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OGH vom 13.07.1982, 4Ob353/82

OGH vom 13.07.1982, 4Ob353/82

Norm

ImmMV § 9 Abs 1;

ImmMV § 14;

ImmMV § 15;

KSchG § 28;

UWG § 1;

Kopf

SZ 55/111

Spruch

Eine Vertragsbestimmung, mit der - ohne Beschränkung auf die in § 9 Abs. 1 Immobilienmaklerverordnung taxativ aufgezählten Fälle - ein Provisionsanspruch des Maklers auch für den Fall vereinbart wird, daß der Auftraggeber von einem - vom anderen Teil noch nicht angenommenen - Angebot zurücktritt, verstößt gegen ein gesetzliches Verbot und rechtfertigt auch eine Klage nach § 28 KSchG

Ein Immobilienmakler, der seinen Kunden gesetzwidrig überhöhte Provisionen verrechnet, handelt regelmäßig nicht "zu Zwecken des Wettbewerbs" iS des § 1 UWG

(OLG Wien 3 R 51/82; HG Wien 37 Cg 91/82)

Text

Die beklagte Partei ist Immobilienmakler. Das von ihr zu Vertragsabschlüssen verwendete Formblatt "Kaufanbot" enthält die Bestimmung:

"Sollte ich von diesem Kaufanbot zurücktreten, so hafte ich auch für die Provision des Abgebers."

Die beklagte Partei vereinbarte für die Vermittlung von Hauptmieten folgende Provisionen: a) Mit Susanne H 6000 S netto (= ohne USt.) bei einem Gesamtmietzins von 400 S monatlich und einer einmaligen Investitionsablöse von 35 000 S; b) mit Hermann W 12 000 S netto bei einem Gesamtmietzins von 1480 S monatlich und einer einmaligen Investitionsablöse von 119 000 S.

Nach dem Rücktritt des Hermann W begehrte die beklagte Partei insgesamt an entgangener Provision 5% von 119 000 S das sind 5950 S und sechs Monatsmieten, zusammen daher 14 830 S netto.

Zur Sicherung des im wesentlichen gleichlautenden Hauptbegehrens beantragte der klagende Österreichische Arbeiterkammertag unter Berufung auf § 14 UWG, der beklagten Partei auf die Dauer des Rechtsstreites zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr a) gegenüber Kunden in von ihr verwendeten Formblättern Bedingungen vorzusehen, die dadurch gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, daß in jedem Fall bei Rücktritt eines Kunden dieser für die eigene wie auch für die Provision des Abgebers haftet, b) Provisionen in Rechnung zu stellen, die gegen § 9 Abs. 1 Z 2,§ 14 oder § 15 ImmMV verstoßen. Die beanstandete Formulierung im Kaufanbot verstoße gegen ein gesetzliches Verbot, weil danach der Kunde bei jedem Rücktritt die gesamte (Käufer und Verkäufer)-Provision zu zahlen habe; ein solcher Anspruch stehe aber der beklagten Partei nach § 9 Abs. 1 Z 2 ImmMV, die wettbewerbsregelnden Charakter habe, nur dann zu, wenn der Auftraggeber das im Vermittlungsauftrag bezeichnete Rechtsgeschäft gegen Treu und Glauben vereitelt habe. Die von den Kunden H und W verlangten Provisionen hätten das in § 14 Abs. 1 ImmMV vorgesehene Höchstausmaß (dreifacher monatlicher Bruttomietzins) weit überschritten. Von W sei überdies beim Rücktritt eine fünfprozentige Provision von der Investitionsablöse verlangt worden, die gemäß § 15 ImmMV nur mit dem Vermieter oder Vormieter vereinbart werden dürfe. Die beanstandete Vertragsklausel sei wettbewerbswidrig. Die beklagte Partei erziele durch die beharrliche Verrechnung gesetzwidriger Provisionen gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern einen Wettbewerbsvorteil.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung. Die beklagte Partei verstoße mit ihrer Vorgangsweise gegen die zitierten Bestimmungen der Immobilienmaklerverordnung und erziele damit gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern einen Vorteil. Daher liege auch ein Verstoß nach § 1 UWG vor.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab. Vor Klärung der Frage, ob ein Verstoß gegen § 1 UWG vorliege, sei zu prüfen, ob überhaupt ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs vorliege. Dies setze voraus, daß die Handlung objektiv geeignet sei, den Absatz eines - meist des eigenen - Unternehmens auf Kosten der Mitbewerber zu fördern, und daß sie subjektiv von der entsprechenden Wettbewerbsabsicht getragen werde. Geschäftliches Verhalten eines Gewerbetreibenden werde erst dann zum wettbewerblichen Verhalten, wenn es sich auf die Mitbewerber auswirken könne. Allgemein- und Verbraucherinteresse seien durch das UWG nur dann geschützt, wenn auch eine Wettbewerbshandlung vorliege. Der Verstoß gegen Konsumentenschutzbestimmungen begrunde die Sittenwidrigkeit einer Handlung iS des UWG nur, wenn sich die Handlung auch als Wettbewerbshandlung darstelle. Das Anbieten ungünstiger Bedingungen sei nur dann eine Wettbewerbshandlung, wenn ein Wettbewerber damit zum Geschäftsabschluß zu gelangen suche und damit den eigenen Absatz auf Kosten der Mitbewerber fördere. Das sei aber nicht der Fall, wenn dem Kunden für ihn ungünstige Geschäftsbedingungen oder überhöhte Preise aufgebürdet würden, ohne daß diese als Argument für den Vertragsabschluß gebraucht würden. Ein solches Verhalten sei keine Wettbewerbshandlung; das Vertragsrecht habe in diesen Fällen Vorrang. Wäre die Vereinbarung von Vertragsbedingungen, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, schlechthin wettbewerbswidrig, wäre es nicht erforderlich gewesen, die Bestimmung des § 28 KSchG zu schaffen. Auf diese Bestimmung habe sich die klagende Partei nicht berufen, sondern sich auf die sich aus dem UWG ergebenden Rechtsgrunde beschränkt. Die Vereinbarung gesetz- oder sittenwidriger Geschäftsbedingungen und die Vereinbarung und Verrechnung überhöhter Preise sei kein Handeln im Wettbewerb, solange dieses Vorgehen nicht für das Zustandekommen des Geschäftsabschlusses maßgeblich sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei teilweise Folge. Er untersagte der beklagten Partei im geschäftlichen Verkehr gegenüber Kunden in den von ihr verwendeten Formblättern die Bedingung "Sollte ich von diesem Kaufanbot zurücktreten, so hafte ich auch für die Provision des Abgebers" oder eine gleichartige Bedingung vorzusehen, und wies das Mehrbegehren, der beklagten Partei auch zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr Provisionen in Rechnung zu stellen, die gegen § 9 Abs. 1 Z 2,§ 14 Abs. 1 oder § 15 ImmMV verstoßen, ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die klagende Partei behauptet ausdrücklich, daß die beklagte Partei im geschäftlichen Verkehr wiederholt Formblätter verwende, die Bedingungen vorsähen, die gegen ein gesetzliches Verbot verstießen, und verwies im Anschluß daran auf die beanstandete Klausel über die Folgen des Rücktritts vom Kaufangebot. Damit stellte die klagende Partei, die zu den nach § 29 KSchG klageberechtigten Verbänden gehört, alle für den Unterlassungsanspruch nach § 28 KSchG erforderlichen Tatsachenbehauptungen auf. Daß sie überdies die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht erforderliche Tatsachenbehauptung aufstellte, die beklagte Partei habe zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt - § 28 KSchG fordert nämlich nicht, daß die Handlung zu Wettbewerbszwecken, also im Wettstreit mit Konkurrenten, erfolgt und geeignet ist, den Absatz des Unternehmens auf Kosten der Mitbewerber zu behaupten oder zu fördern (Jelinek in Krejci, Handbuch z. KSchG 796) -, kann ihr nicht schaden. Ihr Vorbringen darf wegen dieser zusätzlichen Behauptung nicht dahin verstanden werden, daß sie sich auf die Geltendmachung allfälliger - bei Vorliegen einer Wettbewerbshandlung - mit § 28 KSchG konkurrierender Ansprüche aus § 1 UVG (vgl. dazu Jelinek aaO 791 f und 822 f.) beschränken wollte.

Die von der klagenden Partei wiederholt in Formblättern verwendete Klausel "Sollte ich von diesem Kaufanbot zurücktreten, so hafte ich auch für die Provision des Abgebers." verstößt gegen ein gesetzliches Verbot: Mangels anderer Vereinbarung erwirbt der Makler den Provisionsanspruch erst mit dem Abschluß des Geschäftes (§§ 29, 6 Abs. 2 HVG). Der Makler kann dadurch um die Provision kommen, daß der Geschäftsherr das auftragsgemäß vermittelte Geschäft nicht abschließt. Dazu ist der Geschäftsherr grundsätzlich berechtigt. Nach herrschender Rechtsansicht kann er vollkommen frei entscheiden und vom Makler mangels einer besonderen Vereinbarung weder zum Vertragsabschluß noch zur Provisionszahlung gezwungen werden (Ehrenzweig[2] II/1, 535 f; Stanzl in Klang[2] IV/1, 866; Czech, ImmZ 1966, 295; SZ 25/90; ImmZ 1975, 38; zuletzt 1 Ob 627/81). Dem Vermittler steht ein Provisions- oder Schadenersatzanspruch nur für den Fall zu, daß der Geschäftsherr den Abschluß grundlos verweigert und darin - aus besonderen Gründen - zugleich ein gegen Treu und Glauben verstoßendes Zuwiderhandeln gegen eine von ihm durch den Vermittlungsauftrag übernommene Vertragspflicht liegt (1 Ob 627/81; 1 Ob 547/82).

Nach der Immobilienmaklerverordnung ist die Provisions- oder Vergütungspflicht ohne Vermittlungserfolg von einer entsprechenden Vereinbarung abhängig. Der Immobilienmakler darf für den Fall, daß die Vermittlung trotz seiner zweckentsprechenden, auf eine Vermittlung gerichteten Tätigkeit nicht als erfolgreich iS des § 8 Abs. 2 ImmMV anzusehen ist (dh. wenn das im Vermittlungsauftrag bezeichnete Rechtsgeschäft zwischen dem Auftraggeber und dem vom Immobilienmakler namhaft gemachten Interessenten nicht rechtswirksam zustande gekommen ist), mit dem Auftraggeber eine Provision oder sonstige Vergütung - abgesehen von hier nicht in Frage kommenden Fällen - nur dann vorsehen, wenn das im Vermittlungsauftrag bezeichnete Rechtsgeschäft nur deshalb nicht zustande kommt, weil es vom Auftraggeber gegen Treu und Glauben vereitelt wurde (zB wenn der Auftraggeber entgegen dem bisherigen Verhandlungsverlauf ohne wichtigen Grund auf einen für das Zustandekommen des Rechtsgeschäftes erforderlichen Rechtsakt verzichtet; § 9 Abs. 1 Z 2 ImmMV). Das Wort "vorsehen" in § 9 Abs. 1 ImmMVO bedeutet, daß in den dort taxativ aufgezählten Fällen eine ohne Rücksicht auf den Erfolg der Vermittlung zu zahlende Provision oder sonstige Vergütung nur verlangt werden darf, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde (1 Ob 770/80; 1 Ob 547/82). Daraus folgt, daß eine Klausel, in der eine Provisionspflicht des Auftraggebers für den Fall seines Rücktrittes von einem - vom ausersehenen Vertragspartner noch nicht angenommen - "Anbot" ohne Beschränkung auf die nach der Immobilienmaklerverordnung zulässigen Fälle vereinbart wird, gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Ist aber das "Angebot" von dem vom Vermittler zuzuführenden Vertragspartner bereits angenommen worden, hat der Vermittler ohnehin wegen rechtswirksamen Zustandekommens des Vertrages einen Provisionsanspruch gegen beide Vertragspartner (vgl. §§ 10 Abs. 1, 14 Abs. 1 ImmMV).

Die beklagte Partei hat damit bei Verwendung von Formblättern im geschäftlichen Verkehr eine Bedingung vorgesehen, die gegen ein gesetzliches Verbot - "Gesetz" ist hier im materiellen Sinn zu verstehen - verstößt. Die Anwendung des § 28 KSchG ist zwar nicht auf bedenkliche Bestimmungen beschränkt, die einem Verbrauchergeschäft iS des § 1 KSchG zugrunde gelegt wurden; § 28 KSchG dient aber doch in erster Linie der Unterbindung gewisser, für Verbrauchergeschäfte als ebenso typisch wie nachteilig angesehener Praktiken (Jelinek aaO 795). Die Immobilienmaklerverordnung enthält nicht nur Standesrecht des Immobilienmaklers, sondern auch Konsumentenschutzbestimmungen, auf die sich wegen ihrer allgemeinen Geltung auch Kunden berufen können (§ 69 Abs. 2 GewO 1973; SZ 53/117; ImmZ 1982, 116). Dazu gehört auch die hier verletzte, die Vertragsfreiheit zum Schutz der Kunden beschränkende Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 2 ImmMV. Der Tatbestand des § 28 KSchG ist damit - sogar in typischer Weise - erfüllt. Insoweit ist dem Sicherungsantrag unter entsprechender Verdeutlichung des Verbotes Folge zu geben.

Nicht gefolgt werden kann jedoch der klagenden Partei, soweit sie sich gegen die Abweisung des zweiten Teiles ihres Sicherungsantrages wendet. Die Anwendung des § 1 UWG (sowie einer Reihe anderer Vorschriften des UWG) setzt ein "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbes" voraus. Ob eine Wettbewerbshandlung vorliegt, ist unabhängig davon zu beurteilen, ob sie lauter oder unlauter ist. Der Beurteilung, ob ein Verhalten lauter oder unlauter ist, ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, stets die Frage logisch vorgeordnet, ob überhaupt ein wettbewerblicher Tatbestand gegeben ist. Der Wettbewerber wird nicht schlechthin gegen sittenwidriges Verhalten geschützt. Er genießt Rechtsschutz nach § 1 UWG nur gegen unlautere Wettbewerbshandlungen seiner Mitbewerber (Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbsrecht[13], 264 f.). Ein wettbewerbliches Verhalten liegt nur dann vor, wenn die Handlung objektiv geeignet ist, den Absatz eines - meist des eigenen, allenfalls aber auch eines fremden - Unternehmers auf Kosten der Mitbewerber zu fördern, und in subjektiver Hinsicht von der entsprechenden Wettbewerbsabsicht getragen ist (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht 18 f; Baumbach - Hefermehl aaO 264 ff.; Jelinek aaO 796; Rummel in Koziol, Haftpflichtrecht II 206; ÖBl. 1977, 117; SZ 50/86). Nicht jedes geschäftliche Verhalten eines Gewerbetreibenden ist demnach wettbewerbliches Verhalten; das trifft erst zu, wenn es sich auf Mitbewerber auswirken kann (Baumbach - Hefermehl aaO 265). Da das UWG kein Gesetz gegen unlautere wirtschaftliche Betätigung auf dem Markte schlechthin ist, also nicht ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall nur Verbraucherinteressen oder auch Interessen der Mitbewerber betroffen sind, zur Anwendung kommt, dürfen nur Handlungen erfaßt werden, die sich auf die Marktverhältnisse beziehen (Baumbach - Hefermehl aaO 285).

Im vorliegenden Fall ist - jedenfalls auf der Grundlage des bisher bescheinigten Sachverhaltes - nicht zu erkennen, in welcher Weise die Mitbewerber der beklagten Partei dadurch, daß diese Kunden, die sie bereits für sich gewonnen hatte, gesetzwidrig überhöhte Provisionen verrechnete, nachteilig betroffen werden konnten. Das Verhalten der beklagten Partei ist, wenn es potentiellen Kundenkreisen bekannt wird, eher geeignet, den Absatz der Mitbewerber dadurch zu fördern, daß sich Interessenten von der beklagten Partei abwenden. Die Behauptung des Revisionsrekurswerbers, der Wettbewerbsvorsprung der beklagten Partei liege darin, daß sie Mietern überhöhte Provisionen verrechne und dadurch die Vermieter nicht belaste, so daß sie für diese die attraktivere Maklerin sei, stellt eine unzulässige Neuerung dar, da in erster Instanz eine Behauptung, daß die beklagte Partei den Vermietern niedrigere oder gar keine Provisionen verrechne, nicht aufgestellt wurde. Die bloße Erzielung gesetzwidriger Mehreinnahmen reicht zur Annahme einer Förderung des eigenen Wettbewerbes auf Kosten der Mitbewerber im allgemeinen nicht aus.