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OGH vom 25.01.2021, 5Ob184/20z

OGH vom 25.01.2021, 5Ob184/20z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Verlassenschaft nach Univ.-Prof. Dr. H***** D*****, vertreten durch Mag. Alain Danner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Wiedenbauer Mutz Winkler & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 11 WGG iVm § 14d WGG, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 38 R 28/20d-6, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom , GZ 5 Msch 14/19m-2, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens sowie neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Der (während des Rekursverfahrens verstorbene) Antragsteller beantragte, das Ausmaß der von der Antragsgegnerin eingehobenen aber nicht zur Finanzierung von Erhaltungs und Verbesserungsarbeiten für die Liegenschaft verwendeten Erhaltungs und Verbesserungsbeiträge (EVB) festzustellen und sie zur Rückzahlung dieser Beträge zu verpflichten. Der Antragsteller sei vom bis Mieter einer im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Wohnung gewesen. Die Antragsgegnerin habe ihm über die gesamte Dauer des Mietverhältnisses einen rückzahlbaren Erhaltungs und Verbesserungsbeitrag gemäß § 14d WGG vorgeschrieben. Die von ihm und den übrigen Mietern geleisteten EVB habe die Antragsgegnerin nicht zur Gänze innerhalb von 20 Kalenderjahren zur Finanzierung von Erhaltungs und Verbesserungsarbeiten verwendet. Gemäß § 14d Abs 4 WGG seien die entsprechenden Teilbeträge daher zurückzuzahlen.

[2] Das Erstgericht wies die Anträge zurück. Die Bestimmung des § 14d Abs 4 WGG, wonach die von der Bauvereinigung nicht innerhalb einer Frist von 20 Kalenderjahren zur Finanzierung einer Erhaltungs oder Verbesserungsarbeit verwendeten EVB den Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten zurückzuerstatten seien, sei durch die WGGNovelle 2016 neu gefasst worden. Die Übergangsbestimmung des § 39 Abs 33 WGG normiere, dass für alle mit nicht verbrauchten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge § 14d Abs 4 WGG nF anzuwenden sei. Diese Übergangsbestimmung sei so zu verstehen, dass alle zum noch nicht verbrauchten EVB binnen 20 Jahren zu verbrauchen und ansonsten zurückzuzahlen seien. Da die 20jährige Verwendungsfrist somit erst 2016 zu laufen begonnen habe und zum Zeitpunkt des Antrags noch nicht abgelaufen gewesen sei, sei der Antrag zurückzuweisen.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Es bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts mit der Maßgabe, dass die Anträge nicht zurückgewiesen, sondern mit Sachbeschluss abgewiesen werden. Die Voraussetzungen für eine Antragstellung lägen (noch) nicht vor. (Auch) Das Rekursgericht schließe sich der von Prader vertretenen Rechtsansicht an, dass gemäß der Übergangsvorschrift in § 39 Abs 33 WGG alle zum noch nicht verbrauchten EVB binnen 20 Jahren zu verbrauchen, ansonsten zurückzuzahlen seien. Würde man rückwirkend auf den Verbrauch innerhalb der letzten 20 Jahre abstellen, könnte dies insofern zu erheblichen Finanzierungsproblemen führen, als die Bauvereinigung dann unter Umständen nicht nur die die Grundstufe übersteigenden EVB zurückbezahlen müsste, sondern auch EVB der Grundstufe für einen darüber hinausgehenden Zeitraum. Zusätzlich zu diesem von Prader gebrachten Argument spreche für die Richtigkeit dieses Verständnisses, dass bei der vom Antragsteller gewünschten Auslegung der Übergangsbestimmung, nämlich dass ein Mieter (Nutzungsberechtigter) die in den letzten 20 Jahren nicht verbrauchten EVB jetzt zurückfordern könne, die Übergangsbestimmung überflüssig wäre, weil sich dies ohnedies aus dem Wortlaut der neu geschaffenen Bestimmung des § 14d Abs 4 WGG ergebe. Da aber eine Übergangsbestimmung geschaffen worden sei, könne diese nur so aufgefasst werden, dass alle zum Stichtag nicht verbrauchten EVB der in § 14d Abs 4 WGG normierten 20jährigen Verwendungsfrist unterliegen und erst nach deren Verstreichen rückgefordert werden können.

[4] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Frage, wie die Übergangsbestimmung des § 39 Abs 33 WGG zu verstehen ist und ob die in § 14d Abs 4 WGG idF der Novelle 2016 normierte Verwendungsfrist von 20 Jahren für alle zum nicht verbrauchten EVB neu zu laufen beginnt, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

[5] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

[6] Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

[8] 1.1. Nach § 14 Abs 1 WGG ist das angemessene Entgelt für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung oder eines Geschäftsraums unter Bedachtnahme auf § 13 WGG nach den Verteilungsbestimmungen des § 16 WGG zu berechnen. Bei der Berechnung des angemessenen Entgelts darf (auch) ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag gemäß § 14d WGG (EVB) angerechnet werden.

[9] 1.2. Die Einhebung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen gemäß § 14d WGG beruht auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Vermieters; sie liegt im Interesse einer rechtzeitigen und vorausschauenden Sicherstellung der Finanzierung der Kosten der jeweils erkennbaren und in absehbarer Zeit notwendig werdenden Erhaltungsarbeiten. Die primäre Beurteilung dieser objektiv bezogenen Voraussetzungen soll zunächst dem Vermieter überlassen sein; dieser hat jedoch die Folgen einer (bewussten oder unbewussten) Fehleinschätzung des Erhaltungszustands des Gebäudes insofern zu tragen, als er in diesem Fall verpflichtet ist, die eingehobenen Erhaltungsbeiträge zuzüglich einer Verzinsung dem Mieter zurückzuerstatten (5 Ob 18/18k; RS0070577 [T2]).

1.3. Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Wohnbauinvestitionsbank (WBIBG) erlassen und das Bundesgesetz über steuerliche Sondermaßnahmen zur Förderung des Wohnbaus und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert werden, BGBl I Nr 157/2015 (in der Folge kurz: Novelle 2016), wurde der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag gemäß § 14d WGG neu geregelt. An dem normativen Konzept der eigenverantwortlichen Vorschreibung des EVB bis zu einem gesetzlichen Höchstbetrag und der gerichtlichen Kontrolle der Notwendigkeit der Einhebung und Zweckmäßigkeit ihrer Verwendung erst aus Anlass der Prüfung eines allfälligen Rückforderungsanspruchs hat sich mit der Novelle 2016 nichts geändert (5 Ob 18/18k). Es wurden jedoch die bisherigen, abhängig vom Erstbezug der Baulichkeit, vorgesehenen 10JahresStufen für die Erhöhung der EVB „geglättet“, um allzu hohe Sprünge in der Entgeltvorschreibung zu vermeiden (ErlRV 895 BlgNR XXV. GP 12; Schinnagl, Glosse zu 5 Ob 237/17i, wobl 2018/112). Die formellen Erfordernisse für die Vorschreibung und die Verpflichtung zur Bekanntgabe von Art, Umfang und Kostenschätzungen der aus dem so geforderten EVB zu finanzierenden Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten sind mit der Novelle 2016 entfallen (5 Ob 71/20g, 5 Ob 237/17i). Die bis dahin in den Abs 7 und 8 des § 14d WGG geregelte Rückzahlungsverpflichtung findet sich nun zusammengefasst in dessen Abs 4. Die Frist, während der die Bauvereinigung die von den Mietern (Nutzungsberechtigten) entrichteten EVB bei sonstiger Rückzahlungsverpflichtung zu verwenden hat, wurde auf 20 Jahre verlängert, der Rückerstattungsbetrag ist nicht mehr mit einer „angemessenen Verzinsung“, sondern mit Zinsen nach dem gesetzlichen Zinssatz gemäß § 1000 ABGB zurückzuzahlen. Die Verwendungspflicht und die Rückzahlungsverpflichtung gelten nun außerdem für die gesamten, nicht verbrauchten EVB. Die bisher geltende Ausnahme für EVB bis zur Höhe der Grundstufe entfiel (Beer/Vospernik in Illedits/Reich-Rohrwig, WohnrechtTaKomm³ § 14d WGG Rz 6; Rosifka, Neuregelung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages sowie Änderungen beim Wiedervermietungsentgelt, wobl 2016, 262 [266 f]).

[11] 2.1. § 14d Abs 4 WGG idF der Novelle 2016 BGBl I 2015/157 lautet: Verwendet die Bauvereinigung die von den Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten entrichteten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge nicht innerhalb einer Frist von 20 Kalenderjahren zur Finanzierung einer Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeit, so hat die Bauvereinigung unverzüglich die von den Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten entrichteten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge zuzüglich der gesetzlichen Verzinsung (§ 1000 ABGB) zurückzuerstatten. Zur Rückforderung des nicht verbrauchten Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags (samt Verzinsung) ist der Mieter oder sonstige Nutzungsberechtigte berechtigt, der im Zeitpunkt der Fälligkeit dieses Anspruchs Mieter oder Nutzungsberechtigter der Wohnung oder des sonstigen Mietgegenstands ist.

2.2. Gemäß § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück, sie haben daher auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluss. In dem Fall, dass an ein Dauerrechtsverhältnis eine Dauerrechtsfolge geknüpft ist, sind demnach die Rechtsfolgen, die an den zeitlichen Abschnitt der Tatbestandsverwirklichung vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes geknüpft waren, nach altem Recht, die Rechtsfolgen des sich danach weiter verwirklichenden Tatbestands aber nach dem neuen Gesetz zu beurteilen (RISJustiz RS0008745). Diese allgemeinen Grundsätze greifen allerdings nur, sofern der Gesetzgeber keine anders lautende Anordnung trifft (RS0008745 [T10]).

[13] 2.3. Nach allgemeinen Grundsätzen wären im Fall eines Miet- oder Nutzungsverhältnisses nach dem WGG die Einhebung der EVB und die daran geknüpfte Verwendungs- und Rückzahlungspflicht aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Novelle 2016 also nach der alten Rechtslage zu beurteilen. Ohne anders lautende Übergangsbestimmung wären die vor dem Inkrafttreten des § 14d Abs 4 WGG idF Novelle 2016 eingehobenen EVB daher bei Nichtverwendung für Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten weiterhin bereits nach 10 Jahren und nur insoweit zurückzuerstatten, als diese die Grundstufe übersteigen. Der Gesetzgeber trifft in den Übergangsbestimmungen allerdings eine anderslautende Anordnung.

2.4. Nach § 39 Abs 33 Satz 2 WGG ist für alle mit nicht verbrauchten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge § 14d Abs 4 idF BGBl I Nr 157/2015 anzuwenden. Nach dem (insoweit eindeutigen) Wortlaut dieser Übergangsbestimmung ist daher die neue Rechtslage auf die (eingehobenen und) mit nicht verbrauchten EVB in gleicher Weise anzuwenden, wie dies für zukünftig einzuhebende EVB gilt. Die Bauvereinigung hat daher alle von den Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten eingehobenen und mit nicht verbrauchten EVB – anders als nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Einhebung – (nur) dann unverzüglich zuzüglich der gesetzlichen Verzinsung (§ 1000 ABGB) zurückzuerstatten, wenn sie diese nicht innerhalb einer Frist von 20 Kalenderjahren zur Finanzierung einer Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeit verwendet. Die angeordnete Anwendung des § 14d Abs 4 WGG idF Novelle 2016 bedeutet zudem, dass für die Rückzahlungsverpflichtung nicht mehr zwischen der Grundstufe und den darüber hinaus gehenden EVB zu differenzieren ist. Auch die am nicht verbrauchten EVB der Grundstufe sind also unter den sonstigen Voraussetzungen des § 14d Abs 4 WGG idF Novelle 2016 zurückzuerstatten.

2.5. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts bedurfte es daher der ausdrücklichen Anordnung des § 39 Abs 33 Satz 2 WGG, um § 14d Abs 4 WGG in seiner Neufassung auch auf die vor Inkrafttreten dieser Bestimmung eingehobenen EVB anwenden zu können. Die Argumentation, dieser Übergangsbestimmung müsse ein darüber hinausgehender Regelungsinhalt zukommen, damit ihr praktisch ein Anwendungsbereich verbleibe, geht daher ins Leere.

[16] 3.1. Mit der (bloßen) Verlängerung des Verwendungszeitraums geht keine Änderung des Beginns des Fristenlaufs einher. Wie schon nach § 14d Abs 7 WGG aF gilt auch für die nach Inkrafttreten des § 14d Abs 4 WGG idF Novelle 2016 eingehobenen EVB weiterhin, dass die (nunmehr 20-jährige) Verwendungsfrist für jeden einzelnen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag jeweils ab dessen Einhebung zu laufen beginnt.

3.2. § 39 Abs 33 Satz 2 WGG normiert die Anwendung des § 14d Abs 4 WGG in der Fassung BGBl I Nr 157/2015. Eine gesonderte Regelung des Beginns des Fristenlaufs für die am nicht verbrauchten EVB enthält diese Übergangsbestimmung nicht.

3.3. In der Literatur vertreten Prader/Pittl (in WGG1.02§ 14d Rz 17; vgl auch Prader, WGG4.00§ 14d Anm 5) die Auffassung, dass es für die Rückforderung der am nicht verbrauchten EVB nur mehr darauf ankommen könne, ob diese (in den nächsten 20 Jahren) fristgerecht verbraucht werden. Würde man rückwirkend auf den Verbrauch innerhalb der letzten 20 Jahre abstellen, könnte dies gegebenenfalls zu erheblichen Finanzierungsproblemen führen, als die Bauvereinigung dann ja unter Umständen nicht nur die die Grundstufe übersteigenden EVB zurückbezahlen müsste, sondern zusätzlich auch EVB der Grundstufe für einen darüber hinausgehenden Zeitraum. Gerade um Refinanzierungsprobleme zu vermeiden (und damit auch Erhöhungsverfahren zu sparen) sei ja auch die Möglichkeit der befristeten verlängerten Einhebungsmöglichkeit gemäß § 39 Abs 33 [Satz 1] WGG geschaffen worden. Es sei daher § 39 Abs 33 [Satz 2] WGG – auch wenn dies nicht klar aus dem Gesetz hervorgehe und die ErläutRV sowie auch der AB dazu schwiegen – so zu verstehen, dass alle zum noch nicht verbrauchten EVB binnen 20 Jahren zu verbrauchen, ansonsten zurückzuzahlen seien, egal, ob das bisherige Ansparen der Verrechnung nach altem Recht im Zusammenhang mit der Rückzahlbarkeit der EVB über die Grundstufe entsprochen habe oder nicht.

Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer (Miet- und Wohnrecht23 WGG § 14d Rz 14) werfen zwar die Frage auf, ob aufgrund der gemäß § 39 Abs 33 Satz 2 WGG gebotenen Anwendung des § 14d Abs 4 WGG auf mit nicht verbrauchte EVB eine neue 20jährige Verwendungsfrist zu laufen beginne. Sie nehmen dazu aber nicht selbst Stellung, sondern verweisen auf die Ansicht Praders (in WGG³ § 14d Anm 4), wonach alle zum nicht verbrauchten EVB binnen 20 Jahren zu verbrauchen, ansonsten zurückzuzahlen seien.

Beer/Vospernik (in Illedits/Reich-Rohrwig, WohnrechtTaKomm³ § 14d WGG Rz 8) führen aus, dass nach den Übergangsbestimmungen der Novelle 2016 für alle mit nicht verbrauchten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge § 14d Abs 4 WGG in der nunmehr geltenden Fassung anzuwenden sei, das heiße, es gelte die Verwendungsfrist von 20 Jahren. Die Frage, wann diese Verwendungsfrist zu laufen beginnt, sprechen sie nicht an.

[21] Nach Rosifka (Neuregelung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags sowie Änderungen beim Wiedervermietungsentgelt, wobl 2016, 262 [267]) erweise sich die Auslegung der zweiten, in § 39 Abs 33 WGG enthaltenen Übergangsbestimmung, dass für alle mit nicht verbrauchten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge § 14d Abs 4 WGG in seiner Neufassung anzuwenden sei, als problematisch. Das bedeute, dass für alle von § 14d Abs 7 idF vor dem betroffenen über der Grundstufe eingehobenen EVB statt der früheren Frist von 10 Jahren nun einfach die doppelte Frist gelte, und demgemäß ein zB im Jahr 2012 über der Grundstufe eingehobener EVB bis 2032 zu verwenden sei. Für den EVB bis zur Höhe der Grundstufe sei jedoch eine Verwendungspflicht innerhalb einer bestimmten Frist bei sonstiger Rückzahlungsverpflichtung nie vorgesehen gewesen. Für alle noch vorhandenen, früher bis zur Höhe der Grundstufe bezahlten EVB beginne daher die Frist von 20 Jahren mit zu laufen. In der Rechtspraxis würden sich diese Auslegungsfragen aber selten stellen, weil es aufgrund der niedrigen Höhe dieses Betrags und des faktisch auch bei gut erhaltenen Häusern laufend gegebenen Erfordernisses an Erhaltungsaufwand kaum vorstellbar sei, dass ein bis zur früheren Grundstufe eingehobener EVB nicht binnen 20 Jahren ab seiner Einhebung verwendet werde.

4. Hiezu wurde erwogen:

4.1. Die Auslegung von Gesetzen hat zunächst mit der Wortinterpretation zu beginnen, worunter die Erforschung des Wortsinns, der Bedeutung eines Ausdrucks oder eines Gesetzes nach dem Sprachgebrauch zu verstehen ist (RS0008896). Die Gesetzesauslegung darf aber nicht bei der Wortauslegung stehen bleiben. Zu berücksichtigen sind auch der Zusammenhang der auszulegenden Worte und Sätze mit anderen Worten und Sätzen der betreffenden Gesamtregelung und ihre systematische Stellung (logischsystematische Auslegung; RS0008787), die – mit Vorsicht anzuwendende – historische Auslegung anhand der Feststellung des Willens des geschichtlichen Gesetzgebers anhand der Gesetzesmaterialien (RS0008776) und letztlich die objektivteleologische Interpretation, nämlich das Erfassen des Sinns einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung, wobei der Auslegende die gesetzgeberische Regelung und die darin zum Ausdruck kommenden Wertmaßstäbe selbständig weiter und zu Ende zu denken hat (RS0008836). Der äußerstmögliche Wortsinn steckt die Grenzen jeglicher Auslegung ab, die auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf (RS0008788 [T2]; RS0016495).

4.2. Der Wortlaut der Übergangsbestimmung des § 39 Abs 33 Satz 2 WGG enthält keinen Anhaltspunkt für die von den Vorinstanzen unter Berufung auf Prader/Pittl (aaO) vertretene Rechtsansicht, die 20jährige Frist beginne für am nicht verbrauchte EVB neu zu laufen. Diese normiert vielmehr ohne jede weitere Einschränkung die Anwendung des § 14d Abs 4 WGG idF BGBl I Nr 157/2015, nach dem aber die EVB innerhalb einer Frist von 20 Kalenderjahren ab dem Zeitpunkt der Einhebung des jeweiligen Erhaltungs- oder Verbesserungsbeitrags zu verwenden und ansonsten zurückzuerstatten sind. Auch die Materialien äußern sich zu dieser Frage nicht. Ein Neubeginn des Fristenlaufs hätte aber einen noch viel weitgehenderen Eingriff in erworbene Rechtspositionen zur Folge, könnten doch – wie die Revisionsrekurswerberin zu Recht aufzeigt – selbst jene EVB, deren Verwendungsfrist von 10 Jahren nach der alten Rechtslage zum bereits abgelaufen und daher zur Rückzahlung an den Mieter fällig waren, nun erst im Falle der Nichtverwendung bis 2036 zurückgefordert werden. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Fall einer entsprechenden Regelungsabsicht eine derart einschneidende Änderung der Rechtspositionen ausdrücklich angeordnet hätte.

4.3. Im Hinblick auf den durch den Wortlaut der Bestimmung abgesteckten Rahmen können auch teleologische Erwägungen im Zusammenhang mit möglichen Finanzierungsproblemen das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen nicht tragen. Erhebliche Finanzierungsprobleme, die die Erfüllung der Erhaltungs- und Verbesserungspflichten einer gemeinnützigen Bauvereinigung als Vermieterin gefährden könnten, sind außerdem nicht zu erwarten. Der Nachteil, der aus der nun auch für EVB der Grundstufe geltenden Verwendungs- und Rückzahlungspflicht resultiert, wird durch den Vorteil der Verlängerung der Verwendungsfrist und des damit einhergehenden Aufschubs der schon bisher bestehenden Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich aller über der Grundstufe eingehobenen EVB wohl im Wesentlichen aufgewogen. Mit Rosifka (aaO) ist zudem davon auszugehen, dass ein bis zur früheren Grundstufe eingehobener EVB in aller Regel binnen 20 Jahren ab seiner Einhebung verwendet wurde und wird. Das aus diesen Erwägungen heraus geringe Gewicht dieses teleologischen Aspekts spricht auch gegen die von Rosifka (aaO) vertretene differenzierende Auslegung des § 39 Abs 3 Satz 2 WGG, wonach (nur) für EVB der Grundstufe die Verwendungsfrist mit Schaffung der entsprechenden Verwendungspflicht neu zu laufen begann. Vor allem aber findet sich auch dafür im Wortlaut der Übergangsbestimmung des § 39 Abs 33 Satz 2 WGG keine Grundlage.

4.4. Zusammengefasst gilt: Gemäß § 39 Abs 33 Satz 2 WGG iVm § 14d Abs 4 WGG idF BGBl I Nr 157/2015 hat die Bauvereinigung alle bis zum eingehobenen und nicht verbrauchten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge, auch jene der Grundstufe, unverzüglich zuzüglich der gesetzlichen Verzinsung (§ 1000 ABGB) zurückzuerstatten, wenn sie diese nicht innerhalb einer Frist von 20 Kalenderjahren ab deren Einhebung zur Finanzierung einer Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeit verwendet hat oder verwendet.

5.1. Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin kommt daher Berechtigung zu. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind aufzuheben und die Sache ist an das Erstgericht zurückzuverweisen, das die weiteren Voraussetzungen für die Rückerstattungsverpflichtung nach § 14d Abs 4 idF der Novelle 2016 im Verfahren nach § 22 Abs 1 Z 11 WGG zu prüfen haben wird.

[28] 5.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die danach gebotenen Billigkeitserwägungen können erst in dem die Sache erledigenden Sachbeschluss angestellt werden (RS0123011 [T1]).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00184.20Z.0125.000

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