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OGH vom 25.11.2008, 1Ob225/08g

OGH vom 25.11.2008, 1Ob225/08g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erich Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Franz W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Karl Haas und Mag. Andreas Friedl, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 6.000 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 132/08g-24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Scheibbs vom , GZ 2 C 1400/06d-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 556,99 EUR (darin 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Aufgrund eines schriftlichen Vertrags, in dem die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vereinbart war, stellte die Klägerin der Beklagten zwei Maurer im Wege der Arbeitskräfteüberlassung zur Verfügung. Punkt 17 dieser Geschäftsbedingungen hat folgenden Wortlaut:

„Der Auftraggeber verpflichtet sich, die überlassenen Arbeitskräfte weder selbst noch durch ein verbundenes Unternehmen entweder abzuwerben oder die verliehenen Arbeitskräfte vor Ablauf von sechs Monaten nach Beendigung des Vertrages mit [der Klägerin] im Rahmen von Dienst- oder Werkverträgen zu beschäftigen. Im Falle von Zuwiderhandlungen wird pro Arbeitnehmer eine Konventionalstrafe in der Höhe von 3.000 EUR vereinbart."

Nachdem die beiden Arbeitskräfte dem Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt hatten, dass ihre Dienstverhältnisse von der Klägerin aufgekündigt worden seien, stellte er sie bei der Beklagten - beginnend mit - ein. Tatsächlich dauerte deren Dienstverhältnis bei der Klägerin unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist bis zum . Der Geschäftsführer der Beklagten hatte zuvor versucht, Kontakt mit der Klägerin aufzunehmen, dann aber ungeachtet des ausständigen, ihm telefonisch zugesagten Rückrufs, die Anmeldung der beiden Arbeitnehmer vorgenommen. Die Klägerin stellte der Beklagten für die überlassenen Arbeitnehmer auch für den Zeitraum von 19. 6. bis Überlassungsentgelt in Rechnung, das von der Beklagten letztlich bezahlt wurde, nachdem durch entsprechende Änderung eine Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse mit bewerkstelligt werden konnte. Die weiters unter Hinweis auf Punkt 17 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Rechnung gestellte Konventionalstrafe von zweimal 3.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer bezahlte die Beklagte nicht.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten (noch) 6.000 EUR an Konventionalstrafe. Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, die Beklagte habe die beiden Arbeitnehmer entgegen den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor Ablauf von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Klägerin beschäftigt und auch unzulässigerweise abgeworben. Die Vereinbarung einer Konventionalstrafe sei nicht unzulässig. Gerade im vorliegenden Fall führe sie zu keiner unbilligen finanziellen Belastung der Arbeitnehmer und zu keiner Einschränkung von deren Erwerbsmöglichkeit.

Die Beklagte wandte dagegen ein, die Konventionalstrafenvereinbarung sei in Ansehung der §§ 8 und 11 AÜG und des § 879 ABGB gesetz- und sittenwidrig. Die Klausel schränke die freie Beweglichkeit der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt massiv ein, was zu einer Beschränkung der freien Erwerbstätigkeit der vormals überlassenen Arbeitnehmer führe. Damit liege eine Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Arbeitskräfte vor. Eine unzulässige Abwerbung sei nicht erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es bestehe kein gesetzliches Verbot der Vereinbarung von Konventionalstrafen zwischen Überlasser und Beschäftiger. Sittenwidrigkeit könne nur dann angenommen werden, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder bei Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergebe. Eine solche Sittenwidrigkeit sei zu verneinen. Es sei zu berücksichtigen, dass Ausfluss des Arbeitsverhältnisses auch die wechselseitige Treuepflicht ist, die jedenfalls solange währe, solange der Dienstvertrag aufrecht ist. Gerade im Falle der Begründung eines Dienstverhältnisses noch während des laufenden Dienstvertrags mit dem Überlasser sei die Vereinbarung einer Konventionalstrafe weder gesetz- noch sittenwidrig. Eine Abwerbung der Arbeitnehmer sei nicht erfolgt.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klageabweisenden Sinn ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Gemäß § 8 Abs 2 AÜG seien Vereinbarungen zwischen dem Überlasser und dem Beschäftiger, die der Umgehung gesetzlicher Bestimmungen zum Schutz der Arbeitskraft dienen, verboten. Dem Überlasser sei es untersagt, mit der Arbeitskraft vertragliche Vereinbarungen zu treffen, die die überlassene Arbeitskraft für die Zeit nach dem Ende des Vertragsverhältnisses zum Überlasser, insbesondere durch Konventionalstrafen, Reugelder oder Einstellungsverbote, in ihrer Erwerbstätigkeit beschränken. Die Vereinbarung, wonach es der Beklagten „gegen Entrichtung" einer Konventionalstrafe verboten sei, Arbeitnehmer der Klägerin binnen sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzustellen, widerspreche der klaren Zielsetzung des AÜG. In Anwendung des § 879 Abs 1 ABGB sei ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Danach sei die Vereinbarung einer Konventionalstrafe für den Fall der Beschäftigung der Dienstnehmer innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Beendigung von deren Dienstverhältnissen zur Klägerin als gesetzwidrig und unzulässig zu beurteilen und daher nicht zu berücksichtigen. Der klare Widerspruch zum AÜG erübrige es, auf eine allfällige Sittenwidrigkeit „dieses Tatbestands" einzugehen. Der darüber hinaus geltend gemachte Tatbestand der Abwerbung von Arbeitnehmern sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Für die Anstellung der Arbeitnehmer bei der Beklagten sei allein ursächlich gewesen, dass die Klägerin zuvor die bestehenden Arbeitsverhältnisse durch Kündigung aufgelöst habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Soweit sich die Revisionswerberin neuerlich darauf beruft, die Beklagte habe die beiden Arbeitnehmer „abgeworben", übersieht sie offenbar, dass deren Dienstverhältnisse von der Klägerin bereits aufgekündigt worden waren, als die Beklagte die Arbeitnehmer einstellte. Inwieweit darin ein „Abwerben" liegen könnte, vermag die Revisionswerberin nicht darzulegen.

Die Frage der Zulässigkeit der Vereinbarung einer Konventionalstrafe für den Fall des Beschäftigens verliehener Arbeitskräfte vor Ablauf von sechs Monaten nach Beendigung des Vertrags mit dem Überlasser hat das Berufungsgericht im Einklang mit der in der arbeitsrechtlichen Lehre herrschenden Auffassung (Schwarz in Sacherer/Schwarz, AÜG², 177; Geppert, AÜG, 106 mwN, 158; Grillberger in WBl 1988, 317) in unbedenklicher Weise verneint. Gemäß § 8 Abs 2 AÜG sind Vereinbarungen zwischen dem Überlasser und dem Beschäftiger, die der Umgehung gesetzlicher Bestimmungen zum Schutz der Arbeitskraft dienen, verboten. Die Gesetzesmaterialien (450 BlgNR 17. GP 19) führen dazu aus, dass von dem Verbot insbesondere Vereinbarungen erfasst werden sollen, welche der überlassenen Arbeitskraft den Abschluss eines Arbeitsvertrags für die Zeit nach der Beendigung der Überlassung erschweren oder unmöglich machen. Dort wird weiters darauf hingewiesen, dass nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 879 ABGB verbotene Bedingungen als dem Vertrag nicht zugesetzt gelten.

Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin kann keine Rede davon sein, dass es durch die Vereinbarung einer Konventionalstrafe zwischen Überlasser und Beschäftiger zu keiner Behinderung oder Beeinträchtigung des Arbeitnehmers käme bzw dass dieser dadurch in seiner Erwerbstätigkeit „in keinster Weise" beschränkt wäre. Es kann vielmehr kein Zweifel daran bestehen, dass die Aussichten eines Arbeitnehmers, ein Dienstverhältnis zu einem neuen Arbeitgeber zu begründen, erheblich ungünstiger sind, wenn die Begründung eines solchen Arbeitsverhältnisses für den potentiellen neuen Arbeitgeber mit der Verpflichtung zur Leistung einer Konventionalstrafe verbunden wäre. Wäre eine solche Vereinbarung gültig, würde ein potentieller Arbeitgeber regelmäßig einen anderen - sonst gleichwertigen - Arbeitnehmer einstellen, mit dessen Beschäftigung keine weiteren finanziellen Nachteile verbunden wären.

Um die Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt nicht in bedenklicher Weise einzuschränken, sind gemäß § 11 Abs 2 Z 6 AÜG etwa Vereinbarungen verboten, die die überlassene Arbeitskraft für die Zeit nach dem Ende des Vertragsverhältnisses zum Überlasser, insbesondere etwa durch Konventionalstrafen, in ihrer Erwerbstätigkeit beschränken. Genau dieses verpönte Ziel verfolgt nun aber die hier zu beurteilende Klausel in den Geschäftsbedingungen der Klägerin, weil diese ebenso - wenn auch nur indirekt - dazu führt, dass es der ursprünglich überlassenen Arbeitskraft schwerer fällt als sonstigen Arbeitsuchenden, einen Arbeitsplatz beim früheren Beschäftiger zu finden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.