abs 3 Z 1 bis 4 nach dem Entzug oder Erlöschen dieser Konzession oder Berechtigung eingetreten ist. Nach den Gesetzesmaterialien (vgl EB zur RV 641 BlgNR 21. GP 85) sollte dadurch klargestellt werden, dass die Sicherung der Einlagen und Forderungen auch nach Entzug/Erlöschen der Konzession eines Kreditinstituts/WPDLU gewährleistet sein soll und auch die Forderungen gegen ein vormaliges Kreditinstitut/WPDLU auch nach Ende der Berechtigung gesichert sein sollten. Es sind daher nach § 93c BWG für die bis zum Zeitpunkt des Entzugs oder des Erlöschens der Konzession oder Berechtigung entgegengenommenen Einlagen oder entstandenen Forderungen die §§ 93 bis 93b BWG weiterhin anzuwenden.

2.3 In Umsetzung der AE RL hat der Gesetzgeber im Jahr 1999 mit dem Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Depotgesetz und das Kapitalmarktgesetz geändert wurden (BGBl I 1999/63), in den §§ 23b ff WAG 1996 (BGBl 1996/753) ein besonderes Anlegerentschädigungs-system ergänzend zu jenem nach dem BWG etabliert, das nur WPDLU erfasst, die die Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsvollmacht im Auftrag des Kunden iSd § 1 Abs 1 Z 19 lit b BWG durchführen. Ein Entschädigungsfall liegt gemäß § 23b Abs 2 WAG vor, wenn über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird oder die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaats mitteilt, dass sich ein Fall von Art 2 Abs 2 AE RL (Unmöglichkeit der Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber Anlegern bzw Ruhen von Forderungen) verwirklicht hat. Ebenso wie im BWG erlischt die Konzession zum Betrieb des Finanzdienstleistungsgeschäfts bei Nichtzugehörigkeit zur Entschädigungseinrichtung; die Zugehörigkeit ist Konzessionsvoraussetzung. Die Entschädigungseinrichtung ist in der Form einer Haftungsgesellschaft als juristische Person zu betreiben; diese trifft gemäß § 23b Abs 2 WAG 1996 ein Kontrahierungszwang gegenüber dem zur Mitgliedschaft verpflichteten WPDLU ( Kalss/Linder aaO ÖBA 2006, 824 ff [828]). Die Konstruktion der Sicherungseinrichtung nach § 23b WAG 1996 entspricht somit im Wesentlichen jener des § 93 BWG (verpflichtende Mitgliedschaft, Aufnahmeverpflichtung, Haftungsgesellschaft). Auch der gesicherte Betrag entspricht jenem des § 93 BWG.

2.4 Das WAG 1996 wurde durch das am in Kraft getretene WAG 2007 (BGBl I 2007/60) abgelöst, wobei die Regelung der Anlegerentschädigung des WAG 1996 jener des WAG 2007 in den §§ 75 ff im Wesentlichen entspricht. So sieht § 75 Abs 1 WAG 2007 vor, dass Wertpapierfirmen, die eine oder beide der in § 3 Abs 2 Z 2 und 3 WAG genannten Dienstleistungen (Portfolioverwaltung oder vermittlung) betreiben, einer Entschädigungseinrichtung anzugehören haben. Die Wertpapierfirma trifft gemäß § 75 Abs 2 Satz 1 WEG 2007 ein Kontrahierungszwang. Die Zugehörigkeit ist Konzessionsvoraussetzung. Bei Nichtzugehörigkeit zur Entschädigungseinrichtung erlischt die Konzession gemäß § 3 Abs 2. Das Erlöschen der Konzession ist auf Grund des Verweises auf § 7 Abs 2 BWG von der Finanzmarktaufsichtsbehörde durch Bescheid festzustellen (vgl § 75 Abs 1 WAG 2007).

2.4.1 Die Entschädigungseinrichtung hat alle Wertpapierfirmen mit der Berechtigung zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen gemäß § 3 Abs 2 Z 2 oder 3 als Mitglieder aufzunehmen. Die Entschädigungseinrichtung ist in der Form einer Haftungsgesellschaft als juristische Person zu betreiben (vgl § 75 Abs 2 BAG 2007). Ein Entschädigungsfall liegt gemäß § 75 Abs 2 Satz 3 WAG 2007 insbesondere dann vor, wenn „über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird“. Nach § 75 Abs 3 WAG 2007 hat die Entschädigungseinrichtung nach Maßgabe der §§ 75 bis 78 und der anzuwendenden Bestimmungen des BWG Anleger für Forderungen aus Wertpapierdienstleistungen zu entschädigen, die dadurch entstanden sind, dass eine Wertpapierfirma nicht in der Lage war, entsprechend den gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen 1. Gelder zurückzuzahlen, die Anlegern im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen geschuldet werden oder 2. den Anlegern Instrumente zurückzugeben, die diesen gehören und für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften verwaltet werden. Von der Entschädigung ausgeschlossen sind Forderungen iSv § 93 Abs 5 Z 1a 12 BWG sowie Bestandteile des Eigenkapitals der Wertpapierfirma. Abgesehen von den bereits erwähnten Verweisen erklärt § 75 Abs 4 WAG 2007 eine Reihe weiterer Bestimmungen des BWG hinsichtlich der sicherungspflichtigen Wertpapierdienstleistungen für anwendbar: § 93 Abs 4, 6, 8a und 11; § 93a Abs 6 hinsichtlich der Möglichkeit, zur Sanierung von Mitgliedsinstituten beizutragen sowie § 93b Abs 2 und 4.

2.4.2 Ein Entschädigungsfall, der zur Entschädigungspflicht iSd §§ 75 ff WAG 2007 führt, setzt grundsätzlich voraus, dass ein Mitglied der Entschädigungseinrichtung betroffen ist. Wird die Konzession einer Wertpapierfirma zurückgenommen oder erlischt diese (vgl § 5 WAG 2007), scheidet daraufhin die Wertpapierfirma aus der Entschädigungseinrichtung aus. Gemäß § 5 Abs 3 WAG 2007 ist die Zurücklegung einer Konzession nur schriftlich und nur dann möglich, wenn zuvor sämtliche Wertpapierdienstleistungen abgewickelt worden sind. Das Erlöschen der Konzession ist von der Finanzmarktaufsichtsbehörde festzustellen (§ 5 Abs 3 WAG 2007).

3. Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass die A***** Gruppe AG niemals Gesellschafterin (bzw Mitgliedsinstitut) der beklagten Anlegerentschädigungs-einrichtung war, sodass sich ausschließlich die Frage stellt, ob die Kläger ihren Anspruch auf zwischen ihnen und der A***** AG zustandegekommene Vereinbarungen über die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen stützen können (vgl 1 Ob 242/12p). Da die A***** AG ihre für die Erbringung von Wertpapierleistungen bestehende Konzession mit Schreiben vom zurückgelegt und in der Folge mit Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom das Erlöschen der Konzession festgestellt wurde, ist im Hinblick auf die erst am erfolgte Eröffnung des Konkursverfahrens über die A***** AG vorrangig die Frage zu prüfen, ob die beklagte Entschädigungseinrichtung auch für ein solches ehemaliges Mitglied haftet. Diese Frage konnte in der erst jüngst ergangenen Entscheidung 1 Ob 242/12p unbeantwortet bleiben.

4. Die Vorinstanzen waren der Ansicht, dass ein Anleger nur dann in den Genuss der Entschädigung komme, wenn die Wertpapierfirma noch zum Zeitpunkt des Entschädigungsfalls (Konkurseröffnung) Mitglied der Anlegerentschädigungseinrichtung ist.

5. Diese von den Vorinstanzen vertretene Auslegung ergibt sich aber nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut, in welchem ausdrücklich nur darauf Bezug genommen wird, dass „über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird“. Die A***** AG war zum Zeitpunkt des Erwerbs der Genussscheine durch die Kläger Mitglied der beklagten Anlegerentschädigungseinrichtung. Aus dem Zweck der Anlegerentschädigung, insbesondere dem Anlegerschutz, ist eine Haftung auch für ehemalige Mitglieder grundsätzlich zu bejahen (vgl Linder in Gruber/N. Raschauer , WAG § 75 Rz 21). Eine klare Abgrenzung des Endes der Sicherungsfunktion findet sich in den §§ 75 ff WAG 2007 allerdings nicht. Eine solche Regelung enthält aber der bereits zitierte § 93c BWG für Kreditinstitute gemäß § 1 Abs 1 und § 9 BWG sowie für Wertpapierfirmen gemäß § 12 WAG 2007 (Wertpapierfirmen aus Mitgliedstaaten in Österreich). Danach soll die Sicherung der Einlagen und Forderungen auch nach dem Entzug bzw dem Erlöschen der Konzession oder Berechtigung eines Kreditinstituts bzw einer Wertpapierfirma gewährleistet sein. § 93c BWG ordnet daher an, dass für die bis zum Zeitpunkt des Entzugs oder des Erlöschens dieser Konzession oder Berechtigung entgegengenommenen Einlagen oder entstandenen Forderungen die §§ 93 bis 93b BWG weiterhin anzuwenden sind. Auf den Zeitpunkt des Eintretens des Sicherungsfalls (zB Konkurseröffnung) kommt es daher in diesem Fall nicht an.

5.1 Auch wenn die Bestimmung des § 93c BWG in § 75 Abs 4 WAG 2007 nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt wird, ergibt sich daraus im Hinblick auf die bereits festgestellten Gemeinsamkeiten der nach dem BWG und dem WAG eingerichteten Sicherungssysteme doch der verallgemeinerungsfähige Grundsatz, dass die Sicherung der Einlagen und entstandenen Forderungen gegen ein vormaliges Mitglied der Sicherungseinrichtung auch nach dem Erlöschen der Konzession weiterhin gewährleistet sein soll. Unter diesem Aspekt sollte es daher maßgeblich sein, ob der Vertrag über die Wertpapierdienstleistung zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, zu dem das Unternehmen Mitglied der Entschädigungseinrichtung war. Für diese Auslegung spricht im Rahmen der gebotenen richtlinienkonformen Interpretation auch Art 6 AE RL, der eine Forderungsdeckung auch für die bis zum Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung der Wertpapierfirma getätigten Wertpapiergeschäfte vorsieht. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass dem Entschädigungssystem der §§ 75 ff WAG 2007 eine dem Versicherungsgedanken vergleichbare Überlegung zugrundeliegt. Auch im Fall einer Haftpflichtversicherung besteht etwa Versicherungsschutz, wenn das schadensauslösende Ereignis während des aufrechten Versicherungsvertrags stattfindet, und zwar auch dann, wenn der Schaden erst nach Vertragsbeendigung eintritt.

5.2 Schließlich sollte auch nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Anlegerentschädigungssystems für konzessionierte WPDLU gegenüber potentiellen Anlegern auch das Signal für eine gewisse Sicherheit im Fall einer Schädigung durch massives Fehlverhalten bei der Erbringung der Wertpapierdienstleistung gegeben hat. Ein Anleger, der einem entsprechend konzessionierten Unternehmen, das Mitglied der Entschädigungseinrichtung ist, einen Auftrag zur Erbringung einer Wertpapierdienstleistung erteilt, kann grundsätzlich damit rechnen, dass ihm die Entschädigungseinrichtung seinen Schaden bis zum Höchstbetrag von 20.000 EUR ersetzen wird, wenn dieses Mitglied gegen das Verbot des Haltens von Kundengeldern oder Finanzinstrumenten der Kunden verstößt. Es wäre daher nicht richtlinienkonform, bestimmten Anlegern diesen Schutz nur deshalb nicht zukommen zu lassen, weil das betreffende Unternehmen aus welchem Grund auch immer vor der Konkurseröffnung seine Mitgliedschaft bei der Entschädigungseinrichtung verliert. Dies ist für den einzelnen Anleger weder vorhersehbar noch beeinflussbar.

5.3 Eine zeitliche Begrenzung der Haftung für ehemalige Mitglieder in dem von Linder in Gruber/N. Raschauer , WAG § 75 Rz 21 vertretenen Sinn, dass eine Haftung in diesem Fall nur dann bestehe, wenn innerhalb eines Jahres ab Konzessionsverlust der Entschädigungsfall eintrete, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, da die dafür herangezogene Anmeldefrist von einem Jahr gemäß § 76 Abs 2 WAG 2007, wie auch Linder selbst einräumt, einen völlig anderen Zweck erfüllt, nämlich die Anmeldung der Forderungen von Anlegern binnen einem Jahr ab Konkurseröffnung zu ermöglichen. Die Ablehnung einer solchen zeitlichen Begrenzung der Haftung für ehemalige Mitglieder erscheint nach Ansicht des erkennenden Senats nicht unverhältnismäßig und würde auch das Risiko der übrigen Mitglieder nicht ungebührlich erhöhen, da auch nach dieser Auffassung nur für Schäden aus solchen Geschäften zu haften ist, die während der Zugehörigkeit des Unternehmens zur Haftungsgemeinschaft abgeschlossen wurden. Die Belastung der übrigen Mitglieder erhöht sich in der Regel auch nicht durch einen längeren zeitlichen Abstand der Konkurseröffnung von den jeweiligen anlegerschädigenden Geschäften, sondern ist primär davon abhängig, in welchem Umfang während aufrechter Mitgliedschaft ein Schadenspotential begründet wurde. Außerdem besteht ohnehin für jeden einzelnen Anleger eine Haftungshöchstgrenze von 20.000 EUR.“

Zusammenfassend ergebe sich daher, dass die Beurteilung der Vorinstanzen, die A***** AG sei im Zeitpunkt der Konkurseröffnung über ihr Vermögen nicht mehr Mitglied der beklagten Entschädigungseinrichtung gewesen, weshalb die Beklagte für Forderungen aus den von dieser Gesellschaft emittierten Genussscheinen nicht einzustehen habe, nicht zutreffe.

II. Der erkennende Senat pflichtet diesen überzeugenden Argumenten bei. Da der von den Vorinstanzen allein herangezogene Abweisungsgrund somit auch im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kommt und eine darüber hinausgehende Feststellungsgrundlage fehlt, wird das Erstgericht daher (wie auch im Aufhebungsbeschluss 10 Ob 50/12v ausgesprochen wurde) im fortzusetzenden Verfahren die Berechtigung des Klagebegehrens unter Berücksichtigung der von der Beklagten weiters erhobenen Einwendungen zu prüfen und dazu aufgrund der von den Parteien angebotenen Beweise die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.